Das britische Empire gibt es nicht mehr. Die einstige Großmacht, inzwischen - wenn man so will - durch die Vereinigten Staaten von Amerika abgelöst, verfügt zwar noch über ein großes Britannien und ein Commonwealth, aber so wie früher ist das alles nicht mehr. Man könnte jedoch sagen, dass in der Comic-Branche durchaus noch ein britisches Empire regiert. Bestimmten doch in den letzten Jahrzehnten Briten wie Alan Moore (Watchmen), Neil Gaiman (The Sandman), Garth Ennis (Preacher) oder Warren Ellis (Transmetropolitan) den Markt, während in Form von Andy Diggle (The Losers) oder Mark Millar (Wanted) andere Talente nachrückten. Jerry Siegel, Stan Lee und Frank Miller waren gestern. Heute inszenieren die Tommys die Comic-Landschaft Amerikas. Und das sehr erfolgreich. Über Umsetzungen ihrer Werke auf der Filmleinwand denken die Künstler sehr unterschiedlich. Ein Moore reagiert verärgert, ein Millar enthusiastisch.
Mark Millar gilt in Fan-Kreisen als Hollywood-Hure, da er bereitwillig seine eigenen Werke ausschlachtet, solange die Kasse und die entsprechende Anerkennung stimmt. Wie im Falle von Wanted, eine der unsäglichsten Comic-Verfilmungen, die man im letzten Jahrzehnt gesehen hat. Ähnlich scheint es nun mit seinem neuesten Werk Kick-Ass zu gehen, welches von Manchem als „Nerdcomic-Overkill“ eingeordnet wird, während sich die Masse in Buh-Rufer - ob der obszönen Sprache und Gewaltdarstellung - und Ja-Sager - wohl aus demselben Grund - einteilt. Im Vorfeld hoben die Beteiligten explizit hervor, dass niemand in Hollywood seine Finger auf das Material legen wollte. Zu viel Gewalt, zu viel Diskussionsstoff sei enthalten. Nun strahlen sie, die Messr. Mark Millar und Matthew Vaughn. Letzterer ist Drehbuch-Tippse und Regisseur des Filmes, in Deutschland hauptsächlich als Ehemann von Claudia Schiffer bekannt, der vom Gatten in dessem neuen Film auch gleich eine sekundenlange Hommage gewidmet wird.
Trotz all den Lobhudeleien startete Kick-Ass dann in den USA äußerst verhalten, wobei es sich hierbei auch um einen sogenannten „R“-Rated-Film handelt. Ein Minderheiten-Film, was man schlecht glauben will, wenn man sich all das überschwängliche Lob im Internet vor Augen führt. Was Millar dazu verleitet, Marvels Strategie, den Helden aus der zweiten Reihe - Thor und dergleichen - ein Filmabenteuer zu spendieren, als altbacken abzukanzeln. Kick-Ass gibt die Melodie vor, eine Comic-Verfilmung, die in Produktion ging, ehe das Comic fertig war. Weshalb sich Film und Comic auch unterscheiden, insofern, dass Vaughns Film weit weniger zynisch ist, als Millars Comic. Aber das kannte man bereits von Wanted. Das traditionelle Prozedere geht los, Kick-Ass endet auf einer Sequel-Note (herrlich dämlich von Austin Powers übernommen), könnte/dürfte sich aber so versanden wie Wanted 2 oder Sin City 2. Die groß angekündigten Nachfolger, die es bis heute nicht in das Stadium der Vorproduktion geschafft haben.
Kick-Ass nunmehr also ein „Nerdcomic-Overkill“, was man zwar nicht wirklich sagen kann, da dies wenn dann auf Scott Pilgrim vs. the World zutreffen könnte, ist Kick-Ass doch eigentlich reichlich profan. Eine trashigere Variante von Watchmen, angesiedelt in der Gegenwart. Normalos in Kostümen, nur eben das Ganze ohne Nuklearen Holocaust und Dr. Manhattan. Aaron Johnson spielt Tobey Maguire wie er Peter Parker spielt, nur dass Peter Parker hier Dave Lizewski heißt. Ein schlaksiger Nerd, dessen einzige Superkraft nach eigener Aussage darin besteht, unsichtbar für Frauen zu sein. Und weil Dave ein Nerd ist, liebt Dave Comics. Weshalb er sich fragt, warum es eigentlich niemanden gibt, der sich als Superheld versucht. Was dazu führt, dass er sich einen Tauchanzug ordert, um selbst einer zu sein. Es folgt ein Unfall, eine körperliche Beeinträchtigung (oder Verbesserung, je nach Blickwinkel) und eine neue Prämisse, die dem Film dann anschließend abhanden kommt. Die versuchte Geschichte in Kick-Ass ist vorbei, ehe sie losgeht.
