31. Mai 2011

Somos lo que hay

Estas vivo.

Horror is back, baby. Egal ob Vampir oder Zombie, aktuell finden sich die Untoten in so vielen Film- und Serienprojekten wie nie zuvor wieder. Sei es The Walking Dead oder Zombieland, egal ob True Blood, The Vampire Diaries oder Fright Night. Dass da willkommener Platz für Kannibalen ist, dürfte umso verständlicher sein. Allerdings kommt der Horror kaum noch in Reinform daher, lieber als Amalgam und Symbiose verschiedener Genres. Bevorzugt Komödien á la Shaun of the Dead, gerne auch Schmachtfetzen wie Twilight oder Action in Form der bevorstehenden Priest oder Stakeland. Jorge Michel Graus Debütfilm über mexikanische Kannibalen preist sich daher als „konsequentes Arthouse-Kino“ an.

Als in einer Einkaufsmeile in Mexiko-Stadt ein älterer Mann Blut spuckend zusammenbricht, blickt seine Familie plötzlich dem Hungertod entgegen. Die Versuche des ältesten Sohnes, Alfredo (Francisco Barreiro), auf Anordnung seiner Schwester Sabina (Paulina Gaitán) Verantwortung zu zeigen, scheitern - nicht zuletzt dank des aggressiven Verhaltens ihres Bruders Julián (Alan Chávez). Ein Tag bleibt den Brüdern, ein Menschenopfer für das traditionelle Ritual von Mutter Patricia (Carmen Beato) zu finden, lebt die Familie doch vom Kannibalismus. Dieser ist laut Leichenbestatter gar nicht so unverbreitet in der Hauptstadt, weshalb er zwei einfältigen Mordkommissaren die Übernahme des Falls aufschwatzt.

Die herausragende Qualität von Somos lo que hay (dt. Wir sind was wir sind) ist fraglos, dass der Film zuvorderst ein familiäres Sozialdrama ist, das sich eher zufällig um Kannibalen zu drehen scheint. Die Familie selbst ist weit entfernt von anderen Kannibalenfamilien des Horrorgenres wie man sie aus Wrong Turn oder ähnlichen kennt. Grundsätzlich geben sich Sabina, Alfredo und Julián ganz normal, wirken bestens ernährt und bis auf den jüngsten Spross auch alle gelungen in die Gesellschaft integriert. Wäre da nicht der überraschende Tod des Vaters und Familienernährers ein Tag vor jenem Ritual, dessen Bedeutung für Patricia und Co. mehr angedeutet wird, als dass sie für das Publikum wirklich spürbar wird.

Was man Graus Debüt am meisten vorwerfen muss, ist ohnehin, dass dieses relativ selten wirklich eine Atmosphäre zu erzeugen vermag, sowohl in Bezug auf seine Sozialdrama- wie Horror-Momente. Zum einen verzichtet der Film weitestgehend auf eine musikalische Untermalung und lässt gerade in der zweiten Hälfte seine dunklen nächtlichen Bilder für sich sprechen. Da man über die Familie und insbesondere das Ritual jedoch so gut wie nichts erfährt, geht die Dringlichkeit des Ganzen für das Publikum verloren. Geht es der Familie ums Fleisch? Kann sie nicht einfach zum Metzger fahren, schließlich ist ihr gesundes Erscheinungsbild doch Beispiel genug dafür, dass sie sich nicht nur von Menschenfleisch ernährt.

Der Film ist voller solcher Fragen, erklärt doch der Gerichtsmediziner, dass der Vater an einer Vergiftung gestorben ist. Möglich, dass ihn eine der Prostituierten vergiftet hat, die er laut seiner Familie regelmäßig aufgesucht hat. Angesichts des Schocks der Familie, erscheint es unwahrscheinlich, dass einer von ihnen den Vater umbringen wollte. Vieles bleibt im Dunkeln und wird lediglich lose angedeutet, während Somos lo que hay versucht, den Zerfall einer mexikanischen Familie dank einer Extremsituation darzustellen. Einen Tag vor dem Ritual hat der Vater selbst für kein Opfer gesorgt und die Idee, seine Söhne für potentielle Notfälle ins „Familiengeschäft“ einzuweisen, ging ihm wohl ebenfalls ab.

Als Spitze des Eisberges wirkt das Filmfinale nicht nur reichlich konstruiert, sondern auch rasch abgespult. Was hier mit den zuvor zentralen Figuren geschieht, ist einem als Zuschauer relativ egal, da man sich mit keiner der Rollen ansatzweise identifizieren kann. Es passiert, was abzusehen war, weil so das Genre eben funktioniert, auch wenn Graus Film diesem bis dahin weitestgehend die kalte Schulter gezeigt hat. Letztlich ist der realistische Ton von Somos lo que hay sein großer Trumpf, der allerdings nicht darüber hinwegtröstet, dass der Film abgesehen von diesem wenig originell ist und nie wirklich eine Atmosphäre erzeugt. The need to feed als konsequentes Arthouse-Kino kann daher nur bedingt überzeugen.

4/10 - erschienen bei Wicked-Vision

27. Mai 2011

Kurz & Knackig: US-Serien Teil VI

Jean-Claude Van Damme: Behind Closed Doors

An action hero’s job is never done.

Es ist bezeichnend, dass Jean-Claude Van Dammes größter Filmerfolg des letzten Jahrzehnts der semi-biographische JCVD aus dem Jahr 2008 war. Dort spielte sich „The Muscles from Brussels“ nicht nur selbst, sondern als Verlierer. Als Gescheiterter, dessen Tochter sich für ihn schämt und der am Ende im Gefängnis landet. Das Resultat waren Lobeshymnen, für den Film wie auch für Van Damme selbst. Schonungslos offen war er und wurde belohnt. Das schien hängengeblieben zu sein, schickt sich Jean-Claude Van Damme: Behind Closed Doors doch nun an, wieder das zu sein: ein schonungsloses Porträt eines Schauspielers, dessen beste Zeit lange zurück liegt. Und der seither vor allem auch mit sich selbst kämpft.

In den acht Episoden der von Jason Flemyng kommentierten Serie fliegt Jean-Claude Van Damme zwischen seiner Wohnung in Vancouver, seiner Heimat Belgien, Werbeauftritten in Dubai und Hong Kong bis hin zu Filmsets in Rumänien und der Ukraine hin und her. Gelegentlich skypt er mit seiner Frau Gladys und berichtet ihr dann davon, wie viel er ihr verdankt - was er auch nicht müde wird, in Anwesenheit ihrer beiden Kinder Kristopher und Bianca zu wiederholen. Während JC sich für keinen Film-Cameo zu schade ist, muss er sich mit dem Berufsstress und -ruhm auseinander setzen, sowie müden Knochen und seiner Rückkehr in den Ring gegen Muay Thai Boxer Somluck Kamsing Ende des Jahres 2011.

Angesichts des Lobs zu JCVD scheint Van Damme in seiner von ihm selbst produzierten Miniserie zu viel zu wollen. Er weint angesichts des Zustands unseres Planeten, er weint angesichts der wenigen Zeit und Ruhe, die ihm und seinen vielen Hunden gewährt wird und er weint aus anderen Gründen. Jean-Claude Van Damme: Behind Closed Doors bewegt sich auf einem semi-authentischen Pfad, wo viel gespielt scheint (man achte auf manche Reaktionen von Familienmitgliedern), aber durchaus auch vieles real ist. So gibt JCVD (der stets Mützen und T-Shirts mit seinen Initialen trägt) in der besten Folge, Dubai, nicht nur begangene Fehler zu, sondern auch, dass er seine Haare färbt und ein mäßiger Schauspieler ist.

Die Filterung von Drama und Dokumentation fällt bisweilen schwer, wie auch eine klare Ordnung des Geschehens. So untermauert Van Damme zwar die Wichtigkeit des Kamsing-Kampfes (er will den - augenscheinlich nie verlorenen - Respekt seiner Kinder zurückgewinnen), trainiert jedoch so gut wie nie für diesen. Während die Überbetonung von Gladys’ Rolle etwas redundant und aufgesetzt gerät, wirkt zumindest die Zuneigung zu seinen Hunden authentisch. Die Serie selbst ist fraglos an die eigenen Fans gerichtet, die ihrem großen Idol der Achtziger etwas näher kommen, was allerdings nicht darüber hinwegtäuscht, dass die Serie leider viel zu sehr (und viel zu schlecht), versucht, die Stärken von JCVD zu kopieren.

5.5/10

Community - Season Two

Just go with this.

Dass Fernsehen das neue Epizentrum qualitativer Unterhaltungserdbeben in den USA ist, lässt sich seit Jahren feststellen. Drama-Serien wie Breaking Bad oder Mad Men losen Jubelstürme aus, gefolgt von anderen Kritikerlieblingen wie Boardwalk Empire oder auch Community. Letztere erhielt nicht nur Lob von Seitens der britischen Empire, sondern auch metaphorisches Schulterklopfen der Jungs von Red Letter Media. Eine der wenigen kritischen Stimmen fand sich vor einem Monat auf diesem Blog, eingestehend, dass die Serie zwar unter ihren Möglichkeiten bleibt, aber Ansätze von Brillanz zeigt und wie ihre Figuren grundsätzlich sympathisch ist. Umso erfreulicher, dass sich Community im zweiten Jahr gesteigert hat.

Der Spanischkurs des Vorjahres wird eingetauscht durch eine Anthropologie-Klasse, nachdem die Sommerferien etwas die angespannte Stimmung zwischen Jeff (Joel McHale), Britta (Gillian Jacobs) und Annie (Alison Brie) gelüftet haben. Mit dem exzentrischen Verhalten von Pierce (Chevy Chase), sowie den anbiedernden Avancen von Chang (Ken Jeong), vom Dozenten zum Studenten degradiert, stehen der Gruppe - insbesondere Shirley (Yvette Nicole Brown) - ganz andere Probleme bevor. Für die Popkultur-Junkies Abed (Danny Pudi) und Troy (Donald Glover) eher Randaspekte in einem Jahr voller gebrochener Knochen, Nervenzusammenbrüche, ungeplanter Geburten…und natürlich Paintball.

