In diesem Jahr eröffnete Baz Luhrmanns Adaption von F. Scott Fitzgeralds The Great Gatsby die 66. Filmfestspiele von Cannes – eine Ehre, die ihm bereits 2001 mit Moulin Rouge! zu Teil geworden war. Mit jenem so pompösen wie bildgewaltigen Jukebox-Musical schloss der australische Regisseur zugleich seine “Red Curtain”-Trilogie ab, die er 1992 mit Strictly Ballroom begonnen und vier Jahre später mit William Shakespeare’s Romeo + Juliet fortgesetzt hatte. Dennoch eint Moulin Rouge! vermutlich fast mehr mit Luhrmanns fünftem und jüngstem Leinwandepos, nicht zuletzt dank des Glamours und der anachronistischen Gegenwartsmusik.
Sich bekannter Pop-Musik zu bedienen, um damit ein Musical zu füllen – so etwas hatte es zuvor bereits bei beispielsweise The Blues Brothers gegeben. Eine Liebesgeschichte um die letzte Jahrhundertwende mit David Bowie, Elton John und anderen zu unterlegen, sorgte allerdings 2001 für Aufsehen. Wie in The Great Gatsby dient die populäre Musik für Luhrmann in seinen historischen Filmen als Darstellungsmittel. Im Fall von Moulin Rouge! bringt sie zum Ausdruck, dass Hauptfigur Christian (Ewan McGregor), ein aufstrebender Autor, seiner damaligen Zeit voraus ist, indem er sich der Worte von Künstlern des 20. Jahrhunderts bedient.
McGregors Figur kommt 1899 nach Paris, um sich der Bohème-Bewegung anzuschließen. Entsprechend mietet er sich im Stadtteil Montmartre im Vergnügungsviertel Pigalle des 18. Arrondissements ein, gegenüber des berüchtigten Varietés Moulin Rouge. Seine Inspiration: die Liebe. Sein Problem: “I’ve never been in love”. Abhilfe verspricht das überraschende Auftreten von Henri de Toulouse-Lautrec (John Leguizamo) und seiner Theatergruppe aus dem oberen Stockwerk. Sie planen eine Bühnenshow namens “Spectacular Spectacular” (“It’s set in Switzerland”), die sie Harold Zidler (Jim Broadbent) anbieten wollen, dem Besitzer des Moulin Rouge.
Dieser wiederum plant seine beliebteste Kurtisane Satine (Nicole Kidman) an den Herzog von Monroth (Richard Roxburgh) abzugeben als Ausgleich für dessen finanzielle Unterstützung des Varietès. Am Abend kommt es in dem Etablissement dann jedoch zu einer Verwechslung als Satine während ihrer Performance Christian für den Herzog hält. Ein Gespräch in ihren privaten Gemächern später ist es nach Christians Darbietung von Elton Johns “Your Song” um die rothaarige Kurtisane geschehen. “I can’t fall in love with anybody”, seufzt Satine zwar noch, doch sie und Christian haben sich bereits ineinander verliebt – sehr zum Missfallen von Zidler.
“We’re creatures of the underworld”, erinnert er Satine. “We can’t afford to love.” Auch im Wissen, dass seine geliebte Kurtisane hoffnungslos an Tuberkulose erkrankt ist. Dennoch deckt er ihre junge Liebe, um die Finanzierung durch den Herzog nicht zu gefährden. Der bezahlt, im Glauben so Satines Herz zu erobern, derweil “Spectacular Spectacular”. Moulin Rouge! bedient sich für seine Geschichte bei Handlungselementen aus den Opern La Traviata und La Bohème sowie Jacques Offenbachs Orpheus in der Unterwelt. Daraus wurde laut Baz Luhrmanns Worten im Audiokommentar dann “this very classical, simple story of tragic love”.
Gerade Offenbachs Interpretation von „Orpheus und Eurydike“ durchzieht Moulin Rouge!. Wie Zidler selbst sagt, ordnet er sich und die Prostituierten des Moulin Rouge der Unterwelt zu. Aus jener muss Christian in der Rolle des Orpheus seine Eurydike befreien. “All my life you made me believe I was only worth what somebody would pay for me”, wirft Satine später Zidler vor. Wo sie der Herzog mit Geld zu kaufen versucht, schafft es Christian, sie mit Worten für sich zu gewinnen. “Love lifts us up where we belong”, behauptet er im bombastischen “Elephant Love Medley” und versichert Satine in diesem getreu den Beatles: “All you need is love”.
