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12. Juli 2014

A League of Their Own

There’s no crying in baseball.

Im Mai dieses Jahres war es soweit. Kai Traemann, Sportchef von Bild.de, hat Frauen-Fußball geschaut – genauer: das Champions League-Finale, dass der VfL Wolfsburg gegen Tyresö gewann. „Aus Versehen“, schiebt er sogleich nach. Es kam nichts besseres im Fernsehen, auch nicht auf Eurosport, das beim Sportchef von Bild.de auf Programmplatz 51 landet. Für Traemann scheint Frauen-Fußball irgendwie ein Sport, aber halt kein richtiger. Eine Haltung, die über Fußball hinausgeht. Man jubelt, wenn die Lisicki ins Wimbledon-Finale kommt, aber dasselbe wie Djokovic gegen Nadal ist das nicht. Auf professionellen Frauen-Sport blickt man(n) seit jeher etwas herab. Mit langer Geschichte, wie Penny Marshalls A League of Their Own zeigt.

Ihren Spielfilm von 1992 basierte Marshall auf der All-American Girls Professional Baseball League, die von1943 bis 1954 in den USA bestand. Philip K. Wrigley, Kaugummi-Magnat und Besitzer der Chicago Cubs, hatte sie während des Zweiten Weltkriegs ins Leben gerufen, weil die männlichen Baseballspieler an der Front kämpften. “The show must go on“, dachte sich Wrigley, der zugleich das mögliche Aussterben der Sportart befürchtete. Rund 600 Spielerinnen waren in den nächsten elf Jahren aktiv, in einer der ersten Profi-Sportligen für Frauen, die eine Mischung aus Baseball und Softball praktizierte. Adrett in Röcken und mit Benimmkursen ausgestattet, trugen die Damen ihren Teil zur Bewältigung der Kriegsereignisse bei.

In A League of Their Own (in Deutschland heißt der Film Eine Klasse für sich) wird aus dem Kaugummi-Magnat Wrigley der Schoko-Millionär Harvey. Er beauftragt seinen Manager Ira Lowenstein (David Strathairn) mit der Gründung einer Frauen-Baseballliga. Für diese werden die Schwestern Dottie Hinson (Geena Davis) und Kit Keller (Lori Petty) ausgewählt. Gemeinsam mit anderen Frauen wie Mae Mordabito (Madonna) und Doris Murphy (Rosie O’Donnell) bilden sie das Team der Rockford Peaches. Trainieren soll sie Jimmy Dugan (Tom Hanks), ein versoffener Ex-Profi der Cubs, der aufgrund einer selbstverschuldeten Verletzung seine Karriere beenden musste. Dugan zeigt sich allerdings wenig begeistert von seiner neuen Aufgabe.

“Girls are what you sleep with after the game, not, not what you coach during the game“, bringt dieser seine Skepsis zum Ausdruck. Ähnlich wie Kai Traemann wird Jimmy Dugan eher widerwillig mit dem Frauensport konfrontiert. Und muss, wie auch die Zuschauer, erst dessen Vorzüge erkennen. Dies geschieht über die meiste Zeit des Films hinweg mittels der Figur von Dottie. Sie ist in doppelter Hinsicht ein echter “peach“ – ein richtiger Hingucker und obendrein noch die talentierteste Spielerin im Team. Dabei ist sie nur um ihrer Schwester willen in der Liga aktiv, erwartet eigentlich sehnsüchtig die Rückkehr ihres Mannes Bob (Bill Pullman) von der Front. Damit ist sie, wie sich zeigt, nicht die einzige Spielerin.

Die Frauen lernen, mit dem Sport nicht nur für die Bevölkerung da zu sein, sondern auch füreinander. Zu einer Gemeinschaft zu werden. A League of Their Own widmet sich solcher Momente immer hier und da am Rande, ignoriert sie nicht, verliert sich jedoch auch nicht in ihnen. Da wird nebenbei der Analphabetin Shirley Baker (Ann Cusack) von Mae auf einer Fahrt zum Auswärtsspiel das Lesen beigebracht. Und die jungenhafte Marla Hooch (Megan Cavanagh) darf sich ausgerechnet über einen „Männersport“ als Frau entdecken. Dass jenseits des Atlantik ein Krieg herrscht, wird ebenfalls nicht vergessen. Dottie erwähnt in einer Szene, dass ihr Bob seit Wochen nicht geschrieben hat. Und dann gibt es plötzlich ein Kriegstelegramm.

