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12. Juni 2014

The Last Days on Mars

Oh, for fuck’s sake.

Ein Weltall-Film wäre kein Weltall-Film, wenn nicht irgendetwas schief gehen würde. Seien es Schäden am Raumschiff, gefährliche außerirdische Organismen oder durchgeknallte Crew-Mitglieder. Und gerne auch mehrere Komponenten zusammen. Insofern ist Ruairí Robinsons Sci-Fi-Horror The Last Days on Mars fraglos ein Weltall-Film. Allerdings kein sonderlich guter, andererseits jedoch auch kein wirklich schlechter. Wenn Variety’s Justin Chang resümiert, dass es sich letztlich um nichts anderes als “Red Planet of the Dead” handelt, trifft dies den Nagel im Grunde auf den Kopf. Und dennoch vermag Robinsons Debütfilm zumindest in seiner ersten Hälfte alles andere als zu enttäuschen. Nur ist da eben auch noch die zweite Hälfte.

Am Anfang steht der Abschied. Nach sechs Monaten auf der Mars-Oberfläche darf eine achtköpfige internationale Crew die Heimreise zur Erde antreten. Für manche sicherlich nicht früh genug, während andere wie Vincent Campbell (Liev Schreiber) aufgrund von Missstimmungen mit Kollegen wie Kim Aldrich (Olivia Williams) eher vom Regen in die Traufe kommen. Noch 19 Stunden verbleiben, als zwei Mann nochmals eine Expedition wagen. Den Grund finden die Übrigen schnell raus: entgegen der Ergebnisse des letzten halben Jahres scheint der Kollege doch bakterielles Leben entdeckt zu haben. Nur: Vor Ort passiert ein Unfall und als Teamleiter Brunel (Elias Koteas) nach draußen geht, will kurz darauf etwas anderes in die Mars-Station rein.

Wie dem Variety-Fazit zu entnehmen, ist The Last Days of Mars im Prinzip ein Zombie-Film auf unserem Nachbarplaneten. Durch die Bakterien wird einer der Astronauten infiziert, entwickelt sich zum aggressiven lebenden Toten. Die Seuche greift um sich und schon bald sehen sich die Figuren dezimierter und dezimierter. Und wie das so ist mit Zombie-Pandemien, wird sich um die Ursache nicht sonderlich viel geschert. Dabei handelt es sich bei diesen Mars-Zombies um wahrlich außergewöhnliche Exemplare. Die nicht nur gezielt ihren Weg finden, sondern auch Türen öffnen können – notfalls halt per Explosion. Für Campbell, Brunel, Aldrich, Rebecca Lane (Romola Garai) und Robert Irwin (Johnny Harris) beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.

Gerade in den ersten 45 Minuten gerät das Ergebnis durchaus spannend, atmosphärisch dicht und in gewisser Weise auch persönlich. Robinson nimmt sich Zeit, die Charaktere ein wenig vorzustellen. Zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen, sei es zwischen Campbell und Lane oder Campbell und Aldrich. Auch andere Figuren werden grob angerissen, ihre Dynamik gezeigt. Aber erscheint der erste Zombie auf der Matte, ist das alles plötzlich dahin. Das Rennen und Schlagen steht im Vordergrund. Zwar nimmt sich der Film zu Beginn des finalen Akts nochmals kurz Zeit, die Figuren wieder hervorzuheben, doch folgt er bald wieder dem altbekannten Schema. Ein gewöhnlicher Zombie-Film in einem ungewöhnlichen Setting. Was schade ist.

Schade, weil irgendwann wieder nur gerannt, geschlagen und getreten wird, statt sich einfach mal Zeit zu nehmen und anders zu sein als der Einheitsbrei. Und sei es auch nur einen, in diesem Fall: den zweiten Akt, lang. Es muss ja nicht gleich in Panspermie-Sülze ausarten wie in Mission to Mars, aber etwas Neues hätte Robinson schon auftischen dürfen. So folgt The Last Days on Mars dem klassischen Abzählreim-Schema des Genres, was ihn dank der Exposition und Figurenzeichnung anschließend entsprechend vorhersehbar macht. Dass die Handlung dabei auf dem Mars spielt, ist auch relativ irrelevant und dient lediglich als Auslöser für einige Widrigkeiten, denen sich Campbell, Lane und Co. im Laufe des Films ausgesetzt sehen.

