Fast wäre Ang Lees Hulk der Auftakt einer Hulk-Reihe geworden, die in diesem Film ihre Fortsetzung gefunden hätte. Das ursprüngliche Drehbuch von Zak Penn zu The Incredible Hulk war nämlich mit einigen Andeutungen versehen, manche von ihnen (wie die Erwähnung, dass Bruce Banner seit fünf Jahren untergetaucht ist) existieren auch noch im fertigen Film. Aber The Incredible Hulk ist kein Sequel, sondern ein Reboot. Zu verdanken ist das auch Hauptdarsteller Edward Norton, der Penns Drehbuch fast täglich nach Belieben umschrieb, die Regie jedoch dann Louis Leterrier überließ. Dabei war The Incredible Hulk für Leterrier selbst lediglich ein Trostpreis, wollte der Franzose ursprünglich doch Iron Man inszenieren, dessen Regie ihm Marvel aber nicht zutraute. Beim Hulk-Reboot sah dies anders aus.
Seit fünf Jahren ist Bruce Banner (Edward Norton) auf der Flucht vor dem US-Militär unter der Führung von General Ross, dem Vater von Banners Freundin Betty Ross (Liv Tyler). Dies erklärt der Vorspann, der sich Anleihen an die Fernsehserie aus den Siebzigern erlaubt, jedoch einen eigenständigen Prolog erzählt. Ein Selbstversuch geht schief, Banner wird zum Hulk und fortan von Ross gejagt. Seinen potentiellen Frieden findet er in Brasilien beziehungsweise in den Favelas von Rio de Janeiro. Dort arbeitet Banner in einer Getränkefabrik und versucht in seiner Freizeit mit einem Wissenschaftler über Internet ein Gegenmittel für seine Gamma-Verstrahlung zu finden. Zur zeitlichen Verortung wird die Anzahl der Tage eingeblendet, die seit Banners letzter Transformation vergangen sind.
Mit Pulsarmbanduhr und Atemübungen versucht er seinen Puls unter 200 zu halten. Ein Unfall in der Fabrik sorgt allerdings dafür, dass General Ross Banners Aufenthaltsort erfährt. Kurzerhand organisiert Ross eine Sondereinheit rund um den britischen Spezialagenten Emil Blonsky (Tim Roth) und macht sich auf den Weg nach Rio de Janeiro. Dort kann Banner dank Transformation zum Hulk entkommen und macht sich anschließend auf den Weg nach Amerika. Denn seine Internetbekanntschaft Mr. Blue bedarf für ein Gegenmittel der Daten von Banners Versuchsreihe, diese befinden sich jedoch auf seinem Universitätsrechner. Um endgültig ein normales Leben führen zu können, muss Banner die Daten zurückholen und dabei den suchenden Augen von Ross und Blonsky entgehen.
Mehr Action wollte Leterrier in seiner Hulk-Adaption haben und mehr Action hat der Film am Ende auch bekommen. Drei Mal kommt der Hulk zum Einsatz, drei Mal darf sich Emil Blonsky an ihm als Gegenspieler versuchen. Zu Lasten der Action scheint dabei allerdings jegliche Form von Handlung gegangen zu sein, denn eine Geschichte weiß der Film nicht wirklich zu erzählen. Banner strebt nach einer Heilung, das ist klar, aber hätte er sich nicht denken können, dass dies nur anhand seiner bisherigen Ergebnisse möglich ist? Warum ein Dr. Sterns (Tim Blake Nelson), den Banner nur aus dem Internet kennt, erfolgreicher an einer Heilung arbeitet, als dieser selbst, ist ebenso unverständlich, gehört Banner laut Marvel-Comics doch zu den schlausten Wissenschaftlern des Planeten.
