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12. Februar 2011

127 Hours

Rock on!

In seinen Filmen berichtet der britische Regisseur Danny Boyle stets von Isolation, von der Ausgrenzung einer kleinen Gruppe vom Rest der Gesellschaft. Sei es eine exklusive und  exzentrische Wohngemeinschaft in Shallow Grave, Junkies in Trainspotting, ein Liebespaar auf der Flucht in A Life Less Ordinary, eine Backpacker-Kommune in The Beach, Überlebende einer Zombie-Pandemie in 28 Days Later, zwei Kinder mit spontanem Reichtum in Millions, Astronauten auf Weltrettungsmission in Sunshine oder indische Straßenkinder auf der Suche nach Liebe in Slumdog Millionaire. Doch nie inszenierte Boyle dieses Thema der Isolation so konsequent und offensichtlich, wie in seinem jüngsten Abenteuerdrama 127 Hours.

Nach seinem Regie-Oscar vor zwei Jahren hätte Boyle in die A-Liga Hollywoods aufsteigen können, wo die Budgets im neunstelligen Bereich laufen. So war der Brite unter anderem für die Inszenierung des neuen Bond-Films im Gespräch, doch schlechte Erfahrungen mit The Beach dürften Boyle weiterhin vom Blockbuster-Kino zurückschrecken lassen. Stattdessen nutzte er den Karriere-Push des Oscars, um eine Geschichte durchzuboxen, die er bereits seit Jahren erzählen wollte: Die Geschichte von Aron Ralston. Als der gelernte Maschinenbauer und begeisterte Bergsteiger im Mai 2003 auf eine Wochenendwanderung in den Blue John Canyon in Utah aufbrach, war er beinahe nicht mehr zurückgekehrt.

Die Geschichte eines Mannes, der über fünf Tage lang (genauer: 127 Stunden) durch einen Felsbrocken eingeklemmt war und zu verdursten drohte, ist nun mangels Interaktion und Action nicht gerade von großem Interesse. Und dennoch gelingt es Boyle mit 127 Hours ein packendes und intensives Drama abzuliefern, was umso bemerkenswerter ist, da der Ausgang des Szenarios bekannt ist. Hier verkommt ein vorbei fliegender Rabe und 15 Minuten morgendlicher Sonnenschein nicht nur für Aron Ralston (James Franco) zum Happening. Dass der sich durch den Canyon preschende Lichtstrahl Ralston auch angesichts seiner Situation noch ein bewunderndes Lächeln beschert, charakterisiert die Figur ganz gut.

Früh beginnt er, sich seinen Wasservorrat einzuteilen und verflucht, seine zusätzliche Flasche Gatorade im Wagen und sein Schweizer Armeemesser zu Hause gelassen zu haben. Ralston ist ein Abenteurer, der seine Wochenenden lieber alleine in der Natur verbringt, als mit seiner Freundin Rana (Clémence Poésy). Die Rückblenden, die Boyle seinem Protagonisten schenkt, zeigen ein ambivalentes Bild von ihm. So scheint er seinem Vater (Treat Williams) die Liebe zu den Canyons zu verdanken, seine Mutter (Kate Burton) ruft er jedoch nie zurück und mit Rana macht er schweigend während eines Basketballspiels Schluss. Es wirkt, als pralle dies alles am extrovertierten Ralston ab, der einzig für seine Naturausflüge lebt.

Als er zu Beginn die verirrten Freundinnen Kristi (Kate Mara) und Megan (Amber Tamblyn) trifft, verbringt er zwar einige Stunden mit ihnen, aber wenn Kristi bei der Verabschiedung resümiert, dass sie ihn wohl eher aufgehalten haben, liegt das nahe an der Wahrheit. Den Preis für seine Egomanie zahlt Ralston spätestens dann, als ein losgelöster Felsbrocken seinen rechten Unterarm einklemmt. Die Rückblenden, sowie Aufzeichnungen auf seiner Digitalkamera, unterbrechen gelungen die dramatische Situation. Wirklich nahe bringen sie einem die Hauptfigur jedoch nicht, die zwar nicht unsympathisch wirkt, deren Befreiung man ihr jedoch eher wünscht, weil man niemanden so enden sehen will.