Dabei ist das Ensemble interessant zusammengestellt, rund um Schreiber, Garai, Williams und Koteas. Der Film hätte durchaus Potential gehabt, mit einer derartigen Besetzung in einem derartigen Genre und einer derartigen Location. Nur hätte er sich hierfür mehr an The Thing und weniger an Europa Report orientieren müssen. So wirkt Ruairí Robinsons Debüt etwas verschenkt, dabei startet der erste Langspielfilm des Iren vielversprechend. Bis die gefährlichen außerirdischen Organismen zu durchgeknallten Crew-Mitgliedern führen. Und damit zu zwei Komponenten des klassischen Weltall-Films. Hätte The Last Days on Mars stattdessen eine neue hinzugeführt, wäre er außergewöhnlich. So ist er aber nur ein weiterer Genre-Zombie.

5.5/10

14. Mai 2010

Defendor

Nachdem die übermenschlichen Helden (X-Men, Spider-Man, Hulk, etc.) ihr Unwesen trieben, kam mit der Adaption von Alan Moores Watchmen auch noch der Normalo dazu - Dr. Manhattan außen vor -, der sich der Verbrechensbekämpfung widmete. Was bei Moore noch sehr komplex war, verkam spätestens mit der Verfilmung von Mark Millars Kick-Ass zur, liebevollen, Persiflage. In etwa dieselbe Schiene, allerdings auf einer kaum beachteten Nebenspur, fährt Defendor, der jedoch wie auch Kick-Ass sein Päckchen zu schultern hat. Wo die Darsteller überzeugen, kann sich Auteur Peter Stebbings nicht entscheiden, ob er nun Tragödie oder Komödie präsentieren will. Das Ganze war dann so unausgegoren, dass es nicht mal zu einer Kinoauswertung reichte. Meine DVD-Besprechung zum Film findet sich beim Manifest.

5/10

27. Januar 2009

The Curious Case of Benjamin Button

You never know what's coming for you.

Er ist Hollywoods Thriller-Mann, der selbst unter unüblichen Begebenheiten in das Business gelangte. David Fincher drehte Musikvideos für Madonna, als man ihm 1992 anbot, das Alien-Franchise zu übernehmen. Zuvor hatten Ridley Scott und James Cameron imposante Genrebeiträge mit jenem extraterrestrischen Parasiten abliefern können. Ganz wie gewünscht verlief die Zusammenarbeit dann jedoch nicht und auch heute stehen Einige Finchers Debütfilm noch sehr ambivalent gegenüber. Mit The Curious Case of Benjamin Button liefert er nun seinen ersten Film mit Freigabe ab zwölf Jahren ab. Ein Indiz dafür, dass Finchers siebter Film nicht problemlos in sein bisheriges Œuvre einzugliedern ist. Denn im Gegensatz zu seinen düsteren Filmen, die von einer tödlichen Gefahr erfüllt sind, ist Benjamin Button ein verträumtes Liebesepos.

„I was born under unusual circumstances“, erklärt Benjamin Button (Brad Pitt) dem Publikum zu Beginn. Seine Geschichte ist selbst nur eine Geschichte innerhalb einer Geschichte. Denn während das eine Leben beginnt, vergeht ein anderes. In der Gegenwart liegt Daisy (Cate Blanchett) im Sterben. An ihrer Seite: Ihre Tochter Caroline (Julia Ormond), die in Benjamins Tagebuch dessen Leben Revue passieren lässt. Geboren am Ende des Ersten Weltkrieges, ist Benjamin Button anders als andere Säuglinge. Mit Blindheit, Taubheit und Arthritis geschlagen, erweckt er den Eindruck eines 85-jährigen Mannes. Sein Vater Thomas Button (Jason Flemyng) ist sichtlich geschockt, unter anderem auch deshalb, weil seine Frau im Kindbett verstarb. Button gibt den Jungen weg, der schließlich ironischerweise in einem Seniorenheim bei der dortigen Bediensteten Queenie (Taraji P. Henson) landet. Da diese selbst keine Kinder bekommen kann, nimmt sie sich des Jungen kurzerhand an.

