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18. Juni 2009

The Truman Show

How’s it going to end?

Wir leben in einer perversen Welt. Einer Welt, in der ein Fußballspieler für eine Summe verscherbelt wird, die sich im Grunde bereits in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt einer Republik wie Kiribati setzen lässt. Und in der Reality-Shows mit Paris Hilton und Sarah Connor den Markt füllen. Da ist es nur schwacher Trost, dass unsere Gesellschaft noch nicht ganz das Niveau von The Truman Show erreicht hat. Ungerechtfertigter Weise war Peter Weirs satirisches Meisterwerk seiner Zeit bei den Oscars außen vorgestanden. Der brillante Hauptdarsteller Jim Carrey war erst gar nicht berücksichtigt worden. Bei einer Konkurrenz wie Shakespeare in Love und Roberto Benigni im Grunde ein Schlag ins Gesicht. Vielleicht wirkte das von Andrew Niccol beschworene Szenario Ende der Neunziger einfach noch zu phantastisch, als dass man Niccols vorausschauendes Genie entsprechend würdigen konnte. Und genial ist an The Truman Show viel, womöglich alles.

An einem Tag wie jedem anderen macht sich Truman Burbank (Jim Carrey) auf zur Arbeit, als plötzlich eine Beleuchtung vom Himmel fällt. Ein verdutzter Truman denkt sich nicht viel dabei und schon im Wagen werden im Radio die Geschehnisse plausibel erklärt. Kurz noch an den Kiosk, wo die Zeitung tituliert, dass Seahaven der Wohnsitz Nummer Eins der USA sei und eine Modezeitschrift für die Frau gekauft. Eine kurze Begegnung mit den Zwillingen Ron und Don neben einer Werbereklame bringt Truman dann ins Büro. Hier gibt er sich seinen eigenen Träumen hin. Es sind noch 41 Tage bis zu seinem 30. Geburtstag, doch Truman hat Seahaven noch nie verlassen. Der Wunsch nach Fiji zu fliegen wird sowohl von Gattin Meryl (Laura Linney) als auch vom besten Freund Marlon (Noah Emmerich) abgetan. Wieso irgendwo anders leben, wo man es in Seahaven doch so schön hat? Aber nichts ist mehr wie es war für Truman. Spätestens dann nicht, als er seinen für tot geglaubten Vater mitten auf der Straße wiedersieht. Als dieser kurz darauf abgeführt wird, häufen sich für Truman die Verdachtsmomente.

Die Brillanz des hier Gezeigten verdankt sich dem beißend satirischen Unterton, den Regisseur Peter Weir nachträglich von Niccol in dessen Skript, das zuerst als Thriller konzipiert war, einbettete. Das Konzept der Truman Show ist derart gelungen, dass sich Fernsehproduzenten wie Rupert Mordoch oder Aaron Spelling wohl in den Arsch gebissen haben, etwas derartiges noch nicht umgesetzt zu haben. Denn seit beinahe 30 Jahren läuft sie nun, die Truman Show, und das 24 Stunden täglich. “We found many viewers leave him on all night for comfort”, gesteht Christof (Ed Harris), der Regisseur und Schöpfer der Show. Christof stellt gleich zwei Anspielungen dar: einerseits ist er der Schöpfer jener Welt, die Truman nicht anders kennt, und nimmt quasi eine Gott-ähnliche Stellung ein. Dies wird besonders deutlich, als er sich kurz vor Trumans Freiheit per Mikrofon zuschalten lässt und seiner „Schöpfung“ mit den Worten begegnet: “I am the creator“. Andererseits kann Christof auch als Anspielung auf den Künstler Christo angesehen werden, als Verhüller der Wahrheit oder eines ganzen Lebens.