Penny Marshall gelang mit A League of Their Own ein erfrischend „altbackener“ Film in bester Hinsicht. Heutzutage würde Hollywood Dottie wohl in ein Liebesdreieck mit Jimmy und Bob drängen, hier beschränkt sich die Beziehung von Coach und Spielerin jedoch auf gegenseitige Bewunderung. Der Fokus liegt dabei sicher auf Dottie und ihr Verhältnis zu Kit, die sie stets in den Schatten drängt. Nicht alle Peaches treten in den Vordergrund, selbst Madonna wird eher spärlich eingesetzt. Dennoch fühlt sich der Film nicht wie eine One-Woman-Show von Geena Davis an, gerade der Konflikt mit Lori Pettys Figur wirkt glaubwürdig und spannend. Im Grunde hätte man ihn sogar noch mehr in den Mittelpunkt rücken können.

Eigentlicher Star des Films – und das ist fast das Zynische – ist jedoch Tom Hanks als versiffter Verlierer, der um keinen dummen Spruch verlegen ist und am Ende wieder zu dem Mann wird, der er irgendwann mal war. Hanks zeigt seine komödiantische Klasse, die ihn in den 80ern zum Star hat werden lassen. Auch Jon Lovitz bereitet in einer Nebenrolle als sarkastischer Scout jede Menge Spaß, abseits vom Humor überzeugt A League of Their Own jedoch aufgrund seiner Emotionen. Ergreifend gerät da der Schluss, wenn die Gruppe greiser Frauen die alte Hymne ihrer Liga anstimmt, umgeben von einander und von Erinnerungsstücken, die selbst den kleinen Stilwell (Mark Holton) beim Anblick eines Fotos seiner verstorben Mutter berühren.

Wenn Jimmy Ende des zweiten Akts Dottie vom Baseball überzeugen will, ließe sich dies im Grunde auch auf das Leben an sich münzen: “It’s supposed to be hard. If it wasn’t hard, everyone would do it. The hard... is what makes it great.“ Ein Satz, der selbst auf die Qualität des Films zutrifft, auch wenn seine Umsetzung und Inszenierung vermutlich nicht allzu schwer war (selbst wenn die divenhafte Madonna seinerzeit anders darüber dachte). A League of Their Own ist eine “old school“ Sportkomödie, die unterhält und berührt. Nicht, weil ihre Figuren Frauen sind, sondern Menschen. Und wenn sich diese Sichtweise verstärkt durchsetzt, schalten Machos vielleicht irgendwann auch nicht mehr nur „aus Versehen“ Frauen-Sport-Übertragungen ein.

7.5/10

6. Dezember 2009

Classic Scene: Southland Tales - "You're a fucking slut"

DIE SZENERIE: Eine Gruppe von Neo-Marxisten rund um Zora Carmichaels plant einen moralischen Angriff auf die republikanische Regierung. Zwei ihrer Mitglieder, Dream und Dion, inszenieren einen Ehestreit eines frisch getrauten Paares. Hinzu kommen sollen Ronald Taverner, der als sein Zwillingsbruder verkleidet einen rassistischen UPU-Polizisten mimt und die beiden Eheleute vermeintlich erschießt. Blutpäckchen sollen von Bing, einem Helfershelfer, gezündet werden, um die Authentizität zu wahren. Als Vermittler dient Schauspieler Boxer Santaros, der für seinen neuen Film recherchiert und mit der Tochter des Gouverneurs verheiratet ist. Doch als der Beamte Bart Bookman auftaucht, eskaliert die Situation.

INT. HOUSE – LIVING ROOM
- DAY

Dream and Dion breathe slowly in and out, eyes closed.

DREAM: Transform. Breath. Dream.
DION (screams and gestures): Did you fuck him?
DREAM: Yeah, I fucked him!

Dion groans.

DREAM: I fucked him real good.
DION: You liked it?
DREAM: I fucking loved it.
DION: You bitch!
DREAM: I fucked your brother last night, too!

Dion groans again.

DREAM: I’ll fuck him in front of you, too.
DION (points his finger at her): You’re a fucking slut.
DREAM: Don’t point your finger at me.
DION: Bitch, I’ll fucking kill you!
DREAM: You kill me I get the fucking cops down here so fast.
DION (gestures wildly): How? How? How? You’re going to be dead.
DREAM: I know people.