Die Stärke der ersten Stunde liegt in der bizarren Konstellation, dass ein junger Geist in einem alten Körper gefangen ist. Sehnsüchtig beobachtet Benjamin abends auf der Veranda seine Altersgenossen, wie sie auf den Straßen spielen. Kurz darauf scheucht ihn Queenie wieder ins Haus. Die Straßen seien zu gefährlich für den alten, gebrechlichen Mann. Allerdings hat der Aufenthalt im Seniorenheim auch etwas für sich, wird Benjamin doch hier die Vergänglichkeit des Lebens bewusst. Denn während er selbst immer jünger wird, sterben seine Zimmergenossen um ihn herum allmählich weg. Es sei Bestimmung, dass wir die Menschen verlieren, die wir lieben, wird Benjamin später von einer älteren Frau erklärt. Denn wie würden wir sonst wissen, wie viel sie uns tatsächlich bedeuten?

Erst als der alte Benjamin die junge Daisy (Elle Fanning) kennenlernt, blüht er auf. Endlich ist jemand im Haus, mit dem er spielen kann. Doch die äußerliche Altersdifferenz ist offensichtlich und schiebt der Beziehung der beiden einen Riegel vor. Im Gegensatz zu ihrer Großmutter merkt Daisy allerdings sehr wohl, dass Benjamin weitaus jünger ist als er aussieht. In diesen Szenen beeindruckt Hauptdarsteller Brad Pitt und hat seinen Spaß daran, dem alten Mann pubertärer Züge zu verleihen. So gesehen ist Eric Roths Geschichte in ihrem ersten Viertel größtenteils Coming-of-Age-Film, wenn Benjamin innerlich erwachsen wird, während er äußerlich verjüngt. Dies erzeugt zahlreiche amüsante Szenen, beispielsweise wenn der Greis zum ersten Mal betrunken nach Hause kommt und sich schließlich in Queenies Anwesenheit plötzlich übergibt.

Jene Liebesgeschichte zwischen dem jünger werdenden Benjamin und der älter werdenden Daisy bildet den eigentlichen Rahmen für The Curious Case of Benjamin Button. Innerhalb der nächsten Jahrzehnte werden sich die beiden immer wieder begegnen und dabei oft unverrichteter Dinge wieder auseinander gehen müssen. Dieser romantische Aspekt unterscheidet Roths Adaption von F. Scott Fitzgerald gleichnamiger Kurzgeschichte aus dem Jahr 1921. Diese fokussiert sich vielmehr auf die sozialen Widerstände, denen Benjamin sowohl seinem Vater, als auch seiner Umwelt gegenüber, begegnen muss. Bereits vor zehn Jahren sollte Fitzgeralds Novelle verfilmt werden, damals noch unter der Regie von Ron Howard und mit John Travolta in der Hauptrolle. Auch die Konstellation Steven Spielberg/Tom Cruise war zeitweilig im Gespräch gewesen.

Ein großes Manko von Finchers Film ist zweifellos seine Überladenheit. Die Laufzeit gerät Benjamin Button nicht sonderlich gut, was man speziell im zweiten Drittel merkt. Hier verdingt sich Benjamin als Matrose und gerät in einem verschneiten russischen Hafen schließlich an die Frau eines britischen Spions. Es erschließt sich dem Publikum nicht, welchen Zweck Elizabeth Abbott (Tilda Swinton) hier erfüllt, außer dass sie eine Affäre mit unserem Protagonisten eingehen kann. In dieser Phase des Filmes – die noch in eine Konfrontation mit den Achsenmächten mündet – gerät Fincher sichtbar mit seinem Erzählfluss ins Stocken und verläuft sich kurzzeitig. Erst als die Handlung wieder „synchron“ läuft, nimmt die Geschichte erneut an Tempo auf. Ähnlich überflüssig ist außerdem auch die retrospektive Erzählung über Caroline im Krankenhaus. Hier wird unnötig unterbrochen, ohne dass einem jene Unterbrechung mit wirklichem Inhalt vergolten wird.

