24. März 2015

Die Top 5: Friends

When it hasn’t been your day, your week, your month, or even your year…
I’ll be there for you. (The Rembrandts, “I’ll Be There for You”)


Wenn von den großen Sitcoms der Fernsehgeschichte die Rede ist, geht es um Shows wie Cheers, Seinfeld, aber auch Friends. Die 1994 von David Crane und Martha Kauffman ins Leben gerufene Sitcom sollte das popkulturelle Leben seiner Zuschauer bestimmen. Zur “water-cooler” Show werden, über die man am nächsten Tag im Büro sprach. Martha Kauffmans Rabbi fragte sie damals, ob Rachel und Ross je zusammenkommen würden und Matt LeBlanc wird noch heute auf eine Reunion angesprochen, wie zum Beispiel von den britischen Thronfolgern. Über zehn Jahre und 236 Episoden fanden diese sechs Figuren Einzug in das Herz der Zuschauer – und in das von einander. Denn die Friends wurden auch im echten Leben zu Freunden.

Dabei startete die Serie nicht vom Start weg durch, erst im zweiten Jahr, als Wiederholungen der ersten Staffel ausgestrahlt wurden. Und selbst wenn Friends selten die Quoten von Cheers oder Seinfeld erreichte, gehörte die Show doch stets zu den Top-5-Programmen und erreichte über 20 Millionen Menschen. Über zehn Jahre begleitete sie das Coming of Age ihrer sechs Figuren, die von mit dem (Berufs-)Leben hadernden Twens zu im Leben stehenden Erwachsenen Anfang 30 avancierten. Manche mehr als andere. Außer ihrer Freundschaft stand dabei selten etwas im Mittelpunkt. “What emerged was a wonderful set of characters that loved each other, touched each others lives”, sagt der damalige NBC-Präsident Warren Littlefield.

Egal ob Paläontologe Ross (David Schwimmer) von seiner Frau verlassen wird, weil sie homosexuell ist, Schauspieler Joey (Matt LeBlanc) mal wieder eine Rolle nicht bekam oder die verzogene Rachel (Jennifer Aniston) vor ihrer Hochzeit nach New York flieht, immer war jemand von ihren Freunden für sie da. Versorgte sie Köchin Monica (Courtney Cox) mit Essen, Masseuse Phoebe (Lisa Kudrow) mit einem selbstgeschriebenem Gitarrensong oder der… Transponster Chandler (Matthew Perry) mit einem sarkastischen Kommentar. Über die Jahre begleiteten sie einander bei der Geburt ihrer Kinder, bei ihren Hochzeiten, Ross’ Scheidungen und ihren Umzügen und Berufswechseln. Einander waren sie dabei viel mehr als nur Freunde – sondern eine Familie.

“You put those six people together and there was magic”, sagt Regisseur James Burrows über seine Darsteller. Und so wurden die Friends auch für eine Generation von Zuschauern zu Freunden und einer Art Familie – wenn auch nur einmal in der Woche für 22 Minuten. Entsprechend kam es nicht so sehr darauf an, was genau in einer Folge passierte, sondern dass man sie mit diesen sechs Figuren verbringen konnte. “It always seemed to me that the best episodes were ones with them in a room, at each other (…) because the six of them are what you want to see”, beschreibt es Martha Kauffman korrekt. Auch wiederkehrende Nebenfiguren wie Maggie Wheelers Janice (“Oh…my…God!”) oder Gunther (James Michael Tylor) wuchsen ans Herz.

Über allem schwebte stets die Frage, ob Rachel und Ross zusammenkommen würden, schlicht da die Macher mehr Potential in diesem Konflikt sahen, als wenn beide Figuren in einer gemeinsamen Beziehung wären. Wobei wohl jedem Zuschauer klar war, dass dies letzten Endes der Fall sein würde (schließlich wusste bereits Phoebe: “He’s her lobster”). Der Gegensatz ihrer Beziehung fand sich ab der fünften Staffel dann in der Romanze zwischen Chandler und Monica, deren Beziehungsentwicklung die kommenden drei Jahre bestimmen würde, vom Zusammenzug über ihre Verlobung bis hin zu ihrer Hochzeit – ehe der Fokus in der achten Staffel mehr auf Rachels Schwangerschaft und ihr Liebesleben zwischen Ross und Joey gelegt wurde.