INT. SHACK
- DAY

BING: They’re so good at improv.
ZORA: Shh.

INT. HOUSE – LIVING ROOM

DION (jumps up and down): Oh, I fucking hate you!
DREAM: I fucking hate you!
DION: Don’t marry a ho.
DREAM: I wish we’d never got married.
DION: You can’t make one a housewife. You can’t! Fuck!
DREAM: I don’t want to be a fucking housewife! I like to suck dick!

Dion groans again.

DREAM (cont.): That’s what I like to do.

Dion groans and starts to punch the air.

EXT. STREET
-DAY

Boxer and Ronald arrive outside on the street in their police car. So does Bart Bookman.

BOXER: Oh, look. Fellow officer of the law.

BOOKMAN: Howdy.

Boxer smiles naively and raises his hand in greeting.

BOOKMAN (cont.): Hermosa Beach. Little bit out of your jurisdiction. Don’t you think?

RONALD: Well, there is no jurisdiction. We’re all UPU 2 now.

WOMAN ON RADIO (O.S.): We have a possible domestic disturbance at 14000 Nowita Place, do you copy?

BOOKMAN: Boxer Santaros?

BOXER (raises his hand in greeting again): Good evening, Officer. I’m researching my movie.

DION (O.S.): I call you what you are. I’ll call you what I see. You’re a fucking bitch!
DREAM (O.S.): Fuck You!

BOOKMAN: Sounds like you could use a little back-up.

Boxer nods his head in agreement.

RONALD: I think I can handle this.

BOOKMAN: No. I think you could use a little back-up.

DION (O.S.): You fucking bitch!
DREAM (O.S.): Fuck you. Don’t call me a fucking bitch.
DION (O.S.): That’s what I called you and I’ll fucking kill you.
DREAM (O.S.): His fucking dick was 200 inches long. You can’t get your dick hard.
DION (O.S.): What?
DREAM (O.S.): You can’t fucking lay me.
DION (O.S.): What?

Ronald, Boxer and Bookman walk down the path to 14000 Nowita Place.

RONALD: Right behind you, Officer.
DION (O.S.): I give you my dick hard.
RONALD: Never seen so much fog.
BOOKMAN: Tidal generator.
DREAM (O.S.): Fucking asshole.

They enter the backyard garden.

DION (O.S.): You fucking slut. That’s what you are. A fucking slut.
DREAM (O.S.): You can’t get your fucking dick hard. You want me to go fuck your brother on our wedding night.

INT. SHACK

Bing holds the detonator for the fake blood wounds.

DION (O.S.): I’ll fucking knock the shit out of you, bitch.

Zora holds him back, afraid he detonates too early.

DREAM (O.S.): You’ll have to tie me up…
DION (O.S.): I’ll fucking kill you!

EXT. BACKYARD
- DAY

To Moby’s 3 Steps Bookman, Ronald and Boxer with his camera approach the backdoor of Dion’s and Dream’s house while both are still heavily arguing.

DREAM: Fuck you! Don’t fucking say that to me! You’re a fucking dick. I can’t even believe I married you.
BOOKMAN (interrupts): What the fuck is wrong with you people?

Dion and Dream turn to the intruding trio.
INT. SHACK

BING: Is that Ronald?

INT. HOUSE - LIVING ROOM

Dream and Dion look at each other, uncertain what to do.

DREAM (raps): Check this out, pig. Fascist dogma applied. Revolution by surprise. My vagina will not be denied a vote in your subjective election. That’s an original poem. By Dream.

Bookman pulls his gun out of his holster and points it at Dream. Boxer’s eyes widen in shock. Bookman shoots Dream in the chest.

DION (O.S.): Oh, shit.

INT. SHACK

Bing detonates the fake blood explosion. It explodes obviously too late.

INT. HOUSE - LIVING ROOM

BOOKMAN: Dream over.

Dion looks at Dream’s body in shock. He turns to Bookman who points his gun at him and shoots him in the chest, too.

INT. SHACK

Again, Bing triggers the detonator too late which causes a delayed fake blood explosion.

INT. HOUSE - LIVING ROOM

Boxer gasps in disbelief of what he just witnessed.


BOOKMAN (cont.): Flow my tears.

ZORA: Now that was loud. And that was funny.

BOXER: They weren’t armed.

Bookman takes Boxer’s camera from him and films the actor who starts a nervous dance with his finger tips.