Zugleich spielt James Franco (obschon nur zweite Wahl des Regisseurs) den lebensfrohen Ralston mit einer ebenso lebendigen Leistung. Es ist logisch und konsequent, dass von seiner Darstellung der Erfolg des Filmes abhängt, gibt es doch keine Szene, in der er nicht zu sehen ist. Audiovisuell ist 127 Hours dabei wie die meisten Filme Boyles ein Genuss, selbst wenn das Splitscreen-Verfahren zu Beginn ob seiner Länge und plakativen Verdeutlichung des Filmthemas (Gesellschaft der Massen vs. Isolation von Ralston) gerne kürzer hätte geraten dürfen. Ähnlich verhält es sich mit Ralstons durch Dehydrierung ausgelösten Halluzinationen, von denen besonders seine Schwester (Lizzy Caplan) keinen Mehrwert bringt.

Wo Boyles Mumbai-Märchen zum Feel Good Movie des Jahrzehnts verschrien wurde, käme dieser Titel zumindest in seinem Œuvre eher 127 Hours zu. “He went in there broken, and came out whole“, sieht der Regisseur selbst die Katharsis seiner Figur, die erst in einer Bergschlucht merkte, was in ihrem Leben falsch lief. Ist der Film gerade in seiner Klimax quälend-hoffnungsvoll, sprießen die satten rot-braun Töne der Bilder ansonsten vor lebensbejahender Freude. Mit 127 Hours ist Danny Boyle ein bisweilen amüsantes, sowie weitestgehend intensives Drama von abenteuerlicher Romantik gelungen, ansprechend audiovisuell verpackt und garniert mit einer bewegenden Leistung des Hauptdarstellers.

7.5/10

27. September 2010

Hot Tub Time Machine

It felt good. Admit it.

Nimmt sich ein Zeitreise-Film halbwegs Ernst, greift er das Problem des Schmetterlingseffektes auf. Eine Veränderung in der Vergangenheit kann Folgen auf die Gegenwart haben. Ein Paradoxon, natürlich, da eine Veränderung in der Vergangenheit, die Folgen auf die Gegenwart hätte, dementsprechend bereits bekannt wäre. Nichtsdestotrotz dient der Schmetterlingseffekt im Zeitreise-Film schlechthin, Back to the Future, als netter Aufhänger für die Geschichte des Filmes. Michael J. Fox platzt in die Schulzeit seiner Eltern und verhindert, dass diese sich ineinander verlieben. Oder tut er dies wirklich? Das Paradoxon kommt wieder ins Spiel, wer weiß ob Marty McFly überhaupt existieren würde, wenn er nicht in die Vergangenheit gereist wäre. Weit weniger ernst nimmt diese Prämisse nun Steve Pinks Hot Tub Time Machine, der sich eher daran labt, zurück in die Vergangenheit zu reisen. Passender Weise natürlich in die achtziger Jahre, womit die Referenzen zu Back to the Future nicht aufhören, sondern im Grunde erst anfangen.

Ist die Schulzeit vorbei, verflüchtigen sich auch die Bekanntschaften. Man geht seine eigene Wege, kämpft mit seinen eigenen Problemen. Adam (John Cusack) zum Beispiel kommt eines Abends nach Hause, um festzustellen, dass seine Freundin ausgezogen ist und dabei nicht nur die Dinge mitgenommen hat, die ihr gehört haben. Sein Neffe Jacob (Clark Duke) sitzt derweil im Keller und zockt Second Life, während Pantoffelheld Nick (Craig Robinson) in einem Hundesalon arbeitet. Es ist ein vermeintlicher Suizidversuch ihres Kumpels Lou (Rob Corddry), der Adam und Nick auf den Plan ruft. Spontan wird beschlossen, auf die alte Skihütte zu fahren, um der vergangenen Zeiten zu gedenken. Ein lahmer Abend, der im Whirpool und nach einigen Runden Alkohol, inklusive des illegalen russischen Energiedrinks Chernobly, im Jahr 1986 endet. Auf Anraten von Jacob und dessen Stargate-Fankenntnisse müssen nun alle darauf achten, genau das zu tun, was sie damals auch getan haben.