Im steten Wechsel zwischen Tragik und Komik zieht Luhrmann in seinem dritten Spielfilm dabei sein Melodrama auf. Bewusst folgen auf Szenen, die dem Zuschauer Satines Sterben in Erinnerung rufen, humorvolle Momente. “One hopes that it’s got that feeling of a Warner Bros. cartoon”, sagt der Regisseur im Audiokommentar. Wird der Humor im ersten Akt zuerst aus Toulouse und seinem Bohème-Clan gewonnen, wandert er im zweiten Akt über zur Täuschung des Herzogs (bis hin zu Broadbents und Roxburghs herrlich inszenierter Travestie-Darbietung von Madonnas “Like a Virgin”). Aber das Glück ist – wie könnte es anders sein – nur von kurzer Dauer.
Die Affäre fliegt auf, der Herzog droht Christian umzubringen und Satine wird ihres nahenden Todes gewahr. “Hurt him to save him”, rät ihr daraufhin Zidler. “The show must go on.” Über dem dritten und finalen Akt schwebt natürlich das Musical im Musical: “Spectacular Spectacular”. Die Bollywoodeske Nachinszenierung der vorangegangenen Filmhandlung ist dabei nicht minder pompös wie Luhrmanns eigene Revue, holt diese auf der Zielgeraden vom Ablauf her schließlich ein, um mit ihr zu einer einzigen großen Darbietung zu verschmelzen. Nur: Wo “Spectacular Spectacular” ein Happy End beschert ist, endet Moulin Rouge! tragisch.
Auch hierin gleicht die Geschichte von Satine und Christian der von Romeo und Julia oder von Gatsby und Daisy. Die Liebe der Figuren führt in den Tod. Was bleibt, ist das Drama. Insofern wäre The Great Gatsby wohl eher als Abschluss einer Trilogie zu Romeo + Juliet und Moulin Rouge! geeignet, ähnelt Strictly Ballroom in dem optimistischen Ende für die Liebenden mehr Australia. Dagegen bleibt in Luhrmanns übrigen drei Filmen nur, die Magie jener Liebe und ihren letztendlichen Niedergang als Chronik für folgende Generationen festzuhalten. “For never was a story of more woe than this”, wie der Prinz von Verona in „Romeo und Julia“ abschließend sagt.
Fraglos ist Moulin Rouge! im Speziellen wie ein Film von Baz Luhrmann allgemein nicht jedermanns Sache. Man muss es mögen, wie der Mann aus Oz Tragik und Komik verknüpft und dabei – bewusst – ins Theatralische abdriftet. Dazu kommen knallige Farben, Pomp und Glamour und dann noch The Cardigans unterlegt zum mit bekanntesten Stück des britischen Barden oder eben ein Tango-Sting-Mashup von “Roxanne”. Angesichts all dessen, was Luhrmann und Co. hier jedoch auffahren, von den Kostümen über die Ausstattung, das Bühnenbild und die visuellen Effekte, ist es so erstaunlich wie beachtlich, dass der Film nur 50 Millionen Dollar kostete.
Dennoch steht und fällt dieser als Musical natürlich mit seinem Soundtrack. Wie Baz Luhrmann hier kongenial populäre Lieder einsetzt, sucht dann seinesgleichen. Angefangen mit David Bowies stimmigem “Nature Boy” über die Verwendung von Nirvana hin zur harmonischen Verschmelzung von Marilyn Monroes “Diamonds are a Girl’s Best Friend“ mit Madonnas “Material Girl” und kulminierend im “Elephant Love Medley”, das sich der Textzeilen eines Dutzend Lieder bedient. Eine superbe Song-Symbiose. Insofern ist Moulin Rouge! also nicht nur ein Musical zum Erleben und Anschmachten geworden, sondern allen voran eines zum Mitsingen.