Eine „Rettungsaktion“ führt zu einem YouTube-Video, dies wiederum zu einer Nachrichtenmeldung, resultierend in einer MySpace-Seite (man mag sich fragen, warum Dave nicht das in den USA weit verbreitetere Facebook nutzt). Der nächste Auftrag ist so herrlich dämlich in filmische Form verpackt, dass ein von Millar zu Grunde liegender Zynismus total abhanden kommt. Unwissentlich macht Dave a.k.a. Kick-Ass mit dem Ex-Freund seines High-School-Schwarmes (Lyndsy Fonseca) Schluss: einem Drogen dealenden Afroamerikaner um die 30. Die Situation wird durch das Auftreten von Hit Girl (Chloë Moretz) und ihrem Vater Big Daddy (Nicolas Cage) deeskaliert. Was den Ärger von Drogen-Boss Frank D’Amico (Mark Strong) auf sich zieht, der Kick-Ass für den Verursacher hält. Um sich die Sympathien des Vaters zu sichern, initiiert Chris D’Amico (Christopher Mintz-Plasse) das Superhelden-Alter-Ego Red Mist und nimmt Kontakt mit Kick-Ass auf. Fortan springt Vaughn willkürlich zwischen den Handlungssträngen.
Das große Problem von Kick-Ass ist, das er nichts zu erzählen hat. Vaughn verfügt über einzelne Szenen, die mal mehr und mal weniger unterhalten. Manche betreffen Big Daddy und Hit Girl, andere die D’Amicos. Vaughn versucht, sie zu einer stringenten Handlung zusammenzuschnüren, scheitert jedoch grandios. Der Film beginnt mit einer reichlich langen Exposition, der jegliche Grundlage fehlt. In einer Einstellung stirbt Daves Mutter am Frühstückstisch. Wieso? Ist das erheblich für den Film? Nach seiner Superhelden-Frage wird er auf einem Parkplatz ausgeraubt. Später führt ihn seine erste Kick-Ass-Mission auf denselben Parkplatz, zu denselben Typen. Sie möbeln Dave auf, schlagen ihn Krankenhausreif. Anschließend werden sie ignoriert. Kick-Ass verfolgt sie nicht, die Polizei anscheinend auch nicht. Dabei wäre der erste Ansatzpunkt, auf jenem Parkplatz nachzusehen, auf dem sie sich anscheinend immer herumtreiben. Vaughn arbeitet die „Origin“-Story des Helden ab und wechselt die Szenerie.
Hier sind Big Daddy und Hit Girl. Zwei Figuren mit Potential, allerdings nimmt sich der Film keine Zeit für sie, sondern lässt sie vorerst zu kurzen Randerscheinungen verkommen. Als Vaughn ihnen mehr Aufmerksamkeit schenkt, integriert er eine vollkommen unerhebliche - und zudem grauenhaft klischeebehaftete und uninspirierte - „Origin“-Story, die liebevoller Weise im Comic-Stil erzählt wird. Jetzt kennt man die Vorgeschichte, die einem eigentlich absolut egal war. Vaughn setzt ein Häkchen und wechselt die Szenerie. Man lernt die D’Amicos kennen, die eigentlich nur aus Frank und Chris bestehen, verschwindet die Mutter doch irgendwann und taucht anschließend auch nicht mehr auf. Christopher Mintz-Plasse erhält eine ambivalente Figur, derer man sich widmen könnte oder gar müsste, was Vaughn sich allerdings erspart. Sein Chris D’Amico ist ein Nerd. Und weil Chris ein Nerd ist, liebt er Comics. Es gibt eine wunderbare Szene, in der Dave im Comic-Laden auf den einsamen Chris zugeht, dann aber von dessen bulligem Bodyguard abgewiesen wird. Chris ist einsam. Chris sucht Freunde.
