“Nants ingonyama bagithi Baba“, schallt es durch die Steppe, den Hintergrund füllt ein warmes Rot. Die Sonne geht auf, die Erde bebt, die afrikanische Tierwelt macht sich auf zum Pride Rock. Seien es Flamingos, Zebras, Elefanten, oder Käfer, sie alle kommen, ihren Tribut zu zollen. Ein Thronfolger ist geboren, der zukünftige König wird seinen designierten Untertanen präsentiert. Ein Zeremoniell, durchaus, doch es verbirgt sich mehr hinter dieser Szene. Niemand kontrolliert, wer erscheint und wer nicht. Die farbenfrohen Bilder beweisen, dass die Anwesenheit aller auf freien Stücken basiert. Es ist eine glückliche Zeit, vollkommen harmonisch. Der Mandrill markiert den kommenden König und zeigt ihm zum Abschluss des Festaktes sein auf ihn wartendes Reich. Es folgt ein harter Schnitt und würde man es nicht besser wissen, könnte man aufstehen und gehen.
Der Prolog von The Lion King, dem erfolgreichsten Zeichentrickfilm aller Zeiten, besticht durch seine Weite und Hans Zimmers Musik. Sein Echo wird den Film später ausleiten und Pro- wie Epilog unterstehen der großen Thematik des Filmes: dem Kreislauf des Lebens. Eine natürliche Ordnung, die gegenseitigen Respekt fordert. Löwen fressen Gazellen, doch wenn sie sterben, werden sie zu Gras und somit selbst von den Gazellen gefressen. Es ist eher ein philosophisches denn ein unabdingbar biologisches Beispiel, aber es steht für ein großes Ganzes und ein gemeinsames Miteinander. Dementsprechen lässt die Handlung keinen Raum für eine Auseinandersetzung von Jäger und Beute (wir sehen die Löwen nicht einmal Fleisch essen), genauso wie ein direkter Kontakt zwischen König Mufasa (James Earl Jones) und seinen Untertanen in der Steppe ausbleibt.
Diese Barriere des Königtums zur Unterschicht verschwimmen zu sehen und die Geschichte noch eine Spur ethischer zu gestalten, wäre vielleicht interessant gewesen. Für das was The Lion King sein möchte, ist es aber nicht von Nöten. Denn die Geburt des Thronfolgers führt zum Konflikt des Filmes. Nach Mufasa folgt in der Rangfolge sein Bruder Scar (Jeremy Irons) – doch das ändert sich durch die Geburt von Mufasas Sohn Simba (Jonathan Taylor Thomas). Der Unterschied zwischen Scar und seinem älteren Bruder ist evident: Ist Mufasa groß und stark gewachsen, mit glatter Mähne, so ist Scar hager und geduckt. Neben seiner verzottelten Haarpracht stechen insbesondere seine grünen Pupillen hervor und verleihen ihm etwas Diabolisches. Nie konnte der Jüngere aus dem Schatten des Bruders treten, die Rolle als Erbe schien ihm zu genügen.
Ob Scar seit jeher ein sadistischer Charakter gewesen ist, erfahren wir nicht, Disney zeichnet ihn zumindest ohne jeden menschlichen Zug. Nur auf den eigenen Vorteil bedacht und ohne Sympathien. Im zuvor erschienenen Aladdin pflegte Jafar immerhin ein freundschaftsartiges Verhältnis zu Iago. Da der Papagei wenig Nutzen für den Wesir hatte, kann man hier eine gewisse Affektion herauslesen. Dagegen ist Scar das personifizierte Böse, er hegt keinerlei Gefühle für die Verwandtschaft und ähnelt damit mehr an Ursula aus The Little Mermaid. Somit ist Scar das komplette Gegenteil von Mufasa: Ein narzisstischer Manipulator, der sein Fähnchen nach dem Wind ausrichtet. Obschon er das schwarze Schaf der Familie ist, legt Mufasa dennoch Wert auf Scars Anwesenheit beim Initiationsritus. Weniger aus Liebe, sondern weil es der Anstand gebot.