Der Auftakt für einige nette Anekdoten und nostalgische Erinnerungen an die Achtziger. Nicht gerade die schönsten Erinnerungen für manche, resümiert Adam doch: „We had like Reagan and AIDS“. Für Nick dagegen war es eine bessere Zeit, war damals Michael Jackson doch noch schwarz und sein Nachname „Webber“ im Gegensatz zur Gegenwart, wo er den Namen seiner Frau angenommen hat. Alle Drei haben nun mehr oder weniger Opfer zu bringen, um sicherzustellen, dass alles sich so abspielt, wie es sich einst abgespielt hat. Für den damals in einer Band spielenden Nick bedeutet dies, mit einem Groupie seine Frau zu betrügen, was ihm merklich schwerfällt, obschon diese ihn zuvor betrogen hat. Adam wiederum muss mit seiner scharfen Freundin Jenny (Kick-Ass' Lyndsy Fonseca) Schluss machen und fürchtet den damaligen Stich mit einer Gabel ins Auge. Währenddessen versucht Lou einer alten Schlägerei mit Blaine (Sebastian Stan) von der Ski-Patrouille aus dem Weg zu gehen und Jacob kämpft damit, dass seine Mutter ein koksendes Flittchen ist.

Die Reminiszenz an das Jahrzehnt des schlechten Geschmacks weicht dann relativ rasch der klassischen Komödienformel. Hier und da gibt es kleinere nette Szenen, die Emails und Handys ins Spiel bringen, aber wie Nick sagen würde: „That’s not the point“. Stattdessen geht es für die drei Protagonisten eher darum, ihre miserable Gegenwart durch ein Eingreifen in die weitaus illustere Vergangenheit zu beeinflussen - was Jacob unter allen Umständen vermeiden möchte. Aber auch dies ist eher eine Randerscheinung eines Filmes, der mehr Wert auf gute Stimmung denn eine gute Handlung legt. So versucht Hot Tub Time Machine den Geist der Achtziger-Komödien einzufangen und wie sollte das besser gehen, als mit John Cusack in der Hauptrolle? Dementsprechend baut Pink kleine Referenzen zu Better Off Dead… und Say Anything… ein, was jedoch nicht dabei hilft, dass Cusack selbst etwas von seiner damaligen Aura wiedergewinnt. Er und Duke sind es, die dem Erzählfluss stets ein Bein stellen und das Tempo drosseln.

Da hilft auch Lizzy Caplan in einer Nebenrolle wenig, mit der sich Cusack speziell im zweiten Akt primär die Zeit vertreibt, während Dukes Figur eine ausgesprochen Undankbare ist, die wenig bis gar keine Sympathien zu erzeugen vermag. Stattdessen lebt Pinks Film von Robinson und Corddry beziehungsweise von der Naivität und Coolness des Ersteren und ungezügelten Vulgarität des Letzteren. Ein herrlicher running gag besteht beispielsweise aus Lou, wie er in jeder halbwegs gefährlichen Situation darauf hofft, dass der einarmige Page (Crispin Glover) aus der Gegenwart in der Vergangenheit ebenjenen Arm verlieren könnte. Der exzellente Glover ist dabei nur einer von vielen Verweisen auf Robert Zemeckis’ Kultfilm Back to the Future, zu denen auch ein grandioser Musikauftritt von Robinson gehört, der in einer Skihütte 1986 plötzlich „Let’s Get It Started“ von den Black Eyed Peas anzustimmen beginnt. Es sind Szenen wie diese, die über einige spannungsarme Hänger in Hot Tub Time Machine hinwegtrösten können.