Ansonsten beeindruckt der Film insbesondere auf formaler Ebene. Die Effekte von Eric Barba sind beinahe so erstaunlich wie die Maske von Greg Cannom. Die Alterungen von Pitt und Blanchett wirken mehr als glaubwürdig, ähnlich verhält es sich bei Blanchett digitaler Verjüngungskur. Ambivalenter ist dies bei Pitt der Fall, der im Laufe des Filmes auch immer schlechter spielt. War sein Spiel wie angesprochen als alter Mann von einer perfekt erzeugten Spritzigkeit erfüllt, lässt der Amerikaner diese mit der Zeit schleifen. Unersetzliches Hilfsmittel für den Film ist dann noch Alexandre Desplats musikalische Untermalung der träumerisch-schönen Bildern, diese oftmals sogar noch verstärkend.

Mit seinem siebten und ungewöhnlichsten Film hat es David Fincher geschafft, am meisten Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dass der Film dabei nicht ohne Schwächen ist, bedeutet nicht, dass es dem Regisseur mitunter durchaus gelingt pure Kinomagie auf die Leinwand zu zaubern. Denn dass The Curious Case of Benjamin Button ein großer Film ist, steht außer Frage. Ob es ein guter Film ist, dürfte die Zuschauer mal wieder in zwei Lager spalten. Auf jeden Fall handelt es sich hierbei um ein Seherlebnis, dass man sich ob seiner epischen Breite und von Romantik geschwängerten Geschichte nicht ohne Weiteres entgehen lassen sollte. Wer weiß, ob Fincher nochmals solche eine epochale Romanze inszeniert.

7.5/10

16. März 2008

Gattaca

Did I ever tell you about my son, Jerome?

Mit dem Gedanken an Eugenik beschäftigte sich vor rund 2.400 Jahren bereits Platon in seinem Dialog Πολιτεια: „Also werden gewisse Feste gesetzlich eingeführt werden, an welchen wir die neuen Ehegenossen beiderlei Geschlechts zusammen führen werden“ (459e4f.) und „die (…) gebornen Kinder nehmen die dazu bestellten Obrigkeiten an sich (…) die der guten (…) tragen sie in das Säugehaus (…), die der schlechten aber (…) werden sie (…) in einem unzugänglichen und unbekannten Ort verbergen“ (460c). Die Folge: Der perfekte Staat, frei von Makel, die einzig wahre friedliche Staatsform. Eine Dreiklassengesellschaft ohne Familiensystem in der jeder seinen Teil für das Gemeinwohl leistet.

Vom eugenischen Gedanken waren auch die Nationalsozialisten beseelt als die jüdische Bevölkerung sterilisiert und Behinderte oder rassentechnisch Unhygienische euthanasiert wurden. Die menschlichen Genome sind voller Makel: Krebs, ein Herzfehler, Alzheimer, Parkinson – was wäre, wenn man all diese Krankheiten bei seinem Kind vermeiden, es davor schützen könnte? Das Zauberwort heißt Präimplantationsdiagnostik, man trennt sprichwörtlich die Spreu vom Weizen, sondiert die befruchteten Eizellen aus, die entsprechend gesund sind oder die Risiken bergen. Jede Mutter wünsch sich vor der Geburt ihres Kindes, dass es einfach nur gesund sein soll – was wäre aber, wenn sich dies von vorneherein festsetzen ließe?

Ein solches Szenario einer eugenischen Gesellschaft inszenierte Andrew Niccol gegen Ende der Neunziger in seinem Film Gattaca. Paare suchen den Arzt ihres Vertrauens auf und dürfen dann aus den befruchteten Eizellen ihre(n) Favoriten aussuchen. Nur die besten ihrer Eigenschaften werde der Sohn haben, versichert der Genetiker (Blair Underwood) dem Ehepaar Freeman. Ausschließen lässt sich so ziemlich alles, auch jegliche Veranlagung zum Alkoholismus. Doch Marie Freeman (Jayne Brook) ist unsicher. “We were just wondering if it is good to just leave a few things to chance?”, wendet ihr Gatte Antonio (Elias Koteas) ein. Der Genetiker schmunzelt nur. Denn die Entscheidung ist schon längst gefallen.