Für Scar kann es somit nur darum gehen, seine angestammte Position wieder zu erlangen. Hierfür muss er Simba ausschalten, ihn vom Königshof locken. Jugendliche Neugier und Abenteuerlust, dies sind die Ursachen, welche die Dramatik lostreten. Am Morgen noch schilderte Mufasa seinem Sohn die Weite des Reiches. “Everything the light touches is our kingdom”, erklärte der König ehrfürchtig. Ein Ausflug in die verbotene (Schatten-)Zone wird dann schnell zum Spießrutenlauf und kann letztlich nur durch Mufasas Eingreifen gerettet werden. Entgegen seinen Worten begab sich Simba in Gefahr und realisierte zu spät, wie lebensbedrohlich die Situation geworden ist. Auch der Sohn scheitert also an den Fußstapfen des Vaters, was im Heimweg gelungen eingefangen wird, wenn Simbas Pfote in einem tiefen Abdruck Mufasas versinkt.
Das Vorbild, das Mufasa seinem Sohn gibt, ist übergroß, im Grunde kann Simba wie Scar nur daran scheitern, wenn er diesem gerecht werden will. Als zukünftiger König will sich Simba seines Muts beweisen (“Danger? I laugh in the face of danger“) und wird in seine Schranken gewiesen. Doch der Vater kann dem Sohn nicht böse sein, der Konflikt wird schnell gelöst, zugleich aber auch die Vorbereitung zum nächsten Akt getroffen. Ob sein Vater immer für ihn da sein wird, stellt Simba die Frage, die jedes Kind irgendwann seine Eltern gefragt haben dürfte. Auch hier weiß Mufasa mit dem Kreislauf des Lebens aufzuwarten, er ahnt jedoch noch nicht, wie schnell dieser für ihn selbst in Kraft treten wird. Das Versagen von Shenzi (Whoopie Goldberg) und Banzai (Cheech Marin) reizt Scar nur noch mehr und treibt seinen Plan eine Spur weiter über seinen persönlichen Rubikon.
Der Königsmord hebt das Filmlevel auf Shakespearesche-Niveau. Drehbuchautorin Irene Mecchi wurde vor ihrem Engagement gesagt, die Story ließe sich als „Bambi in Afrika trifft auf Hamlet“ beschreiben. Weshalb sie das Projekt fortan „Bamlet“ nannte. Und in der Tat handelt es sich im weitesten Sinne um eine Adaption von Shakespeares Meisterwerk. Geschickt spielt Scar mit Simbas Schuldgefühlen und seinem verletzten Stolz, vor wie nach der Tat. Das Miterleben des Publikums von Scars perfidem Plan (“Long live the king!“), der inszenierte Mord an Mufasa, dürfte jeden Zuschauer zutiefst erschüttert haben. Die dramatische Sequenz, angefangen mit der brillanten Gnu-Stampede (die allein ganze drei Jahre Bearbeitungszeit durch die Zeichner beansprucht hatte), wäre in Zeiten von Bambi in einer derartigen Inszenierung nicht möglich gewesen.
Das kindliche Unverständnis eines plötzlich leblosen Objektes durch Simbas Reaktion steigert den Moment nochmals. Man kann sich fragen, weshalb die Gnus so reagiert haben, wie sie reagiert haben. Sie zeigen keinerlei Bewusstsein für Simbas oder Mufasas Präsenz, die Gefahr durch die Hyänen ist zu diesem Zeitpunkt in der Talsohle schon lange nicht mehr gegeben. Auch sucht Simba keinen Kontakt zu ihnen, spricht sie nicht an. Ebensowenig wie Mufasa als König. Sicherlich kann man die Situation auf die Panik der Tiere schieben, doch zwingend Sinn macht die Sequenz nicht. Zumindest nicht im logischen Sinn, für die Handlung jedoch umso mehr. Die Schuld an dem Unfall lastet sich Simba an, nicht nur weil sein Vater beim Versuch ihn zu retten stirbt, sondern da er davon ausgehen muss, dass er mit dem Echo seines Gebrülls die Stampede ausgelöst hat.
