15. Juli 2008

Back to the Future

I just don't think I can take that kind of rejection.

Wenn ein Film mal so nebenbei gedreht wird, ist das in Hollywood schon etwas Besonderes. Wenn dieser Film dann aber zum erfolgreichsten Film seines Erscheinungsjahres wird, ist das etwas Außerordentliches. Für zwanzig Millionen Dollar und mit 32 Spezialeffekten gedreht, avancierte Back to the Future im Jahre 1985 zum Hit und spielte weltweit 380 Millionen Dollar ein. Heutzutage unvorstellbar, dass Marty McFly nicht von Michael J. Fox gespielt wird, aber beinahe wäre dies der Fall gewesen. Damals hatte Fox nämlich noch eine vertragliche Bindung mit seiner Fernsehserie Family Ties, weshalb die erste Wahl von Universal absagen musste. Stattdessen engagierte man Eric Stoltz und begann die Dreharbeiten, die jedoch nach wenigen Wochen abgebrochen wurden, da Produzent Steven Spielberg das Gefühl hatte, dass Stoltz nicht zum Projekt passte, da er zu ernst an die Rolle von McFly heran ging.

Stattdessen wurde doch Fox für die Rolle geholt, der während der gesamten Drehzeit wochentags für Family Ties vor der Kamera stand und nachts sowie am Wochenende Back to the Future drehte. Von den Lesern der britischen EMPIRE wurde Robert Zemeckis’ Film auf Platz Zwanzig der besten Filme aller Zeiten gewählt und dieser Platz gebührt ihm in der Tat. Zemeckis gelingt hier etwas, dass er später mit Forrest Gump noch mal wiederholen würde: die Einbindung von amerikanischer Zeitgeschichte in den Kontext seiner Filmhandlung. Beispielhaft hierfür steht die finale Schulballszene, wenn Marty den Klassiker„Johnny B. Goode“ anstimmt und Band-Sänger Marvin Berry so beeindruckt ist, dass er seinen Cousin Chuck anruft. Auch das Product Placement fand verstärkt Einzug in Back to the Future, von Pepsi Cola über Nike bis hin zu Goodyear Autoreifen.

Zudem nutzte Regisseur Robert Zemeckis den Film als Referenzwerk - die ganze Anfangssequenz übernahm Zemeckis aus The Time Machine, wie auch der De Lorean DMC-12 an die Zeitmaschine aus dem 60er Jahre Kultfilm angelehnt ist. Auch Referenzen zu Werken von Stanley Kubrick lassen sich durch den Film hinweg finden. Äußerst eindrucksvoll spielt der Film jedoch mit den kulturellen Referenzen, die Einbindung von Ronald Reagan in beide Zeitebenen, als amerikanischer Präsident in 1985 und als Schauspieler in 1955, aber auch die Thematik der nuklearen Bedrohung und Invasion Außerirdischer, die in den fünfziger Jahren eminent war, wird eingebaut. All jene Punkte, die auch das vierte Abenteuer von Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull ausmachen, finden sich bereits zwanzig Jahre zuvor in Zemeckis zeitlosem Meisterwerk.

Genauer gesagt verbindet beide Filme sogar weitaus mehr, denn ursprünglich war die Zeitmaschine nicht ein De Lorean DMC-12, sondern ein Kühlschrank. Doch Produzent Spielberg verwarf diese Idee, da er befürchtete, dass begeisterte Kinder anfangen würden in die hauseigenen Kühlschränke zu kriechen. Dennoch gelang es Spielberg, ein Element des früheren Drehbuchs filmisch zu verewigen. Marty McFly sollte eigentlich am Ende von Back to the Future durch eine nukleare Explosion in der Wüste Nevadas zurück in das Jahr 1985 geschickt werden, doch verschwand diese Szene, da sie damals nicht adäquat umzusetzen war. Stattdessen baute Spielberg jene berühmt-berüchtigte Szene in Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull ein, wo sie anschließend für Kontroversen unter den hartgesottenen Indiana-Jones-Fans sorgen sollte.