Dann die Kehrtwende. Chris sitzt in Franks Büro mit dessen Wumme und spielt Gangster-Boss. Später biedert er sich seinem Vater als Spitzel an (die Beziehung der Beiden wirkt so unnatürlich, dass man eigentlich erwartet, dass Frank lediglich Chris’ Stiefvater ist). Später thematisiert Vaughn nochmals die Ambivalenz des Jugendlichen, allerdings nur für einen Bruchteil, um sie dann erneut zu negieren. Kick-Ass ist zu diesem Zeitpunkt bereits eine lose Aneinanderreihung von Bildern ohne wirklichen Zusammenhang, die jederzeit enden oder auch unendlich weiterlaufen könnte. Irgendwo dazwischen glaubt Daves Schwarm dann noch, dass er schwul sei, adoptiert ihn urplötzlich als besten Freund - alle Frauen sehnen sich scheinbar nach einem schwulen besten Freund - und die absurde Situation bildet den Aufhänger für einige weitere Szenen, die in jenes Potpourrie geschmissen werden, das Vaughn inzwischen angesammelt hat.
Nun muss nicht jeder Film eine Geschichte erzählen, man kann wie Michael Bay ganz darauf verzichten oder wie James Cameron einfach eine bereits bekannte und etablierte nahezu identisch übernehmen. Was man Kick-Ass vorwerfen kann, ist, dass er so tut, als ob er eine Geschichte erzähle, dies in Wahrheit jedoch nicht der Fall ist. Der Film ist so belanglos für den Zuschauer, dass man ihn getrost auch „Lame-Ass“ nennen könnte. Die einzige Konstante ist der vorherrschende Gewaltpegel, der die in Ansätzen vorhandenen Obszönitäten - die im Vergleich zu jedem Film eines Kevin Smith und Judd Apatow nicht mal eine Erwähnung wert sein dürften - deutlich in den Schatten stellt. Und auch die Gewalt ist im Grunde keiner Diskussion wert. Hier knallen Teenies von Hausdächern auf Autos, landen Gangster in Autopressen und Riesenmikrowellen. Dazwischen wird speziell Hit Girl als kleinwüchsiger Wesley-Gibson-Verschnitt durch die Hausflure gejagt, was cool sein soll, es aber auch durch die musikalische Untermalung nur selten ist.
Und wo es gerade zur Sprache kommt, hier und da war man sich einig, dass Vaughns Kompilationstalent was die Musik für den Film angeht, an Tarantino herankommt. Was dieser als schallende Ohrfeige empfinden darf, versprühen Gnarls Barkley und Co. selten etwas von dem kongenialen Einsatz, wie ihn QT pflegt. Die Musik ist charmant, durchaus, aber mehr auch nicht. Keines der Lieder bleibt einem im Ohr hängen wie „Little Green Bag“ oder „Stuck in the Middle With You“. Grundsätzlich gehört Kick-Ass in seiner Gesamtheit wie auch schon andere Filme vor ihm - man denke an Zombieland -, in die Sparte „Don’t believe the hype“. Nicht mal die allseits gelobte Moretz will wirklich gefallen, sodass der Film eigentlich nahezu vollständig auf den Schultern von Mark Strong lastet (dessen Bösewicht-Typisierung inzwischen auch langweilig wird). Wo Chloë Moretz und Aaron Johnson bisweilen mit der Situation überfordert scheinen, sind Nic Cage und Christopher Mintz-Plasse brillant fehlbesetzt.
Es gibt Regisseure, die starten mit einem bescheidenem Debüt. Darunter fallen Darren Aronofsky und Wes Anderson, die sich anschließend stetig steigerten. Konträr dazu gibt es auch Kollegen, die stark beginnen und dann merklich abbauen. Wie Guy Ritchie oder nun auch Matthew Vaughn. Zeugte dessen Layer Cake noch von einer mitunter beeindruckenden Brillanz, verkam sein Nachfolger Stardust bereits zum müden Aufguss. Mit Kick-Ass ist Mr. Schiffer nun an seinem bisherigen Tiefpunkt angelangt, was Böses für den weiteren Verlauf seiner Karriere ahnen lässt. Dass ein Film, der sich damit preist, anders zu sein und anzuecken, dennoch nicht die zynische Konsequenz der Vorlage vollends durchhalten kann und stattdessen die Hollywood-Marschroute wählt, sollte Zeugnis seines heuchlerischen Charakters sein. Was am Ende bleibt, ist die Erkenntnis, dass es das britische Empire scheinbar wirklich nur noch in der Comic-Szene zu geben scheint.