Grundsätzlich war Friends jedoch eine Show über Konstanz. Egal ob es Joeys Naivität war (“I have two words for you: threesome”), Ross’ Hang zu übereilten romantischen Entscheidungen (“Oh my God, you did it already! You married her, didn’t you?”), Phoebes schrullig-kauzige Art, Rachels Unbeholfenheit, Chandlers Flucht in sarkastische Kommentare oder Monicas Kontrollwahn. Als Folge war über zehn Jahre hinweg überdurchschnittliche Unterhaltung gesichert, selbst wenn sich immer wieder verzichtenswerte Clip-Show-Folgen einschlichen. Die Episoden, die herausstachen, verdankten dies oft der betonten Darstellung von Charakteristika der Figuren oder auch dem prägnanten Spiel eines besonders auftrumpfenden Episoden-Gastes.

Wie Jon Lovitz’ Auftritt als hoffnungslose Verabredung von Rachel in The One with the Blind Dates (S9E14) oder dem von Brad Pitt in The One with the Rumor (S8E9) als Rachel-Hasser, der an Thanksgiving bei den Freunden vorbeischaut. Generell waren speziell die Folgen zu Thanksgiving qualitativ eine Nummer für sich, sei es das von der restlichen Gruppe erst geforderte, dann aber vernachlässigte Essen in The One with the Late Thanksgiving (S10E8), die in die Kochvorbereitung eingeschobene Football-Partie, die Ross’ und Monicas Wettkampfstreben im Zentrum hatte in The One with the Football (S3E9) oder der Klassiker, als Rachel in The One Where Ross Got High (S6E9) versehentlich ihr Rezept eines English Trifle misslingt.

In ihrer Summe ist Friends eine Serie, die auch nach einem Jahrzehnt nichts von ihrem Humor und ihrer Qualität eingebüßt hat, deren meiste Folgen unwahrscheinlichen Wiederholungswert haben. Eine Serie, die einen stets zum Lachen brachte und zugleich in wohl dosierten Abständen auch zum Rühren verführte. Und trotz 236 Folgen fiel es nicht schwer, die fünf gelungensten davon zu suchen, selbst wenn der Abstand zu den nächsten fünf Episoden nicht allzu groß ist. YouTube sei Dank kann sich jeder ob der beschriebenen Szenen mittels Titeleingabe selbst ein Bild machen, wieso die Wahl für mich auf diese Folgen fiel. Ansonsten bleibt mir im Zusammenhang mit Friends nur zu sagen: I’ll be there for you, ’cuz you’re there for me too.


5. The One with Joey’s Fridge (Season 6, Episode 19, Ben Weiss): Weder Ross’ Sorge, dass seine College-Freundin Elizabeth (Alexandra Holden) sich beim Spring Break verlustiert, noch das Konkurrenzgebaren zwischen Phoebe und Monica & Chandler über einen Date-Kandidaten für Rachel zeichnen diese Folge aus, sondern Joeys unermüdliches und vergebliches Bestreben, nacheinander von jedem seiner Freunde – außer Monica – eine finanzielle Beteiligung für einen neuen Kühlschrank zu fordern. Zum Beispiel von Chandler: “Suppose we were a divorced couple and I got custody of the kid, right? Now suppose the kid dies and I gotta buy a new kid… give me $400!”

4. The One Where Everybody Finds Out (Season 5, Episode 14, Michael Lembeck): Während Ross der Nachmieter von Ugly Naked Guy werden will, erfährt Phoebe von Monica und Chandlers Beziehung. Was sie und Rachel dazu nutzen, um beide in Verlegenheit zu bringen. Sehr zum Missfallen von Joey, der all die Geheimniskrämerei satt hat und dennoch von beiden Parteien involviert wird. Bis das Spiel, in dem Phoebe Chandler Avancen macht, ausartet (“They don’t know that we know they know we know”). Am Ende steht eine berührende Liebesgeste von Chandler an Monica – und Ross kriegt zwar eine neue Wohnung, verliert aber endgültig seinen alten Job.

3. The One Where No One’s Ready (Season 3, Episode 2, Gail Mancuso): Um Kosten zu sparen, begannen Crane und Kauffman damit, Bottle Episodes zu produzieren, in denen die sechs Freunde die gesamte Folge über in einem Raum verhaftet bleiben. Meisterhaft veranschaulicht in diesem ersten Vertreter, wenn Ross alle seine Freunde in Echtzeit für eine Veranstaltung in ihre Kleider kriegen will. Während Monica durch eine alte Nachricht von Richard auf ihrem AB durcheinander gerät und Rachel nach einer Anfuhr von Ross zu schmollen beginnt, fechten Joey und Chandler eine Privatfehde aus, die – wie so oft – eskaliert. Oder: “Could I BE wearing any more clothes?”