Während der Film für den Durchbruch von Hauptdarsteller Michael J. Fox sorgten, konnte auch ein anderer bekannter Darsteller hier erste Schritte in das Filmgeschäft machen. Beispielsweise Billy Zane, der seine erste Filmrolle als einer von Biffs Kumpels ergatterte (und damals noch Haare hatte). Nach der kurzen The Time Machine-Hommage präsentiert Zemeckis auch bereits das erste Product Placement: von Marty sieht man zu Beginn nichts außer seinen Schuhen. Seine Nike-Schuhe. Später sollen sich hier noch JVC und andere Artikel dazugesellen, der durchschnittliche Bond-Film würde vor Neid erblassen. Immerhin gelingt es Zemeckis exzellent, viele seiner Produkte gekonnt in das Handlungsgeschehen einzubinden, zum Beispiel wenn Marty 1955 in einer Bar eine zuckerfreie Pepsi bestellen möchte (“You want a Pepsi, pal, you gonna pay for it“).

US-Präsident Ronald Reagan (1955 noch als Filmschauspieler tätig, während er 1985 Präsident des Landes ist) war von der Anspielung auf seine Persönlichkeit so begeistert, dass er den Vorführer im Kino kurz nach der Szene bat, noch mal zu ihr zurück zu spulen. Später würde er den Film für eine seiner öffentlichen Reden zitieren. Aber auch der Einbezug von Calvin Klein Unterhosen (”Why do you keep calling me Calvin?“ - ”Well, that is your name, isn’t it? It’s written all over your underwear.“) und den anderen Produkten funktioniert ebenso gut, wie Martys Jimi Hendrix und Angus Young Imitationen oder die Doppelreferenz von Star Wars und Star Trek (“My name is Darth Vader. I am an extraterrestrial from the planet Vulcan!“). Back to the Future ist eine einzige pop-kulturelle Anspielung, dabei gehen die Macher äußerst liebevoll und detailverliebt mit diesen Anspielungen um.

Wenn Marty immer wieder das Wort „heavy“ benutzt, versucht sich Doc Emmett L. Brown (Christopher Lloyd) dies dadurch zu erschließen, dass 1985 etwas mit der Erdanziehung nicht stimmt. Und nachdem Marty von seiner Zeitreise zurückkehrt, heißt die „Two Pines Mall“ plötzlich „Lone Pine Mall“, da unser Jungspund schließlich eine der beiden Tannen umgefahren hat. Im Jahr 1994 würde Zemeckis Tom Hanks in allerlei historisches Archivmaterial schneiden lassen, denselben hervorragenden Effekt wie in Back to the Future konnte er aber nicht erzielen. Anfang der achtziger Jahre versuchte sich Autor Bob Gale hineinzuversetzen, ob er mit seinem Vater befreundet gewesen wäre, wenn er ihm im selben Alter hätte begegnen können. Aus dieser Idee heraus entstand Back to the Future, ein Projekt für welches sich Steven Spielberg sofort begeisterte.

Der Film erzielt seine Spannung aus dem Großvater-Paradoxon, da der 17-jährige Marty McFly (Michael J. Fox) durch eine notgedrungene Zeitreise zum 25. Oktober 1955 mit seiner eigenen Entstehung spielt. Statt seines Vaters George (Crispin Glover) wurde Marty von seinem Großvater angefahren. Aus diesem Grund verliebt sich anschließend seine Mutter Lorraine (Lea Thompson) nicht in seinen Vater, sondern in ihren eigenen Sohn - unwissentlich natürlich. Als Gale und Zemeckis mit dieser Geschichte zu Disney gingen, lehnten diese eine Finanzierung ab, zu riskant war ihnen die inzestuöse Thematik. Wohin das Großvater-Paradoxon führen kann, hat die Futurama-Folge Roswell That Ends Well auf humoristische Art und Weise gezeigt, als Fry nach einer Zeitreise in die Vergangenheit sein eigener Großvater wird.