Mark Millar gilt in Fan-Kreisen als Hollywood-Hure, da er bereitwillig seine eigenen Werke ausschlachtet, solange die Kasse und die entsprechende Anerkennung stimmt. Wie im Falle von Wanted, eine der unsäglichsten Comic-Verfilmungen, die man im letzten Jahrzehnt gesehen hat. Ähnlich scheint es nun mit seinem neuesten Werk Kick-Ass zu gehen, welches von Manchem als „Nerdcomic-Overkill“ eingeordnet wird, während sich die Masse in Buh-Rufer - ob der obszönen Sprache und Gewaltdarstellung - und Ja-Sager - wohl aus demselben Grund - einteilt. Im Vorfeld hoben die Beteiligten explizit hervor, dass niemand in Hollywood seine Finger auf das Material legen wollte. Zu viel Gewalt, zu viel Diskussionsstoff sei enthalten. Nun strahlen sie, die Messr. Mark Millar und Matthew Vaughn. Letzterer ist Drehbuch-Tippse und Regisseur des Filmes, in Deutschland hauptsächlich als Ehemann von Claudia Schiffer bekannt, der vom Gatten in dessem neuen Film auch gleich eine sekundenlange Hommage gewidmet wird.
Trotz all den Lobhudeleien startete Kick-Ass dann in den USA äußerst verhalten, wobei es sich hierbei auch um einen sogenannten „R“-Rated-Film handelt. Ein Minderheiten-Film, was man schlecht glauben will, wenn man sich all das überschwängliche Lob im Internet vor Augen führt. Was Millar dazu verleitet, Marvels Strategie, den Helden aus der zweiten Reihe - Thor und dergleichen - ein Filmabenteuer zu spendieren, als altbacken abzukanzeln. Kick-Ass gibt die Melodie vor, eine Comic-Verfilmung, die in Produktion ging, ehe das Comic fertig war. Weshalb sich Film und Comic auch unterscheiden, insofern, dass Vaughns Film weit weniger zynisch ist, als Millars Comic. Aber das kannte man bereits von Wanted. Das traditionelle Prozedere geht los, Kick-Ass endet auf einer Sequel-Note (herrlich dämlich von Austin Powers übernommen), könnte/dürfte sich aber so versanden wie Wanted 2 oder Sin City 2. Die groß angekündigten Nachfolger, die es bis heute nicht in das Stadium der Vorproduktion geschafft haben.
Kick-Ass nunmehr also ein „Nerdcomic-Overkill“, was man zwar nicht wirklich sagen kann, da dies wenn dann auf Scott Pilgrim vs. the World zutreffen könnte, ist Kick-Ass doch eigentlich reichlich profan. Eine trashigere Variante von Watchmen, angesiedelt in der Gegenwart. Normalos in Kostümen, nur eben das Ganze ohne Nuklearen Holocaust und Dr. Manhattan. Aaron Johnson spielt Tobey Maguire wie er Peter Parker spielt, nur dass Peter Parker hier Dave Lizewski heißt. Ein schlaksiger Nerd, dessen einzige Superkraft nach eigener Aussage darin besteht, unsichtbar für Frauen zu sein. Und weil Dave ein Nerd ist, liebt Dave Comics. Weshalb er sich fragt, warum es eigentlich niemanden gibt, der sich als Superheld versucht. Was dazu führt, dass er sich einen Tauchanzug ordert, um selbst einer zu sein. Es folgt ein Unfall, eine körperliche Beeinträchtigung (oder Verbesserung, je nach Blickwinkel) und eine neue Prämisse, die dem Film dann anschließend abhanden kommt. Die versuchte Geschichte in Kick-Ass ist vorbei, ehe sie losgeht.
Eine „Rettungsaktion“ führt zu einem YouTube-Video, dies wiederum zu einer Nachrichtenmeldung, resultierend in einer MySpace-Seite (man mag sich fragen, warum Dave nicht das in den USA weit verbreitetere Facebook nutzt). Der nächste Auftrag ist so herrlich dämlich in filmische Form verpackt, dass ein von Millar zu Grunde liegender Zynismus total abhanden kommt. Unwissentlich macht Dave a.k.a. Kick-Ass mit dem Ex-Freund seines High-School-Schwarmes (Lyndsy Fonseca) Schluss: einem Drogen dealenden Afroamerikaner um die 30. Die Situation wird durch das Auftreten von Hit Girl (Chloë Moretz) und ihrem Vater Big Daddy (Nicolas Cage) deeskaliert. Was den Ärger von Drogen-Boss Frank D’Amico (Mark Strong) auf sich zieht, der Kick-Ass für den Verursacher hält. Um sich die Sympathien des Vaters zu sichern, initiiert Chris D’Amico (Christopher Mintz-Plasse) das Superhelden-Alter-Ego Red Mist und nimmt Kontakt mit Kick-Ass auf. Fortan springt Vaughn willkürlich zwischen den Handlungssträngen.