2. The One with the Embryos (Season 4, Episode 12, Kevin S. Bright): Gilt gemeinhin als der Höhepunkt der Seriengeschichte, was zuvorderst an dem wohl besten Sketch der Show liegt. Eine harmlose Wette zwischen Joey, Chandler, Monica und Rachel schaukelt sich zu einem von Ross organisierten Identitätsquiz hoch, in dessen Verlauf das Apartment der Mädchen auf dem Spiel steht. Unterdessen wird Phoebe mit Embryos befruchtet, um für ihren Bruder und seine Frau als Leihmutter zu fungieren. Was zwar berührt, aber hinter dem brillant-komischen Spiel des Ensembles beim Quiz zurücksteht. Highlight ist fraglos Chandlers angeblicher Job: “He’s a… transponster!”

1. The One with the Jellyfish (Season 4, Episode 1, Shelley Jensen): Den Spitzenplatz nimmt jedoch – wenn auch nur hauchdünn – der Auftakt zur vierten Staffel ein, als Ross und Rachel wieder zusammengekommen. Nur um sich am Ende erneut zu trennen, weil Ross die Schuld am Scheitern ihrer ersten Beziehung auf sich nehmen soll. Phoebe lernt derweil ihre biologische Mutter kennen, Höhepunkt ist jedoch das Strandtrauma, das Chandler, Joey und Monica ereilt, als Letztere von einer Qualle gestochen wird. “If I had to, I’d pee on anyone of you!”, versichert Joey seinen Freunden, doch Chandler ist es, der zur Schmerzbehandlung von Monicas Fuß auf diesen uriniert.

18. März 2015

Foxcatcher

Do you have a problem with me?
 
Die besten Geschichten, heißt es so schön, schreibt immer noch das Leben. Das wurde nicht zuletzt dieses Jahr bei den Oscar-Nominierten für den Besten Film deutlich. Da tummelten sich Storys um Alan Turing (The Imitation Game) über Chris Kyle (American Sniper) bis hin zu Martin Luther King Jr. (Selma) und Stephen Hawking (The Theory of Everything). Selbst Richard Linklaters Boyhood wurde im Laufe seiner zwölfjährigen Entstehung von seinem Hauptdarsteller beeinflusst, erzählt somit auch Teile von seiner Biografie. Nicht unter den Nominierten war Foxcatcher, der ebenfalls auf dem Leben und Erlebten von wahren Figuren basierte. Sich hier aber wie alle Filmbiografien auch reichlich Freiheit in der kreativen Darstellung nahm.

Erzählt wird die Geschichte von Ringer Mark Schultz (Channing Tatum), der 1984 bei den Olympischen Spielen in Los Angeles die Goldmedaille gewann. “This is more than just a piece of metal. It’s about what the medal represents”, erklärt Schultz zu Beginn zwei Jahre nach seinem Olympiasieg einer Schulklasse für einen Vortragslohn von $20. Es wird klar: mit der Karriere hakt es zur Zeit. Begehrt ist nur Marks älterer Bruder Dave (Mark Ruffalo), ebenfalls Olympiasieger und von den beiden der talentiertere. Nichtsdestotrotz erhält Mark die Anfrage von Multimillionär John E. du Pont (Steve Carell), dessen privates Ringer-Team Foxcatcher zu trainieren, damit es für die USA zwei Jahre später bei Olympia 1988 in Seoul antreten kann.

Im Kern dreht sich Foxcatcher wiederum um zwei Männer, die aus dem auf sie geworfenen Schatten heraustreten wollen. “You have been living in your brother’s shadow your entire life”, konstatiert du Pont in einer Szene korrekterweise gegenüber Mark. Zugleich lebt aber auch der Millionär selbst, trotz seiner Philanthropie, im Schatten seiner Mutter (Vanessa Redgrave) und seiner Familie. Seine Unterstützung des Ringer-Sports ist für ihn ein Weg, auf sich aufmerksam zu machen. “I’m giving America hope”, ist du Pont überzeugt. Und will deshalb die Goldmedaille wieder nach Hause holen – mit der Hilfe von Mark und Dave Schultz. Letzterer will jedoch nicht auf die Foxcatcher-Farm ziehen, der Familie zuliebe. So bleibt Mark also allein.

