Manche Projekte stehen unter keinem guten Stern und dies gilt auch für den Abschluss der X-Men-Trilogie. Ursprünglich hatte Bryan Singer mit 20th Century Fox einen Vertrag über drei Teile, überwarf sich dann jedoch während der Planungen für X-Men: The Last Stand mit dem Studio. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits fest, dass sich der Film um Dark Phoenix drehen würde. Singer verließ schließlich das Projekt, als ihm Warner Bros. anbot, Superman Returns zu inszenieren, von dem zuvor unter anderem McG und Brett Ratner abgesprungen waren. Singer, ein selbst erklärter Fan des Man of Steel, nahm dann nicht nur seinen Drehbuchautoren mit, sondern auch Cyclops-Mime James Marsden. Als potentieller Ersatz auf dem Regiestuhl handelte Fox anschließend verschiedene Namen.
Zu diesen gehörten auch Alex Proyas und Zack Snyder, Ersterer hatte jedoch kein Interesse und Letzterer war mit 300 beschäftigt. Schließlich konnte Matthew Vaughn engagiert werden, der durch sein Debüt Layer Cake zu überzeugen wusste. Vaughn besetzte Kelsey Grammer als Beast und Vinnie Jones als Juggernaut, verließ jedoch nach wenigen Wochen das Filmprojekt wieder. Offiziell aus familiären Gründen gab Vaughn später zu, sich dem Druck von Fox nicht gewachsen gefühlt zu haben, zudem sei das Drehbuch sehr schwach gewesen. Als Ersatz für Vaughn wurde letzten Endes ebenjener Brett Ratner engagiert, der einst bei Superman Returns hätte Regie führen sollen und nun mit seinem persönlichen Freund Bryan Singer die Stühle der jeweiligen Comic-Verfilmungen getauscht hatte.
Zwei Regisseure und über zwei Dutzend Drehbuchentwürfe später konnten die Dreharbeiten zu X-Men: The Last Stand dann endlich beginnen - mit Halle Berry. Dies geschah jedoch unter der Voraussetzung, dass Berry weitaus mehr Leinwandzeit erhalten würde als bei den Vorgängern der Fall. Für sagenhafte 210 Millionen Dollar durfte Brett Ratner, der sich bis dahin hauptsächlich durch die beiden Rush Hour-Filme ausgezeichnet hatte ein Effektgewitter loslassen, welches unterm Strich wenig glaubwürdiger wirkte, als es bei Singers X-Men und einem Budget mit einem Drittel des Umfangs der Fall war. Dennoch gelang es Ratners Film an seinem Startwochenende, wenn auch kurzfristig, Rekorde aufzustellen und im Nachhinein weltweit rund das Doppelte seiner Kosten wieder einzuspielen.
Bei vielen Kritikern und vor allem Fans fiel der Film jedoch durch und das sicherlich nicht unverdient. Löblich sind zwar die Ansätze, die Handlung des Trilogie-Abschlusses auf den Comicbänden The Dark Phoenix Saga von Chris Claremont und Gifted von Joss Whedon zu basieren. Es finden sich auch Querverweise zu anderen Ausgaben aus dem X-Men-Universum, doch das alles tröstet am Ende nicht über das katastrophale Drehbuch von Simon Kinberg und X2-Veteran Zak Penn hinweg. Dieses verstrickt sich den ganzen Film über in Widersprüche und Logiklöcher. Bedauerlicherweise machte der Trilogieabschluss viel von dem kaputt, was Bryan Singer zuvor aufgebaut hatte, was angesichts der Klasse der beiden Vorgänger umso enttäuschender ist. Was man falsch machen konnte, machte Ratner falsch.
Wenige Wochen nach dem Tod von Jean (Famke Janssen) einsetzend, befindet sich Scott (James Marsden) immer noch in einem emotionalen Loch. Die Mutanten scheinen mit der Regierung auf einen gemeinsamen Nenner gelangt zu sein, wurde Hank McCoy (Kelsey Grammer) doch inzwischen zum Kabinettsminister ernannt. Aufgrund eines Mutanten mit besonderen Fähigkeiten lässt sich zudem ein Serum gewinnen, welches als Heilung gegen das Mutanten-Gen verstanden wird. Eine Nachricht, die die Mutantengesellschaft spaltet, allen voran Magneto (Ian McKellen), der eine Armee aufzubauen beginnt. Die X-Men müssen sich derweil entscheiden, auf welcher Seite sie stehen wollen, in diesem scheinbar letzten Gefecht. Dabei müssen beide Lager etwaige Todesfällen und Verluste auffangen.