Denn zwei Jahre zuvor kam ihr erster Sohn Vincent zur Welt, ein natürlich gezeugtes Kind von Gottes Gnaden. In Niccols Zukunft wird ihm kurz nach der Geburt Blut entnommen und seine ganze Zukunft vor ihm ausgebreitet. Vincent hat zu 99% eine angeborene Herzschwäche, seine Lebensprognose beträgt 30,2 Jahre. Vater Antonio erkennt, dass dem Jungen kein einfaches Leben bevorsteht und interveniert, als seine Frau diesem den Namen seines Vaters geben möchte. Er solle nicht „Anton“ heißen – dieses Privileg wird er erst zwei Jahre später vergeben, an seinen eugenisch perfekten Sohn. Im Alter von acht Jahren wird Anton seinen älteren Bruder nicht nur was die Größe betrifft übertrumpft haben.

In dieser Gesellschaft, die nur auf die Gene schaut und in der Urinproben Bewerbungsgespräche ausmachen, haben Gotteskinder keine Chance. Entsprechend strebt Vincent nach höheren Dingen, einer anderen Welt, da draußen im Weltall, wo es keine Rolle spielt, welche Gene du hast. Doch als „Invalide“ ist er nicht gut genug, um die Akademie zu besuchen, seine Gene machen ihm einen Strich durch die Rechnung. Näher außer als Putzkraft wird er der Raumfahrtorganisation Gattaca nie kommen. Vincent (Ethan Hawke) bleibt somit nur die Rolle als Rebell gegen das System. Er geht eine Zweckgemeinschaft mit Jerome Morrow (Jude Law) ein, einem jener makellos-eugenischen Menschen dieser selbst geschaffenen Elite.

Der suizidale Jerome ist seit einem Unfall gelähmt, eine oberflächliche Ähnlichkeit zu Vincent ermöglicht es Letzterem sich mit Jeromes Genen bei Gattaca zu bewerben, wo er es schafft, einer Raumfahrtmission zum Saturn zugeteilt zu werden. Für die Erfüllung von Vincents Traum erhält Jerome im Ausgleich die Aufrechterhaltung seines Lebensstiles. Jene Symbiose dieser genetisch ungleichen Männer droht jedoch aufzufliegen als Vincents Vorgesetzter ihm auf die Schliche gekommen zu sein scheint und tot in seinem Büro aufgefunden wird. Die Ermittlungen obliegen dem hartnäckigen Polizisten Hugo (Alan Arkin), der hierbei von Anton (Loren Dean) unterstützt wird, der es bis in die obersten Ränge geschafft hat.

Um anonym zu bleiben und hinter Jeromes Maske zu verschwinden muss Vincent tagtäglich eine hygienische Prozedur über sich ergehen lassen. Er befreit er seinen Körper von jeglichen Hautschuppen, trägt künstliche Fingerkuppen und einen Urinbeutel an seinem Oberschenkel. Er setzt sich Kontaktlinsen ein und zieht sich Socken über die Beine, welche er operativ verlängern lassen musste, um Jeromes Größe zu entsprechen. Da man bei Gattaca und auch sonst nur noch auf die DNS achtet, ist die wenig glaubhafte Ähnlichkeit von Vincent und Jerome irrelevant. Es ist nicht wichtig, was man tatsächlich kann, sondern wozu man gemäß dem Genpool in der Lage ist. Die richtigen Genome sind das beste Zeugnis.

So wird Vincent lediglich als Jerome wahrgenommen und entsprechend akzeptiert - die zwar illegale, aber auftretende Genomdiskriminierung ist überwunden. Dennoch weckt Vincent die Zweifel seiner Arbeitskollegin Irene (Uma Thurman). Mittels einer Haarprobe sucht sie einen öffentlichen Schalter auf, an welchem Frauen Speichelproben ihrer Verabredungen abgeben, um wenige Sekunden später die genetische Identität – und damit das Potential – ihres möglichen Partners in Form einer Nukleotidfolge ausgehändigt zu bekommen. An jenem Abend besuchen Vincent und Irene ein Konzert eines Pianisten mit zwölf Fingern. “That piece can only be played with twelve”, informiert Irene hinsichtlich des Stückaufbaus.