Ohnehin lässt sich The Truman Show exzellent als Beispiel für die Genesis lesen. “The world, the place you live in, is the sick place”, rechtfertigt sich Christof gegenüber Sylvia (Natasha McElhone), einer Gastdarstellerin der Show und Trumans große Liebe. Und in der Tat lebt Truman in einer Art Utopia, einer Welt ohne Gewalt, Kriminalität und Armut. Somit ein Hort des Friedens und für sich genommen ein Garten Eden. Es ist Trumans finale Erkenntnis, die ihm den Verbleib in Eden verwehrt und ihn in die Realität wechseln lässt. Somit stellt Weirs Film ein Exempel für den menschlichen freien Willens dar. War Truman krank, kümmerte sich der Schöpfer um ihn. Drohte Gefahr, wie als Truman unachtsam vor einen Bus läuft, kann Christof einschreiten und seine behütende Hand ausstrecken. Es ist also Trumans (unbewusstes) Opfern seiner Freiheit, die ihm den Schutz seines Schöpfers beschert. Zugleich ist Weirs Film aber auch ein Aufwerfen existentialistischer Fragen nach der Grenze der Realität, wie sie Ende der neunziger Jahre zahlreich (The Matrix, The 13th Floor, Dark City) aufgeworfen wurden.

“We accept the reality of the world with which we are presented”, erklärt Christof die Verblendung von Truman. Und wie fasste es Jim Jarmusch nicht zuletzt in The Limits of Control zusammen: “Sometimes the reflection is far more present than the thing being reflected.” So wie seine Leidensgenossen Douglas Hall in The 13th Floor und John Murdoch in Dark City muss Truman seine Fassade buchstäblich bröckeln sehen. Perfekt dabei Carreys Mimik, als er die Studiokulisse rammt und das Ausmaß seines Käfigs begreift. Dass Menschen über The Real World und Big Brother ihre Privatsphäre freiwillig opfern, ist dabei gegenwärtig nur der Auftakt. Schließlich hadern jene Projekte an dem Selbstinszenierungsdrang der Protagonisten. “You were real. That's what made you so good to watch”, nennt Christof seiner Schöpfung den Grund für den Erfolg. Insofern stellt The Truman Show nur den nächsten großen Schritt dar, den die Unterhaltungsbranche auf ihrer Quotenjagd bewältigen muss. Ein ähnliches Bild beschwörten einige Jahre später auch Matt Stone und Trey Parker in ihrer South Park-Folge Cancelled, welche die Erde als Reality-Show von Aliens für Aliens repräsentiert.

Zum Schreien sind bereits die Vermarktungsansätze, die sich in den gegenwärtigen Medien finden. Allen voran das Product Placement, das gerade von Meryl-Darstellerin Hannah Gill (Laury Linney) propagiert wird. Ähnliches findet sich heute in jedem gewöhnlichen Blockbuster, von Casino Royale bis hin zu The Day the Earth Stood Still. Immer wird der Moment genutzt, um ein Produkt n die Kamera zu halten und seine Vorzüge zu loben. So hat es die Truman Show geschafft, sich allein durch Product Placement zu vermarkten. Von dem Sog, den das Progamm auf die Weltbevölkerung zu haben scheint – Weir beschränkt sich auf wenige Beispiele – ganz zu schweigen. Daher kann The Truman Show auf drei Ebenen betrachtet werden, sei es ein satirisches Zerrbild von Medienethik oder die biblischen oder existentialistischen Ansätze. Zu verdanken ist dies Andrew Niccols pointierten Drehbuch. Phänomenal allein die Versuche, Truman von seinen Fluchtgedanken abzubringen. Wo sonst findet man ein Reisebüro, dass vor Terroristen auf Flügen warnt (ganze drei Jahre vor 9/11) oder einen Blitzeinschlag mit den Worten propagiert: “It could happen to you!“

Jedoch bedauert man, dass Niccol stets nur an der Oberfläche der Dinge bleibt. Schade, dass Trumans Umwelt nie wirklich thematisiert wird. Schließlich arbeiten seine Mutter (Holland Taylor) und auch sein bester Freund Marlon bereits über 20 Jahre mit ihm zusammen. Gerade bei Letzterem wäre ein tieferer Fokus interessant gewesen, besonders wenn man eine geschnittene Szene betrachtet, denn zwischen Marlon-Darsteller Louis, der seit er sieben Jahre alt ist in der Show spielt, und Hannah besteht zumindest in Weirs Film soviel Unterschied nicht. Welche emotionalen Bindungen da zwischen den Schauspielern und Truman entstanden sein müssen, will uns Niccol nicht verraten. Genauso bleibt die juristische Besonderheit, dass ein Unternehmen ein Kind adoptieren kann (und anschließend mit diesem umspringen kann, wie es beliebt), unerklärt und im Nachhinein nur Mittel zum Zweck. Allerdings hätte wohl ein näherer Einblick nicht nur die Laufzeit gesprengt, sondern auch die grundsätzliche Stringenz und Harmonie des thematischen Hauptfadens unterbrochen.

