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5. Juli 2009

Panel to Frame: Road to Perdition

Sons are put on this earth to trouble their fathers.

Im klassischen Verständnis des Film noir gibt es nicht allzu viele Comics, die diesen Ansprüchen genügen. Die Welt der Comic-Helden drehte sich ab einem gewissen Zeitpunkt um Kämpfer für das Gute (z.B. Batman) oder ebenjene über-Menschen wie Superman, Spider-Man oder die X-Men. Von Ursprüngen wie Will Eisners The Spirit blieb irgendwann nicht mehr viel übrig. Und wenn, spielte es sich im Schatten der Riesen um DC und Marvel ab. Eine ihrer prominentesten Figuren war Chester Goulds Dick Tracy. Ein Kriminaldetektiv, dessen Leben sich in den 1930er Jahren von Amerikas Chicago abspielte. Ebenjene Stadt, welche durch das Chicagoer Outfit rund um Al Capone und Frank Nitti berühmt-berüchtigt wurde. Für amerikanische Autoren eine faszinierende Ära, die sich in Filmen wie The Untouchables niederschlägt. Allerdings auch in weniger bekannten Medien, darunter den Ermittlungen und Abenteuern um Nathan Heller.

Heller ist der Held einer 14-teiligen Romanreihe von Max Allan Collins. Dieser ist nicht nur im Kriminalromangenre verankert, sondern war auch an Comics wie ebenjenem Dick Tracy aber auch Batman beteiligt. Die Faszination bezüglich des Chicagoer Outfits ist hinsichtlich Collins’ Vita unübersehbar. Nachvollziehbar also, dass Andrew Helfer, Redakteur von DC’s Nebenzweig Paradox Press, im Jahre 1994 an Collins wegen eines neuen Comics, orientiert an japanischen Manga, herantrat. „I was the only mystery writer (…) who was also doing comics, I was a logical choice“, erinnert sich Collins. Die Inspiration für seine Geschichte holte er sich von John Patrick Looney, einem Sohn irischer Einwanderer und Kriminellen in Rock Island, Illinois in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Weiteren Anreiz fand Collins in Kazuo Koike Meisterwerk Lone Wolf and Cub. Verdichtet mit einigen historischen Begebenheiten im Amerika Anfang der Dreißiger Jahre erschuf Collins dann Road to Perdition.

Es würden vier Jahre Zeichenarbeit von Richard Piers Rayner (u.a. beteiligt an Comics wie Hellblazer) vergehen, ehe Road to Perdition 1998 endlich das Licht der Welt erblickte. Das Endresultat stand sichtlich in der Tradition des Film noir und einiger Kriminalfilme wie Bonnie and Clyde. „My memories, like some people’s dreams, are in black and white“, schreibt Michael Sullivan, Jr. zu Beginn des Comics und führt damit den kühlen Schwarz-Weiß Ton von Rayners Arbeit ein. Erzählt wird die Geschichte der irischen Einwandererfamilie O’Sullivan. Zurückführend auf ein gemeinsames Leben in Irland, findet sich Michael O’Sullivan als Auftragskiller für John Looney wieder. Genauer gesagt wird O’Sullivan als knallharter Killer beschreiben, dessen Spitzname „Archangel of Death“ selbst in Chicago noch Angst und Schrecken einflößt. „It’s hard to imagine my father being part of any of that“, erklärt Michael, Jr. „He was what they used to call a family man.” Für seine beiden Söhne, Michael, Jr. und Peter, stellt der Vater ein Idol dar. Doch was genau er für Mr. Looney macht, wissen sie nicht. Ihre Neugier tritt schließlich die Ereigniskette los.

Was in Collins’ Werk als knallharter, gewaltreicher und blutiger Film noir daherkommt, verkehrt sich in Sam Mendes’ Filmadaption zur Familientragödie. Bereits 1999 landete das Projekt bei Steven Spielberg und Dreamworks Pictures, um kurz darauf im frisch gekürten Oscarpreisträger Mendes einen Regisseur zu finden. Mit einem Budget das viermal so hoch veranschlagt war wie Mendes’ Debütfilm American Beauty, machte sich der Brite an seine hochkarätig besetzte Adaption. Drehbuchautor David Self, zuvor verantwortlich für die Kuba-Krisen-Verfilmung Thirteen Days, orientierte sich in seiner Erzählung der Geschichte vormerklich auf die Figuren. Von den Noir-Elementen bleibt wenig übrig, die Härte von Collins Comic wird im Grunde ganz aus der Filmversion entfernt und die Darsteller vormerklich aufgrund ihres Namens ausgewählt. In seiner Herangehensweise an den Stoff ähnelt Road to Perdition ein wenige American Beauty. „Gangsters are the ultimate dysfunctional family”, erkennt auch Ian Nathan in seiner Kritik zum Film.

