20. Juli 2008

Spider-Man 2

I believe there’s a hero in all of us.

Vielleicht wurde hier noch geschnitten, dort etwas editiert. Das Marketing rollte auf jeden Fall bereits in vollen Zügen und die Stimmung scheint gut. Ein Mann setzt seinen Namen unter einen Filmvertrag, Sam Raimi erklärt sich bereit, eine Fortsetzung zu Spider-Man zu drehen. Das alles gut einen Monat, bevor Spider-Man in den Kinos anlaufen und ein triumphaler Erfolg werden sollte. Die Produzenten von Sony engagierten Alfred Gough und Miles Millar (Shanghai Noon/Knights) für das Skript. Dieses sollte drei Gegner für Spider-Man vorsehen, letztlich verblieb man dann bei Doctor Octopus als alleinigen Antagonisten. Als Spider-Man mit einem Einspiel von 115 Millionen Dollar am Startwochenende  einen neuen Rekord aufstellte, gewährte Sony für das Sequel ein Budget von 200 Millionen Dollar, eine fast 50-prozentige Anhebung. Wenige Wochen später wurde aus dem Autoren-Duo ein Trio, als David Koepp die beiden unterstützte.

Innerhalb von zwei Monaten war das erste Drehbuch fertig und Michael Chabon wurde wieder engagiert, um es umzuschreiben. Letztlich pickten Regisseur Raimi und Drehbuchautor Alvin Sargent, der bereits für den ersten Teil engagiert wurde, sich das raus, was ihnen gefiel und Sargent machte sich an die endgültige Fassung. Die Dreharbeiten begannen allerdings bereits vor der Fertigstellung des finalen Skripts. Das Projekt stand voller Tatendrang und grenzenlosem Optimismus. Ende des Jahres 2002 verletzt sich Hauptdarsteller Tobey Maguire dann während der Dreharbeiten zu Seabiscuit am Rücken. Zu verdanken hatte er dies seiner Rolle als Jockey. Kurzerhand trat Sony an Jake Gyllenhaal heran, der ehemalige Kinderschauspieler war dank Donnie Darko zum Geheimtipp der Branche aufgestiegen. Zudem war er damals mit Hauptdarstellerin Kirsten Dunst liiert und verfügte somit über die nötige Chemie.

Doch der gute Stern stand über Spider-Man 2, denn Tobey Maguire erholte sich und konnte seine Rolle wiederaufnehmen, die ihm ein Gehalt von 17 Millionen bescherte und damit in die Champions League der Hollywood-Schauspieler katapultierte. Seine Rückenprobleme wussten Raimi und die Crew dabei gezielt auf die Schippe zu nehmen und verarbeiteten Referenzen in den Film, wenn Peter Parker in einer Hommage an The Matrix von einem Dach springt mit den Worten “I’m back! I’m back”, nur um mehrere Stockwerke tief zu fallen und zu Fuß davonzuschleichen, dabei murmelnd: “My back. My back”. Ein Wortwitz, der in der deutschen Synchronisation verloren geht. Die Rekorde, die Spider-Man aufgestellt hatte, konnte seine Fortsetzung locker brechen, selbst wenn er insgesamt finanziell das Nachsehen hatte. Sowohl in Nordamerika als auch weltweit gesehen, liegt die Fortsetzung vom Einspielergebnis hinter dem ersten Teil.

Dabei wurde der Film von Fans wie Kritikern besser bewertet als sein Vorgänger. So hat er bessere Bewertungen in der IMDb, wie auch bei Rotten Tomatoes. Die Besetzung blieb dieselbe, denn da mit Doc Ock lediglich eine neue Figur hinzukam, musste auch nur diese Rolle neu besetzt werden. Waren Stars wie Robert De Niro oder Charakterdarsteller wie Chris Cooper im Gespräch, so wurde es am Ende Alfred Molina, den Raimis Ehefrau in Frida besonders überzeugend fand. Eine wahrhaft gelungene Entscheidung, denn Molina haucht seiner Figur äußerst überzeugend Leben ein und hatte – wie die Special Features zeigen – sichtlich Spaß am Set. Neben dem finanziellen Erfolg und dem nunmehr feststehenden Star-Status von Maguire und Dunst durfte sich der Film auch bei den Academy Awards im Jahr darauf feiern lassen, bei welchen er mit dem Oscar für die Besten Visuellen Effekte ausgezeichnet wurde.