BOOKMAN: This is my deal now. Now get the fuck out of here. Santaros.

Boxer and Ronald look at each other. Boxer flees the scene.

BOOKMAN (to Ronald): You’re not really here.

RONALD: Who am I?

BOOKMAN: None of your business. Now get the fuck out of here.

PILOT ABILENE (V.O.): It was an inspired idea. A staged double-murder, committed by a racist cop, captured on tape by a movie star with political ties.

BOOKMAN (to Ronald): Go!

PILOT ABILENE (V.O.): But no one could have anticipated the untimely arrival of Officer Bart Bookman.

Ronald flees the scene while Wave of Mutilation from the Pixies starts to play.

17. Juli 2008

Southland Tales

Ladies and gentlemen, the party is over. Have a nice apocalypse.

Die vergangenen Zeiten sind schon lange her und inzwischen wartet jede Woche in unserem Leben mit Filmstarts bis zu sieben und mehr Werken auf. Lediglich wenn ein Großkaliber wie Indiana Jones droht, werden die Starts gerne verschoben, aber Filme sind inzwischen vollkommen nach der Nachfrage ausgerichtet. Hin und wieder gibt es sie aber noch, die kleinen Geheimtipps, Filme, die im Auge der Öffentlichkeit untergehen, durch Mundpropaganda oder letztlich auf DVD zu Ruhm aufsteigen. Oft finden sich auch Filme darunter, die von Kritikern, Fans oder beiden schlecht geredet werden, mitunter werden sie auch deswegen erst wirklich interessant. Einen solchen Geheimtipp – zwar nicht schlecht geredet, aber kaum beachtet – lieferte Richard Kelly 2001 mit seinem apokalyptischen Mysterie-Thriller Donnie Darko ab. Inzwischen hat das Werk nicht nur Kultstatus erreicht, sondern auch die Hollywood-Karriere von Newcomer Jake Gyllenhaal begründet, der sich demnächst als Prince of Persia verdingen darf. Regisseur und Autor Kelly selbst wurde hochgelobt, gefeiert und sein nächstes Projekt mit Hochspannung erwartet. Vier Jahre arbeitete Kelly an seinem neuesten Film, der den Titel Southland Tales tragen und als multimediales Konglomerat funktionieren sollte.

Die Vorgeschichte des Filmes würde in ein sechsbändiges Comicheft verpackt, der Film selbst sollte die letzten drei Kapitel der Geschichte beinhalten. Vor zwei Jahren feierte Southland Tales schließlich auf dem Filmfestspielen in Cannes seine Weltpremiere mit einer Laufzeit von 160 Minuten. Anschließend wurde der Film von den Kritikern verrissen, niedergemacht und die Karriere von Kelly quasi ad acta gelegt. Niemand konnte etwas mit den Visionen des jungen Regisseurs anfangen, geschweige denn die erzählte Geschichte ansatzweise begreifen. Doch Kelly ließ sich nicht unterkriegen, schnitt den Film um und änderte seine gesamte Planung des Projektes. Es wurden nicht nur zwanzig Minuten des Filmes zugunsten der Fokussierung auf eine Hauptfigur (Boxer) geschnitten, auch die Vorgeschichte wurde statt in sechs Comicbände der Einfachheit halber in drei Comicausgaben verpackt. Während manche Rezensenten wie das EMPIRE Magazin ihre Meinung anschließend verbesserten, blieb dem deutschen Kinopublikum bis heute eine Sichtung des Filmes verwehrt, auf DVD ist der Film nur im Bundle mit Donnie Darko erhältlich.

This is the way the world ends
This is the way the world ends
This is the way the world ends
Not with a whimper but with a bang.


Die drei Bände erschienen von Mai 2006 bis Januar 2007 und sind inzwischen auch zusammengefasst im Handel erhältlich. Zwar lässt sich Southland Tales auch ohne die Kenntnis der Comics verfolgen, doch helfen diese einzelne Beziehungen wie die zwischen Roland Taverner und Pilot Abilene besser zu skizzieren und nachzuvollziehen. In Two Roads Diverge wird das Geschehen eingeläutet, so wie es Kelly zu Beginn von seinem Film nacherzählen wird. Der ehemalige Football- und jetzige Filmstar Boxer Santaros wacht in der Wüste von Nevada auf, orientierungs- und erinnerungslos. Zufällig stößt der Spieler und Kriminelle Fortunio Balducci auf Boxer und sammelt diesen auf. Da Fortunio aufgrund von Spielschulden Los Angeles verlassen muss, braucht er ein Visum, um die Grenzen passieren zu können. Hierfür sucht er die ambitionierte Pornodarstellerin Krysta Now auf, die Verbindungen zu Regierungsbeamten hat. Die gesamte Handlung findet hierbei in einer alternativen Zukunft der Vereinigten Staaten des Sommers von 2008 statt. Al Quaeda hat zwei Nuklearwaffen am amerikanischen Unabhängigkeitstag 2005 in Amerika gezündet, ein Ereignis, das als „American Hiroshima“ in Erinnerung blieb.