In dieser von beiden Männern gelebten Einsamkeit finden sie schließlich einander. Mark rutscht allerdings bald in ein Abhängigkeitsverhältnis und in Drogensucht, als Folge dessen beteiligt sich Dave dann doch irgendwann bei Foxcatcher. Nur was genau zwischen du Pont und Mark vorfiel und was alle drei Figuren antreibt, vermag Regisseur Bennett Miller nie wirklich hervorzuheben. Entzweite die Drogensucht von Mark ihn und seinen Gönner? Und wie bewog dieser am Ende doch Dave dazu, für ihn zu trainieren, nachdem der Ältere zuvor mehrmals ablehnte? Die Kluft zwischen Mark und du Pont ist jedenfalls derart groß geworden, dass das gemeinsame Projekt vor dem Scheitern steht. Und damit auch die Existenzen beider Männer.

Dem Film fehlt folglich ein Zugang zu seinen Figuren und ihren Motivationen, zudem eine rechte Struktur. Schließlich kulminiert Foxcatcher in einem Ereignis aus der biografischen Realität, versäumt es jedoch, auf dieses wirklich hinzuarbeiten. Eher schludrig schneidet Miller am Ende einige Bilder aneinander, die wohl Resultat der vorherigen zwei Stunden sein sollen, es aber in der Realität nur bedingt so waren. Die Frage stellt sich, was Foxcatcher uns eigentlich erzählen will: von einem bestimmten Ereignis, und wie dieses zustande kam, oder von den Figuren, deren Weg letztendlich zu diesem Ereignis führte? Keiner dieser Herangehensweisen wird der Film dabei vollends gerecht. Was bedauerlich ist, angesichts des Themas.

Zuvorderst lebt der Film neben seiner soliden technischen Inszenierung von dem Spiel seiner Darsteller. Wieso Carell dabei als Bester Hauptdarsteller nominiert wurde, bleibt offen, steht seine Figur doch hinter Mark – oder über Strecken auch Dave – Schultz zurück. Tatums Leistung ist es auch, die am ehesten im Gedächtnis bleibt, während Ruffalo gewohnt überzeugt, Carell wiederum du Pont nicht wirklich zu fassen kriegt und mit lebloser Mimik durch die Szenerie wandelt. Am Ende ist der Zuschauer so alleingelassen, wie es Mark Schultz und John du Pont die meiste Zeit des Films über waren. Als Charakterstudie versagt Foxcatcher somit genauso wie als Biografie-Drama. Und dabei schreibt das Leben doch immer die besten Geschichten.

5.5/10

12. März 2015

Beyond the Lights

They say I’m a masterpiece.

Schon Britney Spears sang “there’s only two types of people in the world: The ones that entertain, and the ones that observe.” Eine Erfahrung, die auch das Pop-Sternchen Noni (Gugu Mbatha-Raw) in Gina Prince-Bythewoods Romantik-Drama Beyond the Lights macht. Frisch prämiert mit einem Billboard Music Award hadert die junge Sängerin mit ihrer Karriere, die ihre Mutter und Managerin Macy (Minnie Driver) seit Jahren durchgeplant hat. Gerade rechtzeitig kann sie Polizist Kaz Nicol (Nate Parker) vor einem Sprung vom Balkon abhalten. Der junge Mann sieht hinter die gekünstelte Fassade der Musikerin und zwischen beiden entwickeln sich Gefühle. Was weitreichende Konsequenzen auf das Berufsleben beider haben könnte.

Im vergangenen Jahr galt Beyond the Lights unter US-Filmkritikern als eine Art kleiner Geheimfavorit, der sich auf die ein oder andere Bestenliste am Jahresende schlich. Das Motto: Der Schein trügt. Und in der Tat werden Inhaltsbeschreibung und Trailer dem Film nicht vollends gerecht. Ohne das zugleich nicht etwas an den evozierten Bildern dran wäre. Prince-Bythewood würzt hier etwas Moderne mit Bodyguard, dabei muss ihr Film nicht zwingend als Kommentar auf Lady Gaga, Katy Perry, Rita Ora, Rihanna, Nicki Minaj und Co. gelesen werden. Vielleicht eher auf einen Künstler wie Michael Jackson. Früh kristallisiert sich Nonis Gesangstalent heraus. Für Macy vielleicht der einzige Ausweg aus ihrem ärmlichen Leben in Brixton.