Die visuellen Effekte sind stark an den Matrix-Sequels orientiert, wirkt der animierte Spider-Man oft ebenso unnatürlich wie der digitalisierte Neo. Doch dies springt einem nur zu Beginn wirklich negativ ins Auge, bald schon fügen sich die Effekte besser ein und spätestens bei der Bahn-Szene überzeugt der Film restlos. Kein Wunder, arbeitetn doch 200 Leute an ihnen und verschlangen 50 Millionen Dollar des Budgets. Hilfreich beim Spider-Man-Feeling für die Zuschauer war die Einführung der so genannten Spydercam, die unter anderem an einem Seil befestigt fünfzig Stockwerke fallend filmen konnte. Eben jene Kamerafahrten sorgen für gehörige Stimmung und lassen einen richtig teilhaben an Peter Parkers nächtlichen Ausflügen. Für die sorgen auch Raimis vielfache Remineszensen an die Comic-Serie. Besonderen Einfluss auf die Handlung hatte dabei Spider-Man No More (#50), der Raimi sogar teils eins-zu-eins beeinflusste.

Aber es findet sich auch eine Referenz zur Animations-Folge The Terrible Triumph of Dr. Octopus. Zusätzlich verwies Raimi neben The Matrix auch auf Superman und seinen eigenen The Evil Dead sowie dessen Fortsetzung The Evil Dead II. Ergänzt werden diese Szenen dann von zwei Cameos durch Evil Dead II-Mitautor Scott Spiegel und den obligatorischen Bruce Campbell. Letzterer wird im übrigen mit jedem Spider-Man-Teil amüsanter, egal ob hier als Platzanweiser in MJs Theater oder in Spider-Man 3 als liebenswürdiger und planloser Maitre d’. Wie es sich für eine ordentliche Marvel-Verfilmung gehört, darf auch der Auftritt von Schöpfer Stan Lee nicht fehlen. Zudem wartet für alle Fans von Lost, denen er bei Hulk entgangen ist, auch hier in einer kurzen Nebenrolle wieder Daniel Dae-Kim auf. Und wer weniger ein Fan von Lost, dafür aber von Death Proof ist, der darf sich dafür in gleich zwei Szenen auf Vanessa Ferlito freuen.

Ist Peter Parker im ersten Teil noch seiner Verantwortung gefolgt, so erlebt er in der Fortsetzung die Schattenseiten seines Helden-Daseins. Um sie zu schützen, hat er sich von MJ los gesagt, doch packt ihn die Eifersucht, als diese sich mit John Jameson verlobt und der arme Peter das auch noch fotografieren muss. Die Beziehung zu Harry ist ebenfalls leicht erschüttert, da dieser von Peter die Identität Spider-Mans verlangt. Auch hier kommt es zur Klimax, in derselben Szene wie der MJ-Moment. Zeit für die Universität hat Peter kaum noch, seinen Nebenjob verliert er, das Leben seiner geliebten Tante Mae (Rosemary Harris) läuft an ihm vorbei. Das Spider-Man-Dasein beansprucht Peters ganze Zeit und dies auf Kosten seines Privatlebens. Kein Wunder, beginnt Peter mit seinem Schicksal zu hadern. Schließlich sagt er sich los vom Heldentum, stattdessen beginnt er ein ganz normales Leben, in welchem er glücklich mit MJ sein kann.

Hier baut Raimi starke Referenzen zum zweiten Superman-Abenteuer ein, in welchem auch der stählerne Mann seinen „Job“ an den Nagel hing. Mit der Zeit lernt Peter jedoch die Konsequenzen von Spider-Mans Abwesenheit. Sargent wickelt seine Katharsis in einen Dialog mit Tante Mae ein, der zwar etwas gelackt daherkommt, aber praktisch notwendig ist. Die Geschichte wird vorangetrieben, Peter hat eine Entscheidung getroffen und ist bereit, die Konsequenzen zu tragen. Menschen brauchen Identifikationsfiguren und Helden, Peter nimmt diese Rolle ein, letztlich gewinnt er sogar noch MJ. Was kann er sich mehr wünschen? Im Abschluss der Trilogie scheint Spider-Man zu Beginn dann auf seinem Höhepunkt, mit Paraden, T-Shirts und allerlei anderem Gedöns. Wie Peter hier jedoch im zweiten Teil hadert, ist ausgesprochen gelungen von Raimi in Szene gesetzt und kongenial von Maguire in die Kamera gespielt.