Denn wenn man lacht, dann ordentlich. Überflüssige Figuren wie im Grunde Caplan aber insbesondere Chevy Chase als Pendant zu Christopher Walken in Click oder Don Knotts in Pleasantville, fallen da weitaus störender auf als William Zabkas Gastauftritt, der allein dank Zabka nett gerät. Insgesamt ist Pinks Film also durchaus gelungen und sehr viel stimmiger, wenn auch weniger obszön, als eine frühere Drehbuchfassung des Filmes es vorgesehen hatte. Überzeugende Darsteller wie Robinson, Corddry, Glover oder Stan können die schwächeren Auftritte von Cusack, Duke und Co. ausgleichen. Wenn von Nöten, gelingt es Pink mit Hilfe seiner Ausstattung und Musik (u.a. „Once In A Lifetime“ von den Talking Heads) die nötige 80er-Atmosphäre zu erzeugen. Hinzu kommt, dass es genügend ausgesprochen unterhaltsame Szenen gibt, die einige Durststrecken überstehen lassen. Das male bonding zwischen den vier Darstellern könnte besser sein, allerdings auch schlechter (siehe Grown Ups). Zwar wird Hot Tub Time Machine finanziell nicht zum diesjährigen The Hangover, emotional ist er diesem jedoch weit voraus. Oder zurück. Ein Zeitparadoxon eben.

7.5/10

7. Juni 2010

True Blood - Season One

All anyone’s thinking about here is sex, sex, sex.

In Spanien führte das Ende des Franquismus, der das Land gut vier Jahrzehnte lang unterdrückte, unter anderem zur movida madrileña, einer Kulturbewegung der spanischen Hauptstadt, der auch der junge Pedro Almodóvar angehörte. Dessen erste Filme, Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón und Laberinto de pasiones sind dann vor allem eins: obszön und vulgär. Aus dem einfachen Grund, weil man nun vulgär und obszön sein durfte, bedeutete das Ende des Diktators doch den Anfang der Freiheit. In ähnlicher Weise ließe sich so auch das Konzept des amerikanischen Pay-TV-Senders Home Box Office, kurz „HBO“ genannt, beschreiben. Der Sender präsentiert Fernsehserien, die das zeigen, was die Network-Sender nicht ausstrahlen dürfen: Titten und Sex. Egal ob Sex and the City, Six Feet Under oder seit zwei Jahren Alan Balls True Blood, Sex wird bei HBO groß geschrieben und verkommt zum fast schon primären Narrationsmittel. Aus dem einfachen Grund, weil man es darf. Ob das hilft, ist eine andere Frage.

Das vergangene Jahrzehnt wird gerne als die Ära der Superhelden-Filme angesehen. Dabei treiben sich fast genauso viele Vampire herum. Der lebende Untote feiert Renaissance, sowohl in der Literatur- wie Filmwelt. Und so viele verschiedene Reihen es gibt, sind sie sich doch alle ähnlich. Junges hübsches Menschen-Mädchen darf sich in blassen, knackigen Vampir-Boy verknallen. Bevorzugt aus dem 19. Jahrhundert, weil sich da ein schöner Bezug zum Unabhängigkeits- und Bürgerkrieg finden lässt. Stephenie Meyers Twilight-Serie läuft hier noch am erfolgreichsten mit ihren Kinoadaptionen rund um R-Pattz und K-Stew. Dabei sprang Meyer nur auf den Zug auf, den einige Jahre zuvor Charlaine Harris mit ihrer The Southern Vampire Mysteries-Reihe in Gang gebracht hat. Allerdings publizierte L.J. Smith ein Jahrzehnt zuvor bereits ihre The Vampire Diaries-Reihe. Dementsprechend mutet das Vampir-Genre wie eine Großküche an, in der sich jeder desselben Rezeptes bedient und lediglich die eine oder andere Zutat hinzufügt oder weglässt.