I’m a pimp and pimps don’t commit suicide.

Fortan befinden sich die USA im Dritten Weltkrieg mit der Achse des Bösen (Irak, Iran, Nordkorea, Afghanistan, Syrien, Saudi-Arabien) und sind zum Überwachungsstaat verkommen. Wer einen der Bundesstaaten überqueren will, bedarf eines Visums, unzählige Kameras der Firma USIDent verfolgen die Bürger auf Schritt und Tritt. USIDent ist ein geistiges Kind von Nana Mae Frost, Ehefrau des republikanischen Senators Bobby Frost, der 2008 für die Position des Vizepräsidenten kandidiert. Beide haben eine Tochter, Madeline Frost, zugleich Ehefrau von Boxer Santaros. Die drei Comicbänden von Kelly sind so komplex, dass es unmöglich ist, sie in Kürze abzureißen. In den weiteren Ausgaben Fingerprints und The Mechanicals wird der Leser noch die Bekanntschaft von Jimmy Hermosa, Zora Carmicheals sowie Dion und Dream machen. Insbesondere aber der Baron Von Westphalen, Mitbegründer der nach seinem Heimatort Trier benannten Firma Treer und Entdecker des alternativen Treibstoffs Fluid Karma wird sich als Hauptantagonist herausstellen. Was es genau mit Fluid Karma auf sich hat und welche Rolle Simon Theory und Teena MacArthur darin spielen, wird ebenso thematisiert wie das ominöse Drehbuch „The Power“, welches von Krysta Now verfasst wurde und die letzten drei Tage auf Erden beschreibt.

Wie angesprochen bedarf es nicht notwendigerweise der Comichefte, um dem Film folgen zu können. Worum es sich genau bei USIDent, Fluid Karma und den Neo-Marxisten handelt, erfährt man auch zur Genüge im Film. Um den Themenkomplex von Kellys Offenbarung jedoch vollends – oder ansatzweise – zu verstehen, kann eine Studie der Prequels nicht schaden. Manche Dinge lässt Kelly in Southland Tales auch nochmal wiederholen, beispielsweise die Pressekonferenz von Baron Von Westphalen und seiner Mutter Inga. Im Vorspann zeigt Kelly die Geschehnisse des „American Hiroshima“ und seine Auswirkungen auf die amerikanische Gesellschaft. Soldaten werden willkürlich zum Kriegsdienst eingezogen, darunter auch Roland Taverner (Seann William Scott) und der Nachwuchsschauspieler Pilot Abilene (Justin Timberlake). Beide werden im irakischen Falludscha ein Erlebnis teilen, welches für die Handlung von Southland Tales mitentscheidend sein wird. Doch Southland Tales befasst sich mit verschiedenen Erzählsträngen, die immer wieder miteinander verwoben werden. Essentiell für die Geschichte ist die Präsidentschaftsvorwahl der Bürger von Kalifornien, besteht in Kalifornien doch seit zwei Jahrzehnten erstmals die Chance für die Republikaner die Oberhand behalten zu können. Um liberaler zu wirken, macht Senator Bobby Frost gemeinsame Sache mit dem egomanischen Baron Von Westphalen und Treer.

Two roads diverged in a wood, and I –
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.