Für Simba bleibt somit nach Scars diabolischer Suggestion nur das Exil, sein Fortleben ist lediglich seinen gescheiterten Attentätern, den Hyänen, bekannt. Das Kapitel seines Treffens mit Timon (Nathan Lane) und Pumba (Ernie Sabella) hat zur Verortung in der Geschichte keine tiefere Bedeutung, die Meerkatze und das Warzenschwein dienen zu einem Großteil dem bloßem comic relief nach dieser hochemotionalen Szene. Nach dem düsteren Kapitel fokussiert sich die Handlung also auf das Außenseiterleben des Trios und die Tatsache, dass Simba versucht seine Vergangenheit hinter sich zu bringen. “Hakuna Matata“ lautet das Motto und Simba lässt sich angesichts der Vorfälle bereitwillig in ihre Mitte aufnehmen. Ein Zeitsprung überbrückt einige Jahre, und Simba (Matthew Broderick) scheint augenscheinlich seine Herkunft verdrängt zu haben.
Ein nächtliches Erlebnis mit Timon und Pumba, welches zufällig wirkt, aber Tradition zu sein scheint, sorgt für die aufkommende Katharsis. Ob Simba nicht zuvor bereits an seinen Vater erinnert worden ist, bleibt daher unklar. Nunmehr geht es jedenfalls Schlag auf Schlag. Nachdem Mandrill Rafiki von Simbas Überleben erfährt, trifft dieser alsbald auf Jugendfreundin Nala. Mit ihr erwacht sein Verantwortungsbewusstsein und somit das schlechte Gewissen. Eine alte Wunde wird aufgerissen, der hamletsche Zustand offenbart. Scar hat sich zum König erhoben, vom Mord am Bruder weiß niemand. Der rechtmäßige Thronfolger kehrt zurück und deckt das Komplott auf. Auslöser für die Simbas Entscheidung ist die Rückbesinnung auf die eigene Identität. “The past can hurt”, lehrt Rafiki ihn und zugleich das Publikum. “You can either run from it, or... learn from it.“
Timons Auffassung nach passieren schlimme Dinge und man kann nichts dagegen unternehmen. Den bedeutenden Faktor erfasst er nicht. Fehler sind nicht dazu da, verdrängt zu werden, sondern um aus ihnen zu lernen. Simba muss sich seiner Schuld stellen und mit ihr seiner Vergangenheit. Auch wenn er selbst die Schuld am Ende nicht trägt, geht es in The Lion King darum, dass Simba lernt, sich selbst zu vergeben. Damit ist er die einzig wichtige Figur, zumindest die, welche essentiell in der Handlung verankert ist. Bedauerlicherweise werden die Frauen nicht sonderlich in das Geschehen einbezogen. Sarabi ist kaum anwesend und auch Nalas Präsenz beschränkt sich auf die Romanze in der Oase. Es ist eine Königswelt, in der Männer wie Mufasa, Scar und Simba aktiv agieren. Ganz unähnlich zu Hamlet, wo Gertrud und Ophelia stärker eingebunden sind.
Dass der Film so gut funktioniert, ist auch der Musik. Elton Johns Stücke sind punktuell und pointiert, sie ergänzen die Handlung fließend. Zimmers Kompositionen sind ungemein kraftvoll und tragen oftmals das Geschehen und verleihen ihm zusätzlich Leben. The Lion King beweist somit, dass Disney auch großartige Musicalnummern einbauen kann, die nicht von Alan Menken (The Little Mermaid, Aladdin) stammen. Die Musik ergreift den Zuschauer und macht somit natürlich auch im Musical zum Film jede Menge Spaß. Kein Wunder, dass John bei den damaligen Academy Awards 3 Mal nominiert war und letztlich den Preis für “Can You Feel the Love Tonight“ erhielt. Auch Zimmer wurde in seiner Kategorie ausgezeichnet, wie wohl auch der Film selbst als bester Animationsfilm geehrt geworden wäre, hätte es die Kategorie bereits 1995 statt erst 2001 gegeben.