“There’s no gene for fate”, sagt Vincent an einer Stelle. Der Pianist scheint ihn jedoch zu widerlegen. Sein Karrierepfad wirkt vorherbestimmt, mit schönem Dank an die Präimplantationsdiagnostik. Was am Ende dann entsteht ist ein Mensch, der es im Leben zu allem schaffen kann, zu allem wozu er vorher ausgewählt wurde. Dem Zufall wird hier nichts mehr überlassen, denn der Zufall birgt Risiken. Ob das „Produkt“ am Ende noch als Mensch mit freiem Willen durchgehen kann, wenn man ihm Entscheidungsmöglichkeiten genetisch negiert, ist fraglich. Friedrich Nietzsche sagte, es gäbe keinen Gott, sondern der Mensch erschuf diesen, um sich seine Existenz zu erklären. In Gattaca wird der Mensch zu Gott.

Gegenwärtig werden Themen wie Klonen oder Stammzellenforschung heiß diskutiert, das Spielen mit menschlichem Leben – wie immer alles nur zu einem höheren Ziel. Als Gattaca im Jahr 1997 erschien, schrieb der Molekularbiologe Lee M. Silver, dass Niccols Film Pflichtprogramm für alle Genetiker sein sollte, schon allein, damit sich diese der Tragweite ihres Handelns bewusst würden. Denn wenn man Menschen genetisch konzipieren kann, provoziert man eine selektive Gesellschaft die andere ausgrenzt. So wie Vincent ausgegrenzt wird, als ihn eine Kindertagesstätte wegen des genetischen Risikos einer Verletzungsgefahr nicht aufnehmen will. “Wherever I went, my genetic prophecy preceded me”, sagt er.

Die Genetik ist allgegenwärtig in Gattaca. So hat die Treppe in Jeromes Haus die Form einer Doppelhelix und der Name des Films wie auch von Vincents und Irenes Raumfahrtorganisation setzt sich aus den Nukleotiden des DNS- und RNS-Stranges zusammen. Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin bilden am häufigsten in der menschlichen DNS die Kombination GATTACA. Jene Einrichtung selbst ist wie Niccols gesamter Film sehr steril geraten und wirkt trotz der oft in das bräunlich gehenden Farben weitestgehend kalt. Besonders leblos – natürlich auch als Spiegelung von diesem selbst – wirkt Jeromes Haus, in dem sich der einst perfekte Jerome und der vormals fehlerhafte Vincent schließlich anfreunden.

Sympathien schlagen Vincent immer dann entgegen, wenn Menschen selbst Fehler kennen. So wie bei Hausmeister Caesar (Ernest Borgnine), Firmenarzt Lamar (Xander Berkeley) und allen voran Irene, die aufgrund eines Herzfehler-Risikos selbst nie ins All reisen wird. Das stark besetzte Ensemble überzeugt durch die Bank, ebenso wie die wieder einmal ausgezeichnete musikalische Untermalung durch Michael Nyman, von Andrew Niccol in Gattaca verpackt zu einem Appell gegen Diskriminierung und den Glauben an die Möglichkeit, auch Dinge zu schaffen, die unser Schicksal nicht für uns vorgesehen hat. Denn letztlich, so die Botschaft des Films, ist ein Genom auch nur so gut, wie der Mensch, der es in sich trägt.

10/10

25. Dezember 2007

Zodiac

Just because you can’t prove it doesn’t mean it isn’t true.

Ende der 1960er Jahre versetzte ein unbekannter Täter in San Francisco eine ganze Region in Panik. Zwischen Dezember 1968 und Oktober 1969 brachte ein Mann, der sich selbst „Zodiac“ nannte, fünf Menschen um und verletzte zwei weitere schwer. Seine ersten Opfer waren am 20. Dezember 1968 die erst 16-jährige Betty Lou Jensen und ihr 17-jähriger Freund David Faraday, welche in Vallejo von dem Killer ermordet wurden. Am Unabhängigkeitstag im folgenden Jahr wurde die Kellnerin Darlene Ferrin auf der Lover’s Lane, einem Treffpunkt für Pärchen, erschossen, während ihr Begleiter Michael Mageau überlebte. Am 27. September attackierte er in einem Park ein weiteres Pärchen, Cecilia Shepherd und Bryan Hartnell, auch hier konnte der Mann schwer verletzt überleben. Sein letztes Opfer fand der Zodiac offiziell in dem Taxifahrer Paul Stine, welchen er am 11. Oktober 1969 erschoss. Was anschließend begann, war eine briefliche Konferenz zwischen Täter und Polizei, die sogar einen Ausflug ins Fernsehen fand. Schließlich hörte der Zodiac auf zu morden und die Ermittlungen gerieten ins Schleppen. Zwei Jahre später glaubte man in Arthur Leigh Allen einen Verdächtigen gefunden zu haben, doch konnte dieser nie mit den Morden in Verbindung gebracht werden. Der Zodiac verschwand und allmählich auch die Erinnerung an ihn.