Dabei präsentiert Raimi viele der Zutaten, die bereits den Vorgänger so schmackhaft machten. Verschiedene Elemente (brennendes Haus, Peter bringt Müll raus) werden direkt übernommen, allen voran das Ende. Hier tritt genau das ein, was Peter eigentlich vermeiden wollte: MJ wird vom Bösewicht entführt. Das Finale selbst, obschon nicht sonderlich actionreich, darf als gelungen angesehen werden, allein wegen Peters Demaskierung und Octavius’ Läuterung. Das hier der erste Teil grüßen lässt, hätte man durchaus vermeiden können, wenn man im ersten Teil einfach auf Gwen Stacy gesetzt hätte. Dann hätte man die Redundanz von „Mary Jane wird entführt“ vermeiden können. Spider-Man 2 überwiegt jedoch an positiven Aspekten, darunter wie immer Danny Elfmans Score. Scheinbar kam es jedoch zur Spaltung zwischen Elfman und Raimi, zumindest wurden viele Stücke von Christopher Young im Anschluss nachkomponiert.

Auch die Action weiß zu überzeugen, allen voran die zwischen Spider-Man und Doc Ock auf der Bahn. Spätestens zu diesem Zeitpunkt fallen auch nicht mehr die negativen Aspekte des digitalen Spider-Man auf. Was den zweiten Teil jedoch so gelungen macht, ist sein Humor, der den ersten Teil übertrifft. Neben der „Rücken“-Szene ist beispielsweise auch die Fahrstuhlszene ein Reißer für sich und weiß, wie der Großteil des Films, zu unterhalten. Mit seiner Fortsetzung ist Raimi somit eine merkliche Steigerung zu Spider-Man gelungen, dessen Dialoge im Vergleich zu diesem Teil weitaus gestelzter wirkten. Mit dem dritten Teil ist Raimi damit eine der gelungensten, da stimmigsten, Trilogien in der Filmgeschichte gelungen, in welcher der erste Teil mal nicht so hohe Erwartungen schuf, dass die Fortsetzungen diesen nicht gerecht werden konnten. Spider-Man 2 ist jedenfalls eine der besten Comic-Verfilmungen aller Zeiten.

9/10

6 Kommentare:

  1. Tolle Besprechung, der ich in allen Belangen zustimmen möchte. Der zweite Teil hat einfach den richtigen Mix aus Humor, Action und intelligenter Handlung. So soll das sein. Doch leider, leider, und da muss ich widersprechen ist dieser Esprit im dritten Teil irgendwo verloren gegangen.

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  2. Mir gefällt der zweite Teil am Besten. Macht sich das zu Gute, was Teil eins mit der Charaktereinführung vorlegte.

    "Mit dem tollen dritten Teil ist Raimi damit eine der gelungensten, da stimmigsten, Trilogien in der Filmgeschichte gelungen, in welcher der erste Teil mal nicht so hohe Erwartungen schuf, dass die Fortsetzungen diesen nicht gerecht werden konnten."

    Bitte wie? Versteh ich nicht.

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  3. Wer braucht schon Wikipedia oder imdb Trivia, wenn es solche Reviews gibt. Echt klasse!

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  4. Bitte wie? Versteh ich nicht.

    Oftmals bauen die dritten Teile oder Fortsetzungen allgemein etwas ab, so zum Beispiel SCREAM oder MATRIX. Dagegen finde ich selbst, dass SPIDER-MAN konstant auf einem guten Niveau ist, bei dem der dritte dem ersten in nichts nachsteht und sogar noch besser ist.

    @clark: Ich brauch das, sonst kann ich solche Reviews ja nicht schreiben ;)

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  5. Auch mir gefällt der zweite Teil wohl am besten, wenngleich die gesamte Trilogie insgesamt wirklich sehr stark ist. Spidey bleibt halt mein Lieblingssuperheld - von Captain Hammer einmal abgesehen... ;)

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  6. ich versteh das auch nicht:-)
    bei Teil 2 bin ich eingeschlafen, bei Teil 3 war ich kurz vorm rausgehen.

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