Um dem Publikum den Zugang zu den Figuren einfacher zu machen, wurden die Namen der Charaktere geändert. So wird aus „Looney“ wegen der Namenskonnotation „Rooney“ und die „Sullivans“ verlieren ihr Präfix „O“. Im Gegensatz zum Comic macht sich der Film nicht die Mühe, jene Welt der zwanziger Jahre im amerikanischen Illinois zu erläutern. Stattdessen fokussiert sich der Film auf Michael Sullivan, Jr. (Tyler Hoechlin), der zu Beginn aus nicht nachvollziehbaren Gründen als Dieb eingeführt wird. Sein Tabakdiebstahl findet später sein Echo, wenn der Junge auch noch eine Madonna-Figur aus der Kirche entwendet. Die Motive für jene Taten deckt Mendes nicht auf. Ohnehin bemüht sich sein Film nicht den religiösen Subtext der Vorlage mit einzubeziehen. Letztlich stehen die Diebstähle als Spiegelbild für jenes Handlungselement, das später der Geschichte hinzugefügt wird. Der drohenden Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn. Diese schlägt sich dahingehen nieder, dass Junior genauso wie sein Vater das Gesetz bricht, bzw. sogar die Kirche bestiehlt. Ein scharfsinniges Detail, dessen man sich natürlich auch einfach hätte entledigen können. Betrachtet man die nicht verwendeten Szenen, muss man dankbar sein, dass hier nicht noch ausführlicher versucht wurde, eine entscheidende Wendung mit dem Holzhammer einzubläuen.

Road to Perdition is like a greek tragedy“, fasste Roger Ebert nach Sichtung des Filmes zusammen. Dieses Urteil manifestiert sich dahingehend, dass alle Hauptcharaktere als eine große Familie dargestellt werden. Da liegt es auf der Hand, dass der alte Mann John Rooney (Paul Newman) für Michael, Jr. und Peter (Liam Aiken) als Großvaterfigur fungiert. Zudem wird die Beziehung zu deren Vater Michael (Tom Hanks) ausgeweitet. Vom beruflichen Verhältnis zur Zieh-Vaterschaft. Aufgelesen von der Straße erzog Rooney schließlich Sullivan wie seinen eigenen Sohn. Eigentlich steht Sullivan in der Rangliste von Rooneys Gunst sogar über dessen leiblichen Sohn Connor (Daniel Craig). Bezeichnend, dass die Ähnlichkeit zwischen „Sohn“ und „Vater“ offensichtlich ist. Sullivan lässt sich denselben Schnurrbart stehen, wie Rooney. Die „familiäre“ Nähe dieser beiden – zum Ausdruck gebracht durch das Piano-Spiel – kann natürlich auf Connor, einen sprichwörtlich Außenstehenden, nur befremdlich und abweisend wirken. Es ist jenes Vater-und-Sohn-Thema, das Mendes im Laufe der nächsten anderthalb Stunden in drei Beziehungen auszuspielen wird. Im Vordergrund steht hierbei Liebe, Rivalität und Familienblut.

Und weil das Familien-Szenario so im Vordergrund steht, muss es an die Handlung angepasst werden. Folglich wächst der Mord an den Sullivans allein auf Connors Mist, sodass sich Rooney schön zwischen den Stühlen wiederfindet. Dies kulminiert in einer etwas peinlichen Prügel-Einstellung von Connor, die nach wenigen Sekunden in einer liebevollen Umarmung endet. Blut ist nun mal dicker als Wasser. Und so entscheiden sich beide Männer, Rooney und Sullivan, lieber für ihr eigenes Fleisch und Blut, denn für die Liebe zueinander. „It’s about two fathers who are forced into protecting their least favorite son“, führt Mendes im Audiokommentar die Prämisse des Filmes aus. Dabei hätte Sullivan auch seinen Sohn einfach ausliefern können, schließlich wird nie wirklich im Film deutlich, dass der Vater seinem Sohn Liebe entgegenbringt. Zu Beginn charakterisiert Mendes Sullivan als kühlen Patriarch, der scheinbar weder zu seiner Frau, geschweige denn zu seinen Kindern eine wirkliche Bindung hat. Abgesehen von ihren Namen scheint er auch nichts über sie zu wissen, was eine spätere Szene in einem Farmhaus zwischen Vater und Sohn verdeutlicht. So ist es Hanks Schrei, als er seine Frau und jüngsten Sohn tot auffindet, welcher der Figur zum ersten Mal Emotion verleiht.

