Come back. Come back to me.
So vielen Vorschußlorbeeren kann man sich dann doch nicht entziehen, hört man von allen Seiten nur Gutes über Joe Wrights Verfilmung des 2001er Romans von Ian McEwan. Dass er etwas mit Romanvorlagen anfangen kann, konnte er ja bereits mit Pride & Prejudice zeigen und da sich das so gut bewährt hat, engagierte Wright auch gleich mal die Hälfte (salopp gesagt, vielleicht sind es auch die meisten) der Mitarbeiter an der Jane-Austen-Verfilmung. Von der Zuständigen für die Kostüme (Jacqueline Durran), über den Editor (Paul Tothill) und die Produktionsassistentin (Sarah Greenwood) zu Komponist Dario Marianelli sind die meisten wieder mit dabei – ebenso auch Brenda Blethyn und Star Keira Knightley. Allein mit Seamus McGarvey wurde ein neuer Kameramann engagiert, dem es den ganzen Film über gelingt wunderschöne Bilder einzufangen. Ursprünglich sollte Miss Knightley in die Rolle der älteren Briony schlüpfen, entschied sich dann aber für den reiferen Charakter der Cecilia. Bzgl. des Dreifach-Castings der Figur von Briony darf man Jina Jay ein großes Lob aussprechen, denn Saoirse Ronan und Romola Garai sehen sich nicht nur verblüffend ähnlich, sondern spielen beide auch die übrigen Darsteller an die Wand.
Es ist 1935 und in England herrscht ein heißer Sommertag. Die 13jährige Briony (Saoirse Ronan) hat ihr erstes Theaterstück vollendet und will dieses zum Eintreffen ihres älteren Bruders Leon uraufführen. Doch ihre Cousine Lola und deren Zwillingsbrüder haben bei der Hitze keine Lust im Haus das Stück einzustudieren und so ist Briony auf sich allein gestellt. Am Fenster beobachtet sie ihre ältere Schwester Cecilia (Keira Knightley) und den Angestelltensohn Robbie (James McAvoy) am Brunnen in einer zweideutigen Situation. Später wird Robbie Briony darum beten, Cecilia einen Brief zu überreichen – doch Briony liest den Brief und erschließt die falschen Schlüsse, da Robbie die Briefe verwechselt hat. Als sie dann auch noch die beiden im Liebesspiel überrascht und die Zwillinge verschwinden, nimmt das Drama seinen Lauf. Lola wird das Opfer einer Vergewaltigung und Briony glaubt in Robbie den Täter gefunden zu haben. Die Polizei wird alarmiert und Robbie ins Gefängnis geworfen. Vier Jahre später findet sich Robbie in Frankreich als Soldat wieder, während Cecilia in der Heimat als Krankenschwester arbeitet und mit ihrer Familie gebrochen hat.
Atonement, das ist ganz großes Melodrama in seiner Reinform, opulente Bilder, mitreißende Szenen, tragische Gefühle und konsequente Missverständnisse. Dabei gliedert McEwan seine Geschichte in vier Handlungsstränge, was ihr letzten Endes zum Verhängnis wird. Ist das erste Viertel der Aufbau der Geschichte und für sich genommen einfach nur perfekt, von der Bildsprache über die Musik und die Thematik, verlieren sich die anderen drei Viertel. Ins Stolpern kommt die Geschichte insbesondere durch ihre Auflösung, denn hier offenbar sich, dass sich die Hälfte der Stränge auf Briony vereint und einer auf Robbies Überlebenskampf in Frankreich. Hierbei vergisst McEwan jedoch Cecilia und ihr Schicksal wird erst in einer Rückblende in der Auflösung offenbart. Unverständlich, wieso das dritte Viertel nicht einfach Teil des vierten ist und ein eigenes Viertel für Cecilias Überlebenskampf in London gewidmet wird. Hier stimmt die Gewichtung zwischen den Figuren von Cecilia und Robbie nicht, da dem einen mehr Aufmerksamkeit zukommt, als dem anderen. Auch eine Szene zwischen Briony und einem französischen Soldaten erschien mir im ersten Augenblick unsinnig, ehe ich mich nachträglich im Internet aufgeklärt habe.
Soviel schon zu der Kritik – abgesehen davon, dass die Knightley hier wie ein froschmäuliges Skelett aussieht -, daher widme ich mich nun den hervorstechenden Eindrücken. Wie bereits erwähnt ist die Kameraarbeit von McGarvey großartig und gipfelt in einer einzigen minutenlangen Einstellung am Strand von Dünkirchen. Diese einzelne ungeschnittene Szene ist zwar unnötig und Wright scheint sich damit nur selbst etwas beweisen zu haben wollen (es ist ihm auch gelungen), beeindruckt aber dennoch doch ihre Perfektion. Auch das Spiel mit dem Licht ist besonders gut gelungen. Unterstützt wird das ganze von einer großartigen musikalischen Untermalung, die unentwegt Spannung erzeugt und durch phantastisches Einarbeiten von Schreibmaschinen-Tippen und Feuerzeug-Schnappen geprägt wird. Die Romanvorlage von McEwan scheint hier in der Tat gelungen auf die Leinwand transportiert worden zu sein und es würde überraschen, wenn für das adaptierte Drehbuch, Musik und Kamera keine Nominierungen im Februar herausspringen sollten.