Ein Fest für die Sinne, zweifelsohne Baz Luhrmanns Magnum opus und nicht weniger und nicht mehr als die Mutter aller modernen Film-Musicals. Die acht Oscarnominierungen seiner Zeit waren berechtigt, wenn auch Luhrmann selbst bei den Nominierungen überraschend Ridley Scott für dessen Inszenierung von Black Hawk Down in der Regie-Kategorie den Vortritt lassen musste. Das ändert allerdings nichts daran, dass Moulin Rouge! ein Film für die Ewigkeit geworden ist. Großes, glamouröses Kino. Oder wie es Harold Zidler nannte: “A magnificent, opulent, tremendous, stupendous, gargantuan bedazzlement, a sensual ravishment!”.
Sich bekannter Pop-Musik zu bedienen, um damit ein Musical zu füllen – so etwas hatte es zuvor bereits bei beispielsweise The Blues Brothers gegeben. Eine Liebesgeschichte um die letzte Jahrhundertwende mit David Bowie, Elton John und anderen zu unterlegen, sorgte allerdings 2001 für Aufsehen. Wie in The Great Gatsby dient die populäre Musik für Luhrmann in seinen historischen Filmen als Darstellungsmittel. Im Fall von Moulin Rouge! bringt sie zum Ausdruck, dass Hauptfigur Christian (Ewan McGregor), ein aufstrebender Autor, seiner damaligen Zeit voraus ist, indem er sich der Worte von Künstlern des 20. Jahrhunderts bedient.
McGregors Figur kommt 1899 nach Paris, um sich der Bohème-Bewegung anzuschließen. Entsprechend mietet er sich im Stadtteil Montmartre im Vergnügungsviertel Pigalle des 18. Arrondissements ein, gegenüber des berüchtigten Varietés Moulin Rouge. Seine Inspiration: die Liebe. Sein Problem: “I’ve never been in love”. Abhilfe verspricht das überraschende Auftreten von Henri de Toulouse-Lautrec (John Leguizamo) und seiner Theatergruppe aus dem oberen Stockwerk. Sie planen eine Bühnenshow namens “Spectacular Spectacular” (“It’s set in Switzerland”), die sie Harold Zidler (Jim Broadbent) anbieten wollen, dem Besitzer des Moulin Rouge.
Dieser wiederum plant seine beliebteste Kurtisane Satine (Nicole Kidman) an den Herzog von Monroth (Richard Roxburgh) abzugeben als Ausgleich für dessen finanzielle Unterstützung des Varietès. Am Abend kommt es in dem Etablissement dann jedoch zu einer Verwechslung als Satine während ihrer Performance Christian für den Herzog hält. Ein Gespräch in ihren privaten Gemächern später ist es nach Christians Darbietung von Elton Johns “Your Song” um die rothaarige Kurtisane geschehen. “I can’t fall in love with anybody”, seufzt Satine zwar noch, doch sie und Christian haben sich bereits ineinander verliebt – sehr zum Missfallen von Zidler.
“We’re creatures of the underworld”, erinnert er Satine. “We can’t afford to love.” Auch im Wissen, dass seine geliebte Kurtisane hoffnungslos an Tuberkulose erkrankt ist. Dennoch deckt er ihre junge Liebe, um die Finanzierung durch den Herzog nicht zu gefährden. Der bezahlt, im Glauben so Satines Herz zu erobern, derweil “Spectacular Spectacular”. Moulin Rouge! bedient sich für seine Geschichte bei Handlungselementen aus den Opern La Traviata und La Bohème sowie Jacques Offenbachs Orpheus in der Unterwelt. Daraus wurde laut Baz Luhrmanns Worten im Audiokommentar dann “this very classical, simple story of tragic love”.
Gerade Offenbachs Interpretation von „Orpheus und Eurydike“ durchzieht Moulin Rouge!. Wie Zidler selbst sagt, ordnet er sich und die Prostituierten des Moulin Rouge der Unterwelt zu. Aus jener muss Christian in der Rolle des Orpheus seine Eurydike befreien. “All my life you made me believe I was only worth what somebody would pay for me”, wirft Satine später Zidler vor. Wo sie der Herzog mit Geld zu kaufen versucht, schafft es Christian, sie mit Worten für sich zu gewinnen. “Love lifts us up where we belong”, behauptet er im bombastischen “Elephant Love Medley” und versichert Satine in diesem getreu den Beatles: “All you need is love”.