Bei genauerer Betrachtung kann man die Adaptionen aus Osamu Tezukas Kimba the White Lion, einer Animationsserie aus den Sechzigern, nicht übersehen. Viele Einstellungen aus The Lion King sind identisch mit denen der Kimba-Serie, ebenso wie die Gefährten (Meerkatze, Warzenschweins, Mandrill) oder die Erscheinung des toten Vaters im Himmel. Von Disney ist bis heute kein Zugeständnis diesbezüglich, die Ausrede des zufällig identischen Idee verfügt über lächerliche Züge. Bedenkt man, dass der Film bei 80 Millionen Dollar Kosten beinahe eine Milliarde Dollar eingespielt hat, lässt sich nicht nachvollziehen, weshalb man nicht einen Teil hiervon nachträglich für die Rechte abtritt. Stattdessen obsiegen die Geldgier und der Stolz. Unabhängig davon überzeugt und amüsiert die Disney-Geschichte und ist dabei oft ergreifend oder gar erschütternd.
Der letzte Disney-Film, der unter der Leitung von Jeffrey Katzenberg entstand, zählt zu den großen Meisterwerken des Studios und dürfte nicht nur Gregory Pecks Lieblings-Animationsfilm gewesen sein. Die beiden Regisseure Roger Allers und Rob Minkoff haben mit The Lion King sicher ihre, zumindest bisherige, Meisterleistung abgeliefert. Allers konnte sich in den Jahren zuvor als Autor der Filme Animalympics, Oliver & Company, sowie den beiden vorangegangenen Disneys Beauty and the Beast und Aladdin hervortun. Auch Minkoff war mit dem Studio seit Jahren verwurzelt und in die Arbeit an The Black Cauldron, aber auch The Brave Little Toaster involviert. Mit den vielfältigen, kräftig-warmen Farben, sowie der anrührenden Geschichte, verpackt in großartiger Musik, ist The Lion King auch mein zweiter Lieblingsfilm von Disney. Immer wieder gern gesehen.
Der Prolog von The Lion King, dem erfolgreichsten Zeichentrickfilm aller Zeiten, besticht durch seine Weite und Hans Zimmers Musik. Sein Echo wird den Film später ausleiten und Pro- wie Epilog unterstehen der großen Thematik des Filmes: dem Kreislauf des Lebens. Eine natürliche Ordnung, die gegenseitigen Respekt fordert. Löwen fressen Gazellen, doch wenn sie sterben, werden sie zu Gras und somit selbst von den Gazellen gefressen. Es ist eher ein philosophisches denn ein unabdingbar biologisches Beispiel, aber es steht für ein großes Ganzes und ein gemeinsames Miteinander. Dementsprechen lässt die Handlung keinen Raum für eine Auseinandersetzung von Jäger und Beute (wir sehen die Löwen nicht einmal Fleisch essen), genauso wie ein direkter Kontakt zwischen König Mufasa (James Earl Jones) und seinen Untertanen in der Steppe ausbleibt.
Diese Barriere des Königtums zur Unterschicht verschwimmen zu sehen und die Geschichte noch eine Spur ethischer zu gestalten, wäre vielleicht interessant gewesen. Für das was The Lion King sein möchte, ist es aber nicht von Nöten. Denn die Geburt des Thronfolgers führt zum Konflikt des Filmes. Nach Mufasa folgt in der Rangfolge sein Bruder Scar (Jeremy Irons) – doch das ändert sich durch die Geburt von Mufasas Sohn Simba (Jonathan Taylor Thomas). Der Unterschied zwischen Scar und seinem älteren Bruder ist evident: Ist Mufasa groß und stark gewachsen, mit glatter Mähne, so ist Scar hager und geduckt. Neben seiner verzottelten Haarpracht stechen insbesondere seine grünen Pupillen hervor und verleihen ihm etwas Diabolisches. Nie konnte der Jüngere aus dem Schatten des Bruders treten, die Rolle als Erbe schien ihm zu genügen.
