Cool beans.
Das Wort Anime entstammt dem lateinischen animare: zum Leben erwecken. Als Animes gelten im Westen Zeichentrickfilme aus dem japanischen Raum, dort gelten alle Zeichentrickfilme als Animes, die eigenen, wie auch die fremden. Die Wurzeln der Animes in Japan erkennt man an den bis zu 200 Serien, die jedes Jahr entstehen. Schaltet man nachmittags auf RTL 2, springen einem Dragonball Z, Pokémon und viele mehr entgegen. Einer der Pioniere des Anime-Genres ist dabei Yoshida Tatsuo (†1977), der in den 1960ern einen Manga mit dem Titel Pilot Ace schuf und ihn 1967 in den Anime Mach GoGoGo umwandelte. Dabei bezog er Inspiration aus dem Westen, orientierte sich bei seinem Helden an Elvis Presley in Viva Las Vegas und bei der Technik an Goldfinger.
Held dieser Serie war der junge Mifune Gō, ein passionierter Rennfahrer im überlegenen Wagen Mach 5. So leitet sich auch der Titel der Serie ab, steht das “Mach” für den Mach 5 und die Dreifachnennung von “Go” setzt sich aus der japanischen Bezeichnung für die Zahl 5, Mifunes Namen und dem englischen “go” zusammen. In den USA wurden die 52 Folgen der Serie von 1967 bis 1968 als Speed Racer ausgestrahlt und halfen, Animes in den USA zu etablieren. Mit Speed Racer als einer der erfolgreichsten. In Deutschland ist die Serie den meisten unbekannt, die ARD strahlte zwar die ersten drei Folgen Anfang der Siebziger aus, stellte sie jedoch anschließend ein, da sie angeblich zu gewalttätig war und von der deutschen Presse reißerisch als „Horror Comic“ verschrien wurde.
Fünf Menschen, die mit Speed Racer respektive Mach GoGoGo aufwuchsen, sind Andy und Lana Wachowski, John Goodman, Emile Hirsch und Hiroyuki Sanada. Produzent Joel Silver vereinte sich mit erneut mit den Wachowski-Geschwistern, um die Live-Action-Version des Anime in die Kinos zu bringen. Ironischerweise spielt hierbei auch Deutschland eine große Rolle, jenes Land, das die Serie nie richtig zu schätzen wusste. Die Macher entschiedenen sich für das Studio Babelsberg, um dort während 60 Tagen vor Greenscreen zu filmen. Hierfür verwendeten die Wachowskis die HD-Kamera F-23 von Sony, die damals noch gar nicht auf dem Markt erhältlich war. Für die von den Geschwistern gewünschte bunt-artifizielle Optik des Films war das Medium High Definition jedoch wie geschaffen.
Und da der Film schon in Deutschland gedreht wurde, war sich die deutsche Filmförderung auch nicht zu schade, stolze 13 Millionen Dollar deutscher Steuergelder in diese 120 Millionen Dollar teure US-Produktion zu stecken. Da 13 Millionen im Vergleich zu 120 relativ irrelevant sind, kann man diese Summe eher als eine Art Bestechungsgeld verstehen, um einige deutsche B-Promis im Film unterzubringen. Neben Cosma Shiva Hagen und Benno Fürmann tummeln sich daher noch Moritz Bleibtreu, Ralph Herforth, Christian Oliver, Oscar Ortega Sanchez und so manch anderer in Nebenrollen. Doch dazu später mehr, zumindest dürfen sich die deutschen Zuschauer den Film auch mit leicht stolz geschwellter Brust zu Gemüte führen – schließlich haben sie Speed Racer (mit-)finanziert.