Die Handlung dreht sich um Schuld und Sühne, Buße und Wiedergutmachung. Ihre Schwärmerei und Eifersucht hat Briony einst dazu verleitet einen schlimmen Fehler zu begehen. Einen Fehler, für den nicht nur Cecilia und Robbie, sondern auch sie selbst büßen muss. In ihren Schuldgefühlen bricht sie ihre Studienpläne ab und unterläuft eine Ausbildung zur Krankenschwester, um einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Stets in der Hoffnung unter den verwundeten Soldaten Robbie zu entdecken. Mit ihrer Familie hat sie dabei genauso wenig Kontakt, wie Cecilia, die nichts mehr von ihrer Schwester wissen will. Der verwundete Robbie versucht sich derweil in Frankreich mit zwei Kameraden nach Dünkirchen durchzuschlagen, um mit einem der Schiffe nach Hause und zu Cecilia zu gelangen. In seinen Fieberträumen rekapituliert er immer wieder die Ereignisse, welche sein Schicksal besiegeln sollten. Das Ende scheint dabei die einzige logische Konsequenz zu sein und beeindruckt durch seine realistische Ehrlichkeit. Eine Liebesgeschichte, wie sie klassischer nicht sein könnte – eben deshalb, weil sie hoffnungslos ist. Atonement ist eine sichtbare Steigerung zu Pride & Prejudice und wird, wie gesagt, bei den Nominierungen kaum unberücksichtigt bleiben.
8.5/10
So vielen Vorschußlorbeeren kann man sich dann doch nicht entziehen, hört man von allen Seiten nur Gutes über Joe Wrights Verfilmung des 2001er Romans von Ian McEwan. Dass er etwas mit Romanvorlagen anfangen kann, konnte er ja bereits mit Pride & Prejudice zeigen und da sich das so gut bewährt hat, engagierte Wright auch gleich mal die Hälfte (salopp gesagt, vielleicht sind es auch die meisten) der Mitarbeiter an der Jane-Austen-Verfilmung. Von der Zuständigen für die Kostüme (Jacqueline Durran), über den Editor (Paul Tothill) und die Produktionsassistentin (Sarah Greenwood) zu Komponist Dario Marianelli sind die meisten wieder mit dabei – ebenso auch Brenda Blethyn und Star Keira Knightley. Allein mit Seamus McGarvey wurde ein neuer Kameramann engagiert, dem es den ganzen Film über gelingt wunderschöne Bilder einzufangen. Ursprünglich sollte Miss Knightley in die Rolle der älteren Briony schlüpfen, entschied sich dann aber für den reiferen Charakter der Cecilia. Bzgl. des Dreifach-Castings der Figur von Briony darf man Jina Jay ein großes Lob aussprechen, denn Saoirse Ronan und Romola Garai sehen sich nicht nur verblüffend ähnlich, sondern spielen beide auch die übrigen Darsteller an die Wand.
Es ist 1935 und in England herrscht ein heißer Sommertag. Die 13jährige Briony (Saoirse Ronan) hat ihr erstes Theaterstück vollendet und will dieses zum Eintreffen ihres älteren Bruders Leon uraufführen. Doch ihre Cousine Lola und deren Zwillingsbrüder haben bei der Hitze keine Lust im Haus das Stück einzustudieren und so ist Briony auf sich allein gestellt. Am Fenster beobachtet sie ihre ältere Schwester Cecilia (Keira Knightley) und den Angestelltensohn Robbie (James McAvoy) am Brunnen in einer zweideutigen Situation. Später wird Robbie Briony darum beten, Cecilia einen Brief zu überreichen – doch Briony liest den Brief und erschließt die falschen Schlüsse, da Robbie die Briefe verwechselt hat. Als sie dann auch noch die beiden im Liebesspiel überrascht und die Zwillinge verschwinden, nimmt das Drama seinen Lauf. Lola wird das Opfer einer Vergewaltigung und Briony glaubt in Robbie den Täter gefunden zu haben. Die Polizei wird alarmiert und Robbie ins Gefängnis geworfen. Vier Jahre später findet sich Robbie in Frankreich als Soldat wieder, während Cecilia in der Heimat als Krankenschwester arbeitet und mit ihrer Familie gebrochen hat.