Das große Problem von Kick-Ass ist, das er nichts zu erzählen hat. Vaughn verfügt über einzelne Szenen, die mal mehr und mal weniger unterhalten. Manche betreffen Big Daddy und Hit Girl, andere die D’Amicos. Vaughn versucht, sie zu einer stringenten Handlung zusammenzuschnüren, scheitert jedoch grandios. Der Film beginnt mit einer reichlich langen Exposition, der jegliche Grundlage fehlt. In einer Einstellung stirbt Daves Mutter am Frühstückstisch. Wieso? Ist das erheblich für den Film? Nach seiner Superhelden-Frage wird er auf einem Parkplatz ausgeraubt. Später führt ihn seine erste Kick-Ass-Mission auf denselben Parkplatz, zu denselben Typen. Sie möbeln Dave auf, schlagen ihn Krankenhausreif. Anschließend werden sie ignoriert. Kick-Ass verfolgt sie nicht, die Polizei anscheinend auch nicht. Dabei wäre der erste Ansatzpunkt, auf jenem Parkplatz nachzusehen, auf dem sie sich anscheinend immer herumtreiben. Vaughn arbeitet die „Origin“-Story des Helden ab und wechselt die Szenerie.
Hier sind Big Daddy und Hit Girl. Zwei Figuren mit Potential, allerdings nimmt sich der Film keine Zeit für sie, sondern lässt sie vorerst zu kurzen Randerscheinungen verkommen. Als Vaughn ihnen mehr Aufmerksamkeit schenkt, integriert er eine vollkommen unerhebliche - und zudem grauenhaft klischeebehaftete und uninspirierte - „Origin“-Story, die liebevoller Weise im Comic-Stil erzählt wird. Jetzt kennt man die Vorgeschichte, die einem eigentlich absolut egal war. Vaughn setzt ein Häkchen und wechselt die Szenerie. Man lernt die D’Amicos kennen, die eigentlich nur aus Frank und Chris bestehen, verschwindet die Mutter doch irgendwann und taucht anschließend auch nicht mehr auf. Christopher Mintz-Plasse erhält eine ambivalente Figur, derer man sich widmen könnte oder gar müsste, was Vaughn sich allerdings erspart. Sein Chris D’Amico ist ein Nerd. Und weil Chris ein Nerd ist, liebt er Comics. Es gibt eine wunderbare Szene, in der Dave im Comic-Laden auf den einsamen Chris zugeht, dann aber von dessen bulligem Bodyguard abgewiesen wird. Chris ist einsam. Chris sucht Freunde.
Dann die Kehrtwende. Chris sitzt in Franks Büro mit dessen Wumme und spielt Gangster-Boss. Später biedert er sich seinem Vater als Spitzel an (die Beziehung der Beiden wirkt so unnatürlich, dass man eigentlich erwartet, dass Frank lediglich Chris’ Stiefvater ist). Später thematisiert Vaughn nochmals die Ambivalenz des Jugendlichen, allerdings nur für einen Bruchteil, um sie dann erneut zu negieren. Kick-Ass ist zu diesem Zeitpunkt bereits eine lose Aneinanderreihung von Bildern ohne wirklichen Zusammenhang, die jederzeit enden oder auch unendlich weiterlaufen könnte. Irgendwo dazwischen glaubt Daves Schwarm dann noch, dass er schwul sei, adoptiert ihn urplötzlich als besten Freund - alle Frauen sehnen sich scheinbar nach einem schwulen besten Freund - und die absurde Situation bildet den Aufhänger für einige weitere Szenen, die in jenes Potpourrie geschmissen werden, das Vaughn inzwischen angesammelt hat.