Rückblickend ist es ein meisterlicher Schachzug, die ernste und grundsätzlich tragische Rolle des Truman an Jim Carrey zu geben. Der kommt zwar nicht umhin, gelegentlich in sein übliches Muster zu verfallen, doch ist es Carrey, der dem Film letztlich seinen Stempel aufdrückt. Sowohl Linney als auch Emmerich wissen ihre Nebenparts überzeugend auszufüllen, in kleinen Rollen lassen sich hier bereits Peter Krause und Paul Giamatti bewundern. Für Ed Harris, der erst fünf Tage vor Christofs erster Szene zur Besetzung stieß, sollte sich sein gefälliges Spiel mit einem Golden Globe und einer Oscarnominierung auszahlen. Nicht minder beeindruckend geraten die großartige Kameraarbeit von Peter Biziou sowie die musikalische Untermalung von Burkhard von Dallwitz (allein „Truman Sleeps“ ist wahrlich ein Traum). Trotz einiger weniger zufriedenstellender Dinge ist The Truman Show dennoch ein Meisterwerk seines Genres. Sowohl Satire als auch Drama, zugleich unterhaltsames Medium und Kritik an Unterhaltungsmedien. Ein Film, der noch einige Jahre trotz seines Alters aktuell sein wird.

10/10

21. April 2008

The Savages

What the hell kinda of hotel is this?

Vor zehn Jahren kam eine kleine Dramödie heraus, über eine jüdische Familie die ein Nischenleben in Beverly Hills führte, erzählt aus der Sicht einer frühreifen und physisch proper ausgestatteten Natasha Lyonne. Von den Kritikern gelobt erhielt Autorin und Regisseurin Tamara Jenkins viele Nominierungen verschiedener Independentpreise, ihr Film Slums of Beverly Hills beeindruckte durch seine oberflächliche ernste Dramatik und seinen sich darunter versteckenden Witz. Seitdem hatte Jenkins allerdings keinen Film mehr herausgebracht, bis dieser Tage nun ihr zweiter Spielfilm The Savages erscheint, der wenig verwunderlich, dieselben Attribute verdient wie sein Quasi-Vorgänger. Produziert wurde das ganze von Spezialisten für subtil-witzige Dramen, nämlich Anne Carey und Ted Hope, für Filme wie Thumbsucker aber auch die John Irving-Adaption The Door in the Floor verantwortlich. Als ausführende Produzenten sind zudem Jenkins Ehemann und Oscarpreisträger Jim Taylor an Bord, sowie dessen kongenialer Partner Alexander Payne. Die Basis für ihren neuen Film zog sie dabei aus persönlichen Erfahrungen mit ihrer eigenen Verwandtschaft, sowie auch der Verwandtschaft von Bekannten. Ihre Thematisierung ist dabei durchaus pikant, wird das Thema Pflegeheim oder Demenz nicht oft in Hollywood als Grundlage für einen Film gewählt, sodass die doppelte Vertretung bei den diesjährigen Academy Awards mit The Savages und Away From Her die Ausnahme darstellt.