Realisieren sollte das Projekt ursprünglich Alfonso Cúaron, nach einem Drehbuch von J.J. Abrams. Stattdessen engagierte Silver die Wachowskis, mit denen er bereits die Matrix-Trilogie und V for Vendetta gedreht hatte. Spekulierte man anfangs noch mit Joseph Gordon-Levitt oder Shia LaBeouf in der Hauptrolle, vertraute man diese dann doch Emile Hirsch an, einem Fan der Serie. Hatte Keanu Reeves seinen bereits wieder verbleichenden Ruhm den Wachowskis zu verdanken, lehnte er dennoch den Part des Racer X ab. Auch Vince Vaughn, der eine Zeit lang für die Rolle und als ausführender Produzent vorgesehen war, verließ das Projekt wieder vor den Dreharbeiten. Letztlich engagierte man Lost-Star Matthew Fox für die mysteriöse und verschwiegene Figur als talentierten Fahrer Racer X.
Weder Kate Mara noch Elisha Cuthbert bekamen den Zuschlag als Speeds Freundin Trixie, dafür angelte sich die inzwischen auf Charakterrollen festgelegte Christina Ricci diesen Charakter. Allgemein kann man bei der Besetzung also nicht meckern, bei der sich sehr an die Figuren der Originalserie gehalten wurde. Egal ob John Goodman als Pops Racer oder die liebreizende Susan Sarandon als Mom Racer, die Ähnlichkeit ist vorhanden, auch dank der Kostümtreue zu dem Anime aus den Endsechzigern. Diesem wird schließlich vollends in Speeds Beteiligung am Casa Cristo 5000 gewürdigt, wenn er darin sein obligatorisches blaues Hemd mit weißem Kragen und roten Halsband tragen darf. Und auch beim schicken, weißen Mach 5 bewahrte die Macher die Treue zur Vorlage.
Was die Wachowskis zu Speed Racer trieb, war ihr Wunsch, einen Familienfilm zu machen. Und genau das ist der Film geworden, ist er nicht nur für die ganze Familie, sondern die Familie steht zentral im Mittelpunkt. In der World Racing League (WRL) bestimmen einzelne Hersteller das Geschehen, egal ob Togokhan Motors oder die Firma von Mr. Musha (Hiroyuki Sanada). An der Spitze steht jedoch Royalton Industries von Arnold Royalton (Roger Allam). In diesem Klassen-System behauptet sich das Familienunternehmen von Pops Racer und seinen Söhnen. Dessen ältester Sprößling, Rex Racer, suchte nach einem Zwist mit dem Vater jedoch den Weg in die WRL. Dort fand er schließlich den Tod und hinterließ in seiner Familie eine Kluft, die diese noch enger zusammenschweißte.
Von einer besonderen Stärke ist die Anfangsphase gezeichnet, wenn Speed das Rennen in Thunderhead quasi gegen die Erinnerung an Rex fährt. Und egal was im Film geschieht, die Racers halten zusammen. Dabei sind sie nicht vor Meinungsverschiedenheiten gefeit, aber sie gehen die Probleme gemeinsam an. Hierbei hat man es jedoch nicht mit einer Heile-Welt-Familie zu tun, die von klischeehafter US-amerikanischer Harmonie getragen wird, sondern es ist gerade jener Tod von Rex, der diese Gemeinschaft erschaffen hat. Es ist bewundernswert, wenn die beiden Wachowskis am Ende des Films dann nicht denselben Weg wie zuvor die Anime-Serie beschreiten, damit in ihrer Geschichte individuell bleiben und auf diese Weise mit den Erwartungen der Zuschauer spielen.
Neben dem Familienelement wird die andere Hälfte von Speed Racer natürlich von den verschiedenen Rennszenen eingenommen. Und im Gegensatz zu George Lucas’ wenig immersiver Pod-Race-Szene machen die Choreographien der Wachowskis enorm viel Laune, soviel sei verraten. Das Thunderhead-Rennen zu Beginn ist hierbei nicht mehr als ein Appetizer und Vorgeschmack auf das, was die Zuschauer in den kommenden knapp zwei Stunden noch erwarten wird. Denn bereits das zweite Rennen des Fuji Helexicon Kurses schlägt einen allein wegen seiner Aufmachung in den Bann. Hier bekommt man nun nochmals einen besseren Eindruck, welches Potential in Speed Racer tatsächlich steckt und der Höhepunkt des Films lässt ab da nicht mehr lange auf sich warten.