Nun muss nicht jeder Film eine Geschichte erzählen, man kann wie Michael Bay ganz darauf verzichten oder wie James Cameron einfach eine bereits bekannte und etablierte nahezu identisch übernehmen. Was man Kick-Ass vorwerfen kann, ist, dass er so tut, als ob er eine Geschichte erzähle, dies in Wahrheit jedoch nicht der Fall ist. Der Film ist so belanglos für den Zuschauer, dass man ihn getrost auch „Lame-Ass“ nennen könnte. Die einzige Konstante ist der vorherrschende Gewaltpegel, der die in Ansätzen vorhandenen Obszönitäten - die im Vergleich zu jedem Film eines Kevin Smith und Judd Apatow nicht mal eine Erwähnung wert sein dürften - deutlich in den Schatten stellt. Und auch die Gewalt ist im Grunde keiner Diskussion wert. Hier knallen Teenies von Hausdächern auf Autos, landen Gangster in Autopressen und Riesenmikrowellen. Dazwischen wird speziell Hit Girl als kleinwüchsiger Wesley-Gibson-Verschnitt durch die Hausflure gejagt, was cool sein soll, es aber auch durch die musikalische Untermalung nur selten ist.
Und wo es gerade zur Sprache kommt, hier und da war man sich einig, dass Vaughns Kompilationstalent was die Musik für den Film angeht, an Tarantino herankommt. Was dieser als schallende Ohrfeige empfinden darf, versprühen Gnarls Barkley und Co. selten etwas von dem kongenialen Einsatz, wie ihn QT pflegt. Die Musik ist charmant, durchaus, aber mehr auch nicht. Keines der Lieder bleibt einem im Ohr hängen wie „Little Green Bag“ oder „Stuck in the Middle With You“. Grundsätzlich gehört Kick-Ass in seiner Gesamtheit wie auch schon andere Filme vor ihm - man denke an Zombieland -, in die Sparte „Don’t believe the hype“. Nicht mal die allseits gelobte Moretz will wirklich gefallen, sodass der Film eigentlich nahezu vollständig auf den Schultern von Mark Strong lastet (dessen Bösewicht-Typisierung inzwischen auch langweilig wird). Wo Chloë Moretz und Aaron Johnson bisweilen mit der Situation überfordert scheinen, sind Nic Cage und Christopher Mintz-Plasse brillant fehlbesetzt.
Es gibt Regisseure, die starten mit einem bescheidenem Debüt. Darunter fallen Darren Aronofsky und Wes Anderson, die sich anschließend stetig steigerten. Konträr dazu gibt es auch Kollegen, die stark beginnen und dann merklich abbauen. Wie Guy Ritchie oder nun auch Matthew Vaughn. Zeugte dessen Layer Cake noch von einer mitunter beeindruckenden Brillanz, verkam sein Nachfolger Stardust bereits zum müden Aufguss. Mit Kick-Ass ist Mr. Schiffer nun an seinem bisherigen Tiefpunkt angelangt, was Böses für den weiteren Verlauf seiner Karriere ahnen lässt. Dass ein Film, der sich damit preist, anders zu sein und anzuecken, dennoch nicht die zynische Konsequenz der Vorlage vollends durchhalten kann und stattdessen die Hollywood-Marschroute wählt, sollte Zeugnis seines heuchlerischen Charakters sein. Was am Ende bleibt, ist die Erkenntnis, dass es das britische Empire scheinbar wirklich nur noch in der Comic-Szene zu geben scheint.
5.5/10
Kein Widerspruch, bloß die Anmerkung, dass "Kick-Ass" wenigstens noch halbwegs unterhält, während "Wanted" meiner Meinung nach nicht einmal das geschafft hat. Hätte ich "The Spirit" nicht gesehen, würde ich über Bekmambetovs Armutszeugnis behaupten, dass es kaum mehr möglich wäre, eine schlechtere Comicverfilmung zu produzieren.
AntwortenLöschenAuf deine Besprechung habe ich schon gewartet, wusste ich doch dass Du die Vorlage gelesen hast ;-)
AntwortenLöschenDennoch eine Frage dessen Antwort sich mir nicht aus deiner Rezension ergibt: fandest Du nun Millars Comic gut oder auch langweilig?
Hab die Hälfte der Serie durch, finde ich aber nicht besonders aufregend sondern eher wie Du den Film beschreibst: eine Aneinanderreihung von Bildern die ewig weiter gehen oder abrupt enden können, einen Unterschied würde man da kaum merken.