Schwere Kindheiten sind bedauerlicherweise nichts ungewöhnliches, vor allem in Amerika stellen diese oftmals in Geschichte die Basis für problembelastete Charaktere dar, die von ihren Erzählern zum Protagonisten aufgebauscht werden. Dies zieht meist ein zerrüttetes Familienverhältnis nach sich, welches auch die Beziehung von Geschwistern zueinander belastet, die durch die gegenseitige Anwesenheit nur an die schlimme Vergangenheit erinnert werden. Solche Geschwister sind die Protagonisten in Jenkins Geschichte, zwei problembelastete Charaktere, unglücklich mit ihrem Leben allgemein und im speziellen. Die Teilzeit arbeitende Wendy Savage (Laura Linney), die mehrfach bei renommierten Institutionen um ein Stipendium gebeten hat, damit sie ihren subversiven, semi-autobiographischen Stoff als Theaterstück inszenieren kann. Doch Weny scheitert, ein ums andere Mal und das hat sie mit ihrem Bruder, dem Philosophiedozenten Jon Savage (Philip Seymour Hoffman) gemeinsam, der ebenfalls mehrfach von besagten Institutionen abgelehnt worden ist. Jon selbst schlägt sich gerade mit einem Sachbuch zu Berthold Brecht herum, tritt auf der Stelle und kommt nicht so recht vorwärts, da er auch psychisch vorbelastet ist und seine polnische Freundin nach dreijähriger Liaison ihr Visum aufgeben und zurück nach Krakau ziehen muss. Bei Wendy läuft es in der Liebe nicht besser, sie pflegt eine Affäre mit dem verheirateten Theaterintendanten Larry (Peter Friedman). Zu ihrem Vater haben die beiden dabei noch weniger Kontakt, wie sie ihn zu sich selbst pflegen.

Was zu Beginn des Filmes dann folgt ist eine Familienvereinigung der anderen Art. Wendy und Jons Vater Lenny (brillant: Philip Bosco) verliert nicht nur seine langjährige Freundin an den Tod, sondern auch seine Erinnerung. Er beginnt an Demenz zu leiden und muss sein Zuhause schließlich verlassen, da es rechtmäßig seiner Freundin gehörte. Fortan sind die beiden Kinder, die zu ihrem Vater nie ein liebendes Verhältnis hatten und darüber hinaus von diesem misshandelt wurden, für dessen Leib und Wohl verantwortlich. Hierbei könnten beide Geschwister nicht ähnlicher und zugleich unterschiedlicher dargestellt sein, beide vereint ihre Inkompetenz ihre Gefühle auszudrücken und der Drang nach literarischem Erfolg. Bezüglich Lenny jedoch nimmt Jon die pragmatische Rolle ein, sein kranker Vater ist für ihn eine Last, ein Umstand, eine soziale Verpflichtung der er sich gesetzlich schuldig fühlt. Eine wirkliche Bindung zu seinem Vater ist nicht vorhanden und auch vor seiner Schwester verschließt er sich so gut wie möglich, lässt aber sichtbar seine Probleme die er mit ihrem augenscheinlichen Erfolg hat zutage treten, als diese scheinbar ihr Stipendium bewilligt bekommt, welches ihm stets versagt geblieben ist. Jon ist eine introvertierte Figur, die auch ihren Unterricht an der Universität mehr für sich selbst lehrt, als für die Studenten, der das erstbeste Pflegeheim für seinen Vater wählt, anstatt sich mit den übrigen Optionen auseinander zu setzen.

Wendy hingegen, obwohl emotional gegenüber Larry immer von einer gefestigten Distanziertheit geprägt, nimmt sich die Demenz ihres Vater sehr zu Herzen. Sie organisiert Luftballons und Beileidskarten, als sie mit Jon zur Kondolenzbekundung für dessen Freundin in ein abgeschiedenes Rentnerörtchen in Arizona reist, sie sorgt sich um die Kleidung ihres Vaters, um die Ausstattung seines Zimmers, wird sogar richtiggehend wütend, als ein Kissen verschwindet, dass sie ihm gekauft hat. Außerdem bemüht sich Wendy um die Aufnahme in einem besseren Pflegeheim, nicht weil sie ihren Vater liebt oder nur das beste für ihn möchte, sondern wie Jon richtig interpretiert um sich selbst einen Gefallen zu tun. Sie fühlt sich schuldig, nicht für ihren Vater da zu sein, sich nicht selbst um ihn zu kümmern, ihn zu versorgen, ihn stattdessen in ein spärliches Pflegeheim abzuschieben – mit der Ironie, dass Lenny nicht mal merkt wo er ist, sondern die Einrichtung als Hotel wahrnimmt. All ihre Bemühungen zielen darauf ab, sich selbst von Schuld los zu sprechen, es dem Elternteil so bequem wie möglich zu machen, während man es für sich selbst ebenfalls bequem hält. Ein soziales Problem, das hier thematisiert wird: wie ist mit den Alten umzugehen? Das Elternteil wird alt, gebrechlich, dement, kann sich weder alleine anziehen, aufs Klo und weiß weder wo es sich befindet, noch wer sich in seiner Umgebung aufhält. Sich um so eine Person ist äußerst anstrengend, weil redundant, das weiß jeder, der mal mit solchen Menschen beschäftigt war, sei es aus eigener Erfahrung oder dank eines Praktikums in einer sozialen Einrichtung.