Speed nimmt an einer Querfeldein-Rallye über mehrere Kontinente teil, genannt: ‘The Crucible’ (dt. die Feuertaufe). Ihr offizieller Name lautet Casa Cristo 5000 und sie ist das Rennen, das Rex das Leben kostete. Hier hat der Film seinen stärksten Moment, kurz vor den Malteser Eishöhlen. Es kommt alles zusammen, die Action, der Charme, die Kamera, der Schnitt und das wunderbare Theme von Michael Giacchino – die Rennszenen des Casa Cristo sind dabei zum Niederknien und werden auch im Final-Grand-Prix nicht mehr erreicht. Was auf der Leinwand als Mischung als Days of Thunder und Cars daherkommt, ist weitaus weniger gefährlich als es den Anschein hat, aber trotz allem nicht frei von Spannung. Speziell hier haben sich die Wachowskis außerordentliche Mühe gegeben.
Der Grund das Speed Racer funktioniert, ist seine Optik. Die ist knallig, bunt, schrill, einfach eine Phantasiewelt, in die man sich hineinversetzen muss. Der Film verwendet mitunter zwar auch originale Landschaftsbilder und orientiert sich an den Skylines aufstrebender Städte wie Shanghai und Hongkong, erhebt jedoch nicht den Anspruch, ein authentisches Bild wiedergeben zu wollen. Die Farbgebung ist dabei gewollt intensiver als üblich und vom Effekt-Mann Dan Glass daher auch treffend als “pop-timistic” und “Techno-Color” bezeichnet. Hierbei handelt es sich nicht um die einzigen Wortneuschöpfungen. Der dargestellte Motor-Extremsport wurde von den Wachowskis liebevoll “Car-Fu” getauft, da es sich teilweise – und die Bilder bestätigen das – um Martial Arts mit Autos handelt.
Obschon Settings wie die Malteser Eishöhlen oder die Megastadt Cosmopolis durch ihre intensive Farbgebung mehr als unnatürlich wirken, gewinnen sie dadurch erst den Charme. Es ist ein poppiges buntes Spektakel, das sich selbstverständlich in vorderster Linie an Kinder richtet. Unerklärlich ist, dass die Visuellen Effekte von Dan Glass und John Gaeta bei den Oscars nicht einmal nominiert wurden. Das auditive Yang zum visuellen Yin liefert dann Michael Giacchino, der an verschiedenen Stellen Abwandlungen des Speed Racer-Anime-Themes einbringt und mit seiner ganzen Erfahrung die Stimmung einfängt. Hiervon ausgenommen sind die mit Vocals bedachten Pop-Songs, die sich an die Miley-Cyrus-Generation wenden, abgesehen vielleicht vom rap-haften Abspannsong.
Wenn man sagt, dass das Schlechteste an Speed Racer die Auftritte seiner deutschen Gaststars ist, spricht das für die gelungene restliche Arbeit aller Beteiligten. Neben der poplastigen Musik stören gelegentlich die Szenen mit Spritle und Chim-Chim, bei denen die Grenzen des comic relief sehr weit ausgelastet werden. Beide gehören natürlich zum Franchise dazu und sorgen auch für einige Lacher, doch gerade in der klimatischen Szene zwischen Royalton und Speed stören ihre ständigen Unterbrechungen den Erzählfluss ungemein. Vor allem wenn man bedenkt, dass ihre eigene kleine „Geschichte“, für das große Ganze keinerlei Zweck erfüllt. Erträglich und charmant sind die beiden jedoch allemal und ein klares Zugeständnis an das junge Publikum, welches ihnen sofort anheim fallen dürfte.