Zu Beginn sehen wir beide an einem Talentwettbewerb teilnehmen, für eine junge Noni ist es ihr erster. Umso mehr freut sie sich über den zweiten Platz – im Gegensatz zu ihrer Mutter. “You wanna be a runner up or you wanna be a winner?”, gibt die alleinerziehende Mutter fortan die Richtung vor. Wenn wir anschließend dann Noni, die eingangs noch a ccapella Nina Simones Blackbird sang, in einem Synthpop-Video mit ihrem Rap-Partner Kid Culprit (Machine Gun Kelly) sehen, zeigt dies den Weg, den beide Frauen hinter sich haben. Noni ist inzwischen ein Produkt, ein Kunstprojekt, mit glatten, gefärbten Haaren und Extensions, lasziv-erotisch die Kamera verführend. Für den Mensch dahinter scheint kein Platz, existent ist dieser aber dennoch.

“I see you”, macht ihr Kaz wiederum wiederholt klar. Er sieht nicht das Pop-Sternchen, sondern den Mensch dahinter. Das kleine Mädchen, das einst durch Nina Simone zur Musik fand. Für Macy und Nonis Label ist Kaz’ Anwesenheit ein Dorn im Auge, gilt es doch, ihr Debütalbum zu vermarkten. Aber auch der Karriere des jungen Polizisten, dessen Vater (Danny Glover) ihn in die Politik drängt, ist die Romanze mit der Prominenten nicht zuträglich – so denkt zumindest sein Umfeld. Beide, Noni und Kaz, leben folglich ein Leben, das ihre Eltern für sie geplant haben, damit es die Kinder leichter haben als ihre Erzeuger. “You just go get your own life”, macht Kaz seinem Vater später klar. “So you don’t have to worry so much about mine.”

Er ist damit schon etwas weiter als Noni, wurde von seinem Vater aber vermutlich auch mehr mit Liebe und Wärme versehen. Generell erzählt Beyond the Lights aber auch nicht seine, sondern Nonis Geschichte. Und von ihrer Selbstfindung. Gegen Ende wird Noni dies in einem kurzen Fernsehinterview nochmals geschickt zusammenfassen, nachdem die Figur schließlich ihr Coming of Age erreicht hat. Gugu Mbatha-Raw schultert diese Rolle zwischen verängstigtem Mädchen und stylisiertem Vamp durchweg gelungen, auch Minnie Driver überzeugt als wandelndes und mit Make-up bemaltes Skelett auf dem Karrieretrip. Die Musik – unter anderem von Nicki Minaj und Rita Ora – passt sich dabei dem Genre seiner Hauptfigur an.

Entsprechend wirkt Beyond the Lights auch weniger wie ein Indie- oder Mumblecore-Film, ohne deswegen gleich Hollywood zu sein. Von seiner Handlung und Prämisse sollte man sich nicht abschrecken lassen, der Film unterhält sehr gut. Auch, weil beide Hauptfiguren sympathisch sind und eine Chemie erkennen lassen. Ihre Zuneigung ist glaubhaft und nachvollziehbar, wenn Gina Prince-Bythewood beispielsweise in einer kurzen Einstellung zeigt, welche Bedeutung ein kurzer Händedruck haben kann. “No one cares what I have to say”, klagt Noni im Mittelteil als sich Kaz über die von Dritten gestifteten Lyrics ihrer Songs amüsiert. Dabei wird gegen Ende klar, dass eben das Nonis Fans zu schätzen lernen. Dass sie kein Fließbandprodukt ist.

7.5/10

6. März 2015

Parks and Recreation – Season 7

Get on with it. I can’t hold this smile forever. I look ridiculous.

Es ist eher die Ausnahme von der Regel, dass eine Serie mit den Jahren an Qualität zulegt. Und sich damit quasi auf dem Höhepunkt ihres Schaffens verabschiedet. Zuletzt war dies Vince Gilligans Breaking Bad gelungen, eine Dramaserie, die speziell in ihren letzten drei Jahren einen qualitativen Sprung machte. Ähnliches vollbrachte auch Michael Schur mit Parks and Recreation, einer Show, die vor sieben Jahren von Greg Daniels als Variation seiner Show The Office ins Leben gerufen wurde. Und die Ende Februar nach sieben Staffeln ihr Ende fand – nachdem sie in 13 Folgen nochmals ein kleines Feuerwerk abbrannte. Was den Abschied der wohl besten TV-Serie des Jahres für Fans und Kritiker nur noch schmerzlicher machen dürfte.