Der Film ist keine Komödie, auch wenn er in der IMDb als solche geführt wird, vielmehr ist er Drama, das nur deshalb gelegentlich komisch wirkt, weil man sich selbst darin erkennt, in einer gewissen Form von Schadenfreude. Wenn Lenny im Flugzeug auf dem Weg zum Klo die Hose plötzlich herunterrutscht, ist das per se nicht amüsant, man schmunzelt dennoch. Viel stärker noch als in ihrem Debüt skizziert Jenkins hier den subtilen, subversiven Humor, der nicht offen zelebriert wird, sondern sich aus der Sicht der Geschwister ergibt. Ziel des Filmes ist es allerdings nicht das Publikum zu amüsieren, sondern ein Bild abzugeben von der Auseinandersetzung relativ junger Menschen mit dem Tod. Wie ist zu verfahren, wenn der Vater – oder die Mutter – nicht mehr für sich selbst sorgen kann? Wer bringt tatsächlich die Kraft auf sein Leben hinten anzustellen und sich um die betreffende Person zu kümmern? Wer würde nicht auch lieber diese Person einfach in ein betreutes Wohnprojekt oder Pflegeheim abgeben? Jenkins Geschichte ist durchaus ehrlich, die private Probleme der Geschwister außer Acht gelassen. Überaus gut geschrieben, fast so tiefgreifend wie das Skript von Nancy Oliver, bedauerlicherweise gehen viele der witzigen Momente bzw. Untertöne in der deutschen Synchronisation verloren, was schon angesichts der Tatsache dass Philip Seymour Hoffman deutsch singt sehr zu bedauern ist. Eine Schande wäre es, wenn Mrs. Jenkins erneut zehn Jahre zum nächsten Projekt warten würde, hat sie ihr literarisches Talent hiermit untermauert.

8/10

11. November 2007

Mystic River

Things lookin’ any better on the Sprite?

Drei Jungen spielen Straßenhockey, da verschlägt Dave den Ball und er rollt in einen Gulli hinunter – das Spiel der drei ist beendet. Jimmy schlägt vor ein Auto zu knacken und es um den Block zu fahren, Sean ist jedoch dagegen. Stattdessen wollen die drei ihre Namen in frischen Zement schreiben, werden aber durch das Eintreffen zweier Zivilpolizisten dabei unterbrochen. Der Polizist fragt wo die Jungs wohnen, Dave ist der einzige, der nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft wohnt. Seine Autorität ausnutzend zwingt der Polizist Dave auf seine Rückbank, Jimmy und Sean schauen zu wie ihr Freund Dave eskortiert wird. In kurzen Schnitten wird nun offenbart, dass es sich nicht um Polizisten, sondern Pädophile gehandelt hat, welche Dave in einem Keller missbrauchten, ehe es im gelang zu fliehen. Mehrere Jahre später sieht man nunmehr einen sichtlich verstörten Dave (Tim Robbins) mit seinem Sohn an ebenjener Strasse vorbeilaufen, an der eins seine eigene Jugend zerstört wurde. Dave ist mit Celeste (Marcia Gay Harden) verheiratet, einer Cousine von Annabeth (Laura Linney), der Frau von Jimmy (Sean Penn). Dieser ist seiner kriminellen Natur anheim gefallen, beweist sich jedoch als liebevoller Vater seiner drei Töchter. Als seine älteste eines Nachts ermordet wird tritt Sean (Kevin Bacon), nunmehr Kriminalbeamter im Staatsdienst, auf und muss gemeinsam mit seinem Partner Whitey (Laurence Fishburne) Dave als Tatverdächtigen untersuchen.