Der wahre Dorn im Auge sind dagegen unsere deutschen Schauspieler. Cosma Shiva Hagen kann in ihrer Rolle als Quasi-Hostess mit wenig Text kaum etwas falsch machen und selbst Benno Fürmann, wenn auch total fehlbesetzt, schlägt sich relativ gut. Da weiß am ehesten schon Christian Oliver in der Rolle von Speeds Erzfeind Snake Oiler zu gefallen, etwas das Ralph Herforth nicht zu gelingen vermag. Herforth muss in einem Schlafsack in den Babelsberger Studios wohnen, anders lässt sich nicht erklären, wieso sein völlig talentfreies Gesicht in jeder US-Produktion von dort (siehe hierzu auch Æon Flux) auftaucht. Doch wer sich zu früh freut, den bestraft das Leben. Denn das Unmögliche tritt dann doch noch ein: Herforths schauspielerische Leistung wird sogar unterboten.
Selbstverständlich kommt dafür nur ein weiterer deutscher Schauspieler in Frage und es ist der gute Moritz Bleibtreu, der mit seiner Darstellung von Grey Ghost so ziemlich sicher einen vorderen Platz in den Top Ten der miesesten schauspielerischen Leistungen des Jahres inne haben dürfte. Bleibtreus nerviges Spiel trübte zumindest mein Kinoerlebnis, außerdem verlieren sich die Wachowskis mitunter etwas im eigenen Erzählfluss, insbesondere deshalb, da ihre Profil-Nahaufnahmen mit der Zeit ebenso redundant wirken, wie der Beginn des Grand Prix. Trotz allem ist Speed Racer aber ein vergnüglicher und gerade optisch beeindruckender Spaß geworden, der nicht nur eine der gelungeneren Comicverfilmungen ist, sondern neben Pixars Wall-E wohl der Familienfilm des Jahres.
7.5/10 - erschienen bei Wicked-Vision
Das Wort Anime entstammt dem lateinischen animare: zum Leben erwecken. Als Animes gelten im Westen Zeichentrickfilme aus dem japanischen Raum, dort gelten alle Zeichentrickfilme als Animes, die eigenen, wie auch die fremden. Die Wurzeln der Animes in Japan erkennt man an den bis zu 200 Serien, die jedes Jahr entstehen. Schaltet man nachmittags auf RTL 2, springen einem Dragonball Z, Pokémon und viele mehr entgegen. Einer der Pioniere des Anime-Genres ist dabei Yoshida Tatsuo (†1977), der in den 1960ern einen Manga mit dem Titel Pilot Ace schuf und ihn 1967 in den Anime Mach GoGoGo umwandelte. Dabei bezog er Inspiration aus dem Westen, orientierte sich bei seinem Helden an Elvis Presley in Viva Las Vegas und bei der Technik an Goldfinger.
Held dieser Serie war der junge Mifune Gō, ein passionierter Rennfahrer im überlegenen Wagen Mach 5. So leitet sich auch der Titel der Serie ab, steht das “Mach” für den Mach 5 und die Dreifachnennung von “Go” setzt sich aus der japanischen Bezeichnung für die Zahl 5, Mifunes Namen und dem englischen “go” zusammen. In den USA wurden die 52 Folgen der Serie von 1967 bis 1968 als Speed Racer ausgestrahlt und halfen, Animes in den USA zu etablieren. Mit Speed Racer als einer der erfolgreichsten. In Deutschland ist die Serie den meisten unbekannt, die ARD strahlte zwar die ersten drei Folgen Anfang der Siebziger aus, stellte sie jedoch anschließend ein, da sie angeblich zu gewalttätig war und von der deutschen Presse reißerisch als „Horror Comic“ verschrien wurde.