Dabei traf Schurs Sitcom ein in den USA nicht unübliches Schicksal: der jährliche Quoten-Kampf für eine Staffelverlängerung. So lobend die Kritiken – speziell ab der dritten Staffel – für Parks and Recreation ausfielen, so fielen auch mit jedem Jahr die Zuschauerzahlen. Schauten in der ersten Staffel noch bis zu sechs Millionen Menschen rein, waren es in den letzten beiden Jahren nur noch um die vier Millionen. Die finale siebte – und ironischerweise zugleich beste – Staffel dagegen fiel zuletzt sogar unter drei Millionen Zuschauer. Umso erstaunlicher ist es dann, dass es die Serie dennoch auf 125 Episoden brachte, die zwar nicht immer alle ins Schwarze trafen, aber wenn sie es denn taten, in der US-Fernsehlandschaft ihresgleichen suchten.

Allerdings fand Parks and Recreation nicht sofort ihren Rhythmus, sondern musste sich erst finden. Das erste Jahr mit seinen sechs Episoden war (zu) nah am Vorbild The Office orientiert – vermochte aber dennoch Akzente zu setzen. Das zweite Jahr scheiterte wiederum an seiner plötzlich vierfachen Episodenzahl, was generell viel zu viel ist, um ausreichend Handlung und Witz verteilen zu können. Mit einer reduzierten Staffel und den Ensemble-Ergänzungen von Rob Lowe und Adam Scott schaffte die Show im dritten Jahr dann den Schritt in die richtige Richtung. So konnte in den folgenden drei Jahren trotz wieder erhöhter Folgenanzahl die Qualität gehalten werden. Um nun mit 13 Episoden glorreich in den Sonnenuntergang zu reiten.

Welchen Weg die Show hinter sich hat, zeigt sich auch in meiner persönlichen Rezeption. Noch in der zweiten Staffel beschrieb ich Andy (Chris Pratt) aufgrund seiner infantilen Art und Naivität als „nervtötend“, ähnlich charakterisierte ich in der dritten Staffel die sich damals vertiefende Beziehung zwischen ihm und April (Aubrey Plaza). Heute will ich Andy nicht mehr missen, der gemeinsam mit Nick Offermans misanthropischem Ron Swanson das wöchentliche Highlight in Pawnee, Indiana war. Gleichzeitig spricht dies jedoch auch für die Klasse der Serie, Figuren wie Andy, April oder Tom (Aziz Ansari) einem ans Herz wachsen zu lassen, genauso wie es mögliche Wiederholungssichtungen der ersten Jahre zum Anreiz macht.

Man mag es NBC nicht vorwerfen, dass sie Parks and Recreation in ihrem letzten Jahr im Midseason Replacement Spot in Doppelfolgen „verheizten“. Die Tatsache, dass 13 Folgen Zeit sind, um sich zu verabschieden, spielte der Show dabei in die Karten. Wirkliche Handlungsstränge gibt es höchstens zu Beginn, wenn die inzwischen in der Zukunft spielende Serie eine Animosität zwischen Leslie (Amy Poehler) und Ron anteasert. Die Figuren haben sich weiterentwickelt, so wie auch die Zukunft. In Gryzzl gibt es zwar eingangs eine Art von Antagonist, der jedoch bald zu den Akten gelegt wird. Stattdessen werden die einzelnen Charaktere auf ihren Weg gebracht, wie im Falle von Bens (Adam Scott) Kandidatur als Kongressabgeordneter.

Auch Figuren wie April und Donna (Retta) bekommen eine neue berufliche Herausforderung, aber allen voran Momente, in denen sich das Publikum von ihnen verabschieden kann. Genauso wie von zahlreichen Nebenfiguren, egal ob sie Jamm, Tammy Two, Ron Dunn, Jean-Ralphio oder Perd Hapley heißen. Dass sich Parks and Recreation die Zeit für alle seine Figuren nehmen kann, gereicht der siebten Staffel zum Vorteil. Speziell die ersten vier Folgen legen die Messlatte mit Episoden wie Ron & Jammy und Leslie & Ron hoch. Im Falle von Letzterer darf Nick Offermans Figur ausnahmsweise ihre verletzlichere Seite zeigen – und obendrein den eingangs so befremdlich wie amüsant wirkenden Konflikt zwischen den beiden Figuren schnell wieder begraben.