Die Geschichte von Mystic River basiert auf einem Roman von Dennis Lehane und wurde für die Kinoleinwand von dem Oscarpreisträger Brian Helgeland (L.A. Confidential) adaptiert. Im Jahr 2003 wurde Clint Eastwoods Film für sechs Oscar nominiert, neben dem besten Film, dem besten adaptierten Drehbuch, der besten Nebendarstellerin (Marcia Gay Harden) und der besten Regie konnte er in den Kategorien bester Haupt- (Penn) und Nebendarsteller (Robbins) auch zwei Preise entgegennehmen. Mit einem tollen und perfekt aufspielenden Schauspielerensemble erzählt Eastwood seine Geschichte über Rache und Sühne in den Arbeitervierteln von Boston vor allem durch die Verwendung von Kamerakränen. In fast jeder Szene verwendet er eine solche Kamerafahrt, am liebsten für die Übergänge zwischen den Szenen. Zwar nett anzusehen, jedoch ziemlich überflüssig. Seinen eigenen Angaben nach wusste Eastwood sofort als er das Buch von Lehane (dessen weiterer Roman Gone Baby Gone dieses Jahr von Ben Affleck inszeniert worden ist) gelesen hatte, dass dies sein nächster Regiestoff werden sollte und konnte hierfür viele Stars bis in die Nebenrollen (Emmy Rossum, Eli Wallach) gewinnen. Mit seiner Einleitung schafft der Film ein Paradebeispiel für einen Vorfall, welcher selbst Autor Lehane widerfahren ist: Kinder, steigt nicht zu fremden Männern ins Auto! Nur weil sich jemand als Polizist ausgibt, heißt dies nicht, dass er einer ist. Und wie Jimmy und Sean dem Auto hinterher blicken, offenbart dies ihre zukünftige Einstellung und Karriere. Jimmy, der designierte Autoknacker, scheint sein Vertrauen in das Gesetz verloren zu haben und nun nach seinen eigenen Richtlinien zu leben, während Sean den Polizeiberuf wählte, um gerade solches Unrecht nicht mehr auftreten zu lassen. Dave dagegen lebt gefangen in seiner eigenen Welt voller Angst.

An zwei Abenden sollen sich die Schicksale aller Charaktere treffen und das Leben von allen verändern. Jimmys Tochter will mit ihrem Freund nach Las Vegas ausbüchsen und feiert ein letztes Mal mit ihren Freundinnen, kommt danach jedoch nicht mehr lebend nach Hause. Am selben Abend hat Dave sie noch gesehen und kehrte anschließend verletzt und blutüberströmt nach Hause, erklärt seiner Frau jedoch, dass er einem Überfall entkommen ist. Jimmy, von Schmerz verzerrt, will das Gesetz in die eigenen Hände nehmen und beordert seine Jungs nach Beweismaterial zu suchen. Auch Sean und sein Partner Whitey untersuchen den Fall, möglichst bevor Jimmy etwas Dummes tun kann. Während Sean den Freund der Toten verdächtigt, hat Whitey sein Augenmerk auf Dave gerichtet, auch Celeste hegt allmählich Verdachtsmomente gegen ihren Mann und so nimmt die Geschichte langsam einen dunklen Verlauf, hinüber ins Misstrauen. Dass alle drei Freunde hierbei im Laufe des Filmes von sich behaupten, nicht miteinander befreundet zu sein, spricht für ebenjenen Tag, an welchem nicht nur Daves Unschuld, sondern die Unschuld aller drei geraubt wurde und die Bande zwischen ihnen zerstört hat.