Im steten Wechsel zwischen Tragik und Komik zieht Luhrmann in seinem dritten Spielfilm dabei sein Melodrama auf. Bewusst folgen auf Szenen, die dem Zuschauer Satines Sterben in Erinnerung rufen, humorvolle Momente. “One hopes that it’s got that feeling of a Warner Bros. cartoon”, sagt der Regisseur im Audiokommentar. Wird der Humor im ersten Akt zuerst aus Toulouse und seinem Bohème-Clan gewonnen, wandert er im zweiten Akt über zur Täuschung des Herzogs (bis hin zu Broadbents und Roxburghs herrlich inszenierter Travestie-Darbietung von Madonnas “Like a Virgin”). Aber das Glück ist – wie könnte es anders sein – nur von kurzer Dauer.
Die Affäre fliegt auf, der Herzog droht Christian umzubringen und Satine wird ihres nahenden Todes gewahr. “Hurt him to save him”, rät ihr daraufhin Zidler. “The show must go on.” Über dem dritten und finalen Akt schwebt natürlich das Musical im Musical: “Spectacular Spectacular”. Die Bollywoodeske Nachinszenierung der vorangegangenen Filmhandlung ist dabei nicht minder pompös wie Luhrmanns eigene Revue, holt diese auf der Zielgeraden vom Ablauf her schließlich ein, um mit ihr zu einer einzigen großen Darbietung zu verschmelzen. Nur: Wo “Spectacular Spectacular” ein Happy End beschert ist, endet Moulin Rouge! tragisch.
Auch hierin gleicht die Geschichte von Satine und Christian der von Romeo und Julia oder von Gatsby und Daisy. Die Liebe der Figuren führt in den Tod. Was bleibt, ist das Drama. Insofern wäre The Great Gatsby wohl eher als Abschluss einer Trilogie zu Romeo + Juliet und Moulin Rouge! geeignet, ähnelt Strictly Ballroom in dem optimistischen Ende für die Liebenden mehr Australia. Dagegen bleibt in Luhrmanns übrigen drei Filmen nur, die Magie jener Liebe und ihren letztendlichen Niedergang als Chronik für folgende Generationen festzuhalten. “For never was a story of more woe than this”, wie der Prinz von Verona in „Romeo und Julia“ abschließend sagt.
Fraglos ist Moulin Rouge! im Speziellen wie ein Film von Baz Luhrmann allgemein nicht jedermanns Sache. Man muss es mögen, wie der Mann aus Oz Tragik und Komik verknüpft und dabei – bewusst – ins Theatralische abdriftet. Dazu kommen knallige Farben, Pomp und Glamour und dann noch The Cardigans unterlegt zum mit bekanntesten Stück des britischen Barden oder eben ein Tango-Sting-Mashup von “Roxanne”. Angesichts all dessen, was Luhrmann und Co. hier jedoch auffahren, von den Kostümen über die Ausstattung, das Bühnenbild und die visuellen Effekte, ist es so erstaunlich wie beachtlich, dass der Film nur 50 Millionen Dollar kostete.
Dennoch steht und fällt dieser als Musical natürlich mit seinem Soundtrack. Wie Baz Luhrmann hier kongenial populäre Lieder einsetzt, sucht dann seinesgleichen. Angefangen mit David Bowies stimmigem “Nature Boy” über die Verwendung von Nirvana hin zur harmonischen Verschmelzung von Marilyn Monroes “Diamonds are a Girl’s Best Friend“ mit Madonnas “Material Girl” und kulminierend im “Elephant Love Medley”, das sich der Textzeilen eines Dutzend Lieder bedient. Eine superbe Song-Symbiose. Insofern ist Moulin Rouge! also nicht nur ein Musical zum Erleben und Anschmachten geworden, sondern allen voran eines zum Mitsingen.
Ein Fest für die Sinne, zweifelsohne Baz Luhrmanns Magnum opus und nicht weniger und nicht mehr als die Mutter aller modernen Film-Musicals. Die acht Oscarnominierungen seiner Zeit waren berechtigt, wenn auch Luhrmann selbst bei den Nominierungen überraschend Ridley Scott für dessen Inszenierung von Black Hawk Down in der Regie-Kategorie den Vortritt lassen musste. Das ändert allerdings nichts daran, dass Moulin Rouge! ein Film für die Ewigkeit geworden ist. Großes, glamouröses Kino. Oder wie es Harold Zidler nannte: “A magnificent, opulent, tremendous, stupendous, gargantuan bedazzlement, a sensual ravishment!”.
10/10