Mit Geschichte nimmt man es in Hollywood nicht so genau, meist ist sie eher Mittel zum Zweck. Daher sollte man bezüglich einer Arbeit in Römischer Geschichte lieber nicht Gladiator ansehen und wer etwas über die Kreuzzüge und Tempelritter erfahren will, einen Bogen um Kingdom of Heaven machen. Das soll jedoch nicht bedeuten, dass ausschließlich Ridley Scott den wahren Geschehnissen den Allerwertesten zuwendet, wie sehr man die Geschichte zum eigenen Vorteil verändern kann, bewiesen auch die Deutschen zuletzt mit Der Rote Baron. Ohnehin ist Geschichte eher ein Schul-Staubfänger und wie Mathematik ein Pflichtfach. Es lässt sich aber trotzdem nicht abstreiten, dass unsere Geschichte einen Nährboden für Filme darstellt, gerade weil sie interessant ist. Die Schlacht der Griechen an den Thermopylen gegen das persische Heer Xerxes’ verlief natürlich etwas anders, als man es von Zack Snyder in 300 erzählt bekommt, aber das wahre Ereignis (Spartanerkönig Leonidas opfert sich und 298 Spartaner, um den versammelten Griechen mehr Zeit gegen die Perser zu verschaffen) findet Einzug in den Film.
Doch je weiter die Geschichtsschreibung sich von Christi Geburt entfernt, desto verstärkt muss man geschilderte Ereignisse als Legende, denn als historische Begebenheit ansehen. Eine solche Legende findet sich unter anderem bei Homer. In seiner Ilias schilderte er in 24 Gesängen rund 50 Tage während des Trojanischen Krieges. Ob dieser tatsächlich stattgefunden hat, kann heute nicht eindeutig geklärt werden. Dass er so stattfand, wie ihn Homer schildert, ist zu bezweifeln. Denn bei ihm sind die Menschen nur Spielbälle für die Gelüste der Götter. Ein freier Wille existiert nicht, Hellenen und Trojaner verkommen zu Marionetten. Die griechische Kultur verfügte über etliche Götter, von solchen zur Jagd (Athene) bis hin zu den des Weines (Bacchus). Nun sind diese sehr eigen, selbstverliebt und streitsüchtig. Ihre Zwiste tragen sie nicht selbst aus, sondern lassen Menschen dies tun. Sie wählen eine Partei aus und lassen diese gegen die des Konkurrenten antreten. So stehen auf Seiten der Trojaner Aphrodite, Göttin der Schönheit, sowie ihr Bruder Apollon, den die Trojaner verehren. Für die Griechen sind derweil Athene und Ares, Gott des Krieges. Sie greifen in Abstimmung mit Göttervater Zeus in das Kriegsgeschehen ein und entscheiden dieses.
Nun ist Mono- und Polytheismus jedermanns eigene Sache, ein Grund jedoch mehr für den deutschen Regisseur Wolfgang Petersen, in seiner Adaption des Trojanischen Krieges auf das Auftreten der Götter zu verzichten. Für 180 Millionen Dollar engagierte Petersen eine namhaftes Ensemble um Brad Pitt, dennoch wurde Troy bei Erscheinen kritisiert, darunter von Fachgelehrten wegen des Verzichts der Götter. Immerhin gelang es Troy, fast das Dreifache seiner Kosten einzuspielen, sodass er zumindest kein Flop wurde. Im letzten Jahr brachte Petersen dann einen Director’s Cut heraus. Diese erweiterte Fassung ist um 30 Minuten Filmmaterial ergänzt, von Schlachtszenen bis zu nackten Tatsachen einer Diane Krüger. Für Wolfgang Petersen selbst ist diese über drei Stunden lange Fassung jetzt stimmiger als der Kinoschnitt, was sich nur bestätigen lässt. Wer die Kinofassung gut fand oder generell auf Monumentalfilme abfährt, kommt an Troy nicht vorbei. Für Fans der Ilias dagegen dürfte der Film womöglich eher abschreckend sein, da er etwaige Kürzungen und Änderungen an der Vorlage vornimmt. In einem Satz: der Director’s Cut von Troy bietet mehr Gewalt, mehr Blut und mehr Brüste.