Was folgt, ist die Flucht. „That’s not our home anymore. It’s just a house”, ist eines der wenigen Zitate aus Collins’ Vorlage, die es in den fertigen Film geschafft haben. Anschließend machen sich Vater und Sohn auf, um ihre Lage besser einordnen zu können. In Chicago besucht Sullivan folglich Frank Nitti (Stanley Tucci). Eine Figur, die keine Einführung erhalten hat, von der Mendes und Self scheinbar ausgehen, dass sie dem Publikum ein Begriff sind. Hinsichtlich der Besetzung scheint es zudem ausgereicht zu haben, dass Tucci italienische Wurzeln hat, da eine äußerliche Ähnlichkeit zu Nitti gar nicht erst versucht wird. Das Gespräch der beiden zeugt schließlich auch davon, dass Sullivan im Film nicht derselbe Status verliehen wird, wie im Comic. Vom „Archangel of Death“ war ohnehin nie die Rede, aber die Nonchalance, mit der Nitti über Sullivans Arbeitsangebot hinweg geht, spricht nochmals Bände. Natürlich verläuft sowohl Sullivans Begegnung mit Frank Kelly bzw. dessen Bewachern, als auch sein Aufenthalt in Nittis Büro gewaltfrei. Immerhin ist Road to Perdition ohnehin ein ziemlich blutleerer Familienfilm, der wie angesprochen den Fokus von den Noir-Elementen weg, hin zur griechischen Tragödie verlagert. Dementsprechend verringert sich auch Sullivans Body Count um mehr als die Hälfte.

Jetzt setzt die eigentliche Handlung ein, das, was der Titel mit Road to Perdition bezeichnet. Ein doppeldeutiger Titel, soll die Reise der beiden Sullivan-Männer doch in jenes Städtchen Perdition führen, wo die letzten Verwandten verblieben sind. Da Perdition in Mendes’ Film allerdings abgesehen vom Ende keine Bedeutung spielt, geht die Doppeldeutigkeit des Begriffes (perdition zu Deutsch: Verdammnis) hier etwas flöten. Vielmehr beschränkt sie sich ausschließlich auf den stets drohenden Niedergang von Michael, Jr. Dies ist die eigentliche Geschichte, die Mendes erzählen möchte. Hier begründet er die fehlende Wärme des Vaters, der erkennt, dass sein Sohn nach ihm schlägt. Daher die Diebstähle, daher die Prügelei zu Beginn und das rebellische Verhalten. „Did you like Peter more than me?“, fragt der Sohn später den Vater, dessen Antwort im Nachhinein unbefriedigend bleiben muss. Kurz darauf wird auch er von seinem „Vater“ enttäuscht werden, als sich dieser trotz des Finanzbetruges seines Sohnes (der hinsichtlich seiner Einordnung in den Geschichtsverlauf unerheblich für diesen ist) für diesen entscheidet. „I will mourn the son I lost”, fasst Rooney sein persönliches Dilemma unabhängig vom Ausgang des Geschehens zusammen.

