8. Dezember 2007

The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford

Don’t that picture look dusty?

Die USA sind ein Land, das von seinen Helden lebt und solche braucht. Einer dieser Helden ist Jesse James. Und wie so oft vermischen sich Kriminalität und Ruhm zu Heldentum, etwas das Oliver Stone und Quentin Tarantino in Natural Born Killers thematisierten. Man könnte nun darüber streiten, ob – und wenn ja, inwiefern – Jesse James ein Held war. Was sicher ist: Er war ein Dieb und ein Mörder. Aber mit solchen Dingen waren die Leute bereits im so genannten Wilden Westen etwas gnädiger. Schon zu Lebzeiten wurde James in den Jesse James Stories als ein Robin Hood jenes Wilden Westens dargestellt, was erklären mag, wieso bisher bereits 19 Kinofilme über seine Leben und Schaffen produziert wurden.

In die Rolle des Desperados schlüpfte nach Jesse James’ eigenem Sohn, Robert Duvall und Colin Farrell nun Brad Pitt, der außerdem neben Sir Ridley Scott mit seiner Produktionsfirma Plan B als Finanzier fungierte. Für die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Ron Hansen aus dem Jahr 1983 holten die beiden Hollywoodgrößen nach jahrelanger Abstinenz den neuseeländischen Regisseur Andrew Dominik an Bord, der sich sieben Jahre zuvor nur mit Chopper auszeichnen konnte. Für die Rolle des Robert Ford kam dann neben Shia LaBeouf noch Casey Affleck in Frage, der seltsamerweise aufgrund seines Alters den Zuschlag gegenüber LaBeouf erhielt, obschon der näher an den 19 Jahren von Fords Figur war.

Mit einem Budget von 30 Millionen Dollar wollte Dominik einen dunklen Western à la Terence Malick inszenieren, das Studio hingegen wünschte sich etwas mehr Action in Richtung von Clint Eastwood. Mehrere Versionen des Films, darunter eine dreistündige Fassung, wurden von Scott und Pitt begutachtet, ehe man sich für diese 160 Minuten lange Kinoversion entschied. Dabei gelang es dem Film weltweit lediglich 15 Millionen Dollar einzuspielen, davon lediglich 20 Prozent in den USA. Erfolgreicher lief es für die Darsteller Brad Pitt und Casey Affleck, von denen Ersterer bei den Filmfestspielen in Venedig als Bester Hauptdarsteller prämiert wurde und Letzterer als bester Nebendarsteller vom National Board of Review.

Die Handlung beginnt 1879 im Mittleren Westen der USA: Bankräuber Jesse James (Brad Pitt) und sein Bruder Frank (Sam Shepard) planen den Überfall auf einen Zug in Missouri. Hierfür haben sie kleinere Ganoven aus der Umgebung rekrutiert, darunter auch die Brüder Charley (Sam Rockwell) und Bob Ford (Casey Affleck). Doch die Zeiten der James Bande sind vorüber, die meisten Mitglieder inzwischen entweder tot oder im Gefängnis. Während Frank sich auf sein Altenteil zurückzieht, wird Jesse immer paranoider und sieht in jedem seiner ehemaligen Partner eine Gefahr auf sein Wohl und Leben. Die Ford Brüder warten derweil darauf, dass Jesse wieder an sie herantritt und für einen neuen Überfall einplant.

Wichtig ist dies die Aufnahme in die Gang und das damit einhergehende Vertrauen besonders für Bob, der immerhin von Kindesbeinen an ein großer Fan von Jesse ist und alle Geschichten über diesen verschlungen und gesammelt hat. Dies führt dazu, dass er nicht nur von seinem Bruder und dessen Freunden, sondern viel schlimmer noch sogar von Jesse selbst geneckt wird. Bob, der an der fehlenden Aufmerksamkeit und dem mangelnden Respekt leidet, inszeniert daraufhin eine Ergreifung durch die Polizei und lässt sich von dieser als Spitzel engagieren. Als Jesse schließlich ihn und seinen Bruder für einen bevorstehenden Banküberfall zu sich holt, spitzt sich die Lage zu und Bob sieht sich in der Zwickmühle.