Alan Ball, Schöpfer der hochgeschätzten Serie Six Feet Under, nahm sich nun Harris’ Romanreihe an und basierte seine neue HBO-Serie True Blood auf Dead Until Dark, den ersten Roman der Southern Vampire Mysterie-Reihe. Hier dreht sich alles um die Einwohner der kleinen Stadt Bon Temps in Louisiana. Stadtzentrum ist die Kneipe „Merlotte’s“ von Sam Merlotte (Sam Trammell), wo die Hälfte der Figuren arbeitet und die andere Hälfte zum Trinken herkommt. Dreh- und Angelpunkt ist die telepathische Kellnerin Sookie Stackhouse (Anna Paquin), in die Sam verschossen ist, die sich aber Hals über Kopf in den Vampir Bill Compton (Stephen Moyer) verknallt. Vampire leben in True Blood als „geoutete“ Minderheit, dank dem japanisch-synthetischen Kunst-Blut „True Blood“. In schöner Rassismus-Parabel sind nun die Vampir-Amerikaner die Diskriminierten, als fangs verunglimpft (ihre Sexpartner dagegen als fang banger) und somit auch von den Einwohner Bon Temps’ misstrauisch beäugt.

Zu letzterer Gruppe zählt neben Sam auch Sookies sexsüchtiger Bruder Jason (Ryan Kwanten) und ihre beste Freundin Tara (Rutina Wesley). Während die anderen Figuren also im abwechselnden Spiel Sookie davon abraten, sich mit Bill einzulassen, treibt ein Frauenmörder beziehungsweise vermeintlicher Fang-Banger-Mörder sein Unwesen. Bevorzugt killt er Frauen, die mit Jason Stackhouse in der Kiste waren, sodass dieser bei den örtlichen Behörden (Chris Bauer und J.F. Sebastian William Sanderson) Hauptverdächtiger Nummer Eins ist. Es handelt sich hierbei um zwei Handlungsstränge, die recht leidlich funktionieren, ohne besonders mitreißen zu können, auch oder gerade aufgrund der ausufernden Laufzeit von rund fünfzig Minuten pro Folge. Es gibt das klassische Hin und Her zwischen den Hauptfiguren, dass später nach Sookies ersten Mal dazu führt, dass sie immer dann gut gelaunt ist, wenn ihr der Vampir zwischen die Beine gespritzt hat und andernfalls eine Fresse wie sieben Tage Regenwetter zieht.

Ohnehin lebt True Blood von seiner Sexualisierung, gibt es doch kaum eine Episode, in der Jason nicht irgendeine Thekenschlampe von hinten durchnimmt oder eine der verehrten Damen ihre sekundären Geschlechtsteile in die Kamera wackelt. Einen wirklichen Sinn haben diese Szenen nicht, außer eben die Tatsache, dass man im Pay-TV nicht zimperlich sein muss. Würde man alle Sex-Szenen der ersten Staffel herausschneiden, hätte sich die Episodenzahl vermutlich um zwei Folgen reduziert (was man bei HBO’s Politik, 12-Episoden-Staffel zu produzieren, scheinbar nicht verantworten konnte). Wer immer schon mal die Titten von Anna Paquin, Lynn Collins oder Lizzy Caplan bestaunen wollte, ohne sich wie ein Perverser durchs Internet zu stöbern, kann dies im kultivierten HBO-Qualitätsfernsehen nun ziemlich unbekümmert tun. Ähnlich wie im Falle von Almodóvars Frühwerken sollte man sich jedoch überlegen, ob es sich wirklich lohnt, etwas Sinnfreies zu machen, nur weil man es ungestraft machen kann. Einen Mehrwert sucht man vergeblich.

Der andere Handlungsstrang um die Serienmorde verläuft eher nebenher, wird in Form von einer Leiche alle paar Folgen kurz aufgegriffen und zu Gunsten einer Sex-Szene dann vorerst wieder ins Hinterkämmerchen geschoben. Es wundert also nicht, dass die Auflösung des Täters im Staffelfinale weder schockiert, überrascht oder sonst eine Reaktion hervorruft. Ein Motiv sucht man ebenfalls vergeblich. True Blood kokettiert eben mit seinen erotischen Bildern, anstatt eine ausgefeilte Handlung anbieten zu wollen. Einen Sub-Plot um die Vampir-Gesellschaft rund um deren Sheriff, Eric (Alexander Skarsgård), wird vermutlich in der zweiten Staffel ausführlicher ausgelotet, die eigentlich interessanteren - oder sympathischeren - Nebenfiguren wie Layfayette (Nelsan Ellis) oder Terry (Todd Lowe) ließ Ball meist im Hintergrund vor sich hindümpeln. Die Anspielungen auf die US-Geschichte (Rassismus, Diskriminierung, etc.) sind zwar ganz nett (Angelina Jolie adoptiert Vampir-Baby, hihihoho), aber mit der Dauer dann auch ziemlich eintönig.