Allerdings verfolgt der Baron eigene Pläne und der gemeinsame Interessenspunkt scheint der verschollene Boxer Santaros (Dwayne Johnson) zu sein. Dieser kann sich weder erinnern wer er ist, noch was seine Bestimmung sein soll. Pornodarstellerin Krysta Now (Sarah Michelle Gellar) nutzt dies gekonnt aus und verkauft Boxer das von ihr verfasste Drehbuch „The Power“ als dessen eigenes Gedankengut. Für die Recherche seiner Filmrolle als apokalyptischer Cop Jericho Cane bedarf es jedoch eindringlichen Nachforschunugen, welche die Neo-Marxisten um Zora Carmichaels (Cheri Oteri) für sich zu nutzen versuchen. Roland wurde entführt und sein Zwillingsbruder Ronald soll seinen Platz einnehmen. Die Idee ist, dass Roland als rassistischer Cop einen Mord an den Untergrundikonen Dion und Dream inszeniert, damit durch Boxer Santaros die Ambitionen des Republikaners Bobby Frost gedämpft werden. Letztlich kommt aber alles ganz anders, wie jeder gedacht hat, denn die Lager verschieben sich bei allen Figuren ein ums andere Mal, ebenso wie Freund und Feind.

In mancher Hinsicht können die Prequels somit zum Verständnis der Figuren beitragen. Wer sich die filmische Version von Krysta Now ansieht, erblickt kaum mehr als ein blondes Dummchen, welches gegen den Krieg und die Negierung von Jugendgeilheit vorgeht. Dabei ist Krysta Now in den Prequels eine selbst bestimmte und äußerst starke Persönlichkeit. Sie hat ihren eigenen Kopf und weiß diesen auch oftmals durchzusetzen – dieser Charakter ihrer Persönlichkeit kommt bedauerlicherweise im Film nicht oft zum Tragen. Die etwas naive Krysta wird aber in dieser Hinsicht äußerst gelungen von Sarah Michelle Gellar dargestellt, der man nicht nur das blonde Dummchen, sondern auch die Pornoactrice sofort abnimmt. Ähnlich glaubhaft ist auch die übrige Besetzung gelungen, von Mandy Moore als Madeline Frost Santaros bis hin zu Seann William Scott als Roland und Ronald Taverner. Ein besonderes Lob gebührt jedoch Dwayne Johnson, ehemals als The Rock bekannt, der hier eine starke Leistung abliefert und Erinnerungen an seine überzeugende Darstellung des schwulen Bodyguards in Be Cool wachruft. In Nebenrollen sind zudem Kevin Smith und Janeane Garofalo zu sehen, auch wenn Garofalos Figur von Teena MacArthur in der neu geschnittenen Version lediglich kurz in einer Szene zu sehen ist. Wer seine Augen aufsperrt kann sogar einen Cameo von Skandal-Regisseur Eli Roth erhaschen.

Teen horniness is not a crime.

Was aber bei Southland Tales besonders herausragt, ist sein Soundtrack. Richard Kellys Entscheidung, Musiker Moby diesen komponieren zu lassen, ist ein wahres Geschenk. Dessen elegische Stücke tragen auch eine Vielzahl von Szenen, darunter die finale Doomsday-Sequenz, aber auch eine der gelungensten Einstellungen, der Inszenierung von Dion und Dreams Erschießung. Diese wird nicht nur großartig von Mobys „3 Steps“ eingeleitet, sondern auch ebenso genial mit „Wave of Mutilation“ von den Pixies beschlossen. In das Gesamtbild des Soundtracks fügen sich aber auch „All the Things I’ve Done“ von The Killers ebenso brillant ein, wie Rebekah del Rios Version des „Star Spangled Banner“. Genauso sollte man auch die vielen Referenzen zu den Prequels lobend erwähnen, wie Bart Bookmans einsilbiges „Flow my tears“, welches dem Nichtkenner ziemlich wenig sagen wird. Hierzu kann man sicher auch die etwaigen „Do you bleed?“-Anspielungen zählen, die sich ohne die Vorgeschichte nicht nachvollziehen lassen. Insgesamt ist Richard Kelly bei einem bescheidenen Budget von 15 Millionen Dollar eine sehr stimmige Anknüpfung mit seinen Kapiteln „Temptation Waits“, „Memory Gospel“ und „Wave of Mutilation“ gelungen. Es bleibt zu hoffen, dass Kellys Intention die Cannes-Version noch auf DVD zu veröffentlichen Gehör finden wird, da der „Director’s Cut“ neue Einblicke gewähren dürfte.