@Candide: Kenn die Vorlage nicht, da die ja als Gesamtpaket nur noch mit diesem be******** Movie-Cover vertickt wird, was ich bewusst boykottiere. Kann dir also kein Urteil über das Comic liefern, kenne nur die Abweichungen bzgl. Daves Schwarm, was ja bereits Anhaltspunkte liefert bzgl. der Umsetzung von Millars Zynismus. Wenn ich ein/das Comic kenne, läuft das hier immer unter "Panel Vs. Film" ;)
AntwortenLöschen@Borstel: Schlechtere Comic-Verfilmungen kann ich dir genug nennen. IRON MAN oder WATCHMEN z.B., aber THE SPIRIT natürlich auch.
Achso, dachte Du kennst es. Wie geschrieben bin ich aber der Meinung man verpasst nicht allzu viel, Millar wird sowieso in letzter Zeit überbewertet.
AntwortenLöschen...nur noch mit diesem be******** Movie-Cover vertickt wird...
Echt jetzt? Finde die Comiclandschaft in Deutschland so was von schräg. Nach solchen Aussagen weiß ich es umso mehr zu schätzen dass Comics in Italien einen doch recht hohen Stellenwert genießen und auch dementsprechend vertrieben werden.
Hehe, stimme dir in vielen Punkten überhaupt nicht zu. Besonders nicht beim Soundtrack, der wirklich grandios ist, bis auf zwei, drei Liedchen ist mir da jedes in Erinnerung geblieben ;)
AntwortenLöschenUnd du fragst dich ja irgendwo, warum der Tod der Mutter erwähnt wird: Ich würd einfach mal sagen, dass man der Off-Stimme zuhören sollte ^^ Das soll doch erst gar nicht in die Geschichte integriert sein, das war die Exposition von Kick-Ass, wo er erklärt in welcher Welt er lebt.
Also ich find du lastest dem Film absichtlich viel an, wo es einfach unnötig ist...aber wenigstens erkennst du bei Zombieland, dass er zu gehyped war :D Bei Kick-Ass würd ich sagen: Believe the hype - and have some f-ing fun! :D
IRON MAN schlecht? WANTED schlecht? KICK ASS schlecht?
AntwortenLöschenHerr Lieb, weilen sie noch unter uns?
Nur WANTED ist wirklich schlecht, IRON MAN enttäuschend und KICK-ASS allenfalls Durchschnitt. Und ja, ich weile noch unter euch 0:-)
AntwortenLöschenman mag sich fragen, warum Dave nicht das in den USA weit verbreitetere Facebook nutzt
AntwortenLöschenWeil YouTube Google gehört, und weil die dann bestimmt gesagt haben: Hey Leute: Ihr wollt in eurem Film YouTube? Cool! Dann nehmt doch bitte gleich auch noch MySpace, das gehört uns nämlich auch. Kriegt ihr sogar noch nen' Dollar'Fuffzig oben drauf. ;-)
Ansonsten kann ich deiner Besprecung in den elemenataren Punkten zustimmen. Zu viel Stückwerk, die eigene Prämisse geopfert. Zwar durchaus unterhaltsam, keine Ktastrophe, aber daraus hätte man mehr machen müssen. Einzig was den Soundtrack angeht, würde ich wirklich wiedersprechen wollen: Der hat mir sehr gut gefallen.
Ich stimme khitos zu.
AntwortenLöschen"In einer Einstellung stirbt Daves Mutter am Frühstückstisch. Wieso? Ist das erheblich für den Film?" - Jep, eben weil sie NUR am Frühstückstisch stirbt, womit der Protagonist seine Situation weiter veranschaulichen kann und auch ein weiterer herrlicher Gag untergebracht werden kann (Parodie auf schwülstigen Racheschwur am Grab). Damit wird zwar die Parallele zu Peter Parker und dessen Onkel gezogen, wo Daves Superhelden-Voraussetzungen heraus kommen, aber gleichzeitig drauf hingewiesen, wie verdammt normal und überhaupt nicht wie im Comic Daves Leben ist, weil Mutters Tod unheimlich unspektakulär war. Hat mir gut gefallen, dieser Kniff zur weiteren Charakterisierung.
Auch auf den Soundtrack steh ich, und zwar nicht zuletzt weil man viele Lieder schon kennt und sie deswegen eben doch im Ohr bleiben und Laune machen, wohingegen Tarantino mit seinen ausgegrabenen Perlen die Songs im Kontext unheimlich cool wirken lässt (zu Recht, keine Frage).