Die Serie ist dabei nicht schlecht, aber eben relativ leidlich. Durchschnitt, aus dem sich allenfalls noch The Fourth Man in the Fire als gefälligste Folge herausgreifen lässt. Dass es True Blood nicht gelingt, ein überzeugendes - oder nennen wir es: spannendes - Staffelfinale zu produzieren (die Identität des Serienmörders ist so egal, wie sonst was, wird dann aber dennoch spektakulär unspektakulär aufgelöst) und mit einem Cliffhanger abschließt, der eher zum Abschalten, denn Fingernägelknabbern einlädt, spricht für beziehungsweise in diesem Falle gegen sich. Dabei ist die Inszenierung - Michael Lehmann führte in der Mehrzahl der Folgen Regie - relativ gelungen, auch die Effekte sind ansehnlich. Zudem erfreuen die Gastrollen von Collins, Caplan und John Billingsley, die weitaus überzeugender aufspielen, als Paquin und Co. So ist True Blood insgesamt eine Serie, die an ihrer Orientierungslosigkeit, zu langen Laufzeit und übertriebenen Sexualisierung leidet. Oder kurz gesagt: eine HBO-Serie.

7/10

21. Juni 2008

Cloverfield

I don't know what to say.

Wer die Bezeichnung „virales Marketing“ hört, muss inzwischen unmittelbar an Cloverfield denken. Das Projekt von J.J. Abrams begann ein halbes Jahr vor Filmstart einen Internethype, wie man ihn vorher lange nicht gesehen hatte (wenn überhaupt schon einmal). Im Juli 2007 wurde der Teaser vor Michael Bays Transformers ausgestrahlt – ein wohlweislicher Zug, wird hier doch dasselbe Publikum angesprochen, hierzu später mehr. Viel zu sehen gab es im Teaser nicht, schon gar keinen Titel für den Film. Lediglich der Starttermin und der Name von Produzent J.J. Abrams, der durch seine erfolgreichen Serien Alias und Lost als Zugpferd fungieren sollte, wurden dem Publikum präsentiert. Im World Wide Web fanden sich dann über die Monate hinweg vermehrt Puzzle-Websites, gefaktes Videomaterial und allerlei anderen Krimskrams, um die YouTube-Generation bei Laune zu halten, bis der Filmstart endlich kam.

Selbst die Darsteller wussten nicht, wofür sie überhaupt vorsprachen. Ihnen wurden Skripte von Lost und Alias vorgelegt, damit auch ja nichts über die Handlung des Filmes verraten werden würde. So sagte zum Beispiel die Nebendarstellerin Lizzy Caplan ausschließlich deswegen bei dem mysteriösen Projekt zu, weil sie ein erklärter Fan von Abrams TV-Serie Lost ist. Wie der Film heißen sollte, wusste man auch lange Zeit nicht, obschon bereits im Trailer von November 2007 der Titel Cloverfield auftauchte. Aber auch Slusho oder Grayshot hielten sich lange im Rennen, am Ende hieß der Film dann jedoch erneut Cloverfield, eine Bezeichnung die Abrams seinem Arbeitsweg in Kalifornien entlehnte. Schließlich würde sich allerdings herausstellen, dass Cloverfield nicht mehr war als viel Lärm und nichts dahinter.