Ob Scar seit jeher ein sadistischer Charakter gewesen ist, erfahren wir nicht, Disney zeichnet ihn zumindest ohne jeden menschlichen Zug. Nur auf den eigenen Vorteil bedacht und ohne Sympathien. Im zuvor erschienenen Aladdin pflegte Jafar immerhin ein freundschaftsartiges Verhältnis zu Iago. Da der Papagei wenig Nutzen für den Wesir hatte, kann man hier eine gewisse Affektion herauslesen. Dagegen ist Scar das personifizierte Böse, er hegt keinerlei Gefühle für die Verwandtschaft und ähnelt damit mehr an Ursula aus The Little Mermaid. Somit ist Scar das komplette Gegenteil von Mufasa: Ein narzisstischer Manipulator, der sein Fähnchen nach dem Wind ausrichtet. Obschon er das schwarze Schaf der Familie ist, legt Mufasa dennoch Wert auf Scars Anwesenheit beim Initiationsritus. Weniger aus Liebe, sondern weil es der Anstand gebot.
Für Scar kann es somit nur darum gehen, seine angestammte Position wieder zu erlangen. Hierfür muss er Simba ausschalten, ihn vom Königshof locken. Jugendliche Neugier und Abenteuerlust, dies sind die Ursachen, welche die Dramatik lostreten. Am Morgen noch schilderte Mufasa seinem Sohn die Weite des Reiches. “Everything the light touches is our kingdom”, erklärte der König ehrfürchtig. Ein Ausflug in die verbotene (Schatten-)Zone wird dann schnell zum Spießrutenlauf und kann letztlich nur durch Mufasas Eingreifen gerettet werden. Entgegen seinen Worten begab sich Simba in Gefahr und realisierte zu spät, wie lebensbedrohlich die Situation geworden ist. Auch der Sohn scheitert also an den Fußstapfen des Vaters, was im Heimweg gelungen eingefangen wird, wenn Simbas Pfote in einem tiefen Abdruck Mufasas versinkt.
Das Vorbild, das Mufasa seinem Sohn gibt, ist übergroß, im Grunde kann Simba wie Scar nur daran scheitern, wenn er diesem gerecht werden will. Als zukünftiger König will sich Simba seines Muts beweisen (“Danger? I laugh in the face of danger“) und wird in seine Schranken gewiesen. Doch der Vater kann dem Sohn nicht böse sein, der Konflikt wird schnell gelöst, zugleich aber auch die Vorbereitung zum nächsten Akt getroffen. Ob sein Vater immer für ihn da sein wird, stellt Simba die Frage, die jedes Kind irgendwann seine Eltern gefragt haben dürfte. Auch hier weiß Mufasa mit dem Kreislauf des Lebens aufzuwarten, er ahnt jedoch noch nicht, wie schnell dieser für ihn selbst in Kraft treten wird. Das Versagen von Shenzi (Whoopie Goldberg) und Banzai (Cheech Marin) reizt Scar nur noch mehr und treibt seinen Plan eine Spur weiter über seinen persönlichen Rubikon.
Der Königsmord hebt das Filmlevel auf Shakespearesche-Niveau. Drehbuchautorin Irene Mecchi wurde vor ihrem Engagement gesagt, die Story ließe sich als „Bambi in Afrika trifft auf Hamlet“ beschreiben. Weshalb sie das Projekt fortan „Bamlet“ nannte. Und in der Tat handelt es sich im weitesten Sinne um eine Adaption von Shakespeares Meisterwerk. Geschickt spielt Scar mit Simbas Schuldgefühlen und seinem verletzten Stolz, vor wie nach der Tat. Das Miterleben des Publikums von Scars perfidem Plan (“Long live the king!“), der inszenierte Mord an Mufasa, dürfte jeden Zuschauer zutiefst erschüttert haben. Die dramatische Sequenz, angefangen mit der brillanten Gnu-Stampede (die allein ganze drei Jahre Bearbeitungszeit durch die Zeichner beansprucht hatte), wäre in Zeiten von Bambi in einer derartigen Inszenierung nicht möglich gewesen.