Lange macht Community da weiter, wo sie aufgehört hat: auf unterdurchschnittlichem Niveau. Erst Conspiracy Theories and Interior Design, die zweitbeste Folge der zweiten Staffel, knüpft an den Anarcho-Charakter einiger Vorjahresfolgen an. Dennoch versprühte die erste Hälfte der jüngsten Staffel wenig Hoffnung, steigerte sich jedoch im Laufe des Jahres. Zum Problem werden wieder mal die bisweilen unverständlichen Figuren. Mal um Mal wird Pierce aus der Lerngruppe geworfen, Mal um Mal nimmt man ihn (aus Gründen, die weder der Zuschauer noch die Figuren kennen) wieder auf. Etwaige romantische Paarungen von Troy und Britta, Britta und Jeff oder Annie und Abed tragen hierzu ihr Übriges bei.

Immerhin lässt sich konstatieren, dass Dan Harmons Serie ihr Potential dieses Jahr gelungener ausschöpft. War das Highlight in der ersten Staffel die Paintball-Folge Modern Warfare, lässt man dieses Mal gleich eine Doppel-Paintball-Folge ausstrahlen. A Fistful of Paintballs (im Sergio-Leone-Stil) ist dabei erneut perfekte Unterhaltung, während das Staffelfinale For a Few Paintballs More (eine Star Wars-Hommage) die Bronzemedaille gewinnt. Zum heimlichen Star avanciert vermehrt Dean Pelton (Jim Rash), aber auch tertiäre Figuren wie Magnitude (“Pop pop!“) bereiten viel Vergnügen. Der Trend von Community zeigt also nach oben und hoffentlich gibt es auch im dritten Jahr wieder ein Paintball-Turnier.

7/10

The Vampire Diaries - Season Two

I’d be extra nice to me right now.

Im vergangenen Serienjahr war Kevin Williamsons Romanadaption The Vampire Diaries für den Teenie-Sender The CW die positive Überraschung gewesen. Ein stimmiges Mittelding zwischen dem nudistischen Trash eines True Blood und der reaktionären Blässe der Twilight-Filme. Die große Stärke der Serie war dabei das Dreiecksverhältnis seiner Titelfiguren, welches im Laufe der zweiten Staffel sogar durch einen „Neuzugang“ auf eine zweite Ebene projiziert wurde. Ohnehin wird der dramatische Faktor nochmals verstärkt, als sich zu der einstmalig kleinen Gruppe Eingeweihter immer mehr neue Gesichter gesellen, was gerade im letzten Drittel allmählich fast schon Ausmaße von Tabula Rasa anzunehmen beginnt.

Ehe nach den Vorfällen des Founder’s Day Ruhe einkehren kann in Mystic Falls, erscheint Elenas (Nina Dobrev) Doppelgängerin, Vampirin Katherine (Nina Dobrev), auf der Bildfläche. Jener Doppelgängerstatus ist es, der für Elena zum Damoklesschwert wird in der zweiten Staffel, soll sie doch einer rituellen Opferung dienen, die angeblich den jeweiligen Fluch von Vampiren und Werwölfen durchbricht. Grund genug für die Vampir-Brüder Stefan (Paul Wesley) und Damon (Ian Somerhalder), sich gemeinsam mit der inzwischen eingeweihten Hexe Bonnie (Katerina Graham), Elenas Bruder Jeremy (Steven R. McQueen) und Anderen gegen Urvampir Klaus zu stellen, der diesen Fluch zu brechen anstrebt. Soweit, so Blut gut.

Besonders in den Auftaktepisoden der zweiten Staffel knüpft Williamsons Serie an die Stärken des Vorjahres an. Durch den Zuwachs von Katherine ergibt sich ein zweifaches Dreiecksverhältnis mit Damon als doppeltem Verlierer. Der Mondstein-Fluch, den Urvampir Klaus sowie eine Handvoll Werwölfe brechen wollen, ist zwar ein interessantes Thema des zweiten Jahres, allerdings auch eines, das reichlich redundant ausfällt, wenn immer mehr Charaktere auf der Bildfläche erscheinen. Zugleich werden auch verstärkt Einwohner von Mystic Falls hinter den Vorhang gebeten, wenn im Laufe der Staffel Tyler (Michael Trevino), Matt (Zach Roerig) und Jenna (Sara Canning) die Wahrheit über ihre Stadt in Erfahrung bringen.

Das hat zur Folge, dass gerade das letzte Drittel rund um die ganzen eingeweihten Figuren und das inzwischen durchgekaute Klaus-Thema relativ beliebig erscheint und nur bedingt derart Spannung erzeugen kann, wie die Auftaktfolgen. Die überzeugendsten Episoden sind hier Masquerade und The House Guest, grundsätzlich wäre die zweite Staffel wohl runder geworden, hätte man auf bis zu sechs Folgen (zum Beispiel The Descent) verzichtet. Welche Wege The Vampire Diaries im dritten Jahr beschreiten wird, bleibt nach den Entwicklungen der finalen Folgen offen (New Moon und die dritte Staffel von True Blood lassen grüßen). Das die Serie sich, wenn auch minimal, zu steigern wusste, ist jedoch vielversprechend.

7.5/10

Chuck - Season Four

Come with me if you want to live.

Bisweilen gibt es auch noch Nova im Fernsehgeschäft. Beispielsweise Chuck, jene bei Bloggern extrem beliebte Agenten-Comedy-Serie von Josh Schwartz, die nach jeder Staffel um eine Erneuerung kämpfen musste - bis zu diesem Jahr. Kein in der Luft hängen, keine Fan-Petition. Dass Chuck im Herbst in ihr fünftes Jahr geht, gilt als sicher und dürfte bei Beteiligten wie Fans für Aufatmen gesorgt haben. Zugleich war Chuck auch ein gutes Beispiel dafür, dass sich manche Serien über die Jahre hinweg zu steigern verstehen. War die erste Staffel noch ganz charmant, allerdings nicht wirklich gut, gelang im zweiten und dritten Jahr jeweils ein Sprung nach vorne - um nun wieder auf dem Boden der Tatsachen zu landen.

Im vierten Jahr dreht sich alles um Chucks (Zachary Levi) verschollene Mutter (Linda Hamilton), die als Undercover-Agentin die Firma des Waffenhändlers Alexei Volkoff (Timothy Dalton) infiltriert hat. Hin und hergerissen zwischen der vermeintlichen Loyalität seiner Mutter muss Chuck auch mit einem Heiratsantrag an Sarah (Yvonne Strahovski) klarkommen, während Casey (Adam Baldwin) nicht nur Morgan (Joshua Gomez) als Schwiegersohn in spe ertragen muss, sondern sich auch innerhalb seines Teams als fünftes Rad am Wagen fühlt. Ellie (Sarah Lancaster) und Awesome (Ryan McPartlin) heißen derweil ihre Tochter willkommen und nehmen Forschungen von Ellies verstorbenem Vater auf.

Nachdem Chuck sich lange nicht sicher war, ob er das Intersect nun haben wollte oder nicht, bewegt sich Chuck dieses Jahr zumindest auf einem harmonischen Level der Akzeptanz des Agentendaseins. Hinzu kommen mit Hamilton und Dalton zwei Nebendarsteller, die das Ensemble in vielen Folgen erweitern und namhafte Gaststars wie Dolph Lundgren, Eric Roberts, Robert Englund, Robin Givens oder Ray Wise (also eher B-Stars, aber von diesen eine Menge). Das ist zwar abwechslungsreich, über die Dauer von 24 Folgen jedoch auch sehr anstrengend, da vor allem die Volkoff-Storyline, später ergänzt durch dessen Tochter (Lauren Cohen), über die gesamte Staffel hinweg kaum ihre Spannung aufrecht erhält.

Ohnehin verdeutlicht die Ablösung Volkoffs von Fulcrum, das selbst The Ring ersetzt hat, die Orientierungslosigkeit der Serie. So gesehen begeht Chuck im vierten Jahr einen Rückschritt zurück zur Qualität seiner Anfänge (lediglich die morbide Folge Chuck Versus the Fear of Death mit Summer Glau und Richard Chamberlain ragt positiv heraus), worüber auch die vielen Filmreferenzen (von Die Hard, über Terminator bis zu A New Hope) nicht hinweg täuschen. In Kombination mit dem schwachen Staffelfinale und seinem uninspirierten, aber Richtungsweisenden „Cliffhanger“ stehen der Serie schwere Zeiten bevor, die zumindest ich nach diesem Qualitäts- und Kreativitätsverlust wohl ab Herbst nicht mehr mit begleiten werde.

6.5/10

How I Met Your Mother - Season Six

Aw, man!

Das abschließende Urteil zur fünften Staffel von How I Met Your Mother lautete im vergangenen Jahr: Stagnation. Und die Frage, wie lange die Serie so noch weitermachen kann? Den Showrunner zufolge zumindest bis 2013. Das Spiel mit der Suche nach der Mutter wird also noch zwei Jahre (oder drei, die sechste Staffel mitgerechnet) weiter gespielt - obschon es bereits eintönig geworden ist, Ted Mosbys Kinder (mit einer ewig jungen Lyndsy Fonseca) zu Beginn einer Folge eine Geschichte zu erzählen, die mit deren Mutter eigentlich nichts zu tun hat. Dass sich dieses Friends-2.0 dennoch auch nach sechs Jahren noch nicht zu schade ist, seine schwache Prämisse weiterhin als Aufhänger zu nehmen, ist bezeichnend.