Ohnehin schöpft The Incredible Hulk so gut wie nie das Potential aus, welches in der Comicvorlage steckt. Warum rennt Hulk zum Beispiel ständig, wo er doch kilometerweit springen kann? Und warum ist der Hulk die ganze Zeit über so winzig, armselige zweieinhalb Meter groß? Allein in der Campus-Szene wurde ein ganzes Waffenarsenal auf ihn abgefeuert, weshalb er locker fünf Meter groß werden müsste. Schließlich wird der Hulk je größer und stärker, desto wütender er wird. Das ist es ja, was ihn zur stärksten Figur des Marvel-Universums macht. Der Hulk von Ang Lee konnte kilometerweit springen, er wurde größer und stärker, je wütender man ihn machte. Von all dem ist Leterriers und Nortons Figur meilenweit entfernt, fehlt dem Hulk doch alles, was ihn in den Comics auszeichnet.
Charakterelemente finden sich immerhin im Finale, das zwei klassische Hulk-Momente liefert, wenn einerseits Feuer mit der Kraft eines Handschlags getilgt wird und Hulk anderseits sein “Hulk smash!“-Zitat liefert. Das war es dann aber im Grunde auch schon, bedenkt man, dass sich die erste Action-Sequenz so ziemlich mit der zweiten deckt und die dritte wiederum nur eine Aufbereitung des Finales aus Iron Man darstellt. Hinzu kommt, dass der Hulk, der nach Leterriers Wünschen bedrohlich wirken sollte, eher zum Lachen anmutet. Sicherlich war Ang Lees popelgrüner Hulk in seiner Flummi-Artigkeit auch wenig überzeugend, allerdings wirkte er dennoch homogener als dies bei Edward Nortons die Zähne zusammenbeißendem gräulich-grünem Alter Ego der Fall ist.
Dessen Hände sind größer als sein Kopf und sein Bizeps platzt fast vor Adern und Gefäßen. Die Neuinterpretation des Hulk will somit nicht überzeugen, weder von ihrer Optik noch ihrem Verhalten her. Etwas interessanter sieht da schon Hulks finaler Antagonist Abomination aus, auch wenn die Filmversion ebenfalls eine etwas freie Adaption der Comicfigur darstellt. Da es den Produzenten wohl zu umständlich war, den Reptil-Ursprung von Abomination zu erklären, wird er einfach zum Wirbelmonster mit ADS-Syndrom. Das sorgt dafür, dass der Gegenspieler zwar lustig aussieht und grundsätzlich auch vielversprechend für das Finale hätte sein können, nur entpuppt sich der uninspirierte Kampf zwischen Abomination und Hulk letztlich dann doch als viel Lärm um Nichts.
Hatte man Iron Man zuvor ob seiner wagemutigen Entscheidung gelobt, Charakterdarsteller Robert Downey Jr. als Superheld zu besetzen, ging die Rechnung mit Edward Norton bei The Incredible Hulk nicht auf. Denn neben der fehlenden Geschichte ist die Besetzung von Norton sicherlich das Seppuku des ganzen Projekts. Von Bruce Banner hat Norton so irgendwie gar nichts, erst recht nicht, wenn er ständig mit seiner Mimik aus Primal Fear und Baseballmütze durch die Gegend rennt. Von Leistungen wie in American History X und Fight Club ist dies weit entfernt. Zwar konnte auch Eric Bana nur bedingt schauspielerisch überzeugen, gegenüber einen absolut fehlbesetzten Norton wäre ihm jedoch klar der Vorzug zu geben. Ähnlich verhält sich für die übrigen Neubesetzungen.
Immerhin schlägt sich William Hurt sehr tapfer, jedoch kommt man nicht umhin, sich sehnsüchtigst sowohl nach Jennifer Connelly als auch Sam Elliott zu sehnen. War das Ensemble von Hulk eines der Überzeugendsten im Comic-Genre, wirken die Namen Norton, Tyler und Hurt wie eine „B-Movie“- oder „Direct-to-DVD“- Entscheidung. Lediglich Tim Roth weiß seiner Figur noch etwas abzugewinnen, nicht zu vergessen Tim Blake Nelson, der als hysterischer Forscher und potentieller The Leader in seinen wenigen Szenen durchaus Spaß macht, jedenfalls harmonischer ausfällt, als Downey Jr.’s Cameo kurz vorm Abspann als Appetizer zu The Avengers. Insgesamt befindet sich das Ensemble von The Incredible Hulk auf einem Lebel mit dem des Marvel-Kollegen The Fantastic Four.