Bereits 1971 fand der Zodiac ein Forum in der medialen Welt. Don Siegel inszenierte Dirty Harry, in welchem Clint Eastwood einen Serienkiller mit dem Decknamen „Scorpio“ jagte. In David Finchers Verfilmung von Robert Graysmiths Büchern Zodiac und Zodiac Unmasked ist eine Kinovorführung von Siegels Film für die Polizei von San Francisco zu sehen. Fincher, der selbst noch mit dem Zodiac aufgewachsen war, findet in diesem ungelösten medialen Thrillerstoff eine großartige Plattform für einen Film. Anderthalb Jahre recherchierte er Material für seine Adaption, während das Drehbuch von James Vanderbilt gemeinsam mit Robert Graysmith entstand. Fincher bildete dabei Paramounts erste Wahl für den Stoff, hauptsächlich wegen seiner Arbeit an Se7en. Zur selben Zeit war Fincher jedoch für eine Verfilmung von James Ellroys The Black Dahlia vorgesehen, konnte sich aber mit den Produzenten auf keinen gemeinsamen Nenner einigen. Für seine Verfilmung des Zodiac-Stoffes verwendete Fincher zum ersten Mal in der Filmgeschichte ausschließlich eine digitale Kamera, für die er in den Jahren zuvor durch Werbungen für Nike oder Heineken Erfahrungen sammelte.

Die Handlung von Zodiac setzt beim Mord von Darlene Ferrin ein, beginnt also ein halbes Jahr, nachdem der Zodiac zum ersten Mal gemordet hat. Die Redaktion des San Francisco Chronicle erhält daraufhin einen Brief des Täters, dessen Veröffentlichung er verlangt. Dem Brief anbei liegt ein chiffriertes Rätsel, welches die Identität des Killers offenbaren soll. Redakteur Paul Avery (Robert Downey Jr.) beginnt seine Recherchen für den Fall und kollidiert dabei mit den Interessen der San Franciscoer Ermittler David Toschi (Mark Ruffalo) und William Armstrong (Anthony Edwards). Stattdessen beginnt sich der Karikaturist Robert Graysmith (Jake Gyllenhaal) für den Fall, insbesondere das Rätsel, zu interessieren. Nachdem die Ermittlungen gegen den Zodiac jedoch im Sande verlaufen, widmet sich Toschi anderen Fällen, auch wenn er den Ermittlungen gegenüber offen bleibt. Während sich Armstrong versetzen lässt und Avery am Scheitern des Falles zugrunde geht, ist es Graysmith, der nach mehreren Jahren erneut den Fall aufzurollen versucht. Doch Toschi will von seinen privaten Erkenntnissen nichts wissen und auch Graysmiths Ehe mit seiner Frau Melanie (Chloë Sevigny) ist im Begriff, an seiner Zodiac-Manie zu scheitern.

Seine Produktionskosten von 65 Millionen Dollar konnte der Film weltweit mit einem kleinen Gewinn wieder einspielen, wieso er jedoch gerade in den USA mit lediglich 30 Millionen Dollar so geflopt ist, erscheint unverständlich. Schließlich ist der Zodiac ein amerikanischer Serientäter, zudem einer, der nie überführt wurde. In einem Land, das seine Mörder so sehr verehrt wie die USA, sollte eigentlich eine größere Begeisterung für das Thema existieren. Dass es sich bei Zodiac um keinen zweiten Se7en handelt, sollte den meisten Zuschauern klar gewesen sein. Da kann es schon eher an der Laufzeit von zweieinhalb Stunden gelegen haben, dass manch Amerikaner dem Film fernblieb. Wie so oft spiegeln die Kritiker ein anderes Bild wieder, als das tatsächliche Einspielergebnis, mit 89% bei Rotten Tomatoes erreicht der Film seine besten Werte. Dabei liefert Fincher keinen klassischen Thriller mit Spannungselementen, sondern offeriert seinen Zuschauern eine minutiöse Abhandlung der Ermittlungen von Avery, Graysmith und Toschi.