Als übergreifendes Thema dient dieses Jahr der Bau des neuen GNB-Gebäudes durch Ted (Josh Radnor) und dessen darauf aufbauende Auseinandersetzung mit der Aktivistin Zoey (Jennifer Morrison), die ein heruntergekommenes Gebäude, das hierzu abgerissen werden soll, zu retten anstrebt. Lily (Alyson Hannigan) und Marshall (Jason Segel) versuchen unterdessen an ihrer Kinderplanung zu arbeiten, während Robin (Cobie Smulders) allerlei Beziehungsprobleme hat und Barney (Neil Patrick Harris) nach langen Jahren endlich auf seinen leiblichen Vater (John Lithgow) trifft. Hinzu kommen gescheiterte Ehen, langjährige Flüche, Todesfälle in der Familie und eine alte kanadische Teenie-Fernsehserie.

Wenn eine Serie ihre beste Episode gleich zu Beginn verballert - in diesem Fall: Big Days -, dann lässt das (im Gegensatz zu Southland, wo dies Tradition ist) wenig Hoffnung für die verbleibenden Folgen zu. Und in der Tat sind die einzigen Episoden, die sich ebenfalls etwas abheben, Folgen mit eigenem Antrieb (Glitter/Blitzgiving), während sich besonders die GNB-Arcadia-Handlung, die von Anfang bis Ende die sechste Staffel durchzieht, als Fehlschuss entpuppt. How I Met Your Mother macht von Beginn an klar, dass es dieses Jahr um alles geht, außer darum, wie Ted seine Frau kennengelernt hat. Was wieder mal untermauert, dass die Serienprämisse schon lange keine Bedingung mehr für deren Bestehen ist.

Im Vergleich zum Vorjahr halten sich Gastdarsteller eher rar, von Nicole Scherzinger, Jorge Garcia, Kyle MacLachlan, Katy Perry, John Lithgow sowie (besonders nervig und untalentiert) Jennifer Morisson abgesehen. Wirklich an Fahrt gewinnt die sechste Staffel ebenfalls nicht, was besonders dann auffällt, wenn die Figuren davor zurückschrecken, sich weiterzuentwickeln (siehe Barney-Nora). Die Folge ist ein Einbruch der Serie von fast einem Punkt seit der vierten Staffel. Ein Trend, der nach unten zeigt, bedenkt man, dass die sechste die bisher uninteressanteste und schlechteste Staffel der New Yorker Freunde darstellt. Bei zwei offenen Staffeln geht das Finden der Mutter also noch bis 2013 weiter.

7/10

Breaking In - Season One

You just got Oz-ed…possible catchphrase.

Im nordamerikanischen Fernsehen sind Midseason Replacements oft eine Art Ersatzspieler, der seinen Einsatz erhält, wenn eine Stammkraft plötzlich nicht mehr zum Zuge kommt. Ein Lückenfüller also, der bisweilen, siehe The Office, auch zum festen Bestandteil eines Senders werden kann, wenn sich eine Fanbase einstellt. Besonders hip sind, wie am Beispiel The Office zu sehen, Workplace-Komödien, zu denen auch Parks and Recreation (siehe unten) oder Workaholics zählen. Mit Breaking In kam dieses Frühjahr eine weitere solche Serie hinzu, die aus der Feder von Adam F. Goldberg (Fanboys) und Seth Gordon (The King of Kong) stammt, und sich um eine Sicherheitsfirma voller schrulliger Figuren dreht.

Der Langzeit-Student und Hacker Cameron (Bret Harrison) wird nach Aufdeckung seiner Computervergehen an seiner Universität von “Oz“ Osbourne (Christian Slater) für dessen Sicherheitsfirma Contra Security angeworben. Dort stellt er seine Dienste wie die Einbrecherin Melanie (Odette Annable), der Tarnungsexperte Josh (Trevor Moore) und Techniktüftler Cash (Alphonso McAuly) der Sicherheitsüberprüfung von Firmen und anderlei Einrichtungen zur Verfügung. Kompliziert wird das Ganze jedoch, als Cameron sich Hals über Kopf in Melanie verliebt, diese aber bereits mit dem etwas naiven Dutch (Michael Rosenbaum) liiert ist und dieser letztlich sogar ebenfalls zum Angestellten von Oz avanciert.

Mit seiner Pilot-Folge legte Breaking In einen furiosen Start hin und verbreitete ein leichtes Versprechen, ein Nachfolger von Scrubs sein zu können. Allerdings vermochte nur White On White On White ebenso unterhaltsam auszufallen, was jedoch nichts daran ändert, dass Goldbergs und Gordons Serie eine der Überraschungen dieses Serienjahres ist. Die Figuren sind ob ihrer Schrulligkeit ausgesprochen liebenswürdig geraten, sei es Ultra-Nerd Cash (“Boom goes the dynamite!“) oder der über-Jock Dutch, der von Smallville-Lex Luthor Michael Rosenbaum mit viel Spaß am Spiel porträtiert wird. Der auf Oneliner reduzierte Christian Slater und die scharfe und talentierte Odette Annable komplettieren das Bild.

Harrison wiederum ist eine dankbare Identifikationsfigur in der schrägen Welt von Contra Security, die zudem von Alyssa Milano, Ted McGinley und Mike Tyson besucht wird. Besonders im Gedächtnis bleiben die kreativen Ideen der Autoren, die meist dem allwissenden und allgegenwärtigen Slater auf den Leib geschrieben werden. Dass sich dieser im Komödienfach (Kuffs und Heathers lassen grüßen) besser schlägt als beim Drama (siehe My Own Worst Enemy), zeigt sich eindrucksvoll. Nach sieben Folgen wurde die Serie jedoch von Fox nicht für eine zweite Staffel verlängert, allerdings lassen gegenwärtige Verhandlungen mit Sony Television darauf hoffen, dass Breaking In eine zweite Staffel erhält.

7.5/10

The Big Bang Theory - Season Four

If ifs and buts were candy and nuts, we’d all have a merry Christmas.

In den vergangen Monaten war Chuck Lorre zumindest indirekt in der Presse vertreten als „Verlierer“ und „Clown“ - so die Worte von Charlie Sheen. Dieser war Star von Amerikas erfolgreichster Fernsehserie: Two and a Half Men. Zumindest bis Sheens Sex- und Drogeneskapaden zu seinem Rauswurf führten. Viel Lärm um Nichts, müssten sich da die Beteiligten von Lorres anderer Sitcom, The Big Bang Theory, denken. Deren Quote wuchs im Laufe ihrer drei Staffeln stetig und befindet sich nur wenige Millionen Zuschauer hinter Two and a Half Men. Umso erfreulicher für Lorre, dass von seinen Nerd-Darstellern rund um Emmy-Preisträger Jim Parsons kaum einer durch Sex- und Drogenexzesse auffallen dürfte.

Nach drei Jahren Nerdlore erhält die Show nunmehr verstärkt weiblichen Zuwachs. Sheldon (Jim Parsons) beginnt auf Initiative seiner Freunde eine primär wissenschaftlich und sekundär soziale Verbindung zur Neurobiologin Amy Farrah Fowler (Mayim Bialik), während Howard (Simon Helberg) wiederum eine nunmehr feste Liaison mit Mikrobiologin Bernadette (Melissa Rauch) eingeht. Unterdessen müssen Penny (Kaley Couco) und Leonard (Johnny Galecki) mit dem Ende ihrer Beziehung klarkommen, während Letzterer eine alte Affäre mit Priya (Aarti Mann) aufwärmt - der Schwester von Rajesh (Kunal Nayyar). Zusätzlich: Sex und Diebstahl in der World of Warcraft, sowie die Rückkehr von Wil Wheaton.

Obschon gerade die Figuren von Rauch und Bialik nicht minder nerdig sind als die Jungs, verlässt The Big Bang Theory im vierten Jahr nun etwas die Gefilde der Nerdlore. Mit mehr oder weniger drei der Wissenschaftler in Beziehungen verankert, erhält das Thema des Sex und seiner Komplikationen auch vermehrt Einzug in die Welt von Chuck Lorre und Bill Prady. Gerade im letzten Drittel manifestiert sich dies in Eifersuchtsszenen zwischen Penny und Priya, was glücklicherweise jedoch nicht bedeutet, dass die Serie ihren Humor zurückschraubt - sie wandelt ihn einfach ab. So wird durch Priyas Anwesenheit zum Beispiel dem WG-Abkommen von Leonard und Sheldon mehr vergnügliche Aufmerksamkeit zuteil.

Besonders erfreulich ist zudem, dass nach dem Einbruch der dritten Staffel nun wieder eine Steigerung zu verzeichnen ist. Höhepunkte des vierten Jahres sind die Folgen The Wildebeest Implementation und The Robotic Manipulation, mit gelungenen Gastauftritten von Wheaton, Eliza Dusku, Keith Carradine und LeVar Burton. Lediglich ein leicht abbauender Mittelteil trübt das positive Bild der gelungensten Comedy-Serie 2010/11, die sich etwas unrühmlich mit einem müden und für Serien vorhersehbaren Cliffhanger im Staffelfinale bis Herbst verabschiedet hat. Nichtsdestotrotz ist The Big Bang Theory weiterhin wohl das Highlight im Comedy-Fach und der lebende Beweis, dass Chuck Lorre alles, aber kein Verlierer ist.

8/10

Grey’s Anatomy - Season Seven

Things don’t go the way we want them to.