Während Homer sich in der Ilias eher auf die Sicht der Griechen beschränkt, degradiert Petersen im Film Agamemnon (Brian Cox) und Co. zu den Bösewichtern. Die Helden sind die Trojaner, allen voran Prinz und Heerführer Hektor (Eric Bana). Auch die Darstellung seines Todes gerät weitaus ehren- und heldenhafter als bei Homer. Auch wenn sich über dessen Schreibstil dahingehend streiten lässt, da verschiedene Figuren mal heldenhaft und mal feige agieren. Auf welcher Seite Petersen und Drehbuchautor David Benioff stehen, wird spätestens beim Einfall von Agamemnons Truppen in Troja klar. Hier ergreift der Director’s Cut vollends Partei: Frauen werden vergewaltigt und Kinder ermordet. Mit Homer hat das nun gar nichts mehr zu tun, endet dessen Ilias doch mit Hektors Begräbnis. Dagegen versucht Troy die Geschichte zu Ende zu erzählen, mit Anfang und Ende. Der Legende nach begann der Trojanische Krieg mit der Entführung von Helena (Diane Krüger) durch Paris (Orlando Bloom). Beide beginnen eine Affäre und mit dieser letztlich auch der Krieg zwischen Athen und Troja. Dabei war die Helenas Entführung nur der Auslöser des Krieges, nicht aber seine Ursache. Der Film fängt zum Glück ein, dass Agamemnon die Entführung seiner Schwägerin sehr recht kommt. Ganz Griechenland steht unter seinem Joch – außer Sparta, der große Konkurrent jenseits des Meeres. Wann, wenn nicht jetzt, scheint sich Agamemnon zu denken. Und zieht bereitwillig in den Krieg.
Dieser Tatsache ist sich auch Hektor sehr wohl bewusst, weshalb er sich und sein Volk bereitwillig ihrem Schicksal ergibt. Dabei ist nicht gesagt, dass Petersen die Götter tatsächlich aus seinem Film ausschloss, denn nur weil man sie nicht sehen kann, muss dies keineswegs bedeuten, sie wären nicht da. So machen die Szenen zwischen Helena und Paris im Schlafgemach oder zwischen Paris und Hektor auf dem Schiff ebenso Andeutungen wie der finale Konflikt zwischen Paris und Achilles. Auch in Wolfgang Petersens Film sind die Menschen lediglich Bauern auf einem riesigen Schachbrett, ihre Handlungen lassen sich nicht durch sie kontrollieren, ihr Schicksal scheint vorherbestimmt. Am ehesten sind sich wohl Hektor und sein Kontrahent Achilles (Brad Pitt) dieser Tatsache bewusst. Beide erahnen, dass es für sie kein Entrinnen aus diesem Krieg gibt und beide ergeben sich ihrem Schicksal. Aber beide aus unterschiedlichen Beweggründen – ein großes Attribut von Troy, dessen finale Einstellung dies kongenial unterstreicht.
Während Hektor in den Krieg zog, um für sein Land und dessen Volk zu kämpfen, suchte Achilles nur den Ruhm. Benioff hebt dies brillant hervor, indem er Odysseus (Sean Bean) Achilles auf diese Weise zur Kriegsteilnahme bewegt. Der größte Krieg, den die Welt je gesehen hat – und Achilles war nicht dabei? Der größte Kämpfer aller Zeiten? “They will write stories about your victories in thousands of years! And the world will remember your name”, verspricht Odysseus. Das sieht auch Achilles ein. Obschon er es dank seiner Mutter besser weiß, er sucht den Krieg, braucht ihn. Achilles wollte unsterblich werden und es ist ihm gelungen. Noch 3000 Jahre später würde man seine Geschichte erzählen, diese filmisch würdigen. Seinen Platz muss er sich allerdings mit Hektor teilen, einem Sterblichen, der ihm in Fragen des Ruhmes in nichts nachsteht. Umso passender hat Benioff die letzten Worte des Filmes, von Odysseus gesprochen, gewählt: “Let them say I lived in the time of Hector, tamer of horses. Let them say I lived in the time of Achilles.”