Wie sich in einer Abschlussstaffel erwarten lässt, finden sich mehrere Momente für emotionale Einschübe. So auch in The Johnny Karate Super Awesome Musical Explosion Show, die als Abgesang für Andy und zugleich als Zeugnis für seine Liebe und Hingabe zu April gesehen werden kann. Dass Aziz Ansari zeitweise drei Folgen aussetzt, kann man hierbei ebenfalls verschmerzen. Da passt es wiederum, dass das Serienfinale One Last Ride sich voll und ganz seinen Figuren widmet, indem es den Zuschauern für alle von ihnen einen Blick in die Zukunft gewährt. Das Six Feet Under-Ende in lustig quasi, wenn Jean-Ralphio seinen eigenen Tod vortäuscht oder Leslie und Ben sich zum nächsten Schritt in ihrer Karriere entscheiden müssen.

Insofern ist das Finale eines zum Abschiednehmen gewesen, was es sicherlich zurecht zur besten Folge einer jedoch grundsätzlich starken Staffel macht. Etwas schade ist, dass wir vom Familienleben der Wyatt-Knopes kaum etwas mitbekommen, obschon hin und wieder eines der drei Kinder im Hintergrund vorbeirennt. Zumindest einen Subplot in einer der Folgen hätten Schur und Co. jedoch hierfür opfern können. Genauso wie auch Rons Familie ausgespart wird und Chris und Ann praktisch durchweg nichtexistent sind (also nicht einmal erwähnt werden). All das lässt sich jedoch im siebten Jahr Parks and Recreation verschmerzen, da die Serie nicht mit einem Wimmern zu Ende geht, sondern mit einem Knall. Und so muss es schließlich sein.

8/10

1. März 2015

Filmtagebuch: Februar 2015

BATMAN: ASSAULT ON ARKHAM
(USA 2014, Jay Oliva/Ethan Spaulding)
5.5/10

BEYOND THE LIGHTS
(USA 2014, Gina Prince-Bythewood)
7/10

BIRDMAN
(USA/CDN 2014, Alejandro González Iñárritu)
6/10

FRIENDS – SEASON 9
(USA 2002/2003, Gary Halvorson u.a.)
7.5/10

FRIENDS – SEASON 10
(USA 2003/2004, Gary Halvorson u.a.)
7.5/10

GREEN LANTERN [EXTENDED CUT]
(USA 2011, Martin Campbell)

6/10

HAYWIRE
(USA/IRL 2014, Steven Soderbergh)
4/10

HONEY, I SHRUNK THE KIDS
[LIEBLING, ICH HAB DIE KINDER GESCHRUMPFT]
(USA 1989, Joe Johnston)

6.5/10

I LOVE YOU, MAN [TRAUZEUGE GESUCHT!]
(USA 2009, John Hamburg)

6.5/10

JOHN WICK
(USA/CDN/CN 2014, Chad Stahelski)
7/10

TO KILL A MOCKINGBIRD [WER DIE NACHTIGALL STÖRT]
(USA 1962, Robert Mulligan)

9/10

LAST DAYS IN VIETNAM
(USA 2014, Rory Kennedy)
6/10

LEVIAFAN [LEVIATHAN]
(RUS 2014, Andrey Zvyagintsev)

7/10

THE LOSERS
(USA 2010, Sylvain White)
6.5/10

MAGIC MIKE
(USA 2012, Steven Soderbergh)
5.5/10

THE OVERNIGHTERS
(USA 2014, Jesse Moss)
4/10

PARKS AND RECREATION – SEASON 7
(USA 2015, Dean Holland u.a.)
8/10

PERSON OF INTEREST – SEASON 1
(USA 2011/12, Richard J. Lewis u.a.)
7/10

SEN TO CHIHIRO NO KAMIKAKUSHI [CHIHIROS REISE INS ZAUBERLAND]
(J 2001, Miyazaki Hayao)

8.5/10

TRADING PLACES [DIE GLÜCKSRITTER]
(USA 1983, John Landis)

7/10

WHIPLASH
(USA 2014, Damien Chazelle)
2.5/10