Es liegt wohl daran, dass Serien einen Mikrokosmos darstellen, dass über kurz oder lang die Figuren einander sexuelle herumgereicht werden wie Appetizer auf einem Galaabend. Etwas, das sich auch der Einfachheit halber als Melrose Place-Syndrom benennen lässt und das kaum eine Serie so exaltiert betreibt, wie Shonda Rhimes’ Ärztedrama Grey’s Anatomy. Ohnehin ist das Bild von Ärzten durch US-Serien wie Chicago Hope oder ER davon geprägt, dass Ärzte ihre sexuellen Kontakte einzig in der eigenen Abteilung ausfindig machen. Ein Sozialleben außerhalb des Krankenhauses scheint nicht existent. Dementsprechend schwer hat es eine Serie, die ein derartiges Bild seit sieben Jahren aufrecht erhält.

Nach dem Amoklauf des Vorjahresfinales liegen die Nerven blank im Seattle Grace. Während sich die meisten Ärzte um Meredith (Ellen Pompeo) verhältnismäßig schnell fangen, rutscht überraschend gerade Cristina (Sandra Oh) in ein emotionales Loch. Ansonsten ist es das Jahr der klinischen Versuchsreihen, intendiert Derek (Patrick Dempsey) doch Alzheimer zu heilen, während sich Webber (James Pickens, Jr.), im Laufe der Staffel wieder zum Chief befördert, an Diabetes versucht. Zentral sind jedoch weiter die Beziehungen der Ärzte zueinander, so wie Callie (Sara Ramirez), die sich, von Sloan (Eric Dane) schwanger, mit Arizona (Jessica Capshaw) versöhnt, während Sloan Lexie (Chyler Leigh) vergrätzt.

Um alle Affären und Romanzen aufzuzählen, bedürfte es eines eigenen Reviews, grundsätzlich bleibt es bei der Beschreibung des Vorjahres, dass Grey’s Anatomy ein „riesiger Swinger-Klub“ ist. Was in den ersten Staffeln noch vergnüglich war, wird nun allmählich merklich ermüdend da unrealistisch, wenn jede der Figuren mit einem Kollegen verheiratet oder liiert ist. Ähnlich scheint es auch den Zuschauern zu gehen, die nach dem in der vierten Staffel eingesetzten Quotenrückgang die Serie nach dem Tiefpunkt der sechsten Staffel nochmals abstraften. Auch Versuche wie die Musicalfolge Song Beneath the Song, anbei bemerkt der Tiefpunkt der gesamten Serie, dürften kaum eine Wende herbeiführen.

Die Staffel ist dabei solide, obschon sie im Vergleich zu den beiden Vorjahren erneut abbaut. Höhepunkt ist Disarm, wenn thematisch passend die Konsequenzen eines externen Amoklaufs im Seattle Grace Einzug erhalten. Bisweilen ist Grey’s Anatomy, dieses Jahr mit Gastdarstellern wie Scott Foley oder Jamie Chung, also immer noch emotional ergreifend, schafft es allerdings nicht, seine Figuren wie Karev (Justin Chambers) wirklich weiter zu entwickeln. Das große Ensemble mit 14 Sprechrollen schlägt sich gut (besonders Kevin McKidd, aber auch Sarah Drew), kann jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass Rhimes’ Dramaserie langsam das Drama ausgeht. Denn inzwischen hat jeder mit jedem geschlafen.

7/10

The Office - Season Seven

You know this isn’t real TV, right?

Für gewöhnlich gibt es in Fernsehserien immer eine/n Darsteller/in, der/die über kurz oder lang Angebote für Kinoproduktionen erhält und letztlich ihrer Durchbruchsserie Lebewohl sagt. Egal ob diese Personen nun George Clooney (ER), Jennifer Aniston (Friends), Katherine Heigl (Grey’s Anatomy), David Duchovny (The X Files) oder Steve Carell heißen. Letzterer sah es nach Filmerfolgen mit Get Smart oder Date Night nicht für nötig, seinen auslaufenden 7-Jahres-Vertrag für die Workplace-Comedy The Office zu verlängern. Weshalb es nach sieben Jahren und 137 Folgen in einer Doppelepisode hieß: “Goodbye Michael“. Ein Abschied, von dem sich ab Herbst zeigen wird, ob er verkraftet und überlebt werden kann.

Mit der Übernahme von Dunder Mifflin gilt es sich in Scranton an den neuen Arbeitgeber anzupassen. Oder auch nicht, treibt Michael Scott (Steve Carell) doch weiterhin seinen typischen Unsinn, der neue Nahrung erhält, als in der Mitte der Staffel vorübergehend seine alte Flamme Holly (Amy Ryan) zurückkehrt. Jim (John Krasinski) und Pam (Jenna Fischer) sind derweil mit der Erziehung ihrer kleinen Tochter beschäftigt und mit dem Liebesdreieck zwischen Erin (Ellie Kemper), Andy (Ed Helms) und Gabe (Zach Woods) bahnt sich eine neue Romanze rund um die Sekretärin an. Dwight (Rainn Wilson) versucht unterdessen alles, um nach Michaels Abschied zum neuen Regional Manager seines Arbeitgebers aufzusteigen.

Die gute Nachricht vorab: The Office steigert sich, wenn auch minimal, nach dem extremen Einbruch der sechsten Staffel im Vorjahr. Von der früheren Klasse der dritten und vierten Staffel ist Greg Daniels’ Sitcom jedoch weiterhin weit entfernt. Es zeigt sich verstärkt, dass der Serie langsam die Ideen ausgehen, beispielhaft in der drastischen Abnahme von Scherzen, die Jim seiner Nemesis Dwight spielt. Ohnehin versprühen er und Pam als geerdete Eltern kaum noch Romantik, weshalb Erin und Andy ziemlich offensichtlich als Ersatz angeboten werden. Nur vereinzelt zeigen sich Momente früherer Stärke, wie in dem Staffelhöhepunkt Classy Christmas, in dem Dwight an Jim lang aufgestaute Rache nimmt.

Ansonsten überzeugen gelegentlich charmante Ideen wie WUPHF.com oder Threat Level Midnight, ein Qualitätsanstieg macht sich jedoch erst gegen Ende und mit dem Übergang von Michael zu seinem Interimsnachfolger Deangelo (Gaststar: Will Ferrell) bemerkbar. Ob dies auch in der achten Staffel der Fall sein wird, darf aber bezweifelt werden. Es scheint, als ginge The Office immer mehr die Puste aus und mit Rainn Wilson (Super) steht bereits der nächste Darsteller vor dem Sprung ins Kinogeschäft, was der inzwischen sehr schwachbrüstigen Sitcom (selbst das vor Gaststars wie James Spader, Ray Romano, Jim Carrey und Ricky Gervais überquellende Staffelfinale konnte nicht überzeugen) den Todesstoß versetzen würde.

7/10

Parks and Recreation - Season Three

Snitches get stitches.

Wie bereits in The Office erhält auch Greg Daniels’ zweite Workplace-Sitcom Parks and Recreation im dritten Jahr eine Frischzellenkur. Paul Schneider verabschiedete sich zu Gunsten seiner Filmkarriere, neu hinzu kamen stattdessen Rob Lowe und Adam Scott, die zugleich als neue love interests der beiden weiblichen Hauptdarstellerinnen Amy Poehler und Rashida Jones fungieren dürfen. Der Abschied von Schneider und das gefragte Interesse der Filmbranche an Jones und Aziz Ansari wirken jedoch bereits als ein Damoklesschwert über der Serie, bei der sich auch angesichts des Staffelfinales die Frage stellt, ob sie nach der vierten Staffel noch das Zeug hat, für weitere Jahre zurück zu kehren.

Das Haushaltsbudget der kleinen Stadt Pawnee im US-Bundesstaat Indiana ist knapp, was Leslie Knope (Amy Poehler) jedoch nicht davon abhält, das einst beliebte Erntefestival zurück ins Leben zu rufen. Inzwischen weiß sie sich ganz gut mit ihren Vorgesetzten Chris (Rob Lowe) und insbesondere Ben (Adam Scott) zu arrangieren. Ron Swanson (Nick Offerman) hingegen will einfach nur seine Ruhe haben, während sich Tom (Aziz Ansari) verstärkt als Entrepeneur versucht und neben einem eigenen Nachtklub auch ein eigenes Parfüm zu entwickeln beginnt. Unterdessen betritt Ann (Rashida Jones) wieder das Singledasein, das wiederum April (Aubrey Plaza) und Andy (Chris Pratt) durch eine spontane Hochzeit verlassen.

Nachdem die Sitcom in ihrem zweiten Jahr durch die vervierfachte Episodenzahl einen Qualitätsverlust erlitt, kommt ihr eine diesjährige Reduktion auf lediglich 16 Episoden - was allerdings eher Poehlers Schwangerschaft geschuldet war - positiv zu Gute. Mit Leslies Bestreben, trotz Finanzeinbußen ihren Bürgern etwas bieten zu wollen, hat die Show neben den romantischen Verwicklungen einen glaubhaften und passend umgesetzten thematischen Anstrich erhalten. Die Folge sind jedoch einige Redundanzen, die speziell Lowes optimistischen Gesundheitsfanatiker Chris, sowie Leslies und Bens Gefühle zueinander betreffen. Aber auch die anstrengende Liaison von April und Andy kann auf Dauer nerven.

Der starken Auftaktepisode folgt ein Abfall, der erst gegen Ende der zweiten Hälfte wieder aufgefangen wird. Hier erlebt die Serie mit The Fight und einem alkoholgeschwängerten Abend der Angestellten in Toms Diskothek ihren diesjährigen Höhepunkt. Gastdarsteller machen sich im Vergleich zur zweiten Staffel rar, lediglich Parker Posey gibt sich hier in der ebenfalls sehenswerten Folge Eagleton die Ehre. Es ist also erfreulich, dass sich Parks and Recreation wieder etwas konsolidiert hat. Welcher Weg jedoch inhaltlich wie personell nach dem (enttäuschenden) Staffelfinale bevorsteht, bleibt allerdings abzuwarten. Vielleicht wäre einer finalen vierten Staffel vor einem planlosen Versiechen der Vorzug zu geben.

