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9. Juli 2008

The Incredible Hulk

Is that all you’ve got?

Fast wäre Ang Lees Hulk der Auftakt einer Hulk-Reihe geworden, die in diesem Film ihre Fortsetzung gefunden hätte. Das ursprüngliche Drehbuch von Zak Penn zu The Incredible Hulk war nämlich mit einigen Andeutungen versehen, manche von ihnen (wie die Erwähnung, dass Bruce Banner seit fünf Jahren untergetaucht ist) existieren auch noch im fertigen Film. Aber The Incredible Hulk ist kein Sequel, sondern ein Reboot. Zu verdanken ist das auch Hauptdarsteller Edward Norton, der Penns Drehbuch fast täglich nach Belieben umschrieb, die Regie jedoch dann Louis Leterrier überließ. Dabei war The Incredible Hulk für Leterrier selbst lediglich ein Trostpreis, wollte der Franzose ursprünglich doch Iron Man inszenieren, dessen Regie ihm Marvel aber nicht zutraute. Beim Hulk-Reboot sah dies anders aus.

Seit fünf Jahren ist Bruce Banner (Edward Norton) auf der Flucht vor dem US-Militär unter der Führung von General Ross, dem Vater von Banners Freundin Betty Ross (Liv Tyler). Dies erklärt der Vorspann, der sich Anleihen an die Fernsehserie aus den Siebzigern erlaubt, jedoch einen eigenständigen Prolog erzählt. Ein Selbstversuch geht schief, Banner wird zum Hulk und fortan von Ross gejagt. Seinen potentiellen Frieden findet er in Brasilien beziehungsweise in den Favelas von Rio de Janeiro. Dort arbeitet Banner in einer Getränkefabrik und versucht in seiner Freizeit mit einem Wissenschaftler über Internet ein Gegenmittel für seine Gamma-Verstrahlung zu finden. Zur zeitlichen Verortung wird die Anzahl der Tage eingeblendet, die seit Banners letzter Transformation vergangen sind.

Mit Pulsarmbanduhr und Atemübungen versucht er seinen Puls unter 200 zu halten. Ein Unfall in der Fabrik sorgt allerdings dafür, dass General Ross Banners Aufenthaltsort erfährt. Kurzerhand organisiert Ross eine Sondereinheit rund um den britischen Spezialagenten Emil Blonsky (Tim Roth) und macht sich auf den Weg nach Rio de Janeiro. Dort kann Banner dank Transformation zum Hulk entkommen und macht sich anschließend auf den Weg nach Amerika. Denn seine Internetbekanntschaft Mr. Blue bedarf für ein Gegenmittel der Daten von Banners Versuchsreihe, diese befinden sich jedoch auf seinem Universitätsrechner. Um endgültig ein normales Leben führen zu können, muss Banner die Daten zurückholen und dabei den suchenden Augen von Ross und Blonsky entgehen.

Mehr Action wollte Leterrier in seiner Hulk-Adaption haben und mehr Action hat der Film am Ende auch bekommen. Drei Mal kommt der Hulk zum Einsatz, drei Mal darf sich Emil Blonsky an ihm als Gegenspieler versuchen. Zu Lasten der Action scheint dabei allerdings jegliche Form von Handlung gegangen zu sein, denn eine Geschichte weiß der Film nicht wirklich zu erzählen. Banner strebt nach einer Heilung, das ist klar, aber hätte er sich nicht denken können, dass dies nur anhand seiner bisherigen Ergebnisse möglich ist? Warum ein Dr. Sterns (Tim Blake Nelson), den Banner nur aus dem Internet kennt, erfolgreicher an einer Heilung arbeitet, als dieser selbst, ist ebenso unverständlich, gehört Banner laut Marvel-Comics doch zu den schlausten Wissenschaftlern des Planeten.

Ohnehin schöpft The Incredible Hulk so gut wie nie das Potential aus, welches in der Comicvorlage steckt. Warum rennt Hulk zum Beispiel ständig, wo er doch kilometerweit springen kann? Und warum ist der Hulk die ganze Zeit über so winzig, armselige zweieinhalb Meter groß? Allein in der Campus-Szene wurde ein ganzes Waffenarsenal auf ihn abgefeuert, weshalb er locker fünf Meter groß werden müsste. Schließlich wird der Hulk je größer und stärker, desto wütender er wird. Das ist es ja, was ihn zur stärksten Figur des Marvel-Universums macht. Der Hulk von Ang Lee konnte kilometerweit springen, er wurde größer und stärker, je wütender man ihn machte. Von all dem ist Leterriers und Nortons Figur meilenweit entfernt, fehlt dem Hulk doch alles, was ihn in den Comics auszeichnet.