Den ersten Drehbuchentwurf hatte Richard Kelly 2001 wenige Wochen vor dem 11. September verfasst. Damals war Southland Tales noch als Seitenhieb auf Hollywood konzipiert worden. Doch die Ereignisse und Auswirkungen von 9/11 änderten Kellys Perspektive. Jetzt ist sein Film eine Satire über den Weltuntergang geworden, die bewusst überzeichnet ist und gewollt idiotisch und lustig wirken soll. Beeinflusst wurde Kelly für seine Geschichte von vielen verschiedenen anderen Werken, darunter zuvorderst sicherlich die Offenbarung des Apostels Johannes. Aber auch Robert Aldrichs Kiss Me Deadly zählt zu den großen Einflüssen des Filmes. Hierzu kommen dann noch wiederkehrende Zitate der amerikanischen Dichter Robert Frost („The Road Not Taken“) und T. S. Eliot („The Hollow Men“), sowie von Philip K. Dick und dem auf den Soundtrack enthaltenen Lied „Three Days“ der Gruppe Jane’s Addiction. Nunmehr ist Southland Tales ein metaphysisches und psychologisches Werk, dessen wahre Deutung wohl nur Kelly selbst vorbehalten bleibt, wie zuvor auch bei seinem Mysterie-Film Donnie Darko der Fall gewesen.

We saw shadows of the morning light
the shadows of the evening sun
until the shadows and the light were one.

Entgegen mancher Interpretation ist Southland Tales jedoch keine Verfilmung der Offenbarung, sondern bedient sich nur einiger Teile von dieser, ohne direkt auf das geschilderte Geschehen von Jesus’ Lieblingsjünger näher einzugehen. Insbesondere die wiederkehrenden Zahlen (12, 7, 4) tauchen im Film selbst nicht auf, auch die vier Reiter der Apokalypse lassen sich schwerlich erkennen, wie auch keine sieben Posaunen geblasen oder Siegel gebrochen werden. Die Interpretation ist dabei nicht immer einfach, schreibt der Film schließlich mancher Figur eine Rolle zu, die man durch bloßes Sehen anders besetzen würde. Bestes Beispiel hierfür ist die Verklärung durch Pilot Abilene, der die Funktion des Erzählers und somit des Chronisten Johannes einnimmt, dass es sich bei den beiden Zeugen um Boxer und Roland handelt. Dabei hat man als Zuschauer vielmehr das Gefühl, dass diese Rolle Dion und Dream gebührt. Ebenso verhält es sich mit dem apokalyptischen Reiter des weißen Pferdes, der im Film zwar als Walter Mung (Christopher Lambert) identifiziert wird, aber letztlich durch Martin Kefauver (Lou Taylor Pucci) dargestellt wird. Ohnehin wird – auch mit den Prequels – die Rolle von Mung in der Geschichte nicht wirklich geklärt, scheinbar gehört er aber zu den Neo-Marxisten und somit zum Baron.

Nobody rocks the cock like Krysta Now!

Aber es lassen sich durchaus einige Dinge mehr oder weniger identifizieren, so zum Beispiel Utopia Three als das Wasserungeheuer Leviathan und sein Äquivalent Behemoth zu Land (der Megazeppelin). Mit diesem geht letztlich auch der falsche Prophet Boxer unter, gemeinsam mit der Hure Babylon (Krysta Now), dem Antichristen (Baron), sowie seinen Puppen und Marionetten. Was genau mit dem Messias (Roland/Ronald) passiert, bleibt am Ende des Filmes offen, wie auch einige andere Fragen noch ungeklärt sind. Eine von ihnen wäre, wie Roland aus dem Treer Fahrzeug gelangen konnte, während Boxer mit diesem in die Luft gesprengt wurde. Oder wie es den Taverners gelang, beide Exemplare von Roland einzusammeln, nicht aber Boxer, denn die Beteiligung von Fortunio war insofern nicht von Anfang an geplant (siehe Temptation Waits). Vielleicht wird hier jedoch der Director’s Cut, ein Audio-Kommentar oder Bonusmaterial zukünftig noch etwas Licht ins Dunkle bringen. Vielleicht war dies von Kelly aber auch nie beabsichtigt, denn das Tolle an Southland Tales ist, dass der mit jeder Sichtung wächst, man jedes Mal etwas mehr versteht. Mit seinem Donnie Darko–Nachfolger ist Kelly ein außergewöhnlicher Film gelungen, ein satirischer Seitenhieb auf die heutige Gesellschaft und ein äußerst amüsantes und verqueres Zerrbild einer apokalyptischen Vision. Die Reaktionen auf den Film zeigen, dass er beileibe keine einfache Geschichte erzählt, wer sich auf den Film einlässt wird allerdings belohnt.

9/10