7.5/10

Happy Endings - Season One

Cos that’s how I Jane.

Die Formel, dass eine Gruppe Freunde die optimale Rezeptur für eine Sitcom ist, hat in den neunziger Jahren Friends zur Perfektion gebracht und zu etwaigen Ablegern wie How I Met Your Mother oder nun Happy Endings geführt. Letztere Serie gehörte zu den diesjährigen Midseason Replacements, im Gegensatz zu Breaking In wurde die Show von David Caspe jedoch - trotz niedrigerer Quoten - sofort für eine zweite Staffel ab September verlängert. Die Konzeption der Serie ähnelt dabei in gewisser Weise How I Met Your Mother, findet im Ensemble doch eine Symbiose zwischen bekannten TV-Darstellern wie Eliza Coupe oder Elisha Cuthbert und unverbrauchten Gesichtern wie Casey Wilson und Adam Pally statt.

Am Tag ihrer Hochzeit entscheidet sich Alex (Elisha Cuthbert) spontan, nicht ihren langjährigen Freund Dave (Zachary Knighton) zu heiraten und lässt ihn neben den gemeinsamen Freunden am Traualtar stehen. Ein paar Wochen später entscheiden sich die beiden zum Wohl der Clique ihre Differenzen zu begraben und Freunde zu bleiben. Während Dave zu ihrem homosexuellen Freund Max (Adam Pally) zieht, stürzt sich Alex mit Freundin Penny (Casey Wilson) ins Nachtleben und auf Männerjagd. Das Ehe-Aus der beiden Freunde sorgt unterdessen beim einzig verheirateten Pärchen der Gruppe, Alex’ Schwester Jane (Eliza Coupe) und Brad (Damon Wayans, Jr.), für Bestandszweifel an der eigenen Beziehung.

Ähnlich wie Breaking In zählte Happy Endings zu den positiven Überraschungen des Jahres, auch jenseits ihres Midseason Replacement Status’. Obschon das ganze Ensemble Erfahrungen mitbringt, von Coupe (Scrubs) über Cuthbert (24) bis zu Knighton (FlashForward) und Wilson (Saturday Night Live), sind die meisten von ihnen weitestgehend unverbraucht und damit eine willkommene Abwechslung. Hierbei steht Pallys in der Popkultur verhafteter moppeliger Schwule im Zentrum der Aufmerksamkeit, aber auch Damon Wayans, Jr. beweist, dass mehr Komödientalent in ihm steckt, als im Wayans-Film Dance Flick zu sehen war, während Coupe ihren in Scrubs gezeigten Aufstieg untermauert.

Großer Pluspunkt der Sitcom ist neben der Chemie ihrer Darsteller die Vielfalt an Ideen, sowohl in narrativer wie dialogtechnischer Sicht. Am gelungensten fallen hier die Episoden The Quicksand Girlfriend und Mein Coming Out aus, während sich die Serie ein bisschen selbst im Weg steht, da man sich dazu entschloss, die Folgen nicht in produzierter Chronologie zu senden, weshalb bisweilen Anschlussfehler, speziell im Bezug auf die angespannte Beziehung zwischen Dave und Alex, entstehen. Dennoch präsentierte sich Happy Endings über weite Strecken sehr ordentlich, weshalb es mehr als verdient und so gesehen auch passend ist, dass die Serie ab Herbst mit einer zweiten Staffel ihr eigenes Happy End erhält.

7.5/10

25. Mai 2011

Unter Kontrolle

Fukushima, AKW-Moratorium, Brüderle, Deutschlands erster grüner Ministerpräsident. Eine Kausalkette - glaubt man der im Sterben liegenden FDP. Atomausstieg ist in, sogar für die Christdemokraten. Da passt es auch ganz gut, dass Volker Sattels thematische Dokumentation Unter Kontrolle in den Kinos startet. Sattel präsentiert dabei einen beobachtenden Film, der keine Frage stellt. Das Resultat: Wie Atomkraft genau funktioniert, und wozu sie benötigt wird, warum sie notwendig oder eben verzichtbar ist, interessiert nicht. Dafür viele statische und inhaltsfreie Einstellungen, was schnell ermüdend wirkt. Die ausführliche Kritik findet sich bei Evolver.

5/10

21. Mai 2011

TRON: Legacy

Change the scheme! Alter the mood!

Der Cineast weiß natürlich, dass Steven Lisbergers TRON, im Jahre 1982 undankbarer Weise gleichzeitig mit E.T. - The Extraterrestrial von Lisbergers Namensvetter Spielberg gestartet, damals nicht nur den VFX-Bereich revolutionierte, sondern seither auch zum Kutlfilm einer ganzen Generation avancierte. Unter anderem John Lasseter und Pixar dürfen als brain children des SF-Klassikers gelten. Dass es seit damals nicht zu einer Fortsetzung kam, dürfte vermutlich auch daran gelegen haben, dass die Effekte schnell sehr dated wirkten und die eigentliche Handlung des Filmes ohnehin ausgesprochen simpel und banal daherkam.

Bis sich nach unzähligen Drehbuchentwürfen vor zwei Jahren schließlich Joseph Kosinksi an ein Sequel heranwagte und für die ComicCon einen Teaser produzierte. Dieser richtete sich weniger an die Fan-Gemeinde und das Zielpublikum, als an die Produzenten von Disney, die so von einem weiteren Ausflug in die Rechnerwelt von Encom überzeugt werden sollten. Die Rechnung ging auf, TRON: Legacy erhielt mit einem Budget von 170 Millionen Dollar seine Existenzberechtigung. Von den Fans lang erwartet, startete dieses Jahr schließlich das Ergebnis in den Kinos, inklusive Jeff Bridges und dem Versprechen, das beste 3D seit Avatar zu bieten.

Nachdem Programmierer Kevin Flynn (Jeff Bridges) in den Achtzigern eines Abends verschwand, mussten sich sein Konzern Encom und sein Sohn Sam (Garret Hedlund) alleine weiterentwickeln. Gut zwei Jahrzehnte später lockt eine kryptische Nachricht Sam in die alte Spielhalle seines Vaters, wo er wie dieser plötzlich in die digitale Welt hineingezogen wird. Dort muss er sich dem diktatorischen Herrscher Clu (Jeff Bridges) stellen - einem Programm mit dem Erscheinungsbild eines jungen Flynn. Durch die Ankunft von Sam und die Öffnung des Portals in die Wirklichkeit, beginnt Clu nun, seine lang geplante Invasion der Realität vorzubereiten.

Sam hingegen will nur seinen Vater finden, der mit Hilfe des unabhängigen Programms Quorra (Olivia Wilde) im Exil außerhalb des Netzes haust. Und damit hat man auch schon die gesamte Handlung von TRON: Legacy umrissen, die sich bemüht, TRON in Simplizität noch zu übertrumpfen. Eines macht Kosinskis Debütfilm schon früh deutlich: der Inhalt ist nur dazu da, dem audio-visuellen Gerüst des Filmes ein Konstrukt zu verschaffen, an dem es sich orientieren kann. Denn Antworten auf die vielen offenen Fragen erhält der Zuschauer nicht, wie auch die Handlung des Films über mehrere Logiklöcher vom Ausmaß des Internets verfügt.

Immer wieder wirft der Film seinem Publikum Brocken vor, wie eine religiös-mystische digitale Rasse der Isos. Diese könnten, wenn sie es denn in die reale Welt schaffen, jene für immer verändern. Wie genau und warum, bleibt ebenso im Dunklen wie die digitale Welt selbst, die zwar keine digitale Sonne gebacken kriegt, dafür aber Klamotten, Bücher und Spanferkel. Die Gesetzmäßigkeiten dieser Welt bleiben also im Unklaren. Zum Beispiel auch, wie sie seit Jahrtausenden (digitale Zeit vergeht schneller als reale) existieren kann, sich dann jedoch kaum über das Netz ausgebreitet zu haben scheint. So bleibt sie trotz 3D eindimensional.

Und obschon TRON: Legacy wie auch Avatar direkt in 3D gedreht wurde - anstatt den Weg der nachträglichen Konvertierung eines Alice in Wunderland oder Clash of the Titans zu gehen -, verpufft dieser Effekt nahezu über die gesamte Laufzeit hinweg. Zwar schickt sich Kosinskis Film an, in der Tradition von The Wizard of Oz erst mit Betreten der digitalen Welt in die dritte Dimension vorzustoßen, doch eine bemerkenswerte Tiefe wird dem Endprodukt dadurch selten bis nie verliehen. Dies mag allerdings auch daran liegen, dass der Film zweieinhalb Stunden im Dunkeln spielt, von Dreidimensionaltät sieht man jedenfalls nicht allzu viel.

Auch die visuellen Effekte hauen ebenso wie die Musik von Daft Punk, die parallel zum Entstehungsprozess des Filmes entstand, nicht vom Hocker. Zwar glüht und leuchtet jede Menge (selbst das Jedi-Gewand von Jeff Bridges), aber im direkten Vergleich zum hell-bunten Avatar zieht die TRON-Fortsetzung in allen Belangen den Kürzeren. Wenigstens die Beats des französischen House-Duos können bisweilen einen Anflug von (digitaler) Stimmung erzeugen, werden jedoch alsbald für die Rückkehr in die banal-monotone Welt von Sam und Co. abgewürgt. Dennoch ist der auditive Aspekt des Filmes noch das einzig wirklich lobenswerte Merkmal.