Charakterelemente finden sich immerhin im Finale, das zwei klassische Hulk-Momente liefert, wenn einerseits Feuer mit der Kraft eines Handschlags getilgt wird und Hulk anderseits sein “Hulk smash!“-Zitat liefert. Das war es dann aber im Grunde auch schon, bedenkt man, dass sich die erste Action-Sequenz so ziemlich mit der zweiten deckt und die dritte wiederum nur eine Aufbereitung des Finales aus Iron Man darstellt. Hinzu kommt, dass der Hulk, der nach Leterriers Wünschen bedrohlich wirken sollte, eher zum Lachen anmutet. Sicherlich war Ang Lees popelgrüner Hulk in seiner Flummi-Artigkeit auch wenig überzeugend, allerdings wirkte er dennoch homogener als dies bei Edward Nortons die Zähne zusammenbeißendem gräulich-grünem Alter Ego der Fall ist.

Dessen Hände sind größer als sein Kopf und sein Bizeps platzt fast vor Adern und Gefäßen. Die Neuinterpretation des Hulk will somit nicht überzeugen, weder von ihrer Optik noch ihrem Verhalten her. Etwas interessanter sieht da schon Hulks finaler Antagonist Abomination aus, auch wenn die Filmversion ebenfalls eine etwas freie Adaption der Comicfigur darstellt. Da es den Produzenten wohl zu umständlich war, den Reptil-Ursprung von Abomination zu erklären, wird er einfach zum Wirbelmonster mit ADS-Syndrom. Das sorgt dafür, dass der Gegenspieler zwar lustig aussieht und grundsätzlich auch vielversprechend für das Finale hätte sein können, nur entpuppt sich der uninspirierte Kampf zwischen Abomination und Hulk letztlich dann doch als viel Lärm um Nichts.

Hatte man Iron Man zuvor ob seiner wagemutigen Entscheidung gelobt, Charakterdarsteller Robert Downey Jr. als Superheld zu besetzen, ging die Rechnung mit Edward Norton bei The Incredible Hulk nicht auf. Denn neben der fehlenden Geschichte ist die Besetzung von Norton sicherlich das Seppuku des ganzen Projekts. Von Bruce Banner hat Norton so irgendwie gar nichts, erst recht nicht, wenn er ständig mit seiner Mimik aus Primal Fear und Baseballmütze durch die Gegend rennt. Von Leistungen wie in American History X und Fight Club ist dies weit entfernt. Zwar konnte auch Eric Bana nur bedingt schauspielerisch überzeugen, gegenüber einen absolut fehlbesetzten Norton wäre ihm jedoch klar der Vorzug zu geben. Ähnlich verhält sich für die übrigen Neubesetzungen.

Immerhin schlägt sich William Hurt sehr tapfer, jedoch kommt man nicht umhin, sich sehnsüchtigst sowohl nach Jennifer Connelly als auch Sam Elliott zu sehnen. War das Ensemble von Hulk eines der Überzeugendsten im Comic-Genre, wirken die Namen Norton, Tyler und Hurt wie eine „B-Movie“- oder „Direct-to-DVD“- Entscheidung. Lediglich Tim Roth weiß seiner Figur noch etwas abzugewinnen, nicht zu vergessen Tim Blake Nelson, der als hysterischer Forscher und potentieller The Leader in seinen wenigen Szenen durchaus Spaß macht, jedenfalls harmonischer ausfällt, als Downey Jr.’s Cameo kurz vorm Abspann als Appetizer zu The Avengers. Insgesamt befindet sich das Ensemble von The Incredible Hulk auf einem Lebel mit dem des Marvel-Kollegen The Fantastic Four.

Bedauerlich ist auch, dass bei all dem Versagen nicht einmal die Action-Szenen zu unterhalten wissen. Hier reicht kein fast zwei Stunden durch die Gegend rennender Edward Norton, der gelegentlich MG-Salven als Hulk auf seinem Rücken gewähren lässt. Insbesondere dann nicht, wenn das Ganze hierzulande auch noch geschnitten in den Kinos startet, sodass man sich nach Iron Man fragen muss, warum Concorde eigentlich überhaupt noch Filme vertreibt, wenn sie diese anschließend ohnehin beschneiden. Ausgemerzt werden sollte das durch eine ominöse Extended Version, von der in den Internetforen die Rede war. Daraus wurde allerdings nichts, sodass sich auf Special Editions der DVD oder eben der Blu-Ray lediglich 45 Minuten geschnittener oder erweiterter Szenen sehen lassen.