Auffällig ist in Troy natürlich der Einsatz der visuellen Effekte, die Reise der tausend griechischen Schiffe ist ebenso imposant wie die Erschaffung Trojas. Ergänzt werden die Effekte von exzellenten Ausstattungen und Kostümen, besser lässt sich ein Monumentalepos von technischer Seite kaum gestalten. Die Choreographie des Angriffes von Achilles auf den Tempel Apollons ist meisterlich und ungemein flüssig. Da stört es auch nicht groß, dass die gesamte Sequenz ob ihres Inhalts lachhaft ist. Achilles nimmt alleine mit 50 Mann den besetzten Strand der Trojaner ein? Egal, Benioff und Petersen versuchen Achilles’ Status gerecht zu werden. In der Ilias ist er allein für Sieg oder Niederlage der Griechen verantwortlich. Sein Entschluss dem Geschehen fernzubleiben sorgt fast für die Zerschlagung von Agamemnons Truppen. Auch dies fängt Troy ein, so wie die Ursache für Achilles’ Entscheidung. Streitfaktor ist Briseis (Rose Byrne), die Agamemnon für sich beansprucht, obschon sie Achilles „gehört“. Der Film macht hier eine Abänderung, wo Briseis bei Homer eine Sklavin ist, heben sie Petersen und Benioff zur Cousine von Hektor und Paris empor. Sinn und Zweck soll wohl eine Dramatisierung sein, die jedoch eigentlich völlig unnötig war.
Ohnehin folgt der Film eher filmischen Konventionen, entwickelt eine Parteilichkeit und versucht sich an einem Happy End, das den Schilderungen der Legende widerspricht. Das kann man Petersen sicher zum Vorwurf machen, aber wann wurde schon eine historische Begebenheit authentisch wiedergegeben? Wahrscheinlich ist die Ilias in ihrer Form unverfilmbar, da sie im neunten Jahr des Trojanischen Krieges beginnt und nicht mal bis zu seinem Ende andauert. Ein Großteil der Handlung dreht sich um die Streitereien der Götter und der andere Teil um den Konflikt zwischen Achilles und Agamemnon. Das Publikum ist verwöhnt und nicht gewöhnt, dass eine Geschichte einen schlechten Ausgang haben könnte. Bedenkt man das enorme Budget des Filmes, wäre die authentische Erzählung vielleicht sogar ein finanzieller Selbstmord gewesen. Viele Figuren sterben der Legende nach nicht, andere sterben nicht so wie geschildert, wieder andere tauchen gar nicht auf, was ob ihres Schicksals nicht unbedingt die schlechteste Entscheidung war. Benioff und Petersen wollten bestimmt nicht versuchen, so nah wie möglich den wahren Ereignissen Tribut zu zollen, sondern sie nahmen sich einer Legende an, um ihre eigene Geschichte zu erzählen.
Letztlich basiert Troy bloß auf der Ilias und stellt keine Verfilmung von ihr dar. Das was der Film sein möchte, gelingt ihm zu sein. Ein Schlachten-Epos, garniert mit Helden, gepfeffert mit einem Schuss Romantik. Besonderes Schmankerl sind die kleinen Referenzen zu Homers Odyssee und Vergils Aeneis, die Benioff in sein Skript eingebaut hat. Auch wenn diese Szenen wahrscheinlich lediglich für Historiker besonders interessant und amüsant gerät. Neben den Effekten, Kostümen, der Ausstattung und dem pathetischen Score von James Horner wird der Film allerdings auch von seinem Schauspiel-Ensemble getragen. Von Brad Pitt über Eric Bana bis hin zu Orlando Bloom, Saffron Burrows und Julie Christie ist Troy durchweg namhaft besetzt. Zwar verdient keiner der Darsteller eine Auszeichnung für sein oder ihr Schauspiel, am ehesten vielleicht noch Altmeister Peter O’Toole. Eric Bana ist kein großer Charakterdarsteller, aber die Figur von Hektor weiß er einzufangen. Orlando Bloom hingegen muss einen Schönling spielen und bewerkstelligt dies – mit geringen Abstrichen – auch zufriedenstellend.