In Back to the Future hingegen muss Marty fortan alles dafür tun, dass Lorraine doch ihre Gefühle für den schüchternen und introvertierten George entdeckt. Ein Grund weshalb George so klein gehalten wird, findet sich in seiner Nemesis Biff Tannen (Thomas F. Wilson). Im Grunde begrenzt sich das Back to the Future-Universum auf diese drei Charaktere: Marty McFly, Doc Brown und Biff Tannen beziehungsweise seine Vor- und Nachfahren. Ein Grund weshalb der Film und auch die Serie so exzellent funktioniert, liegt sicherlich in den Darstellungen dieser drei Schauspieler begründet, allen voran ist die Chemie zwischen Fox und Lloyd einfach nur grandios. Fox selbst würde durch die Trilogie zu internationalen Ruhm aufsteigen und die Rolle letztlich seine gesamte Karriere formen, wie es auch bei einem Tobey Maguire (Spider-Man) oder Daniel Radcliffe (Harry Potter) der Fall ist.

Durch seine Zeitreise-Thematik unterliegt Back to the Future denselben Schwächen wie die meisten seiner Genrevertreter á la The Terminator. Marty’s Existenz setzt voraus, dass er erfolgreich handeln wird beziehungsweise bereits gehandelt hat - unter gewissen Gesichtspunkten. Dahingehend widersprechen sich Zeitreise-Filme in gewissen Punkten selbst, obschon es Bill & Ted’s Excellent Adventure gelungen ist, diese Problematik auf geniale Weise vorzuführen und zum eigenen Vorteil zu verwenden. Wie jedoch das angesprochene Beispiel der „Lone Pine Mall“ zeigt, beschränken sich die Fehler innerhalb der Handlung auf dieses Ausgangsproblem, der Rest greift wie bei einem Reißverschlussverfahren gekonnt ineinander. Großes Plus des Filmes ist seine perfekt ausgearbeitete Handlung - er ist weder zu lang, noch zu kurz.

Es existieren keinerlei Lücken innerhalb des erzählten Geschehens, Marty geht es darum dafür zu sorgen, dass sich Lorraine und George beim Abschlussball küssen. Dabei dauert sein gesamter Aufenthalt in 1955 eine knappe Woche an, die im Film innerhalb von nicht mal zwei Stunden erzählt wird. Marty interveniert mit dem Raum-Zeit-Kontinuum und nach zwei gescheiterten Kuppelversuchen stehen auch schon der Ball und damit das Finale vor der Tür. Zu keinem Zeitpunkt verliert sich Zemeckis in Nebenhandlungen oder prescht auf irgendeine Art durch das Drehbuch. Nicht nur der Film, sonder auch die Inszenierung der Szenen ist dabei perfekt getimt. Die Minute, die Einstein zu Beginn in die Zukunft reißt, vergeht innerhalb des Filmes quasi in Realzeit (70 Sekunden). Hieran sieht man die extreme Liebe zum Detail, die den Machern anzurechnen ist.

Weiterer Pluspunkt ist der Fakt, dass es sich um eine Studioproduktion handelt. Der zentrale Platz des fiktiven Örtchens Hill Valley wird dabei in allen drei Filmen beibehalten und eingebaut. Doch nicht nur die Ausstattung überzeugt, sondern auch die restlichen technischen Bereiche. Lea Thompson, Thomas F. Wilson und Crispin Glover spielten ihre älteren Versionen von sich im Jahr 1985 selbst, was durch stundenlange Aufenthalte im Make-up möglich gemacht wurde. Dies ist natürlich nicht perfekt, hat es aber auch nicht zu sein, sehen Wilson und Thompson immerhin herrlich doof aus. Glover hingegen merkt man an, dass eine Hornbrille nicht reicht, um aus dem jüngsten Mitglied des Ensembles (damals 19 Jahre alt) den Familienvater zu machen. Den Spaß am Film trübt dies jedoch nicht, wird der doch allein durch den genialen Soundtrack von Alan Silvestri und Huey Lewis aufrecht erhalten.