Viel Arbeit floss in den audio-visuellen Charakter, wenig Arbeit in die eigentlichen Charaktere. Sie bleiben wie die Handlung blass, während ihre Motive beliebig erscheinen. Hedlund ist ein austauschbarer Bubi und Wilde zwar sexy, aber wenig mehr. Die verjüngte Version von Bridges hätte etwas Charisma, würde dieses nicht unentwegt von dem krampfhaft wirkenden Effekten überschattet, die einen digitalen Bridges präsentieren, dessen Ursprünge stets sichtbar sind. Dagegen wird dem natürlichen Bridges wenig mehr aufgetragen, als pseudo-philosophische Satzverstücke wie bio-digital jazz rauszupressen, die meist auf man enden.

In Nebenrollen erhascht man kurz Darsteller wie Bruce Boxleitner, Michael Sheen oder Cillian Murphy, die allesamt in ihren wenigen Minuten lebendiger wirken als das übrige Ensemble zusammen. Und obschon sich TRON: Legacy an einigen Actionszenen versucht, verkommt der Film letztlich doch zu einem nichtsagenden und vor allem gähnend-langweiligen Vehikel, dessen Scheitern sich exemplarisch in seinem Finale ausmachen lässt, welches in Schrittgeschwindigkeit voranschreitet, während zugleich die eigentliche Klimax nie wirklich bedrohend wirkt. Ein Film, zum Scheitern verurteilt. Oder wie Clu sagen würde: End of Line, man.

3.5/10

19. Mai 2011

Auf Teufel komm raus

Ob das menschlich ist, weiß ich nicht.

„Wegschließen – und zwar für immer!“, so äußerte sich Bundeskanzler Gerhard Schröder vor zehn Jahren über den Sexualmord an der kleinen Julia aus dem hessischen Biebertal. Passend zur aktuell wieder aufflammenden Diskussion zur Sicherheitsverwahrung kommt nun Auf Teufel komm raus in die Kinos, eine Dokumentation über Karl D. aus der nordrhein-westfälischen Gemeinde Randerath. Vor zwei Jahren wurde Karl D. nach einer 14-jährigen Haftstrafe wieder freigesetzt. Er soll 1994 zwei Mädchen, 14 und 15 Jahre alt, sexuell misshandelt, vergewaltigt und dann ihre Schamlippen zusammengenäht haben. Jetzt stehen die Mitglieder der Gemeinde vor seinem Haus und skandieren: „Wir wollen keine Kinderschänderschweine!“

Drastischer ist die rechtsradikale Fraktion, die nach „Ausrottung“ und „Todesstrafe“ ruft, und sich in einem Straßenzug ebenfalls zum Haus von Karl D. durchzuschlagen versucht. Beziehungsweise dem Haus von Helmut D., der seinen Bruder nach der Haftentlassung bei sich aufnahm und dadurch selbst zur Zielscheibe der Demonstranten wurde. „Nur im Doppelpack“ kriege man sie weg, erklärt Helmut D. zu Beginn und äußert sein Vertrauen darin, dass sein Bruder unschuldig ist. Er sei „schon überzeugt, dass er es nicht war“, erklärt Helmut und auch Karl bestätigt gegenüber der Kamera seine Unschuld. Für den Staat aber ist Karl D. ein Wiederholungstäter, saß er 1985 doch bereits fünfeinhalb Jahre wegen Vergewaltigung einer 15-Jährigen ein.

Damit zählt er juristisch gesehen zu jenen zehn Prozent der Sexualstraftäter, die laut einer Studie von 2006 wieder sexuell straf- beziehungsweise rückfällig werden. Vor zwei Jahren, als Mareille Klein und Julie Kreuzer die Dreharbeiten zu Auf Teufel komm raus aufnahmen, entfielen 0,26 Prozent der bundesweit verübten Straftaten auf den sexuellen Missbrauch von Kindern. Numerisch sind das 11.319 Fälle und damit fast 4.000 weniger als noch zehn Jahre zuvor. Aber wer interessiert sich für eine Rückfallquote und Straftatabnahme, wenn ein zweifach verurteilter Sexualstraftäter ans Ende der Straße einzieht? Da beruhigt auch die polizeiliche 24-Stunden-Überwachung die Bürger von Heinsbergs Stadtteil Randerath kaum.

Sowieso stellt man sich im Verlauf der Dokumentation mehr und mehr die Frage, ob die Polizei eigentlich die Menschen vor Karl D. beschützt oder nicht doch eher Karl D. vor dem Mob auf der Straße? „Ob das menschlich ist, weiß ich nicht“, zeigt sich Helmut D. wenig verständnisvoll für die Demonstrationen der Anwohner, die scheinbar täglich von Statten gehen. Die Animosität der Demonstranten richtet sich dabei nur indirekt gegen Helmut D. selbst, mit hineingezogen wird der Familienvater allerdings dennoch. Kurzzeitig ziehen seine Frau und Sohn aus, Helmut D. wird wegen Morddrohungen ein Mal zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen, ein anderes Mal landet er wegen Herzproblemen im Krankenhaus.

Gegen den eigenen Bruder stellen will er sich dennoch nicht. „Er gehört zur Familie“, sagt Helmut D. bestimmt. Später kommt die Frau mit dem gemeinsamen Sohn zurück, einige der demonstrierenden Frauen suchen den Dialog mit der Familie. Sie setzen sich mit Karl zusammen, der scherzt und versichert, er sei zu Unrecht verurteilt worden. Danach steht für manche der Damen fest, „dass ich nicht mehr demonstriere“. Einige Tage darauf sind die Frauen selbst zu Opfern ihrer Mit-Demonstranten geworden, die den vermeintlichen Schulterschluss mit dem „Kinderschänder“ nicht begreifen können. Viel dreht sich in Kreuzers und Kleins Auf Teufel komm raus um die Schuldfrage von Karl D., der lediglich die erste Vergewaltigung zugibt.

Eine Antwort gibt der Film nicht, nur eine Texttaffel zu Beginn verkündet den Sachverhalt und das Urteil des Gerichts. Details zur zweiten Verurteilung, ein Statement des damaligen Verteidigers oder des Staatsanwaltes erspart sich der Film. Ob Karl D. schuldig ist oder nicht, muss der Zuschauer für sich selbst entscheiden, ohne sich an Beweisen für die eine oder andere Seite orientieren zu können. Ebenso lässt der Film Stellungnahmen der Polizei und des Gemeinde- oder Landrats zu den Vorkommnissen vermissen. Was umso bedauerlicher ist, da Helmut D. zu einem Zeitpunkt immerhin schwere Vorwürfe gegen die Kriminalpolizei (die ihn überfallen haben soll) und einen der Landräte (der die Demonstrationen angeblich absegnet) erhebt.

Insofern hat die Dokumentation von Julie Kreuzer und Mareille Klein eher beobachtenden, denn aufklärenden Charakter. Überraschenderweise weisen zwei der Demonstrantinnen selbst eine sexuelle Misshandlung in ihrer Jugend auf, was ihrer Aktion etwas mehr Tiefe und Verständnis verleiht. Ohnehin bezieht Kleins und Kreuzers Film aus der Gegenüberstellung der beiden Positionen seine große Stärke. Juristisch gesehen hat Karl D. seine rechtmäßige Strafe erhalten, faktisch hat diese jedoch erst begonnen, beziehungsweise dauert sie an. Im Mittelpunkt steht dabei weniger der Sexualstraftäter selbst, als vielmehr sein loyaler Bruder. Blut ist dicker als Wasser, so ein altes Sprichwort und Helmut D. ist sein lebendes Beispiel.

Was emotional in Karl D. vor- und auch was das Streitthema Sicherheitsverwahrung angeht, kann die Dokumentation nur bedingt eruieren, weshalb sie sich Analysen und Positionierungen erspart. Stattdessen liefert sie Einblicke in die Denke von Menschen, in das Dilemma des Widerspruchs von juristischer und emotionaler Gerechtigkeit. Darf Karl D. nach abgesessener Haft auf freien Fuß, aber bitte nicht in meine Gemeinde? Soll er als Präventionsmaßnahme in Sicherheitsverwahrung, aber wenn ja, wie lange? Fragen, die ans Publikum weitergegeben werden. Auf Teufel komm raus widmet sich einem interessanten, spannenden und wichtigen Thema, auch wenn er einige journalistische Fragen offen lässt.

7/10

17. Mai 2011

Waste Land

It’s where everything not good goes, including the people.

Über sechs Millionen Menschen leben in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro, weitere 5,5 Millionen Einwohner in der unmittelbaren Umgebung. Zusammen produzieren sie jeden Tag über 9.000 Tonnen Müll, von denen rund 7.000 Tonnen – und damit 70 Prozent des Mülls von Rio – auf der Mülldeponie Jardim Gramacho landen. Zu den weggeworfenen Materialien zählen neben Lebensmitteln auch alte Röntgenbilder, Schuhe, Bücher bis hin zu Leichen von Gangopfern oder Babys. Für Vik Muniz, einen brasilianischen Gegenwartskünstler der inzwischen in New York lebt und auch mit Müll arbeitet, erschien der Jardim Gramacho ideal für seine Müll-Installationen.

Von den 7.000 Tonnen Müll, die täglich im Jardim Gramacho landen, lassen sich 200 Tonnen recyceln. Diese Aufgabe übernehmen die catadores – die Müllsammler. Um die 3.000 gibt es von ihnen, die den Müll nach PET und Co. durchforsten und die wieder verwertbaren Materialien verkaufen. „Wie an der Börse“, erklären die Leiter der Müllhalde. Die Masse Müll, die hier täglich recycelt wird, entspricht der Masse, die eine Stadt mit 400.000 Einwohnern pro Tag produziert. Valter dos Santos ist seit 26 Jahren ein catador und wundert sich noch immer, warum viele PET-Flaschen nicht recyceln, weil eine Flasche mehr oder weniger für sie keinen Unterschied macht.