Daves Schicksal wird schließlich zweimal in einander gegenübergestellten Szenen bestimmt, denn zweimal steigt er zu zwei Männern ins Auto ein, die ihm nichts Gutes wollen. Verraten und verkauft ist Dave, dessen wahres Ich damals in Keller gestorben zu sein scheint. Keiner will ihm glauben, manches spricht gegen ihn, z. B. Blut in seinem Kofferraum. Seltsam ist jedoch, dass die forensische Abteilung keine DNA-Untersuchung an dem Blut vornehmen kann, um festzustellen, ob es sich tatsächlich um Katies (Emmy Rossum) Blut handelt. Dies hätte Dave mit Sicherheit entlastet, auf diese Idee kommt jedoch keine der Figuren. Die Tatwaffe wird gefunden und zu einem gewissen Ray Harris zugeordnet, ebenjener Ray Harris, der Jimmy einst verraten und danach scheinbar seine Familie, seinen Sohn Brandon, verlassen hat, welcher nun mit Katie zusammen war. Auch dieses Indiz bleibt ohne wirkliche Berücksichtigung. Genauso wie der Notruf am Tatabend, den sich die ermittelnden Polizisten erst Tage später anhören! Schlampiger kann man wohl nicht arbeiten und allgemein plätschert die Geschichte nur so vor sich hin, dreht sich im Kreis, macht keinen Sinn und stagniert. Hier hat man Dave als Tatverdächtigen, mit Blut im Kofferraum, welches man jedoch nicht untersuchen will. Die Tatwaffe wird mit jemanden aus Jimmys Vergangenheit in Verbindung gebracht – Pustekuchen, warum groß ermitteln. Dehane schreibt seine Geschichte so, dass kein anderer Ausweg übrig bleibt, als der, welchen er schließlich in seiner Geschichte offeriert. Dabei ignoriert er alle logischen Lösungen für das von ihm gestellte Problem.

So gut die Schauspieler und Schauspielerinnen auch spielen, das Ambiente, die Optik stimmt – so sehr hadert Mystic River mit seiner inkonsequenten und schlechten Handlung. Die Charaktere verhalten sich unnatürlich, sehen nur dass, was sie sehen wollen und lassen ins Auge fallendes Beweismaterial einfach außer Acht. Dave wird dabei als klassisches Sexualopfer inszeniert und ist damit für Whitey schon im Vorfeld vorverurteilt. Die finale Auflösung ist dabei in ihrer Aussage nicht nur absolut unwahrscheinlich, da sich alles auf die reinsten Zufälle – oder absurdes Schicksal – beruft, sondern auch vollkommen profan, billig, armselig. Wie die Figuren am Ende nicht nur mit dem Verlauf der Handlung, sondern auch mit sich selbst umgehen, ist logische Konsequenz aus den ganzen anderen unlogischen Handlungen durch den Film hinweg. Nach dem Motto „nach mir die Sinflut“ widmet sich alles wieder den alten Gepflogenheiten, auf ebenjener Strasse, in der einst ihre Freundschaft und ihre Kindheit jäh beendet wurden. Mystic River will vieles sein, was er nicht ist, spannend, gewichtig – was am Ende bleibt, ist ein technisch gut gemachter, sehr gut gespielter, durchschnittlicher und überbewerteter Krimi, mit einer äußerst schwachen Story und Nebenhandlungen (Seans Frau), die irrelevant für die Handlung und langweilig sind. Das beste am Film sind in der Tat die Darstellungen von Penn und Robbins – der Rest ist Schweigen.

5.5/10

13. September 2007

Breach

He was smarter than all of us.

Was macht ein Filmautor eigentlich für Filme, wenn er die Drehbücher für Filme wie Color of Night, Volcano, Hart’s War und Flightplan geschrieben hat? Überraschenderweise eben nicht solche Filme, im Gegenteil. Billy Ray hat für sein erstes Regieprojekt 2003 eine Geschichte über einen Journalisten erwählt, der viele seiner Reportagen einfach frei erfunden hat. Shattered Glass hieß dieser Film und wurde unter anderem mit Hayden Christensen, Peter Saarsgard, Chloë Sevigny und Rosario Dawson verfilmt. Ebenso wie Shattered Glass basierte auch Ray’s zweiter Film auf wahren Begebenheiten. Breach kam im Februar dieses Jahres in die amerikanischen Kinos und erzählt die Geschichte des FBI-Agenten Robert Hanssen, bzw. dessen Assistenten Eric O’Neill. Besonderes Lob erfuhr der Film für die Darstellung von Chris Cooper als Hanssen und es ist nicht auszuschließen, dass er hierfür erneut eine Oscarnominierung erhält.