Mendes inszeniert hier eine Gewaltspirale, aus der sich die Figuren nicht befreien können. „Choice, a luxury of the Corleones, is denied to the Sullivans and Rooneys”, erkennt auch Roger Ebert. Ähnlich sieht es Almut Oetjen: „Anders als die Corleones scheinen sie nie wirklich die Wahl zu haben, ihrem Schicksal eine Wende geben zu können.“ Somit kann Sullivan das Geldangebot für ein Leben in Irland von seinem Ziehvater nicht annehmen und Rooney wiederum kann seinen leiblichen Sohn nicht opfern, obschon er ihm Sullivan vorzieht. Entsprechend ordnet sich hier auch die überflüssige Figur des Auftragskillers Maguire (Jude Law) ein. Von Self als personifiziertes Gesicht für den Mob eingebaut, repräsentiert Maguire all jene Handlanger von Rooney und dem Chicago Outfit, denen Sullivan im Laufe des Comics begegnet. Schließlich kann sich das Publikum nicht auf zahlreiche Figuren konzentrieren, denn dies würde ihre Aufnahmefähigkeit überschreiten. Passend auch Maguires Darstellung als gebückter, von Haarausfall geplagter, pervertierter Sonderling. Die Gegenzeichnung der Figur als Einbläuung seines Status als Bösewicht ist derart bemitleidenswert offensichtlich, dass sie schon fast wieder amüsant ist. Charakteristisch hierbei Eigenschaften wie den Familienmensch Sullivan, während Maguire eine Prostituierte mehrere Tage gegen Bezahlung in seinem Zimmer festhält.

Von der Tatsache, dass das italienisch-stämmige Outfit um Nitti und Capone (von Anthony LaPaglia in einer entfernten Szene erschreckend schlecht dargestellt) einen irischen Auftragsmörder engagiert, um einen irischen Auftragsmörder zu fassen, gar nicht erst zu sprechen. So ist es schließlich Maguires persönliche Rache an Sullivan, die im Finale diesem den Tod bringt. Daher gehört auch Laws Figur zu jenen tragischen Elementen der Handlung, deren Agieren vorherbestimmt oder zumindest von ihr selbst nicht abwendbar zu sein scheint. Folglich kann man, bedenkt man die oben angeführten Beispiele, Maguire durchaus als verzehrtes Spiegelbild von Sullivan selbst sehen. Es ist der Drang nach persönlicher Rache für die erlittenen Wunden, der den beiden Iren schließlich den Tod bringt. Ebenso wie auch Rooney und Connor den Tod finden, womit sich praktisch alle (irischen) Figuren letztlich im Jenseits wiederfinden. Alle außer Michael, Jr., um dessen Seelenheil sich die Handlung in Mendes’ Adaption trägt. Es wird ungemein viel Wert darauf gelegt, dass Michael, Jr. nicht zum Mörder wird. Obschon einige entfernten Szenen sich mit ebenjenem, offenbar unausweichlichen Werdegang beschäftigen. Im Gegensatz hierzu wird Michael, Jr. in Collins’ Vorlage zum Mörder. Seine Welt „ist eine deprimierend lebensfeindliche Umgebung“, wie Oetjen zusammenfasst. In dieser Welt voller Verbrechen kann man nicht überleben, wenn man nicht selbst ein Verbrechen begeht. Es ist eine erschütternde Botschaft, jedoch auch in ihrer Einordnung erschütternd wahre Botschaft.

Mit jenem Familienfokus steht und fällt im Grunde der Film. Die Grundstruktur der Handlung ist identisch mit Collins’ Werk. Dies darf bei heutigen Comicverfilmungen schon als Wunder betrachtet werden. Doch die Einordnung dieses Fundamentes ist eine unterschiedliche. Collins erzählte eine klassische Noir-Geschichte, wenn auch enorm bleihaltig. Sein Ziel ist es eine Kriminalgeschichte zu erzählen, die sich Elementen aus dem Chicago der dreißiger Jahre bedient. Somit ist sein „Road to Perdition“ ein hartes Stück period piece, in welchem die Vater-Sohn-Beziehung eine untergeordnete ist. Er erzählt eine Gangstergeschichte und eine ziemlich mitreißenden dazu. Mendes hingegen wendet sich mehr dem Drama zu. Er vertieft die Beziehung zwischen Rooney und Sullivan und inszeniert eine griechische Tragödie. Hier verursachte das Umstoßen eines Dominosteines den Zusammenbruch des gesamten Bildes. Die Geschichte der drei Vater-Sohn-Beziehungen (Sullivan/Michael, Sullivan/Rooney, Rooney/Connor) wirkt jedoch zu kitschig und hinsichtlich der zeitlichen Einordnung deplatziert. Das Drama um die Unschuld von Michael, Jr. vermag die zweistündige Handlung nicht so recht zu Tragen. Hierzu zählen dann auch die komischen Einbindungen, die in einem Familienfilm natürlich nicht fehlen dürfen. Mit jener düsteren Geschichte, die Collins seiner Zeit erzählte, hat dies jedoch nur noch auf der Oberfläche etwas gemein. Eventuell haben sich Spielberg und Mendes jedoch auch einfach nicht getraut, einen Jungen als Mörder darzustellen.