Fünf Menschen, die mit Speed Racer respektive Mach GoGoGo aufwuchsen, sind Andy und Lana Wachowski, John Goodman, Emile Hirsch und Hiroyuki Sanada. Produzent Joel Silver vereinte sich mit erneut mit den Wachowski-Geschwistern, um die Live-Action-Version des Anime in die Kinos zu bringen. Ironischerweise spielt hierbei auch Deutschland eine große Rolle, jenes Land, das die Serie nie richtig zu schätzen wusste. Die Macher entschiedenen sich für das Studio Babelsberg, um dort während 60 Tagen vor Greenscreen zu filmen. Hierfür verwendeten die Wachowskis die HD-Kamera F-23 von Sony, die damals noch gar nicht auf dem Markt erhältlich war. Für die von den Geschwistern gewünschte bunt-artifizielle Optik des Films war das Medium High Definition jedoch wie geschaffen.
Und da der Film schon in Deutschland gedreht wurde, war sich die deutsche Filmförderung auch nicht zu schade, stolze 13 Millionen Dollar deutscher Steuergelder in diese 120 Millionen Dollar teure US-Produktion zu stecken. Da 13 Millionen im Vergleich zu 120 relativ irrelevant sind, kann man diese Summe eher als eine Art Bestechungsgeld verstehen, um einige deutsche B-Promis im Film unterzubringen. Neben Cosma Shiva Hagen und Benno Fürmann tummeln sich daher noch Moritz Bleibtreu, Ralph Herforth, Christian Oliver, Oscar Ortega Sanchez und so manch anderer in Nebenrollen. Doch dazu später mehr, zumindest dürfen sich die deutschen Zuschauer den Film auch mit leicht stolz geschwellter Brust zu Gemüte führen – schließlich haben sie Speed Racer (mit-)finanziert.
Realisieren sollte das Projekt ursprünglich Alfonso Cúaron, nach einem Drehbuch von J.J. Abrams. Stattdessen engagierte Silver die Wachowskis, mit denen er bereits die Matrix-Trilogie und V for Vendetta gedreht hatte. Spekulierte man anfangs noch mit Joseph Gordon-Levitt oder Shia LaBeouf in der Hauptrolle, vertraute man diese dann doch Emile Hirsch an, einem Fan der Serie. Hatte Keanu Reeves seinen bereits wieder verbleichenden Ruhm den Wachowskis zu verdanken, lehnte er dennoch den Part des Racer X ab. Auch Vince Vaughn, der eine Zeit lang für die Rolle und als ausführender Produzent vorgesehen war, verließ das Projekt wieder vor den Dreharbeiten. Letztlich engagierte man Lost-Star Matthew Fox für die mysteriöse und verschwiegene Figur als talentierten Fahrer Racer X.
Weder Kate Mara noch Elisha Cuthbert bekamen den Zuschlag als Speeds Freundin Trixie, dafür angelte sich die inzwischen auf Charakterrollen festgelegte Christina Ricci diesen Charakter. Allgemein kann man bei der Besetzung also nicht meckern, bei der sich sehr an die Figuren der Originalserie gehalten wurde. Egal ob John Goodman als Pops Racer oder die liebreizende Susan Sarandon als Mom Racer, die Ähnlichkeit ist vorhanden, auch dank der Kostümtreue zu dem Anime aus den Endsechzigern. Diesem wird schließlich vollends in Speeds Beteiligung am Casa Cristo 5000 gewürdigt, wenn er darin sein obligatorisches blaues Hemd mit weißem Kragen und roten Halsband tragen darf. Und auch beim schicken, weißen Mach 5 bewahrte die Macher die Treue zur Vorlage.