Die alten Theaterhaudegen Brian Cox und Brendan Gleeson haben mit ihren Rollen derweil keine Probleme und sichtlich Spaß, Diane Krüger kann sich als Lustobjekt nicht sonderlich hervortun. Star des Films ist Brad Pitt und obschon er über schauspielerisches Talent verfügt, scheitert er an der Eindimensionalität der Figur. Achilles ist im Grunde ein leerer Körper, ihm fehlt die Emotionalität. Er kennt keine Gnade und kein Erbarmen. Zwar lernt er das nach der Schleifung von Hektor, doch ändert dies wenig an seinem Charakter. Pitt hat große Probleme mit seiner Figur, vielleicht unterforderte sie ihn oder ihm fehlte die rechte Herangehensweise. Außer einer langen Mähne und einem gestählten Körper kann er wenig bieten. Doch dies spielt in Troy keine Rolle, es geht um Kämpfe, Schlachten, Auseinandersetzungen. Dies steht im Vordergrund und dies bekommt das Publikum serviert. Die Kirsche auf das Sahnehäubschen ist dabei schlussendlich der Dialogreichtum von Benioff, der seinen Figuren teils herrliche Einzeiler (“Get up, Prince of Troy! I won't let a stone rob me of my glory!”) und Dialoge in den Mund legt.
8/10
Doch je weiter die Geschichtsschreibung sich von Christi Geburt entfernt, desto verstärkt muss man geschilderte Ereignisse als Legende, denn als historische Begebenheit ansehen. Eine solche Legende findet sich unter anderem bei Homer. In seiner Ilias schilderte er in 24 Gesängen rund 50 Tage während des Trojanischen Krieges. Ob dieser tatsächlich stattgefunden hat, kann heute nicht eindeutig geklärt werden. Dass er so stattfand, wie ihn Homer schildert, ist zu bezweifeln. Denn bei ihm sind die Menschen nur Spielbälle für die Gelüste der Götter. Ein freier Wille existiert nicht, Hellenen und Trojaner verkommen zu Marionetten. Die griechische Kultur verfügte über etliche Götter, von solchen zur Jagd (Athene) bis hin zu den des Weines (Bacchus). Nun sind diese sehr eigen, selbstverliebt und streitsüchtig. Ihre Zwiste tragen sie nicht selbst aus, sondern lassen Menschen dies tun. Sie wählen eine Partei aus und lassen diese gegen die des Konkurrenten antreten. So stehen auf Seiten der Trojaner Aphrodite, Göttin der Schönheit, sowie ihr Bruder Apollon, den die Trojaner verehren. Für die Griechen sind derweil Athene und Ares, Gott des Krieges. Sie greifen in Abstimmung mit Göttervater Zeus in das Kriegsgeschehen ein und entscheiden dieses.
Nun ist Mono- und Polytheismus jedermanns eigene Sache, ein Grund jedoch mehr für den deutschen Regisseur Wolfgang Petersen, in seiner Adaption des Trojanischen Krieges auf das Auftreten der Götter zu verzichten. Für 180 Millionen Dollar engagierte Petersen eine namhaftes Ensemble um Brad Pitt, dennoch wurde Troy bei Erscheinen kritisiert, darunter von Fachgelehrten wegen des Verzichts der Götter. Immerhin gelang es Troy, fast das Dreifache seiner Kosten einzuspielen, sodass er zumindest kein Flop wurde. Im letzten Jahr brachte Petersen dann einen Director’s Cut heraus. Diese erweiterte Fassung ist um 30 Minuten Filmmaterial ergänzt, von Schlachtszenen bis zu nackten Tatsachen einer Diane Krüger. Für Wolfgang Petersen selbst ist diese über drei Stunden lange Fassung jetzt stimmiger als der Kinoschnitt, was sich nur bestätigen lässt. Wer die Kinofassung gut fand oder generell auf Monumentalfilme abfährt, kommt an Troy nicht vorbei. Für Fans der Ilias dagegen dürfte der Film womöglich eher abschreckend sein, da er etwaige Kürzungen und Änderungen an der Vorlage vornimmt. In einem Satz: der Director’s Cut von Troy bietet mehr Gewalt, mehr Blut und mehr Brüste.