Neben dem Klassiker „Earth Angel“ von den Temptations stechen vor allem die beiden Songs von Huey Lewis and the News hervor. Gerade „The Power of Love“ ist ein Meisterwerk der Pop-Geschichte und trug zum Kultfaktor des Filmes bei. Ironischerweise war für diesen nie eine Fortsetzung angedacht, trotz des offenen Endes. Als grandioses Beispiel dafür, was mit wenig Geld und Spezialeffekten erreicht werden kann, hat sich Zemeckis’ Werk seinen Platz in der Filmgeschichte verdient. Ohnehin ist es erstaunlich, dass Spielberg sich in den achtziger Jahren mit lediglich 20 Millionen Dollar für solche Meisterwerke wie Raiders of the Lost Ark oder  Back to the Futureverantwortlich zeichnet. Letzterer selbst ist ungemein amüsant und liebevoll inszeniert - was ihn zu einen der besten und einen der coolsten Filme aller Zeiten macht.

10/10

12 Kommentare:

  1. Absolute Zustimmung. Eine andere Bewertung kann es für diesen Film nicht geben. Muss ich unbedingt auch einmal wieder schauen.

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  2. Was ich mal erwähnen muss: Bitte deine Reviews weiterhin mit diesen drumherum Infos einleiten. Finde die immer sehr spannend zu lesen. :-)

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  3. Zufall oder nicht? Wollte die Reihe demnächst auch besprechen. Das werd ich wohl erst einmal lassen. ;)

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  4. Der Film ist ein grandioses Beispiel dafür, was man mit wenig Geld und Spezialeffekten alles erreichen kann, ein guter Film bedarf weder des einen noch des anderen.

    Mein Reden. Back to Future ist fantastisch. Habe ich Dich heute schon gelobt?

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  5. Tolle Liebeserklärung mit viel interessantem Faktenbeiwerk - klasse geschrieben!

    Da bekomm ich ebenfalls gleich Lust, die DVD-Box mal wieder aus dem Regal zu ziehen. =)

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  6. Sprachs und alle schauten BTTF *g*

    @alle: Danke für die Zustimmung und Lob!

    @kaiser: Och nö, mach's doch trotzdem :)

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  7. 10/10 finde ich völlig übertrieben, weil das Sequel filmisch besser und origniller ist (und selbst für dieses wären 10/10 m.E. nicht verhältnismäßig), aber ok, du bist halt Fanboy.

    Ich mag Zemeckis nicht, aber der Spielberg-Einfluss ist bei BTTF mehr als die halbe Miete.

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  8. @Rudi

    Schaun ma mal ;)

    @MVV

    Ach, du hast auch keine Ahnung. ;)

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  9. @MVV
    Ist halt so eine emotionale Geschichte. Da können wir einfach nichts gegen machen;)

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  10. @MVV: Für mich erfüllt BTTF völlig den Zweck, den er erfüllen will. Er ist weder zu lang noch zu kurz, er ist so lang wie er zu sein hat und wird dabei keine Sekunde langweilig und funktioniert auch beim 20. Sehen noch bestens. Die Schauspieler überzeugen in ihren Rollen, der Humor ist stimmig die Effekte und Ausstattung ebenfalls. Als Sci-Fi-Komödie ist der Film perfekt, natürlich spielt hier wie bei RAIDERS ein zusätzlicher Nostalgie-Faktor mit rein.

    Ich halte 10/10 für so einen Schund wie ROTK für völlig übertrieben, denk mal lieber da drüber nach ;)

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  11. Erst wieder letzte Woche am Wochenende gesehen..und ach ist das herrlich. Dieser Film von vorne bis hinten einfach genial. Diese unbeschwerte Stimmung, ach ich schwebe dahin :-)

    11 von 10 Punkten:-)

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  12. Back to the Future ist einfach genial. Immer dann, wenn er läuft, schalten wir ein. Selbst das Drehbuch wird immer wieder gern in Drehbuchseminaren zitiert. Schade, dass es keine Fortsetzungen mehr gibt.

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