Das kindliche Unverständnis eines plötzlich leblosen Objektes durch Simbas Reaktion steigert den Moment nochmals. Man kann sich fragen, weshalb die Gnus so reagiert haben, wie sie reagiert haben. Sie zeigen keinerlei Bewusstsein für Simbas oder Mufasas Präsenz, die Gefahr durch die Hyänen ist zu diesem Zeitpunkt in der Talsohle schon lange nicht mehr gegeben. Auch sucht Simba keinen Kontakt zu ihnen, spricht sie nicht an. Ebensowenig wie Mufasa als König. Sicherlich kann man die Situation auf die Panik der Tiere schieben, doch zwingend Sinn macht die Sequenz nicht. Zumindest nicht im logischen Sinn, für die Handlung jedoch umso mehr. Die Schuld an dem Unfall lastet sich Simba an, nicht nur weil sein Vater beim Versuch ihn zu retten stirbt, sondern da er davon ausgehen muss, dass er mit dem Echo seines Gebrülls die Stampede ausgelöst hat.
Für Simba bleibt somit nach Scars diabolischer Suggestion nur das Exil, sein Fortleben ist lediglich seinen gescheiterten Attentätern, den Hyänen, bekannt. Das Kapitel seines Treffens mit Timon (Nathan Lane) und Pumba (Ernie Sabella) hat zur Verortung in der Geschichte keine tiefere Bedeutung, die Meerkatze und das Warzenschwein dienen zu einem Großteil dem bloßem comic relief nach dieser hochemotionalen Szene. Nach dem düsteren Kapitel fokussiert sich die Handlung also auf das Außenseiterleben des Trios und die Tatsache, dass Simba versucht seine Vergangenheit hinter sich zu bringen. “Hakuna Matata“ lautet das Motto und Simba lässt sich angesichts der Vorfälle bereitwillig in ihre Mitte aufnehmen. Ein Zeitsprung überbrückt einige Jahre, und Simba (Matthew Broderick) scheint augenscheinlich seine Herkunft verdrängt zu haben.
Ein nächtliches Erlebnis mit Timon und Pumba, welches zufällig wirkt, aber Tradition zu sein scheint, sorgt für die aufkommende Katharsis. Ob Simba nicht zuvor bereits an seinen Vater erinnert worden ist, bleibt daher unklar. Nunmehr geht es jedenfalls Schlag auf Schlag. Nachdem Mandrill Rafiki von Simbas Überleben erfährt, trifft dieser alsbald auf Jugendfreundin Nala. Mit ihr erwacht sein Verantwortungsbewusstsein und somit das schlechte Gewissen. Eine alte Wunde wird aufgerissen, der hamletsche Zustand offenbart. Scar hat sich zum König erhoben, vom Mord am Bruder weiß niemand. Der rechtmäßige Thronfolger kehrt zurück und deckt das Komplott auf. Auslöser für die Simbas Entscheidung ist die Rückbesinnung auf die eigene Identität. “The past can hurt”, lehrt Rafiki ihn und zugleich das Publikum. “You can either run from it, or... learn from it.“
Timons Auffassung nach passieren schlimme Dinge und man kann nichts dagegen unternehmen. Den bedeutenden Faktor erfasst er nicht. Fehler sind nicht dazu da, verdrängt zu werden, sondern um aus ihnen zu lernen. Simba muss sich seiner Schuld stellen und mit ihr seiner Vergangenheit. Auch wenn er selbst die Schuld am Ende nicht trägt, geht es in The Lion King darum, dass Simba lernt, sich selbst zu vergeben. Damit ist er die einzig wichtige Figur, zumindest die, welche essentiell in der Handlung verankert ist. Bedauerlicherweise werden die Frauen nicht sonderlich in das Geschehen einbezogen. Sarabi ist kaum anwesend und auch Nalas Präsenz beschränkt sich auf die Romanze in der Oase. Es ist eine Königswelt, in der Männer wie Mufasa, Scar und Simba aktiv agieren. Ganz unähnlich zu Hamlet, wo Gertrud und Ophelia stärker eingebunden sind.