Etwas entgegen dem klassischen Western-Film stellt Pitt seinen Helden in manchen Szenen mit dickem Pelzmantel, Melone und Zigarre wie einen Gangster-Rapper des 19. Jahrhunderts da, was er gerne mit wildem Geschrei zu verstärken sucht. Dadurch mag womöglich versucht werden, einen Mann darzustellen, der bereits zu Lebzeit zum Mythos verklärt wurde. Zur Legende unter der Bevölkerung und zum Staatsfeind der Regierung. Ein Terrorist, ein Guerilla. Dies zwingt ihn zu einem Leben der Unscheinbarkeit, immer wieder ziehen er und seine Frau Zee (Mary-Louise Parker) mit den Kindern von Ort zu Ort, natürlich stets unter falschem Namen. Entsprechend weiß nicht einmal sein Sohn, wie sein Vater heißt.

Doch sein Status als US-Staatsfeind führt dazu, dass Jesse unter seinen ehemaligen Partnern ständig Verschwörungen wittert. Dies dürfte der Grund sein, weshalb er sich für Bob und Charley Ford entscheidet, denn auch wenn er ständig selber den jungen Bob nervt, so weiß er doch, dass dieser ein riesiger Fan von ihm ist und scheint von ihm keine unbedingte Gefahr zu verspüren. Doch die Fords tragen eigene Geheimnisse mit sich, die sie bei Jesse in Misskredit bringen könnten, weswegen sie merklich nervös sind, als sie von dem Outlow rekrutiert werden. Dem depressiven Paranoiker entgeht natürlich nicht die Nervosität der Fords, was Dominik in seinem dritten Akt in einem wahren Nervendrama kulminieren lässt.

Bei The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford handelt es sich weniger um einen klassischen Western als um ein Porträt. Und zwar sowohl von Jesse James als auch von Bob Ford. In vielen ruhigen, teils elegischen Einstellungen zeigt Dominik dem Publikum die Einsamkeit und Isolation von James in seinem eigenem Ruhm. Kameramann Roger Deakins präsentiert dabei umwerfende Landschaftsaufnahmen und großartige Licht- und Bildkompositionen. Auch die Musik von Nick Cave und Warren Ellis unterstützt diese Bilder äußert gelungen, wobei hier vor allem das Theme des Filmes herausragt, welches zugleich eine unglaubliche Belanglosigkeit, aber auch ergreifende Melancholie ausdrückt.

Beides zusammen gipfelt in einer der besten Szenen des Jahres, wenn die James Gang des Nachts einen durch den Wald fahrenden Zug zum Überfallen stoppt. Der Film nimmt sich grundsätzlich viel Zeit, nicht nur um seine Charaktere auszuarbeiten, sondern auch um das Psychospiel zwischen James und den Fords auszureizen. Damit gehört The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford zu jener Art von Filmen, auf die man sich bewusst einlassen muss und darf keine spröde Unterhaltung erwarten. Das Ende hätte sicherlich kürzer geraten können und allgemein ist der Film mitunter etwas langatmig, weiß aber dennoch über die gesamte Laufzeit durch seine poetische Schönheit zu fesseln.

8.5/10

4 Kommentare:

  1. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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  2. Ich habe den Film gestern abend geschaut und muß sagen, daß ich mehr als beeindruckt bin. Gerade das langsame Erzähltempo, die Ausführlichkeit in der Dominik seine Figuren beschreibt machen diesen guten Film aus. Ich mag so etwas.

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  3. @tumulder: Allmählich glaube ich du bist Tyler Durden, unheimlich wie unser Filmgeschmack sich deckt, ich glaube das nächste Mal geb ich einem miesen Film einfach mal die Höchstwertung, nur um zu sehen wie du reagierst ;)

    Spaß beiseite, wirklich ein sehr gelungener Film von Dominik, Deakins Bilder sind zum Dahinschmelzen.

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  4. Das würde ich doch sofort durchschauen;)

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