Die Besetzung der Figuren geht allerdings weitestgehend in Ordnung. Zwar wurden manche Darsteller, namentlich Stanley Tucci und Anthony LaPaglia, vormerklich wegen ihrer Abstammung besetzt, wobei ihre Figuren natürlich in der Adaption auch keinerlei Tiefe erfahren. So verkommen sie zu bloßen Stichwortgebern, die einer jeweiligen Information ein Gesicht verleihen sollen. Ähnlich verhält es sich mit Jennifer Jason Leigh in der Rolle der Annie Sullivan. Die Figur taucht derart kurz auf, dass Leigh sich nicht wirklich auszeichnen kann. Anders dagegen der damals noch wenig bekannte Neu-Bond Daniel Craig. Ihm gelingt es Connor so zu nuancieren, dass er dem Charakter tatsächlich etwas Eigenständiges verleiht. Selbst wenn Mendes der Figur ein eher unrühmliches Ende beschert. Jude Law spielt seine überflüssige Figur solide, wobei ihre Eigenschaften auch von derart dankbarer Natur sind, dass kaum ein Schauspieler Probleme mit ihnen gehabt hätte. Während Paul Newmans Darbietung das Herz des Filmes darstellt (zu Recht mit einer Oscarnominierung bedacht), ist sein Gegenüber, Tom Hank, katastrophal fehlbesetzt. Mit bedröppeltem Dackelblick versucht er sich durch die Szenerie zu spielen, ohne seiner Figur wirklich Tiefe verleihen zu können. Hier merkt man, dass große Namen nicht immer die beste Wahl für einen Film sind.

Noch schlechter als Hanks Schauspiel ist allerdings mit Abstand Thomas Newmans unsägliche musikalische Untermalung. Dessen weichgespülte Komposition passt sich zwar dem familiengerechten Unterhaltungsfilm an, ist jedoch von einem derartigen Positivismus durchtränkt, dass die Musik hinsichtlich der Tragik der Geschichte nicht anders als deplatziert bezeichnet werden kann. Erfreulicher dagegen Conrad L. Halls großartige Kameraarbeit und insbesondere seine in der Tat gelungene Ausleuchtung. Alles in allem ist Road to Perdition eine solide und bisweilen überzeugende Comicverfilmung. Es schadet ihr jedoch, dass Regisseur Sam Mendes ihr den eigentlichen Kern der Geschichte beraubte, nur um ein Familiendrama zu inszenieren. Der weichgespülte Charakter des Filmes will daher nicht so wirklich überzeugen, speziell in den Szenen zwischen Hanks und dem überzeugenden Tyler Hoechlin. Bedauerlich, dass man sich nicht ausgiebiger der illustren Vorlage bedient hat, die mehr Gewicht auf die historischen Persönlichkeiten Nitti, Capone und Elliot Ness legte. Allerdings zeigt bereits die Einbindung der Figur von Maguire, dass DreamWorks seinem Publikum nicht zutraute, mehrere Charaktere zugleich im Auge zu behalten. Road to Perdition ist ein Film, der an sich in Ordnung geht, einige beeindruckende Einstellungen vorzuweisen hat, allerdings auch in einer unglaublich miesen Schlusseinstellung sein Ende findet. Wie immer, wäre hier (evtl. unter der Regie eines Brian de Palma) mehr drin gewesen.

6.5/10


Quellen:

• Audiokommentar von Sam Mendes, Road to Perdition, Twentieth Century Fox Home Entert., 2002.
• Ebert, Roger: Road to Perdition. In: Rogerebert.com, 2002., http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/20020712/REVIEWS/207120304/1023 <03.05.2009>
• Nathan, Ian: Road to Perdition. In: Empireonline.com, o.J., http://www.empireonline.com/reviews/reviewcomplete.asp?FID=8341 <03.05.2009>
• Oetjen, Almut: Road to Perdition. In: Wacher, Hilger (Hrg.): Enzyklopädie des Kriminalfilms, Roßdorf 2005.

12. Januar 2009

Revolutionary Road

We’re just like everyone else.