Während Homer sich in der Ilias eher auf die Sicht der Griechen beschränkt, degradiert Petersen im Film Agamemnon (Brian Cox) und Co. zu den Bösewichtern. Die Helden sind die Trojaner, allen voran Prinz und Heerführer Hektor (Eric Bana). Auch die Darstellung seines Todes gerät weitaus ehren- und heldenhafter als bei Homer. Auch wenn sich über dessen Schreibstil dahingehend streiten lässt, da verschiedene Figuren mal heldenhaft und mal feige agieren. Auf welcher Seite Petersen und Drehbuchautor David Benioff stehen, wird spätestens beim Einfall von Agamemnons Truppen in Troja klar. Hier ergreift der Director’s Cut vollends Partei: Frauen werden vergewaltigt und Kinder ermordet. Mit Homer hat das nun gar nichts mehr zu tun, endet dessen Ilias doch mit Hektors Begräbnis. Dagegen versucht Troy die Geschichte zu Ende zu erzählen, mit Anfang und Ende. Der Legende nach begann der Trojanische Krieg mit der Entführung von Helena (Diane Krüger) durch Paris (Orlando Bloom). Beide beginnen eine Affäre und mit dieser letztlich auch der Krieg zwischen Athen und Troja. Dabei war die Helenas Entführung nur der Auslöser des Krieges, nicht aber seine Ursache. Der Film fängt zum Glück ein, dass Agamemnon die Entführung seiner Schwägerin sehr recht kommt. Ganz Griechenland steht unter seinem Joch – außer Sparta, der große Konkurrent jenseits des Meeres. Wann, wenn nicht jetzt, scheint sich Agamemnon zu denken. Und zieht bereitwillig in den Krieg.
Dieser Tatsache ist sich auch Hektor sehr wohl bewusst, weshalb er sich und sein Volk bereitwillig ihrem Schicksal ergibt. Dabei ist nicht gesagt, dass Petersen die Götter tatsächlich aus seinem Film ausschloss, denn nur weil man sie nicht sehen kann, muss dies keineswegs bedeuten, sie wären nicht da. So machen die Szenen zwischen Helena und Paris im Schlafgemach oder zwischen Paris und Hektor auf dem Schiff ebenso Andeutungen wie der finale Konflikt zwischen Paris und Achilles. Auch in Wolfgang Petersens Film sind die Menschen lediglich Bauern auf einem riesigen Schachbrett, ihre Handlungen lassen sich nicht durch sie kontrollieren, ihr Schicksal scheint vorherbestimmt. Am ehesten sind sich wohl Hektor und sein Kontrahent Achilles (Brad Pitt) dieser Tatsache bewusst. Beide erahnen, dass es für sie kein Entrinnen aus diesem Krieg gibt und beide ergeben sich ihrem Schicksal. Aber beide aus unterschiedlichen Beweggründen – ein großes Attribut von Troy, dessen finale Einstellung dies kongenial unterstreicht.
Während Hektor in den Krieg zog, um für sein Land und dessen Volk zu kämpfen, suchte Achilles nur den Ruhm. Benioff hebt dies brillant hervor, indem er Odysseus (Sean Bean) Achilles auf diese Weise zur Kriegsteilnahme bewegt. Der größte Krieg, den die Welt je gesehen hat – und Achilles war nicht dabei? Der größte Kämpfer aller Zeiten? “They will write stories about your victories in thousands of years! And the world will remember your name”, verspricht Odysseus. Das sieht auch Achilles ein. Obschon er es dank seiner Mutter besser weiß, er sucht den Krieg, braucht ihn. Achilles wollte unsterblich werden und es ist ihm gelungen. Noch 3000 Jahre später würde man seine Geschichte erzählen, diese filmisch würdigen. Seinen Platz muss er sich allerdings mit Hektor teilen, einem Sterblichen, der ihm in Fragen des Ruhmes in nichts nachsteht. Umso passender hat Benioff die letzten Worte des Filmes, von Odysseus gesprochen, gewählt: “Let them say I lived in the time of Hector, tamer of horses. Let them say I lived in the time of Achilles.”