So gewöhnungsbedürftig manche der Spezialeffekte auch aussehen mögen, gebührt zumindest dem Hulk immer dann Lob, wenn man ihn im Dunkeln nicht richtig und nur schemenhaft sieht (was komischer klingt, als es ist). Auch die Verweise auf Iron Man, Nick Fury, S.H.I.E.L.D. oder Captain America sind ebenso wie die Verweise zur Fernsehserie ganz nett ausgefallen, ohne den Film jedoch vor dem Scheitern bewahren zu können. Viel zu sehr hadert The Incredible Hulk an seinen unfähigen Darstellern, der nicht existenten Handlung und langweiliger Action-Sequenzen. Mögen die 2011 anstehenden Captain America und Thor besser verfahren. The Incredible Hulk gehört jedenfalls in die Kategorie „Filme, die die Welt nicht braucht“. Oder in Hulks Worten: Puny humans.

2.5/10

16. Februar 2008

Vantage Point

Stop! Rewind that.

Das der amerikanische Präsident nicht gerade zu den beliebtesten Menschen dieses Planeten gehört, das wissen wohl die meisten Menschen, und manchmal ist die Abneigung gegen diesen so groß, dass es Personen gibt, die einen Mordanschlag auf ihn verüben. Siebzehn Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika ist dies der Fall gewesen, in vier Fällen mit positivem bzw. negativem Ausgang. Was bezweckt man mit einem Attentat auf den mächtigsten Mann der Welt? Gegen die Politik eines Landes kann man dadurch nicht rebellieren, lediglich ein Lebenszeichen seines Widerstandes abgeben. Ein Attentat auf den amerikanischen Präsidenten nahmen sich auch die Kinoneulinge Barry Levy als Drehbuchautor und Pete Travis als Regisseur vor. In ihrem Action-Thriller Vantage Point besucht der US-Präsident Ashton (William Hurt) ein Gipfeltreffen bezüglich des Krieges gegen den Terrorismus in Salamanca, wo er sich mit dem Bürgermeister in der abgeschlossenen Plaza Mayor vor versammelter Zuschauermenge trifft. Währenddessen werden die Strassen vor der Plaza mit Protestgegner gegen Ashton gesäumt, von den Medien rund um Sendeleiterin Rex Brooks (Sigourney Weaver) jedoch ignoriert. Die Kritik am amerikanischen System ist für das Fernsehen nicht interessant, das macht sie auch gegenüber ihrer Reporterin Angie (Zoё Saldaña) klar, die sich einen Hinweis vor laufender Kamera über die Stimmung der Menge nicht verkneifen konnte. Man bekommt hier als Zuschauer eine entscheidende Szene zu sehen, die vielleicht die einzige Antwort auf all die Fragen bereitstellt, die Travis’ Film im Begriff ist loszutreten.

Bevor sich der Zuschauer versieht, wird das gesamte Geschehen nochmals auf Anfang zurückgespult, diesmal aus dem Blickwinkel eines anderen Beteiligten. Dies ist die Idee und das Konzept, für das Vantage Point steht, resultierend aus einem fünfzig Jahre alten japanischen Film. 1950 gewann Regisseur Akira Kurosawa für Rashōmon Goldenen Löwen bei den Filmfestspielen von Venedig und zog somit die Augen der westlichen Filmwelt zum ersten Mal gen Osten. Sein Film beschäftigte sich mit dem Mord an einem Ehemann und reflektierte die Handlung über vier Augenzeugenberichte, sowohl durch den vermeintlichen Täter als auch das Opfer. Die Academy honorierte dies mit einer Nominierung zum besten fremdsprachigen Film und etablierte Kurosawa als einen der Regisseure unserer Zeit. Dieselbe Idee liegt nunmehr „8 Blickwinkel“ zugrunde, nur mit der Ausnahme dass es das Publikum mit der doppelten Anzahl von Blickwinkeln und weitaus mehr Action zu tun bekommt. Angepriesen wird der Film dabei mit dem Untertitel „8 Fremde, 8 Blickwinkel, 1 Wahrheit“, was, wie man am Ende des Filmes feststellen wird, nicht ganz den Tatsachen entsprechen dürfte. Zumindest drei der beteiligten Personen kennen sich, denn man erlebt das Attentat aus der Sicht von Ashton selbst, wie auch seiner beiden Secret Service Agenten Barnes (Dennis Quaid) und Taylor (Matthew Fox). Außerdem spielt auch der amerikanische Tourist Howard Lewis (Forest Whitaker) eine wichtige Rolle, denn er hat – wie einst Abraham Zapruder beim Kennedy-Attentat – die Schüsse auf den Präsidenten mit einer Kamera gefilmt und wird daraufhin in das Geschehen hineinverwickelt. Zudem gibt es noch ein Pärchen und mögliche Verdächtige deren Sicht wichtig ist.