„99 ist nicht 100“, lautet Valters Mantra. Er und die anderen Sammler sind weniger depressiv denn lebensfroh. Viele von ihnen kennen es nicht anders, schaffen sie doch seit Jahren im Jardim Gramacho. Zumbi, der gut erhaltene Bücher aus dem Müll klaubt, um damit eine Kommunalbibliothek zu eröffnen, arbeitet hier seit er 9 ist. Suelem, alleinerziehende Mutter zweier Kinder, hat von ihren 18 Lebensjahren bereits 11 mit Arbeiten zugebracht und auch Isis ist vor fünf Jahren zu den catadores gestoßen. „Das hier ist keine Zukunft“, sagt sie zwar, doch mit umgerechnet zwischen 13 bis 17 Euro am Tag, verdient sie verhältnismäßig gutes Geld. Und sie kann ihre Ehre behalten.

Muniz und sein Arbeitskollege Fabio planen nun, Porträts einiger catadores als großflächige Installation mit Müll nachzubauen und dann erneut abzulichten. Der Erlös der Bilder soll der ACAMJG, der Vereinigung der catadores des Jardim Gramacho, zu Gute kommen, die von Sebastiao Carlos dos Santos ins Leben gerufen wurde. Tiao, ein lebenslustiger junger Familienvater, zitiert Machiavelli und liest Nietzsche - dank Bücher, die er aus dem Jardim Gramacho geklaubt hat. Das Bild für das Tiao Model steht, ein Replikat von Jacques-Louis Davids „Der Tod des Marat“, wird später für rund 30.000 Euro in London verkauft werden – 30.000 Euro für einen Haufen Müll.

Waste Land befasst sich ab einem gewissen Zeitpunkt weniger mit Muniz und seinen Vorstellungen, als mit Tiao, Isis, Suelem und den anderen, deren Alltag durch seine Ankunft unterbrochen wird. Sie alle haben eine Geschichte zu erzählen, sei es der Tod eines Kindes, der sie in den Jardim Gramacho trieb, oder die Arbeitslosigkeit des Ehemannes. Alle kamen mit Schwierigkeiten zur Müllhalde, aber alle behielten ihre Würde. Besonders die Frauen heben hervor, dass sie nicht dem Drogenhandel oder der Prostitution zum Opfer fielen, die als einzige Alternative erscheinen. „Ich trage das mit Stolz“, berichtet Valter von seiner Vize-Präsidentschaft in der ACAMJG-Union.

Zugleich werfen diese Umstände jedoch Fragen auf, derer sich Regisseurin Lucy Walker nicht widmet, vielleicht auch gar nicht widmen kann. Denn was wäre, wenn die Einwohner von Rio ihren Müll selbständig trennen würden? Wenn die 200 Tonnen wieder verwertbarer Abfall täglich wegfallen und somit die Valters, Zumbis und Suelems keine Arbeit hätten? Bliebe Isis und den anderen Frauen dann keine Alternative zur Prostitution? Müsste Zumbi mit Drogen handeln, um seine Familie zu ernähren? Zudem offenbart eine kurze Szene, in der das Büro von ACAMJG überfallen und der Monatslohn der catadores geraubt wird, dass auch hier nicht heile Welt herrscht.

Dieser Teufelskreis und die Abhängigkeit der catadores vom Abfall der Bewohner Rios bleibt in Waste Land wohl gezwungenermaßen etwas außen vor. Stattdessen beschränkt sich Walker auf die Sammlercharaktere und dies in einer weitaus zugänglicheren Weise, als es beispielsweise Werner Herzog und Errol Morris für gewöhnlich in ihren Filmen pflegen. Walkers Protagonisten sind menschlich und greifbar, ohne dass sie indirekt der Lächerlichkeit preisgegeben werden ob ihrer Eigenartigkeit. So entsteht ein authentisches Bild der ärmeren Einwohner Rios, wie man es aus den Werken Fernando Meirelles’ kennt, der hier als ausführender Produzent fungierte.

Sowohl die Beteiligten als auch die künstlerischen Produkte ihres Schaffens faszinieren in Waste Land. „Was ich wirklich will, ist die Möglichkeit zu haben, das Leben einer Gruppe von Menschen zu verändern“, erklärt Muniz zu Beginn. „Mit demselben Material, mit dem sie sich jeden Tag umgeben.“ Zu diesem Zeitpunkt wirkt die Äußerung eher auf die späteren Besucher im Museum gemünzt, letztendlich trifft sie jedoch vielleicht viel mehr auf die catadores in Waste Land zu. Muniz’ Projekt und Walkers Dokumentation veränderten ihr Leben. Eine Veränderung, die auch die restlichen catadores erwartet, denn der Jardim Gramacho wird im kommenden Jahr geschlossen.

8/10

13. Mai 2011

Tangled

They just can’t get my nose right!

Obschon Pixar inzwischen das Monopol auf Zeichentrick-Meisterwerke inne hat, verbindet man diese seit jeher zu recht mit den Walt Disney Studios. Diese begannen ihren Siegeszug 1937 mit der Premiere von Snow White and the Seven Dwarfs, dem ersten Animationsfilm überhaupt nach einem Märchen der Gebrüder Grimm. Die Adaption von Märchen jeglicher Art, sei es aus dem zentraleuropäischen (Beauty and the Beast), skandinavischen (The Little Mermaid) oder arabischen (Aladdin) Raum, markierte speziell in den erfolgreichen neunziger Jahren das Erfolgsrezept des Studios. Umso passender also, dass Tangled, der 50. Animationsfilm aus dem Hause Disney, seine Herkunft erneut in einem grimm’schen Märchen findet.

Die grimm’sche Geschichte von Rapunzel und ihrem langen Haar, von den Brüdern 1812 niedergeschrieben, stammt ursprünglich aus Frankreich, wo sie 1698 festgehalten wurde. Disneys Adaption ist erwartungsgemäß sehr viel zeitgenössischer und freier geraten. In Tangled ist Rapunzel (Mandy Moore) eine in einem abgelegenen Turm gefangen gehaltene Prinzessin, deren Haar das Leben ihrer Entführerin, der alten Gothel (Donna Murphy), künstlich verlängert. Als der im Königreich gesuchte Dieb Flynn (Zachary Levi) auf der Flucht den Turm findet und erklimmt, verheddert er sich sprichwörtlich in Rapunzels Leben (daher der englische Filmtitel). Gemeinsam verlassen sie den Turm und beginnen ein großes Abenteuer.

Da Rapunzel nichts von ihrer eigentlichen Herkunft und Entführung weiß und sie den Turm in Abwesenheit von Gothel auch nur einen Tag verlassen will, um eine Prozession zu sehen, die ihre leiblichen Eltern jährlich vornehmen, gerät Tangled etwas komplexer als dies noch vor siebzig Jahren der Fall bei Disney gewesen sein mag. Grundsätzlich folgt der Film von seinem Aufbau her dem klassischen Prinzip des Studios (der Road Trip als Event, siehe auch The Princess and the Frog), in seiner Umsetzung ähnelt das Ganze jedoch weniger dem warmherzigen Humor von Disney und Pixar, sondern erinnert an den zotigen Schenkelklopfercharme solcher DreamWorks-Filme wie zum Beispiel Shrek 2 oder auch Over the Hedge.

Die beiden Regisseure Byron Howard und Nathan Greno, zuvor verantwortlich für den höchst vergnüglichen Bolt, punkten durch sympathische Figuren und pointierten Humor. Seien es die Augen- und Kopfbewegungen von Chamäleon Pascal oder der stolze Hengst Maximus, beide zählen zu den gewohnt exzellenten tierischen Sidekicks von Disney. Hinzu kommt der leicht narzisstische Flynn und die selbstbestimmte Rapunzel, die mit langem Haar und großen, grünen Augen nicht nur optisch junge Wildheit versprüht, sondern die mit Zachary Levi und Mandy Moore auch sehr gelungene Synchronstimmen erhielten. Speziell Levi weiß dank Chuck gekonnt durch Nuancen in der Stimme Humor zu erzeugen.

Tangled besitzt ausreichend Tempo in seiner Handlung, mehr als genug herzhaften Humor und Songs von Alan Menken, die bisweilen an The Little Mermaid erinnern (zum Beispiel „Mother Knows Best“), ohne jedoch derart im Gedächtnis hängen zu bleiben. Besonders weiß ein Maß an Selbstironie zu gefallen, dass in seiner fast schon „Vierte Wand“-artigkeit eher ungewöhnlich für einen Kinderfilm ist. Hier machen zudem auch die tertiären Figuren wie die Gebrüder Stabbington (Ron Perlman) Spaß, während der Film dank seiner hohen Farbenfreude zumindest den Eindruck erweckt, dass sich das 3D im Kino gelohnt haben könnte. Die Animation kann jedenfalls überzeugen - was sie angesichts ihrer Kosten auch sollte.

Denn diese belaufen sich in Höhe von 260 Millionen Dollar und machen Tangled nicht nur zum teuersten Animationsfilm aller Zeiten, sondern zugleich - Inflation nicht einberechnet - zum zweitteuersten Film, der je produziert wurde. Umso notwendiger schien daher der 3D-Effekt, um auf jeden Fall die Kosten wieder einzuspielen (in diesem Fall sogar mehr als das Doppelte). Nach dem etwas flachen, wenn auch sympathischen The Princess and the Frog übertrifft Disney erfreulicher Weise die Qualität von Bolt, der vor drei Jahren der erste wirklich gelungene Beitrag des Studios seit Lilo & Stitch war. Insofern ist Tangled nicht nur ein exzellenter Film, sondern auch ein mehr als würdiger 50. Beitrag aus dem Hause Disney.

8.5/10

7. Mai 2011

The Kennedys

To this family. If I knew its secret I would bottle it and sell it.