Eric O’Neill (Ryan Phillippe) hat sich in den Dienst seines Landes gestellt und observiert potenzielle Terroristen, will eigentlich aber lieber ein Federal Agent sein, bzw. werden. Seine Chance erhält er, als im aufgetragen wird als Assistent für den Veteranagenten Robert Hanssen (Cooper) zu arbeiten. Dieser belästige angeblich weibliche Untergebene und O’Neill soll kontrollieren mit wem Hanssen über was genau spricht. Bald darauf stellt O’Neill jedoch fest, dass neben dem Fachgebiet auf Computerebene auch die katholische Erziehung eine Gemeinsamkeit zwischen Hanssen und ihm darstellt. Dessen Wissen und Familienleben beeindruckt den jungen Anwärter und so stellt er seine Vorgesetzten zur Rede. Diese offenbaren ihm den eigentlichen Hintergrund seiner Arbeit: Hanssen arbeitet als Doppelagent und russischer Spion, vermittelt diesen seit über fünfzehn Jahren Informationen über russische Spitzel und Aufenthaltsorte militärischer Einrichtungen. Doch Hanssen wird immer paranoider und O’Neill muss zusammen mit dem FBI rechtzeitig Beweismaterial finden.

Der Film selbst wird eingeleitet vom Pressestatement des 20. Januars 2001 durch den damaligen amerikanischen Justizminister John Ashcroft. Dieser teilt mit, dass es zwei Tage zuvor gelungen sei, mit Robert Hanssen den größten Spion der amerikanischen Geschichte zu verhaften. Dadurch ist die gesamte Spannung des Films natürlich dahin, wobei viele Amerikaner, welche wohl das Hauptpublikum darstellen, ohnehin über Hanssen Bescheid gewusst haben dürften. Da man als Zuschauer weiß, dass Hanssen überführt wird, baut sich keine rechte Spannung auf, besonders nicht in den genretypischen Spannungselementen, wo der Protagonist immer kurz davor steht aufzufliegen. Folglich ist Breach eine Charakterisierung der zwei Hauptfiguren Hanssen und O’Neill. Wer sind diese Männer, wie sieht ihre Familiensituation aus, was verbindet sie und was trennt sie voneinander. Der wie immer fabelhafte Chris Cooper zeigt uns einen paranoiden Hanssen, jemand der seit fünfzehn Jahren spioniert und bereits schon einmal auf seine eigene Fährte angelegt war. Ein durch und durch christlicher Amerikaner, der jeden Tag in die Kirche geht und der ebenjene amerikanischen Elemente hochhält, für welche sich die USA immer so stolz auszeichnen.

Aber auch er hat seine Geheimnisse, verschickt beispielsweise Amateurpornos mit seiner Frau an Bekannte. Dennoch fasziniert dieser Mann O’Neill und es wächst so etwas wie eine Männerfreundschaft zwischen den beiden, begründet auf ihren katholischen Glauben. Dies und die Vorwegnahme des Endes, sowie die üblichen Spannungselemente sind jedoch so altbacken, bekannt und vorhersehbar, dass man dem Film (welcher ordentlich inszeniert ist, mit Laura Linney und Dennis Haysbert in Nebenrollen) eher beiläufig folgt. Was kann man auch schon groß verpassen? Man muss keine Puzzleteile zusammenfügen und sollte man eben für fünf Minuten vom Bildschirm oder dem Kinosaal verschwinden und zurückkommen, verpasst man höchstens eine weitere charakterliche Begebenheit, aber nichts essentielles des Films. Ray hält Breach in sehr kühlen Bildern, oft in Garagen, Parks oder anderen verlassen Orten, sodass der Film zwar in Washington D.C. spielt, irgendwie aber auch in seiner eigenen kleinen verlassenen Welt. Da beinah jedes Element des Films jedoch von der Realität, bzw. dem Genre vorgegeben ist, entwickelt sich leider keine rechte Spannung in diesen durchaus gut gespielten Spionagethriller.

6.5/10