Fünf Freunde irren durch New York City, welches von einem riesigen Monster und tausenden von US-Militärs bevölkert ist. Häuserschluchten, U-Bahn-Schächte und einstürzende Brücken. Schutt und Asche, Panik, Angst. Ganz bewusst bedienen sich Produzent Abrams, Regisseur Matt Reeves und Autor Drew Goddard beim 11. September. Die Gruppe Freunde wollte eigentlich nur einen schönen Abend verleben, doch plötzlich rennt sie um ihr Leben. Als sie getrennt werden, beginnt die abenteuerliche Großstadtodyssee, immer schön an dem Maschinengewehrfeuer vorbei und zwischen den Beinen des Monsters durch. Auf die Idee des Monsterfilmes kam J.J. Abrams während seiner Promoreise von Mission: Impossible III in Japan. Dort besuchte er mit seinem Sohn ein Spielzeuggeschäft und kam beim Anblick einer Godzilla-Figur auf die Idee, dass Amerika auch ein Monster braucht.

Doch keinen King Kong, der durch New York City randaliert und auch keinen Godzilla, den Roland Emmerich einige Jahre zuvor nach New York City zum randalieren schickte, nein, ein neues Monster brauchte Abrams. Ein neues Monster, das, ähem, dass durch New York City randaliert. Ungemein einfallsreich das ganze, man merkt es gleich. Schaut man sich Cloverfield tatsächlich bis zum Ende an, ist der gesamte Film zur Hälfte eine direkte Übernahme von Emmerichs Godzilla-Film, nur eben mit Handkamera aufgezeichnet. Um was es sich bei dem Monster handelt, wird dabei nicht verraten. Im Grunde wird in Abrams Film eigentlich gar nichts verraten oder anders gesagt, es wird überhaupt keine Geschichte erzählt. Würde man all die inhaltlichen Fehler und unlogischen Momente, welche der Film aufwirft, zusammenzählen, könnte man sich in derselben Zeit die Godfather-Trilogie ansehen.

Was das Monster ist, verkommt hierbei noch zum unwichtigsten Teil. Doch woher es kommt, ebenso wie auch das ganze Militär, welches innerhalb weniger Stunden in der New Yorker Innenstadt stationiert wird, sind Fragen der Kategorie A. Unsere fünf Freunde schaffen es nicht nur das gesamte Manhattan auf und ab zu laufen, innerhalb einer einzigen Nacht, sondern überall wo sie sich befinden, läuft auch das Monster herum. Dabei interagieren sie mit diesem überhaupt nicht, was seine Anwesenheit nur noch lächerlicher macht. Fehlen darf hier natürlich auch nicht die Videokamera, deren Robustheit ein ums andere Mal erstaunt, ebenso wie die Laufzeit des Akkus. Da fliegt der Kameramann durch die Gegend, wird erschüttert, angegriffen und so weiter und so fort – die Kamera läuft und läuft. Kein einziger Kratzer auf der Linse, kein Schmutz, auch keine Einblendung, dass gerade etwas aufgezeichnet wird oder der Akku in die nächste Phase geht.

Was die Macher zu Beginn des Filmes in sehr viel Detailtreue mit „Eigentum der Regierung“ und ähnlichem installieren, verabschieden sie bereits nach zwei Minuten. Totale Inkonsequenz ist hier das Motto von Cloverfield, dabei hätte man einiges, wenn nicht gar alles besser machen können. Die Wackelkamera ist dabei noch das beste des ganzen Filmes und sehr gut eingesetzt, auch wenn unverständlich ist, wie sie Übelkeit und Schwindel bei den Zuschauern auslösen könnte, wie der Verleih damals bei der Vorführung warnte. Für die Macher ist es jedenfalls nicht wichtig was das Monster ist, woher es kommt und um was es eigentlich geht. Da wird zum Ende hin zwar etwas angedeutet, eine schöne Verbindung hergestellt (wie wahrscheinlich der ganze Film eine schöne Verbindung sein soll), aber zugleich natürlich die Logik verabschiedet.