Wer sich fragt, warum beim geschätzten Kollegen von Kino, TV & Co. seit Monaten die Gardinen zugezogen sind, findet die Erklärung darin, dass dahinter gerade Geschichte geschrieben wird. Visual History heißt das Feld des designierten Dr. Hellwig und beschäftigt sich mit der steigenden massenmedialen und fiktionalen Vermittlung historischer Ereignisse und deren Bedeutung in Folge zur Neige gehender Zeitzeugen(-berichte). Sprich: Spielfilme und TV-Serien, speziell die mit historischem Bezug, sind nicht nur „rein unterhaltender Natur“, sondern „essentieller Bestandteil der Erinnerungskultur“. Sie verraten daher „weniger etwas über die Vergangenheit, als über die aktuelle Sicht auf die Geschichte“.

Viel debattiert wurde nun im Vorfeld der zehnteiligen Mini-Serie The Kennedys, die Joel Surnow, Schöpfer der reaktionären Echtzeit-Serie 24, für den US-amerikanischen Fernsehsender History Channel mit einem Budget von 30 Millionen Dollar umsetzte. Kritiker wie der Filmemacher Robert Greenwood beschrien nach Sichtung erster Drehbücher, bei Surnows Miniserie handele es sich weniger um dramatisierte Faktizität, denn um auf Fiktionalisierung aufbauender Verleumdung. Im Sturm der Protestwelle holte der History Channel seine Segel ein, The Kennedys wurde behandelt wie ein Bastardkind, mit dem man nicht wusste wohin, ehe es ein neues Zuhause beim zweitklassigen ReelzChannel fand.

Der Kennedy-Clan gilt geheim hin als die Königsfamilie der Vereinigten Staaten. So beliebt wie US-Präsident John F. Kennedy, seine First Lady Jackie Bouvier und Senator Robert F. Kennedy beim Volk waren, so tragisch waren die Umstände ihres Verscheidens. Jener „Kennedy-Fluch“, dem später auch Robert Kennedys Söhne David (†1984) und Michael (†1997) ebenso wie John F. Kennedy Jr. (†1999) zum Opfer fallen sollten. Die irisch-stämmigen Kennedys - in gewisser Hinsicht das Gegenstück zur Bush-Dynastie - sind für viele Amerikaner somit gelebtes Kulturerbe. Daran will und kann auch The Kennedys nichts ändern, das sich weniger als Dokudrama denn politisch-amouröses Ränkespiel anbiedert.

Ein Familienfoto der Kennedys (Vater Joe i.d.m., Jack 1.v.l., Bobby 2.v.r.)
Eine Mischung aus The West Wing und Denver Clan nannte es die Süddeutsche Zeitung und kommt dem Ganzen damit ziemlich nahe. In den zehn rund einstündigen Episoden wird von John F. Kennedys (Greg Kinnear) Wahlsieg bis hin zur Erschießung seines Bruders Robert F. Kennedy (exzellent: Barry Pepper) etwas weniger als ein Jahrzehnt (mit gelegentlichen Rückblenden) abgehandelt. So charakterisiert die Auftaktfolge A Father's Great Expectations Familienoberhaupt und Ex-Botschafter Joseph Kennedy Sr. (Tom Wilkinson) als machtbesessenen Egomanen, der auf Teufel komm raus seine Söhne zu Präsidenten machen will (die Rolle fällt Jack erst zu, als sein großer Bruder Joseph verstirbt).

John F. Kennedy wiederum ist kaum mehr als ein Pillenabhängiger Schürzenjäger, der Jackie (Katie Holmes) selbst am Wahltag vor dem eigenen Haus betrügt und dieses Laster auch später nicht loswird. Als unbeholfenen Politiker zeigen ihn Rückblenden, in denen er erst die Gunst der Menschen gewinnt, als er aus dem Herzen spricht und sich als einer der ihren zeigt. Das Schweinebucht-Desaster des Aprils 1961, wenige Monate nach seiner Amtseinführung, wird zur politischen Emanzipationsfrage - fortan steht der Präsident mit der CIA auf Kriegsfuß. Und auch vom kontrollierenden Vater können sich Jack und Bobby in der Folgeepisode Broken Promises and Deadly Barriers vollends abnabeln.

Es folgen Intermezzi ob der Bürgerrechtsfrage, der Bau der Berliner Mauer, die Kubakrise, sowie die Attentate auf beide Brüder. All diese historischen Ereignisse sind jedoch lediglich der Rahmen für das familiäre Drama, das sich in diesem abspielt. Die Bürgerrechtsfolge Moral Issues and Inner Turmoil um die Einschreibung von James Meredith zeigt zwar einen politisch gestärkten Kennedy, kann dem Thema und der Bedeutung des Ganzen aber nur bedingt gerecht werden. Der Berliner Mauerbau wird gar mit einem Schulterzucken abgetan und der Kubakrise war Roger Donaldson mit Thirteen Days weitaus gerechter geworden, als Katie Holmes’ finales Resümee “Daddy saved the world“ in On the Brink of War.

Für politische Zusammenhänge interessiert sich The Kennedys nicht. Der Zwiespalt zwischen den Brüdern und den Geheimdiensten (Jack mit der CIA, Bobby mit Hoovers FBI) wird kurz erwähnt, jedoch nicht in Zusammenhang gebracht mit etwaigen Verschwörungstheorien rund um ihre Attentate. Selbige rücken ebenso in den Hintergrund, wie die meisten historischen Ereignisse (möglich, dass insbesondere der 22. November 1963 kulturell ausreichend verhaftet ist). Überraschender Weise interessiert sich Surnow jedoch nicht einmal für Kennedys Affäre mit Marilyn Monroe, die zwar in The Countdown to Tragedy als Subplot auftaucht, ohne die beide Figuren allerdings zusammen zu zeigen.

Etwas gewagter gehen Surnow und Co. mit dem Gerücht um, dass Kennedys Wahlsieg in Chicago durch Sam Giancano und die Mafia bewirkt wurde, wenn dies wiederum Frank Sinatra in die Schuhe geschoben wird. Dieser ist mit Chris Diamantopoulos ebenso peinlich besetzt wie Charlotte Sullivan die Monroe verkörpert (würden beide Figuren nicht mit Namen angesprochen, man wüsste nicht, um wen es sich handelt). Grundsätzlich lässt sich sagen, dass sich The Kennedys in Anbetracht ihrer zehnstündigen Laufzeit erstaunlich wenig um seine Protagonisten oder ihr Tun schert. Was auch daran liegen kann, dass Surnow nicht weiß, worauf er den Fokus der Serie setzen soll: das Familien- oder Politdrama.

Denn die Symbiose der beiden Welten gelingt nicht wirklich. Zu selten wird die Untreue des Präsidenten direkt zwischen Kinnear und Holmes angesprochen, zu unplatziert und oberflächlich die historischen Begebenheiten integriert. Zwar deuten ständige Rückenschmerzen die kränkelnde Gesundheit Kennedys an, seine Hypothyreose und Morbus Addison werden hierbei jedoch nicht mal erwähnt. Dafür beschäftigt sich eine Folge plötzlich mit einem geistig zurückgebliebenen und einst weg gesperrten Familienmitglied, was zwar für deren Geltungsdrang einer gepflegten sozialen Erscheinung steht, aber ebenso wie die Integration der unbedeutenden Monroe-Episode lediglich Zeit für andere Dinge auffrisst.

Die chronologischen Abläufe sind somit zwar rudimentär vorhanden, wirken jedoch oft soweit reduziert, dass sie ob ihrer Historizität nicht allzu langatmig oder langweilig geraten. Infolgedessen disqualifiziert sich The Kennedys diesbezüglich schon selbst, als auf Faktizität aufbauendes Doku-Drama ernst genommen zu werden. Ob Sinatra eigenmächtig den Chicagoer Mob dazu angestiftet hat, Kennedy ins Amt zu heben, spielt hier eine untergeordnete Rolle und wird wohl, Visual History hin oder her, kaum das Geschichtsbild der rund eine Million Zuschauer, die Surnows Serie auf ReelzChannel verfolgten, beeinflussen. Genauso wenig wie das Bild der Kennedys trotz aller Dramatisierung Schaden genommen haben dürfte.

Das Bild von Kennedy ist das eines Normalos. Jemand, der von seinem Vater in ein Amt und ein Rolle gedrängt wurde, die er nicht ausfüllen wollte. Und der letztlich vielleicht mit allem ein wenig überfordert war. Kinnear, der bevorzugt einen sentimental-melancholischen Welpenblick aufsetzt, wird dabei dem beliebtesten US-Präsidenten nur bedingt gerecht. Ähnlich verhält es sich bei Holmes, deren Jackie sich irgendwann zwischen verletztem Treuegefühl und vernachlässigter Mutterschaft zu verlieren beginnt. Weitestgehend am sympathischsten kommt hier noch Peppers idealistischer Robert Kennedy weg, der die meiste Zeit als beschützender Berater seines Bruders und treusorgender Ehemann aufzutreten versteht.

Am Ende ist The Kennedys eine gut ausgestattete und namhafte Miniserie ohne großen historischen Wert und umso mehr Daily-Soap-Charakter. Also von rein unterhaltender Natur, aber deswegen nicht zwingend essentieller Bestandteil unserer Erinnerungskultur. Eine Geschichte über eine Familie, involviert in Macht und Intrigen (und seien sie externer Natur), beseelt davon, sich als Teil ihres Landes zu sehen und in dessen Dienst zu stellen. Das alles verrät weniger über die Geschichte, als über die aktuelle Sicht auf sie und straft Tom Wilkinson daher Lügen, wenn er an einer Stelle sagt: It’s not what you are, it’s what people think you are. And with the right amount of money you can make them think whatever you want.

6.5/10