Bedauerlich ist auch, dass bei all dem Versagen nicht einmal die Action-Szenen zu unterhalten wissen. Hier reicht kein fast zwei Stunden durch die Gegend rennender Edward Norton, der gelegentlich MG-Salven als Hulk auf seinem Rücken gewähren lässt. Insbesondere dann nicht, wenn das Ganze hierzulande auch noch geschnitten in den Kinos startet, sodass man sich nach Iron Man fragen muss, warum Concorde eigentlich überhaupt noch Filme vertreibt, wenn sie diese anschließend ohnehin beschneiden. Ausgemerzt werden sollte das durch eine ominöse Extended Version, von der in den Internetforen die Rede war. Daraus wurde allerdings nichts, sodass sich auf Special Editions der DVD oder eben der Blu-Ray lediglich 45 Minuten geschnittener oder erweiterter Szenen sehen lassen.
So gewöhnungsbedürftig manche der Spezialeffekte auch aussehen mögen, gebührt zumindest dem Hulk immer dann Lob, wenn man ihn im Dunkeln nicht richtig und nur schemenhaft sieht (was komischer klingt, als es ist). Auch die Verweise auf Iron Man, Nick Fury, S.H.I.E.L.D. oder Captain America sind ebenso wie die Verweise zur Fernsehserie ganz nett ausgefallen, ohne den Film jedoch vor dem Scheitern bewahren zu können. Viel zu sehr hadert The Incredible Hulk an seinen unfähigen Darstellern, der nicht existenten Handlung und langweiliger Action-Sequenzen. Mögen die 2011 anstehenden Captain America und Thor besser verfahren. The Incredible Hulk gehört jedenfalls in die Kategorie „Filme, die die Welt nicht braucht“. Oder in Hulks Worten: Puny humans.
2.5/10
Dass du so subversiv und ironisch sein kannst, Herr Rudi. ;)
AntwortenLöschenOder ist das vllt. gar nicht beabsichtigt gewesen? ;) :D
Ist nach XXY schon meine zweite "Kritik", die ich ohne Presseheft hinbekommen habe. Ich bin ganz stolz auf mich, hoffe der Vince weiß das auch mal zu schätzen ;)
AntwortenLöschenLol! Schönes Beispiel dafür, dass eine Review auch Lesenswert sein kann, wenn man sich weder sonderlich für den Film noch für den Franchise interessiert. ;-)
AntwortenLöschenUm hier auch mal zu bashen ...
AntwortenLöschenNorton seiner nicht
"Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" :P
Zum Rest:
In der Tat schön, mal keine 'Werbung' zu lesen, auch wenn der ein oder andere Ironieteil etwas zu stark forciert daherkommt. Weiter so. ;-)
"Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" :P
AntwortenLöschenNoch schöner finde ich aber Rudis ständiges "wie" statt "als". ;)
Zum Review: Nice, trotz der bemühten Keule.
Noch schöner finde ich aber Rudis ständiges "wie" statt "als". ;)
AntwortenLöschenWas glaubst Du, worauf ich ihn bei unserer letzten PV hingewiesen habe? ;-)
Nehmt euch ein Zimmer, ihr Zwei.
AntwortenLöschenIch bin Schwabe und sag "wie" statt "als". Daher findet sich in meinem Sprachschatz auch mitunter ein "tut" - wer damit ein Problem hat, kann ja nach Berlin ziehen :P
Stimmt, und Journalisten müssen ja auch nicht ordentlich schreiben können und der dt. Sprache fähig sein ... :P ;-)
AntwortenLöschenUnd Rajko unb ich haben schon lange eine Zimmer! :P
... genau.
AntwortenLöschenWär das Welt für euch beide eigentlich nix langweilig, wenn jedes so schlau und eloquänt währe als ihr?
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