Der Film ist durchzogen von Zeitsprüngen, meist werden mehrere Wochen übersprungen, teilweise auch Jahre. Was allerdings zwischen diesen teilweise sehr langen Sprüngen passiert, bleibt dem Zuschauer verschlossen. David Fincher erzählt hier keine stringente Geschichte einer einzelnen oder mehrerer Figuren, sondern er springt von Entwicklung zu Entwicklung. Was die Charaktere denken, fühlen oder tun, zwischen dem einen Brief und dem nächsten, zwischen diesem Ereignis und einem darauffolgenden, bleibt im Unklaren und macht es schwer, ein wirkliches Interesse für die Charaktere aufzubringen. Insbesondere Robert Graysmiths Leben ist dabei kritisch zu betrachten, denn wenn er auch zu Beginn gleich auftaucht, spielt er schließlich erst im letzten Drittel eine entscheidende Rolle. Seine plötzliche Begeisterung und Manie für den Fall über vier Jahre nach dem letzten Mord wird nicht wirklich verständlich. Auch sein Verrennen in die Mordfälle, sodass sein Familienleben scheitert, wirkt nicht sonderlich glaubwürdig oder für den Zuschauer ergreifend. Dazu wurde sein Familienverhältnis zu wenig gezeigt.

Inwiefern der Fall das Leben der anderen vier Protagonisten beeinflusst, bleibt ebenso unklar. Auf einmal ist Avery ein seelisches Wrack, wie genau es dazu kam, wird nicht ausreichend geschildert. Ebenso verhält es sich bei Armstrong und teilweise Toschi, von denen allein einzelne Reaktionen gezeigt werden. Fincher stellt die Figuren eindeutig hinter die Geschichte, vernachlässigt ihre Entwicklungen und zeigt nur den Verlauf des Zodiac-Falles. Obschon er hierbei keine wirkliche Handlung erzählt, sondern Fakten und Verbindungen diskutiert, wird dennoch das Interesse am Film aufrecht erhalten. Zodiac ist dabei nicht zu dokumentarisch, um nicht zu unterhalten, zugleich zu sehr für sich stehend, um reine Dokumentation zu sein. Manche Klischeehafte Charakterisierung wie Avery als Pausenclown mit etwaigen Faxen und Einzeilern oder Graysmiths nerdiger Cartoonist mit Begeisterung für Rätsel fallen dabei leicht aus dem Rahmen. Die Figuren bleiben folglich etwas blass,  fast so wie die Visuelle Gestaltung des restlichen Films über weite Strecken – kein Wunder, dass er bisher ohne Auszeichnungen blieb.

Positiv zu vermerken ist, dass sich Fincher nicht irgendwelchen eigenen Spekulationen hingibt, sondern an den wahren Tatsachen und Mutmaßungen orientiert. Wie dem Tatverdacht gegenüber Arthur Leigh Allen. Ebenso positiv ist Finchers Ansatz, einen unkonventionellen Thriller der Gegenwart zu drehen, der sich nicht dem Gore hingibt und somit die perversen Phantasien einer gewaltgeilen Generation bedient. Vielleicht liegt hier der Grund, dass der Film beim Publikum scheiterte, vielleicht fehlten ihm nur ausgeschnittene Augen und abgetrennte Schädel. Wenn Fincher jedoch den Zodiac seine Opfer angreifen lässt, erschreckt dies nicht wegen dem Tathergang an sich, sondern aufgrund seiner Umstände. Wer würde schon damit rechnen, am helllichten Tag an einem See mehrfach abgestochen zu werden? Technisch ist Zodiac also makellos inszeniert, es bleibt lediglich fraglich, ob eine 1:1-Verfilmung eines Tatsachenberichtes vollends als Unterhaltungsfilm funktioniert, da hierbei Handlung und Figuren bisweilen zum Opfer fallen.

8/10