Dabei ist Drew Goddard fraglos talentiert, schrieb bereits für die Abrams-Serien Alias und Lost, zudem für Joss Whedons Buffy und Angel. In einem Monsterfilm muss, kann, darf, soll man keine Logik erwarten, dem lässt sich sicher zustimmen und das macht letztlich auch Frank Darabonts The Mist relativ unterhaltsam (wenn auch aus anderen Gründen). Wenn man jedoch einen Monsterfilm mit solch gelungenen Effekten wie Cloverfield dreht und gerade durch seine YouTube- und Wackelkameramentalität Authentizität beansprucht, korrumpiert man sich quasi selbst. Hauptfigur Rob (Michael Stahl-David) hat einen illustren Freundeskreis, dem nur attraktive Frauen beiwohnen, oder besser gesagt, ausschließlich attraktive Frauen beiwohnen. Dazu noch einen Bruder und einen Freund, beides Kaukasier, die flüchtige Bekannte (Lizzy Caplan) und Freundin von Rob (Odette Yustman) ebenso. Lediglich die Schwagerin in spe bringt etwas ethnische Würze in die Truppe (die restlichen Partygäste sind übrigens ebenfalls zu 85% weiß).

Kaum bricht der Terror über New York ein, zelebriert Matt Reeves - dessen wenige Regiewerke solche Knaller wie Der Zufallslover mit einschließen - sofort eine Gruppe Afro-Amerikaner, die einen Hi-Fi-Laden stürmen und Fernseher klauen. Nur einer der rassistischen Momente des Filmes, die fortgeführt werden, wenn ein farbiger US-Militär die Freunde praktisch „unter der Hand“ nach New York in ihr Verderben zurück lässt, obgleich sich dieses momentan im Ausnahmezustand befindet. Abrams selbst tat sich bereits bei Lost keinen großen Gefallen in der Darstellung farbiger Figuren und sollte seine Charaktergestaltung vielleicht doch mal überdenken. Wenn man seinen Darstellern nicht verrät, wofür sie eigentlich vorsprechen, seinen Film selbst lediglich mit dem Namen des Produzenten bewirbt und mit der Werbetrommel sechs Monate lang das Internet durchstreift, kommt man zu dem Schluss, dass dies alles nötig war, um überhaupt jemanden in die Kinos zu treiben.

Mit vierzig Millionen Dollar am Startwochenende stellte Cloverfield einen Rekord für den Monat Januar auf, bis zum heutigen Tag hat der 25 Millionen Dollar teure Film weltweit das sechseinhalbfache seiner Kosten eingespielt. Wie nicht anders üblich bei Horrorfilmen - oder inzwischen sogar Filmen allgemein - wird eine Fortsetzung nicht lange auf sich warten lassen und ist bereits für das nächste Jahr geplant. Hätte Cloverfield auch ohne das virale Marketing funktioniert? Zweifelhaft. Ein Film von einem Regisseur ohne Namen, mit Schauspielern ohne Namen und ohne wirkliche Handlung – dafür hätten sich in den USA kaum so viele Leute begeistern können. Und ein Film der nur durch sein Marketing funktioniert, funktioniert praktisch gar nicht, denn wenn man Teenagern in zehn Jahren Cloverfield zeigt, werden diese sich gelangweilt abwenden.

Ein wilder Crossover-Mix aus Blair Witch Project (welches zumindest unwahrscheinlich innovativ und über weite Strecken äußerst gelungen war) und Godzilla mit einer gehörigen Priese 11. September, sowie dem Plakat von Escape From New York und fertig hat man einen der bedeutungslosesten Filme der letzten Jahre. Kein Wunder, dass er vor einem weiteren bedeutungslosen Film wie dem inhaltsfreien Transformers lief und demselben Klientel gefiel. Als Monsterfilm scheitert Cloverfield schließlich wegen seiner zu guten Effekte und seiner aufgesetzten Authentizität, als Sci-Fi-Thriller scheitert er wiederum an seinen gestelzten Schauspielern, die ihre Texte zu mechanisch runter rattern. Hier fehlt jegliches Stottern oder andere Merkmale eines Terrorangriffes. Cloverfield will vieles sein und ist am Ende nichts, am wenigsten davon in irgendeiner Weise innovativ. Alles was bleibt, ist das Überbleibsel eines verblassenden Hypes.

2.5/10