Familien sind das Gut der Menschen, im Notfall halten sie zusammen, ein kleines behütetes Machtzentrum. Dieses kann sich jedoch auch nach außen kehren, die Familie zum eigenen Feindbild werden und sich dabei wie eine Supernova langsam zu Grunde richten, wie auch ihre Umgebung. Die Entscheidung Familien zu gründen, ist dem Menschen von der Natur mitgegeben, dabei ist meist die Mutter die Person, der die zentrale Rolle zukommt. Im klassischen Sinne einer Familie glänzt der Vater durch Abwesenheit, um seine Liebsten durchzubringen. Dies hat zur Folge, dass die Kinder oftmals keine richtige Bindung zu dem gestressten Familienoberhaupt aufbauen können und sich verstärkt an die Mutter wenden. Letzen Endes führen solche Momente oftmals zur allgemeinen Distanzierung der Familienmitglieder, die Kinder fühlen sich vom Vater nicht geliebt, die Frau von diesem vernachlässigt und jener selbst vom Rest unverstanden. Dieses Bild entspricht dem Klischeebild einer Familie und ist nicht unbedingt die Regel, sondern eher noch die Ausnahme. Gerade die Amerikaner haben zumindest was Medien anbelangt dieses Klischee scheinbar gefressen. Seien es Romane oder Filme, allzu gerne wird auf jenes Klischeebild zurückgegriffen.
Söhne scheitern an den Erwartungen ihrer Väter, trotz Blutbande ist kaum noch Nähe vorhanden. Wenn dann auch noch das entscheidende Bindeglied wegfällt, ist es oftmals um das Glück der ganzen Familie geschehen. Angerissen hat dies zum Beispiel der verstorbene Ted Demme in seinem Meisterwerk Beautiful Girls, doch auch in vielen, unzähligen anderen Werken taucht diese Thematik auf. „Für mich sind Mütter wie Bilderrahmen, die ein Bild zusammenhalten“, sagt Dennis Lee, Autor und Regisseur von Fireflies in the Garden. Jener Film, mit dem Lee sein Spielfilmdebüt gibt, wird gerne als semi-autobiographisch beschrieben. Dies findet sich in der Tatsache begründet, dass Lee seine eigene Mutter vor einigen Jahren bei einem Autounfall verlor und dies nun in seine Geschichte eingewoben hat. Abgesehen davon ist die restliche Handlung jedoch fiktiv.
Regen prasselt auf die Windschutzscheibe und eine kleine Hand presst sich ans Fenster. Dieses kurze, harmonische Bild wird zugleich unterbunden indem Vater Charlie (Willem Dafoe) seinen Sohn Michael (Cayden Boyd) anherrscht die Hand von der Scheibe zu nehmen. Wo er seine Brille gelassen habe, wird Michael vom Vater gefragt, zugleich mit Worten wie „Klugscheißer“ beschimpft und letztlich gar aus dem Wagen geworfen. Schon nach wenigen Minuten dürfte auch der hinterste Kinozuschauer begriffen haben, dass mit Charlie nicht gut Kirschen essen ist. Er ist ein rigoroser, strenger Vater und zählt zu der Kategorie, die ihre Aufopferung für die Familie von dieser nicht anerkannt sehen. Dagegen kann auch Ehefrau Lisa (Julia Roberts) nicht viel machen, sie ist das klassische Frauchen, welches schön dem Patriarchen folgt und nach dem zweiten Mal die Widerworte runterschluckt. Regisseur Lee hat die Bühne für seine Familie Waechter bereitet, die jedoch aus unerfindlichen Gründen in der deutschen Fassung Taylor heißt, eine Erklärung diesbezüglich findet sich jedoch nicht einmal im Presseheft.
Diese Szene bildet den Auftakt für einen Sommer, der den jungen Michael und alle anderen Protagonisten noch lange Zeit verfolgen wird und sich in der Haupthandlung widerspiegelt. Einige Jahre später kommt Michael (Ryan Reynolds), inzwischen erfolgreicher Autor von Liebesromanen, in seine Heimatstadt zurück. Seine Mutter hat ihren Hochschulabschluss nachgeholt und lädt zu ihrer Abschlussfeier. Doch diese wird sie nie erreichen. Die Autofahrt endet schließlich tödlich für sie, als ihr Neffe Christopher urplötzlich auf die Straße rennt. Was als Feier für die Familie geplant war, verkommt zur Beerdigung. Michael trifft nicht nur auf seinen herrischen Vater, sondern auch auf seine Tante Jane (Emily Watson) und seine Schwester Ryne (Shanhon Lucio). An alter Wirkungsstätte brechen dann auch wieder die Erinnerungen an jenen ereignisreichen Sommer wieder hoch – jene Ereignisse, über die Michael in seinem neuen Buch schreibt.