Dass der Film so gut funktioniert, ist auch der Musik. Elton Johns Stücke sind punktuell und pointiert, sie ergänzen die Handlung fließend. Zimmers Kompositionen sind ungemein kraftvoll und tragen oftmals das Geschehen und verleihen ihm zusätzlich Leben. The Lion King beweist somit, dass Disney auch großartige Musicalnummern einbauen kann, die nicht von Alan Menken (The Little Mermaid, Aladdin) stammen. Die Musik ergreift den Zuschauer und macht somit natürlich auch im Musical zum Film jede Menge Spaß. Kein Wunder, dass John bei den damaligen Academy Awards 3 Mal nominiert war und letztlich den Preis für “Can You Feel the Love Tonight“ erhielt. Auch Zimmer wurde in seiner Kategorie ausgezeichnet, wie wohl auch der Film selbst als bester Animationsfilm geehrt geworden wäre, hätte es die Kategorie bereits 1995 statt erst 2001 gegeben.
Bei genauerer Betrachtung kann man die Adaptionen aus Osamu Tezukas Kimba the White Lion, einer Animationsserie aus den Sechzigern, nicht übersehen. Viele Einstellungen aus The Lion King sind identisch mit denen der Kimba-Serie, ebenso wie die Gefährten (Meerkatze, Warzenschweins, Mandrill) oder die Erscheinung des toten Vaters im Himmel. Von Disney ist bis heute kein Zugeständnis diesbezüglich, die Ausrede des zufällig identischen Idee verfügt über lächerliche Züge. Bedenkt man, dass der Film bei 80 Millionen Dollar Kosten beinahe eine Milliarde Dollar eingespielt hat, lässt sich nicht nachvollziehen, weshalb man nicht einen Teil hiervon nachträglich für die Rechte abtritt. Stattdessen obsiegen die Geldgier und der Stolz. Unabhängig davon überzeugt und amüsiert die Disney-Geschichte und ist dabei oft ergreifend oder gar erschütternd.
Der letzte Disney-Film, der unter der Leitung von Jeffrey Katzenberg entstand, zählt zu den großen Meisterwerken des Studios und dürfte nicht nur Gregory Pecks Lieblings-Animationsfilm gewesen sein. Die beiden Regisseure Roger Allers und Rob Minkoff haben mit The Lion King sicher ihre, zumindest bisherige, Meisterleistung abgeliefert. Allers konnte sich in den Jahren zuvor als Autor der Filme Animalympics, Oliver & Company, sowie den beiden vorangegangenen Disneys Beauty and the Beast und Aladdin hervortun. Auch Minkoff war mit dem Studio seit Jahren verwurzelt und in die Arbeit an The Black Cauldron, aber auch The Brave Little Toaster involviert. Mit den vielfältigen, kräftig-warmen Farben, sowie der anrührenden Geschichte, verpackt in großartiger Musik, ist The Lion King auch mein zweiter Lieblingsfilm von Disney. Immer wieder gern gesehen.
10/10
Ja genau, Kimba der weiße Löwe. Da habe ich als Kind bei der ersten Folge geweint weil Kimba seine Mama verlor. Und meine böse Mutter wollte nicht mehr, daß ich Kimba gucke, weil sie glaubte die Serie würde mich zu sehr aufregen. So etwas vergißt man nie. Zumal die Titelmelodie um längen besser war als das Geschnulze vom Lion King;)
AntwortenLöschenMein absoluter Lieblingsdisney. Einfach perfekt. Ich liebe diesen Film und sollte unbedingt einmal wieder die DVD einwerfen.
AntwortenLöschenIrgendwann muss ich den Film, glaube ich, auch mal schauen...
AntwortenLöschenTolle Review zu einem tollen Film. Neben dem "Dschungelbuch" ist dies auch mein "Lieblings-Disney". Bei "The Lion King" stimmt einfach Alles.
AntwortenLöschenhab ich leider nicht auf DVD *heul*
AntwortenLöschenund ich muss immer noch eine Träne wegwischen, wenn Simba sich die Schuld gibt *heulheul*
Dann noch das "Klauen" jo, eignetlich basiert jeder Disney-Film auf einer Buchvorlage. Märchen, Literatur und Animes. Ich sag nur Atlantis und Nadia- the secret of blue water. (ersteres hab ich bis heute verweigert anzusehen, zweiteres kann ich nur empfehlen)
hach, ich hoff ja noch auf die 3D veröffentlichung und dann neue DVDs von den Klassikern ;_;