Es sind zwei entscheidende Szenen in Revolutionary Road [Zeiten des Aufruhrs], die verhältnismäßig kurz aufeinander folgen: Wenn Frank Wheeler (Leonardo DiCaprio) morgens zur Arbeit geht, ist er am Bahnhof ein Schaf. Einer von Vielen. Sie stürmen die Gänge entlang. Männer im Anzug, mit Krawatte und Hut. Die Gesichtsausdrücke leer, die Motivation im Prinzip nicht vorhanden. Einige Szenen später sieht man erneut diese Herde von Männern. Mit dem Unterschied, dass Frank nunmehr lächelnd abseits steht. Ein kurzes Hoch in einem Film, der nur von Tiefpunkten berichtet. Kennen Sie die Wheelers in der Revolutionary Road? Ein Vorzeige-Paar, gefangen in seinem aufgezwungenen Klischeebild. Oder anders gesagt: die Vorstadthölle.

Das Time Magazin wählte Richard Yates’ Roman Revolutionary Road vor rund drei Jahren zu den 100 besten englischsprachigen Romanen der neuesten Geschichte. Bereits 1961 wollte John Frankenheimer ihn ehe er sich für The Manchurian Candidate entschied. Nun, beinahe ein halbes Jahrhundert später, wird Yates’ Geschichte doch noch verfilmt – womöglich etwas zu spät, angesichts seiner Thematik. Nach Filmen wie Ang Lees The Ice Storm oder Todd Fields Little Children sowie Sam Mendes’ eigenem American Beauty sind dysfunktionale Ehen in Vorstädten nichts Neues. Man kommt also mitunter nicht umhin, während Revolutionary Road gelegentlich gedanklich abzuschweifen, ob der bereits bekannten Elemente dieser anderen Werke.

“You’re the most interesting person I’ve ever met”, erklärt April (Kate Winslet) 1948 ihrem Freund Frank. Auf einer Party hatten sich die ambitionierte Schauspielerin und der Kriegsveteran kennen gelernt. Beide lachen und philosophieren über Paris. Jene Stadt, der Frank seit dem Zweiten Weltkrieg verfallen ist und die er wieder besuchen möchte. Dort seien die Menschen noch frei, versichert er seiner Freundin. Doch es kommt alles anders als geplant. April wird schwanger und Frank nimmt einen Job in der alten Firma seines Vaters an. Er mag den Job nicht und es beschämt ihn, wie sein Vater geendet zu haben. Dies gesteht er an seinem 30. Geburtstag, einer Sekretärin seiner Firma, mit der er anschließend Sex hat.

Viel hat sich getan, seit die Wheelers vor sieben Jahren in ihr weißes Haus in der beschaulichen Revolutionary Road zogen. Auf das erste Kind folgte das zweite, auch um sich zu beweisen, dass das Älteste kein Unfall war. Übergang wurde Routine, die Ehe bröckelt als Folge in ihrem verflixten siebten Jahr. Ähnlich wie Aprils Theaterstück, das wir zu Beginn sehen. Emotionen schaukeln sich hoch, sie und Frank streiten sich auf der Heimfahrt, gehen tags darauf aber wieder zum Alltag über. Eine der vielen dysfunktionalen Szenen zwischen dem Paar, das in der Folge als letzten Ausweg eine Auswanderung nach Paris sieht. Sie will damit ihre Beziehung retten, er zu sich selbst finden. Bis April plötzlich erneut schwanger wird.

Glaubt man US-Dramen, muss das Leben in der Vorstadt grauenhaft sein. Auch, da Eltern darin zum eigenen Nachwuchs eine gestörte Beziehung unterhalten. Grundsätzlich unterscheidet die Ehe der Wheelers wenig von Hoods, Pierces oder Burnhams. Man lebt weitestgehend nebeneinander und nicht miteinander. Ob man immer alles tot diskutieren müsse, will April in einer Szene wissen, und findet später erst dann etwas Privatsphäre, als sie in den Wald flüchtet. Was genau schief gelaufen ist zwischen den netten Wheelers aus der Revolutionary Road kann man nur erahnen. Sicher ist jedenfalls, dass das Vorstadtleben wie ein goldener Käfig empfunden wird. Vielmehr noch von April, welche die eigentliche Hauptperson ist.