Auffällig ist in Troy natürlich der Einsatz der visuellen Effekte, die Reise der tausend griechischen Schiffe ist ebenso imposant wie die Erschaffung Trojas. Ergänzt werden die Effekte von exzellenten Ausstattungen und Kostümen, besser lässt sich ein Monumentalepos von technischer Seite kaum gestalten. Die Choreographie des Angriffes von Achilles auf den Tempel Apollons ist meisterlich und ungemein flüssig. Da stört es auch nicht groß, dass die gesamte Sequenz ob ihres Inhalts lachhaft ist. Achilles nimmt alleine mit 50 Mann den besetzten Strand der Trojaner ein? Egal, Benioff und Petersen versuchen Achilles’ Status gerecht zu werden. In der Ilias ist er allein für Sieg oder Niederlage der Griechen verantwortlich. Sein Entschluss dem Geschehen fernzubleiben sorgt fast für die Zerschlagung von Agamemnons Truppen. Auch dies fängt Troy ein, so wie die Ursache für Achilles’ Entscheidung. Streitfaktor ist Briseis (Rose Byrne), die Agamemnon für sich beansprucht, obschon sie Achilles „gehört“. Der Film macht hier eine Abänderung, wo Briseis bei Homer eine Sklavin ist, heben sie Petersen und Benioff zur Cousine von Hektor und Paris empor. Sinn und Zweck soll wohl eine Dramatisierung sein, die jedoch eigentlich völlig unnötig war.
Ohnehin folgt der Film eher filmischen Konventionen, entwickelt eine Parteilichkeit und versucht sich an einem Happy End, das den Schilderungen der Legende widerspricht. Das kann man Petersen sicher zum Vorwurf machen, aber wann wurde schon eine historische Begebenheit authentisch wiedergegeben? Wahrscheinlich ist die Ilias in ihrer Form unverfilmbar, da sie im neunten Jahr des Trojanischen Krieges beginnt und nicht mal bis zu seinem Ende andauert. Ein Großteil der Handlung dreht sich um die Streitereien der Götter und der andere Teil um den Konflikt zwischen Achilles und Agamemnon. Das Publikum ist verwöhnt und nicht gewöhnt, dass eine Geschichte einen schlechten Ausgang haben könnte. Bedenkt man das enorme Budget des Filmes, wäre die authentische Erzählung vielleicht sogar ein finanzieller Selbstmord gewesen. Viele Figuren sterben der Legende nach nicht, andere sterben nicht so wie geschildert, wieder andere tauchen gar nicht auf, was ob ihres Schicksals nicht unbedingt die schlechteste Entscheidung war. Benioff und Petersen wollten bestimmt nicht versuchen, so nah wie möglich den wahren Ereignissen Tribut zu zollen, sondern sie nahmen sich einer Legende an, um ihre eigene Geschichte zu erzählen.
Letztlich basiert Troy bloß auf der Ilias und stellt keine Verfilmung von ihr dar. Das was der Film sein möchte, gelingt ihm zu sein. Ein Schlachten-Epos, garniert mit Helden, gepfeffert mit einem Schuss Romantik. Besonderes Schmankerl sind die kleinen Referenzen zu Homers Odyssee und Vergils Aeneis, die Benioff in sein Skript eingebaut hat. Auch wenn diese Szenen wahrscheinlich lediglich für Historiker besonders interessant und amüsant gerät. Neben den Effekten, Kostümen, der Ausstattung und dem pathetischen Score von James Horner wird der Film allerdings auch von seinem Schauspiel-Ensemble getragen. Von Brad Pitt über Eric Bana bis hin zu Orlando Bloom, Saffron Burrows und Julie Christie ist Troy durchweg namhaft besetzt. Zwar verdient keiner der Darsteller eine Auszeichnung für sein oder ihr Schauspiel, am ehesten vielleicht noch Altmeister Peter O’Toole. Eric Bana ist kein großer Charakterdarsteller, aber die Figur von Hektor weiß er einzufangen. Orlando Bloom hingegen muss einen Schönling spielen und bewerkstelligt dies – mit geringen Abstrichen – auch zufriedenstellend.