Lee, der 2003 mit dem Studenoscar für seinen Kurzfilm Jesus Henry Christ ausgezeichnet wurde, konnte für seinen Debütfilm eine halbe Million Dollar von Verwandten und Freunden leihen. In Hollywood hatte niemand Interesse gehabt, sein Drehbuch zu verfilmen. Kurz vor seinem Independent-Start erhielt Lee dann einen Anruf aus Deutschland. Marco Weber, Chef von Senator Entertainment, wollte sein Drehbuch produzieren – genauso wie es war. Sicherlich eine Seltenheit in der Traumfabrik Hollywood und eine, die obschon großflächig breitgetreten, auch hier Erwähnung finden soll. Senator Entertainment möchte das neue respektive alte Miramax werden, eine Produktionsfirma für hoffnungsvolle Filmemacher, die hier (finanzielle) Unterstützung erfahren sollen. Somit wurde Lees Budget von $ 500.000 auf $ 7.500.000 angehoben und ein internationales Ensemble rund um Stars wie Julia Roberts, Ryan Reynolds und Willem Dafoe verpflichtet. Äußerst löblich ist das ganze und von Danny Moder als Kameramann und Javier Navarette als Komponist auch mitunter elegisch verpackt worden.
Wirklich neu ist es jedoch auch nicht und so tiefgründig und emotional wie es gerne sein möchte schon gleich gar nicht. Der herrische Vater, der ungeliebte Sohn, die zum Zusehen verdammte Mutter – das kommt einem nicht nur bekannt vor, dass ist einem auch bekannt. Wenn Ryan Reynolds – der nebenbei bemerkt hier eine seiner eindrucksvollsten Leistungen abliefert – seinen Cousins erzählt, dass er seit jenem Sommer der beste Freund von ihrer Mutter ist, kann man das nicht wirklich glauben. In den Rückblenden zwischen Michael und Jane (Hayden Panettiere) ist davon, außer einer nächtlichen Hilfeleistung kaum was zu sehen. Dass Jane in besagtem Sommer mit einem Geheimnis zu den Waechters/Taylors kam, besagt zwar der Kurzinhalt, welches Geheimnis das aber war, erschließt sich im Film nur subtil, ich selbst musste im Presseheft nachschlagen, ehe es mir bewusst wurde. Dies steht nur für eine der vielen Ungereimheiten, die Lees Werk zu bieten hat, von denen die frivolste wohl aber die Tatsache ist, dass die junge Jane scheinbar Vegetarierin war, jedoch keine Probleme hatte Fische mit Silvesterkrachern in die Luft zu jagen. Auch den im Titel vorkommenden Glühwürmchen wird im Film übel mitgespielt.
„Alle Frauen haben etwas gemeinsam: Sie müssen ihre Stimme finden“, erläutert Lee und meint damit die Damenriege von Jane und Lisa, bis hin zu Ryne und Michaels Ex-Frau Kelly (Carrie-Anne Moss). Auch dies erschließt sich dem Zuschauer beim bloßen Sehen nicht wirklich, zu sehr wird die Geschichte vom Vater-Sohn-Konflikt getragen. Welchen Reifeprozess Jane in besagtem Sommer durchgemacht hat wird dabei nur etwas besser klar, wie der von Kelly, deren Figur ohnehin äußerst blass bleibt. Der Film möchte eine echte, eine reale Handlung erzählen, von Momenten, mit denen sich jeder Zuschauer identifizieren kann. Worum es jedoch am Ende ging, in Lees Geschichte, versteht man beim Abrollen des Abspanns allerdings nicht. Was jenen Sommer so dramatisch für die Beteiligten machte und ihre Katharsis auslöste, wird zu wenig beleuchtet und daher nicht nachvollziehbar. Das aufgesetzte Happy End verstört da nur noch mehr, da es nicht aus der gezeigten Handlung her resultiert und deshalb immer schon existiert haben müsste. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass Lee einige Kürzungen vorgenommen hat, denn sonst müsste man ihm schlampiges Schreiben vorwerfen. Wenn er jedoch darauf setzt, dass das Publikum mit seinen Figuren mitfühlt, muss er diese besser beleuchten, als er es tut.
Wieso sind Jane und Michael so gute Freunde? Und warum hat er mit seiner Schwester keine so intensive Beziehung? Was ist die Dramatik in seiner Ehe? Wie verliefen die Jahre zwischen Vater und Sohn nach dem Sommer, denn scheinbar verliefen sie sehr viel anders (oder auch nicht), wie die finale Einstellung zeigt. Manchmal kann ein schöner Bilderrahmen ein Bild aufwerten, bei näherer Betrachtung verschwindet jedoch der Rahmen und was bleibt, ist das Bild. Wenn das Bild dann nicht überzeugt, rettet auch der schönste Rahmen nichts mehr. Lees Film krankt an seinen Klischees, derer er sich bedient, die Figuren und die Geschichte werden dabei nicht ausreichend beleuchtet. Inszenatorisch ist das ganze aber relativ ordentlich inszeniert, Reynolds, Defoe und Watson können neben den Jungdarstellern überzeugen. Dagegen bleiben Panettiere, Moss und Roberts relativ blass – von Ioan Gruffud, dessen Rolle so nichtssagend wie unnötig ist, ganz zu schweigen. Fireflies in the Garden scheitert letztlich nicht mal unbedingt an seinen Ambitionen, sondern daran, dass er nichts zu sagen hat. Am Ende sei noch erwähnt, dass man den Film nicht unbedingt im Kino sehen muss, da er in vier Wochen – auch hier sind die Gründe unerfindlich – bereits auf DVD erscheinen wird.
5.5/10
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