Eine unbeschwerte junge Frau wird schwanger und Anfang der 1950er in die Hausfrauenrolle gedrängt. Dass sie nach Paris will, um dort als Sekretärin alleine für ihre Familie zu sorgen, findet seine Begründung sicher weniger in ihrer Liebe zu Frank und dem Wunsch dessen Selbstverwirklichung zu ermöglichen. Stattdessen geht es eher darum, dass April sich selbst endlich wieder lebendig fühlt, sich als individuell und nicht Teil einer Maschinerie wahrnimmt. Exemplarisch zu sehen, als sie nachts allein mit Shep (David Harbour), dem Kriegskameraden und besten Freund ihres Mannes, wie losgelöst tanzt. Für April bedeutet die dritte Schwangerschaft ein weiteres Gewicht an ihren Fußfesseln. Sie ist die Person, die eigentlich im Fokus steht.

Auch für Frank ist sein Leben ein goldener Käfig. Seine Arbeit macht er ungern und nur so gut, wie unbedingt notwendig. Von dem was er eigentlich verkauft, hat er keine Ahnung. Die zehn Stunden, die er täglich unterwegs verbringt, ehe er sich zu Hause noch ein paar Stunden gönnt, zehren an ihm. Die Idee, sich in Paris vor all den heimatlichen Verpflichtungen zu drücken, gefällt ihm daher sehr gut. Eine flapsige Bemerkung im Geschäft bringt den Wendepunkt herbei. Auf einmal wird Frank von seinen Vorgesetzten gelobt. Vielmehr noch, ihm steht sogar eine Beförderung ins Haus. Die pragmatische Seite von Frank kommt zum Vorschein. Mehr Geld und was ihm wichtiger erscheint, mehr Anerkennung, lassen die Arbeit weniger lästig erscheinen.

Regisseur Sam Mendes präsentiert in Revolutionary Road ein trostloses Bild von der Gesellschaft, die keine Bindung zu ihren Kindern hat. Immerhin bringen Helen Givings (Kathy Bates) und ihr Mann dem eigenen Sohn, John (Michael Shannon), noch Liebe entgegen. Der Mathematiker, kurz zuvor aus dem Sanatorium entlassen, behandelt seine Erzeuger dafür weniger glimpflich. Die Klimax der Ehrlichkeit erreicht der Film bei einem Treffen dieser beiden Familien, als John einen gnadenlosen Schlussstrich unter die Auswanderungspläne der Wheelers zieht. John gebiert sich dabei als Verrückter, der als einziger die Wahrheit zu erkennen scheint. Oder vielleicht muss man womöglich auch verrückt sein, um die Wahrheit zu erkennen?

An einigen Stellen wirkt die Musik von Thomas Newman recht nervig, fügt sich die meiste Zeit jedoch sehr stimmig mit den wunderbar ausgeleuchtete Bildern von Roger Deakins zusammen. Sam Mendes’ period piece fehlt wie bereits oben angerissen letztlich jedoch narrativ das Besondere, das ihn aus der Masse des Genres heraushebt. So ist er nicht unbedingt schlecht, aber dennoch ein wenig beliebig. Oscar-Preisträger Mendes versammelte für Revolutionary Road dabei erneut das Titanic-Trio um Leonardo DiCaprio, Kate Winslet und Kathy Bates. Während Letztere in der Rolle der verschüchterten Nachbarschaftsglucke richtig aufgeht, harmoniert es zwischen “Baby Face” DiCaprio und der Kette rauchenden Winslet nicht so wirklich.

Für das Ehepaar Winslet-Mendes ist die Prämisse kalter Kaffee, waren beide doch an den sehr ähnlichen Filmen American Beauty und Little Children beteiligt. DiCaprio hingegen passt einfach nicht so recht in die Rolle des 30-jährigen frustrierten Familienvaters, auch wenn er seine Momente hat, beispielsweise wenn Frank seinen Kindern apatisch beim Spielen zusieht. Nichtsdestotrotz ist Revolutionary Road ein über weite Strecken von seinen Darstellern getragenes Drama der bisweilen herausragenden Sorte. Allerdings leidet er unter einigen Längen, gelegentlichem Overacting von allen Beteiligten und der Tatsache, dass Richard Yates’ Geschichte irgendwie nicht so neu ist, wie Sam Mendes seinem Publikum weißmachen möchte.

7.5/10