Die alten Theaterhaudegen Brian Cox und Brendan Gleeson haben mit ihren Rollen derweil keine Probleme und sichtlich Spaß, Diane Krüger kann sich als Lustobjekt nicht sonderlich hervortun. Star des Films ist Brad Pitt und obschon er über schauspielerisches Talent verfügt, scheitert er an der Eindimensionalität der Figur. Achilles ist im Grunde ein leerer Körper, ihm fehlt die Emotionalität. Er kennt keine Gnade und kein Erbarmen. Zwar lernt er das nach der Schleifung von Hektor, doch ändert dies wenig an seinem Charakter. Pitt hat große Probleme mit seiner Figur, vielleicht unterforderte sie ihn oder ihm fehlte die rechte Herangehensweise. Außer einer langen Mähne und einem gestählten Körper kann er wenig bieten. Doch dies spielt in Troy keine Rolle, es geht um Kämpfe, Schlachten, Auseinandersetzungen. Dies steht im Vordergrund und dies bekommt das Publikum serviert. Die Kirsche auf das Sahnehäubschen ist dabei schlussendlich der Dialogreichtum von Benioff, der seinen Figuren teils herrliche Einzeiler (“Get up, Prince of Troy! I won't let a stone rob me of my glory!”) und Dialoge in den Mund legt.
8/10
Dann werde ich mir den Director's Cut wohl demnächst mal zulegen müssen. MVV schwärmte auch schon, der DC sei bedeutend besser. Bei "mehr Gewalt, mehr Blut und mehr Brüste(n)" durchaus verständlich ;-)
AntwortenLöschenAußer einer langen Mähne und einem gestählten Körper kann er wenig bieten. Doch dies spielt in Troy auch keine Rolle, es geht um Kämpfe, Schlachten, Auseinandersetzungen.
AntwortenLöschenAuf den Punkt gebracht. Ich habe zwar nur die Kinoversion gesehen, aber die hat laut imdb von mir auch 8 Punkte erhalten. Petersen kann es doch, solange es sich nicht um amerikanische Präsidenten handelt oder gekenterte Luxusdampfer handelt;)
Im Gegensatz zum Kollegen Bullion finde ich selbst ja, dass sich Kru/ügers Brüste sehen lassen können. Die Szene ist zwar im Prinzip für die Katz, aber who cares *g*
AntwortenLöschen@tumulder: Ach, der Wolfi und der Roland, die haben es irgendwie nicht leicht da drüben. Wobei ich Petersen doch etwas mehr schätze. Aber POSEIDON und PERFECT STORM gehen in der Tat mal gar nicht.
Mit Geschichte nimmt man es in Hollywood nicht so genau, meist ist sie eher Mittel zum Zweck
AntwortenLöschenWas ja auch nicht wirklich ein Problem ist, und auch nicht Aufgabe eines (Hollywood)Films sein muss. Wichtiger ist die Intention. Dswegen ist z. B. imho der DC von "Kingdom of Heaven" ein sehr guter Film, während der "Rote Baron" Schrott ist - Beide sind sie historisch unkorrekt.
Auf Seiten der Trojaner stehen zum Beispiel Aphrodite, die Göttin der Schönheit, sowie ihr Bruder Apollon, welchen die Trojaner verehren. Für die Griechen wiederum sind Athene und Ares, Gott des Krieges. Sie sind es, die in Abstimmung mit Göttervater Zeus, in das Geschehen des Krieges eingreifen und diesen entscheiden.
Ich hätte es ja durchaus reizvoll gefunden, wenn man das adaptiert hätte, kann mit Troja trotzdem ganz gut leben.
Auffällig ist in Troy natürlich der Einsatz der Visuellen Effekte, die Reise der tausend griechischen Schiffe ist ebenso imposant, wie die Erschaffung von Troja selbst.
Jau!!
Alles in allem stimme ich der Review in allen Belangen zu, auch in der Wertung. Schön geschrieben ist sie noch dazu, gerade mit den Bezügen auf Homers Ilias.
@c.h.: Danke, Herr Kollege :)
AntwortenLöschenRudi, schick' mal bitte n Screenshot von der Krüger *lalalalal* :D
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