Atonement, das ist ganz großes Melodrama in seiner Reinform, opulente Bilder, mitreißende Szenen, tragische Gefühle und konsequente Missverständnisse. Dabei gliedert McEwan seine Geschichte in vier Handlungsstränge, was ihr letzten Endes zum Verhängnis wird. Ist das erste Viertel der Aufbau der Geschichte und für sich genommen einfach nur perfekt, von der Bildsprache über die Musik und die Thematik, verlieren sich die anderen drei Viertel. Ins Stolpern kommt die Geschichte insbesondere durch ihre Auflösung, denn hier offenbar sich, dass sich die Hälfte der Stränge auf Briony vereint und einer auf Robbies Überlebenskampf in Frankreich. Hierbei vergisst McEwan jedoch Cecilia und ihr Schicksal wird erst in einer Rückblende in der Auflösung offenbart. Unverständlich, wieso das dritte Viertel nicht einfach Teil des vierten ist und ein eigenes Viertel für Cecilias Überlebenskampf in London gewidmet wird. Hier stimmt die Gewichtung zwischen den Figuren von Cecilia und Robbie nicht, da dem einen mehr Aufmerksamkeit zukommt, als dem anderen. Auch eine Szene zwischen Briony und einem französischen Soldaten erschien mir im ersten Augenblick unsinnig, ehe ich mich nachträglich im Internet aufgeklärt habe.
Soviel schon zu der Kritik – abgesehen davon, dass die Knightley hier wie ein froschmäuliges Skelett aussieht -, daher widme ich mich nun den hervorstechenden Eindrücken. Wie bereits erwähnt ist die Kameraarbeit von McGarvey großartig und gipfelt in einer einzigen minutenlangen Einstellung am Strand von Dünkirchen. Diese einzelne ungeschnittene Szene ist zwar unnötig und Wright scheint sich damit nur selbst etwas beweisen zu haben wollen (es ist ihm auch gelungen), beeindruckt aber dennoch doch ihre Perfektion. Auch das Spiel mit dem Licht ist besonders gut gelungen. Unterstützt wird das ganze von einer großartigen musikalischen Untermalung, die unentwegt Spannung erzeugt und durch phantastisches Einarbeiten von Schreibmaschinen-Tippen und Feuerzeug-Schnappen geprägt wird. Die Romanvorlage von McEwan scheint hier in der Tat gelungen auf die Leinwand transportiert worden zu sein und es würde überraschen, wenn für das adaptierte Drehbuch, Musik und Kamera keine Nominierungen im Februar herausspringen sollten.
Die Handlung dreht sich um Schuld und Sühne, Buße und Wiedergutmachung. Ihre Schwärmerei und Eifersucht hat Briony einst dazu verleitet einen schlimmen Fehler zu begehen. Einen Fehler, für den nicht nur Cecilia und Robbie, sondern auch sie selbst büßen muss. In ihren Schuldgefühlen bricht sie ihre Studienpläne ab und unterläuft eine Ausbildung zur Krankenschwester, um einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Stets in der Hoffnung unter den verwundeten Soldaten Robbie zu entdecken. Mit ihrer Familie hat sie dabei genauso wenig Kontakt, wie Cecilia, die nichts mehr von ihrer Schwester wissen will. Der verwundete Robbie versucht sich derweil in Frankreich mit zwei Kameraden nach Dünkirchen durchzuschlagen, um mit einem der Schiffe nach Hause und zu Cecilia zu gelangen. In seinen Fieberträumen rekapituliert er immer wieder die Ereignisse, welche sein Schicksal besiegeln sollten. Das Ende scheint dabei die einzige logische Konsequenz zu sein und beeindruckt durch seine realistische Ehrlichkeit. Eine Liebesgeschichte, wie sie klassischer nicht sein könnte – eben deshalb, weil sie hoffnungslos ist. Atonement ist eine sichtbare Steigerung zu Pride & Prejudice und wird, wie gesagt, bei den Nominierungen kaum unberücksichtigt bleiben.
8.5/10
Schöne Worte. Freut mich, dass dir der Film gefallen hat, obwohl ich ja doch meine Einwände hatte. Gleichzeitig bin ich aber auch immer noch unschlüssig, ob ich ATONEMENT nun genial oder doch nur gewollt und nicht gekonnt finden soll, aber ich tendiere im Zweifelsfall eher zu ersterem, deshalb: Thumbs up.
AntwortenLöschen" froschmäuliges Skelett"
AntwortenLöschenalso bitte, ist ja allerhand!
Sonst natürlich vollste Zustimmung.
Ich habe mir gerade im Englisch-Seminar die Lobeshymne meines Fachleiters über Atonement anhören dürfen. Nun komme ich nach Hause, und das erste, was ich im Netz sehe, ist eine sehr positive Kritik von Rudi. Da muss also etwas dran sein - der Film steht bei mir ab sofort auf der Liste...(und das nachdem ich ihn nach all den Verrissen zur Venedig-Eröffnung eigentlich schon abgehakt hatte)...
AntwortenLöschen@Jochen: Irgendwie geb ich Rajko dann schon recht, der Grad ist wohl ziemlich gering, zwischen "genial oder doch nur gewollt und nicht gekonnt" - kann jedenfalls nachvollziehen, wenn jemand Probleme mit dem Film hat. Das erste Viertel ist aber schon fast das Geld wert, das ist überragend! ;)
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