Was die Wachowskis zu Speed Racer trieb, war ihr Wunsch, einen Familienfilm zu machen. Und genau das ist der Film geworden, ist er nicht nur für die ganze Familie, sondern die Familie steht zentral im Mittelpunkt. In der World Racing League (WRL) bestimmen einzelne Hersteller das Geschehen, egal ob Togokhan Motors oder die Firma von Mr. Musha (Hiroyuki Sanada). An der Spitze steht jedoch Royalton Industries von Arnold Royalton (Roger Allam). In diesem Klassen-System behauptet sich das Familienunternehmen von Pops Racer und seinen Söhnen. Dessen ältester Sprößling, Rex Racer, suchte nach einem Zwist mit dem Vater jedoch den Weg in die WRL. Dort fand er schließlich den Tod und hinterließ in seiner Familie eine Kluft, die diese noch enger zusammenschweißte.
Von einer besonderen Stärke ist die Anfangsphase gezeichnet, wenn Speed das Rennen in Thunderhead quasi gegen die Erinnerung an Rex fährt. Und egal was im Film geschieht, die Racers halten zusammen. Dabei sind sie nicht vor Meinungsverschiedenheiten gefeit, aber sie gehen die Probleme gemeinsam an. Hierbei hat man es jedoch nicht mit einer Heile-Welt-Familie zu tun, die von klischeehafter US-amerikanischer Harmonie getragen wird, sondern es ist gerade jener Tod von Rex, der diese Gemeinschaft erschaffen hat. Es ist bewundernswert, wenn die beiden Wachowskis am Ende des Films dann nicht denselben Weg wie zuvor die Anime-Serie beschreiten, damit in ihrer Geschichte individuell bleiben und auf diese Weise mit den Erwartungen der Zuschauer spielen.
Neben dem Familienelement wird die andere Hälfte von Speed Racer natürlich von den verschiedenen Rennszenen eingenommen. Und im Gegensatz zu George Lucas’ wenig immersiver Pod-Race-Szene machen die Choreographien der Wachowskis enorm viel Laune, soviel sei verraten. Das Thunderhead-Rennen zu Beginn ist hierbei nicht mehr als ein Appetizer und Vorgeschmack auf das, was die Zuschauer in den kommenden knapp zwei Stunden noch erwarten wird. Denn bereits das zweite Rennen des Fuji Helexicon Kurses schlägt einen allein wegen seiner Aufmachung in den Bann. Hier bekommt man nun nochmals einen besseren Eindruck, welches Potential in Speed Racer tatsächlich steckt und der Höhepunkt des Films lässt ab da nicht mehr lange auf sich warten.
Speed nimmt an einer Querfeldein-Rallye über mehrere Kontinente teil, genannt: ‘The Crucible’ (dt. die Feuertaufe). Ihr offizieller Name lautet Casa Cristo 5000 und sie ist das Rennen, das Rex das Leben kostete. Hier hat der Film seinen stärksten Moment, kurz vor den Malteser Eishöhlen. Es kommt alles zusammen, die Action, der Charme, die Kamera, der Schnitt und das wunderbare Theme von Michael Giacchino – die Rennszenen des Casa Cristo sind dabei zum Niederknien und werden auch im Final-Grand-Prix nicht mehr erreicht. Was auf der Leinwand als Mischung als Days of Thunder und Cars daherkommt, ist weitaus weniger gefährlich als es den Anschein hat, aber trotz allem nicht frei von Spannung. Speziell hier haben sich die Wachowskis außerordentliche Mühe gegeben.
Der Grund das Speed Racer funktioniert, ist seine Optik. Die ist knallig, bunt, schrill, einfach eine Phantasiewelt, in die man sich hineinversetzen muss. Der Film verwendet mitunter zwar auch originale Landschaftsbilder und orientiert sich an den Skylines aufstrebender Städte wie Shanghai und Hongkong, erhebt jedoch nicht den Anspruch, ein authentisches Bild wiedergeben zu wollen. Die Farbgebung ist dabei gewollt intensiver als üblich und vom Effekt-Mann Dan Glass daher auch treffend als “pop-timistic” und “Techno-Color” bezeichnet. Hierbei handelt es sich nicht um die einzigen Wortneuschöpfungen. Der dargestellte Motor-Extremsport wurde von den Wachowskis liebevoll “Car-Fu” getauft, da es sich teilweise – und die Bilder bestätigen das – um Martial Arts mit Autos handelt.