Das große Manko von X-Men: The Last Stand ist, dass die Dark Phoenix-Handlung rund um Jean, sowie die Gifted-Storyline bezüglich der Heilung weitestgehend aneinander vorbeilaufen, ohne miteinander zu interagieren. Sinnbildlich hierfür steht Famke Janssen, die in den Gifted-Segmenten nutzlos neben Ian McKellen wartet, bis sie sich wieder der anderen Haupthandlung widmen darf. Gefördert wird das Fiasko von den praktisch als Gastauftritte zu bezeichnenden Nebenrollen von Marsden und Rebecca Romijns Mystique, aber auch in verschenkten neuen Rollen wie die des Ur-X-Men Angel (Ben Foster). Ratner scheitert in fast jeder Einstellung daran, mehr als zwei Figuren simultan ins Zentrum rücken zu können, zudem schiebt er auch noch die falschen Figuren in den Fokus.
Den Vogel schießt Ratner dabei vor allem mit den Charakteren von Cyclops und Angel ab. So entgegenkommend es auch ist, Cyclops in die Geschichte einzubeziehen, so unsäglich verkommt dessen Auftritt. Ganze vier Minuten ist Marsden im Bild und darf dabei beeindruckende vier Sätze von sich geben. Da Singer bereits die Figur des X-Men-Leaders zu Gunsten von Wolverine (Hugh Jackman) verschenkt hat, hätte man auf dieses Armutszeugnis getrost verzichten können. Noch erbärmlicher wird das Ganze bei bei der neuen Figur von Angel, der wie Beast/Hank McCoy zu den Gründungsmitgliedern der X-Men zählt. Foster, der extra Krafttraining für die Rolle absolvierte, bringt es auf etwas mehr als zwei Minuten und drei Sätze und wird ebenso verschenkt wie die geopferte Mystique.
Besser wäre es hier gewesen, auf Mystique und Cyclops schlichtweg zu verzichten oder die Rollen neu zu besetzen, wenn man sie in die Geschichte zu integrieren beabsichtigt. Stattdessen muss man sich mit eindimensionalen und uninteressanten Figuren wie Pyro (Aaron Stanford) herumschlagen, die bereits im Vorgängerfilm nicht überzeugte. Auch die Neuzugänge überzeugen nur bedingt. So sorgt Vinnie Jones als Juggernaut zumindest für den ein oder anderen Lacher (obschon Juggernaut gar kein Mutant ist). Serienfans dürfen sich zudem auf Eric Dane als Multiple Man freuen, sowie Ken Leung als Kid Omega und Dania Ramirez als Callisto. Dennoch werden sie alle darauf beschränkt, hilflos neben Magneto zu stehen, während sich die Handlung um sie herum fortentwickelt.
Den Unterschied zwischen X-Men: The Last Stand und seinen Vorgängern merkt man bereits beim Vorspann, der nicht unmittelbar einsetzt, sondern erstmal die Themen vorstellt (passend zum Film individuell und chronologisch). Immerhin schlägt das Fan-Herz bei der nächsten Sequenz stärker, wenn der Zuschauer zumindest eine Ahnung vom Danger Room inklusive Sentinels erhält. Nur ist diese Szene fast schon der Höhepunkt. Während die Phoenix-Saga verschenkt wird, überzeugen mitunter wenigstens die Gifted-Elemente. Was wäre, wenn tatsächlich eine Heilung existieren würde? Für Mutanten wie Storm und Magneto unverständlich, bringt es Beast auf den Punkt: Nicht jeder gliedert sich mühelos in die menschliche Gesellschaft ein. Das lebende Beispiel: Rogue (Anna Paquin).
Da neben der Heilung aber noch ein weiterer Plot besteht und Ratner versucht, das Ganze in 90 Minuten abzuvespern, bleibt nicht viel Zeit, um dieser subversiven moralischen Frage nachzukommen. Die Kräfte wandern stattdessen ins Filmfinale, das durch schwachsinnige und unnötige Einfälle auftrumpft (Warum bewegt Magneto die Golden Gate Bridge, um damit nicht mal 200 Mutanten nach Alcatraz zu bewegen? Ist Angel die ganze Zeit über der Insel geflogen, darauf wartend, dass jemand seinen Vater vom Dach schmeißt? Etc.) Das alles wird abgerundet von schmalzigen Dialogen und weiteren verschenkten Darstellern wie Patrick Stewart (Professor X) und Ellen Page (Kitty Pryde). So ist X-Men: The Last Stand der Abschluss der X-Men-Trilogie, den man dieser nie gewünscht hat.
4/10
Also, ich bin nicht ganz so in der "X-Men Materie" zu Hause wie du, aber ich sehe das durchaus ähnlich, wenn auch nicht in der Schärfe. 5 Punkte oder so tät ich dem Film doch schon geben wollen.
AntwortenLöschenAber es in der Tat auffällig, wie das Potential der Vorlage gerade in diesem dritten Teil ignoriert wird. In der Summe also ein schwacher Abschluss, da gebe ich dir Recht.