Obschon Settings wie die Malteser Eishöhlen oder die Megastadt Cosmopolis durch ihre intensive Farbgebung mehr als unnatürlich wirken, gewinnen sie dadurch erst den Charme. Es ist ein poppiges buntes Spektakel, das sich selbstverständlich in vorderster Linie an Kinder richtet. Unerklärlich ist, dass die Visuellen Effekte von Dan Glass und John Gaeta bei den Oscars nicht einmal nominiert wurden. Das auditive Yang zum visuellen Yin liefert dann Michael Giacchino, der an verschiedenen Stellen Abwandlungen des Speed Racer-Anime-Themes einbringt und mit seiner ganzen Erfahrung die Stimmung einfängt. Hiervon ausgenommen sind die mit Vocals bedachten Pop-Songs, die sich an die Miley-Cyrus-Generation wenden, abgesehen vielleicht vom rap-haften Abspannsong.
Wenn man sagt, dass das Schlechteste an Speed Racer die Auftritte seiner deutschen Gaststars ist, spricht das für die gelungene restliche Arbeit aller Beteiligten. Neben der poplastigen Musik stören gelegentlich die Szenen mit Spritle und Chim-Chim, bei denen die Grenzen des comic relief sehr weit ausgelastet werden. Beide gehören natürlich zum Franchise dazu und sorgen auch für einige Lacher, doch gerade in der klimatischen Szene zwischen Royalton und Speed stören ihre ständigen Unterbrechungen den Erzählfluss ungemein. Vor allem wenn man bedenkt, dass ihre eigene kleine „Geschichte“, für das große Ganze keinerlei Zweck erfüllt. Erträglich und charmant sind die beiden jedoch allemal und ein klares Zugeständnis an das junge Publikum, welches ihnen sofort anheim fallen dürfte.
Der wahre Dorn im Auge sind dagegen unsere deutschen Schauspieler. Cosma Shiva Hagen kann in ihrer Rolle als Quasi-Hostess mit wenig Text kaum etwas falsch machen und selbst Benno Fürmann, wenn auch total fehlbesetzt, schlägt sich relativ gut. Da weiß am ehesten schon Christian Oliver in der Rolle von Speeds Erzfeind Snake Oiler zu gefallen, etwas das Ralph Herforth nicht zu gelingen vermag. Herforth muss in einem Schlafsack in den Babelsberger Studios wohnen, anders lässt sich nicht erklären, wieso sein völlig talentfreies Gesicht in jeder US-Produktion von dort (siehe hierzu auch Æon Flux) auftaucht. Doch wer sich zu früh freut, den bestraft das Leben. Denn das Unmögliche tritt dann doch noch ein: Herforths schauspielerische Leistung wird sogar unterboten.
Selbstverständlich kommt dafür nur ein weiterer deutscher Schauspieler in Frage und es ist der gute Moritz Bleibtreu, der mit seiner Darstellung von Grey Ghost so ziemlich sicher einen vorderen Platz in den Top Ten der miesesten schauspielerischen Leistungen des Jahres inne haben dürfte. Bleibtreus nerviges Spiel trübte zumindest mein Kinoerlebnis, außerdem verlieren sich die Wachowskis mitunter etwas im eigenen Erzählfluss, insbesondere deshalb, da ihre Profil-Nahaufnahmen mit der Zeit ebenso redundant wirken, wie der Beginn des Grand Prix. Trotz allem ist Speed Racer aber ein vergnüglicher und gerade optisch beeindruckender Spaß geworden, der nicht nur eine der gelungeneren Comicverfilmungen ist, sondern neben Pixars Wall-E wohl der Familienfilm des Jahres.
7.5/10 - erschienen bei Wicked-Vision