Die Produzenten und Beteiligten von Vantage Point loben die Rashōmon-Struktur ihres Filmes über alle Maßen, denn man könne den Film nur verstehen, wenn man alle acht Blickwinkel kennt, da jeder einzelne ein Puzzlestück des ganzen sei. Dumm nur, dass diese Rechnung nicht aufgeht, denn schon in der Mitte des Filmes beginnt man spätestens zu wissen wie der Hase läuft, wer mit wem und wieso ergibt sich daraus von selbst. Hier hätte man mehr Einfallsreichtum beweisen können und einfach einen anderen Weg wählen sollen, als man es getan hat. Denn das problematischste an Travis’ Film ist dass er durch seine Handlung und seine Auflösung unwahrscheinliche viele Fragen aufwirft, bedauerlicherweise jedoch keine einzige davon beantwortet, zumindest nicht zufrieden stellend. Die ausgesuchte Geschichte funktioniert aber lediglich dann glaubwürdig, wenn man sie absichert, verbindet, erklärt, nachvollziehbar gestaltet. Einfach drauflos schreiben, in der Hoffnung überraschende Wendungen zu erzielen reicht da leider nicht aus. Die Auflösung enttäuscht ohne dabei per se schlecht zu sein, wäre man intensiver auf die Thematik des Handelns eingegangen. Hierbei hätten Rückblenden geholfen und eine Dehnung der einzelnen Charaktergeschichten, denn der Film muss nicht zwingend eine Lauflänge von neunzig Minuten haben, 15 Minuten mehr hätten ihm sehr gut getan, wenn dafür die Figuren und ihre Motivationen mehr Tiefe verliehen worden wäre.

Dabei ist der Hintergrund des Filmes der, dass niemand der ist, der er vorgibt zu sein. So gibt es überhaupt kein Attentat auf den Präsidenten, da dieser zu dem öffentlichen Auftritt ein Double geschickt hat und es stellt sich mit fortlaufender Dauer heraus, dass nicht die Frage ist, wer etwas mit dem Attentat zu tun hat, sondern wer eigentlich nicht. Held der Geschichte ist dabei der emotional labile Geheimdienstagent Barnes, der zum ersten Mal wieder im Einsatz ist, nachdem er vor einem Jahr Ashton das Leben vor einem anderen Attentat gerettet hat. Seine Begleitung, wie sich herausstellen wird, ist nicht ohne Hintersinn, so wie das meiste was geschieht nicht ohne Hintersinn ist. Und hier steckt die Crux des ganzen, denn das Attentat und seine Details sind so ausgearbeitet und hintersinnig, dass alles ziemlich unglaubwürdig wirkt und die Logik gerne mal ad absurdum geführt wird. An Action mangelt es Vantage Point jedoch nicht, auch wenn die hauptsächliche Action – das Attentat und seine Nachwehen – sich wiederholen. Denn Travis spult nach jedem Blickwinkel die Szenerie zurück, zurück zu zwölf Uhr, die Ausgangsbasis für den Film. Während Figuren wie Rex Brooks, Frank Barnes, Präsident Ashton, Howard Lewis oder der spanische Polizist Enrique (Eduardo Noriega) ihre Blickwinkel ausgiebig wiedergeben dürfen, werden die von Veronica (Ayelet Zurer), Suarez (Saïd Taghmaoui) und Javier (Edgar Ramirez) in ein einzelnes Kapitel komprimiert. Wenn man berücksichtigt, dass Sigourney Weaver kaum zu sehen ist, hätte man sich durchaus mehr Fokus auf Charaktere wie Kent Taylor oder andere gewünscht.

Seine Arbeit an Vantage Point stellt das erste Kinodrehbuch von Barry Levy dar und auch für Fernsehregisseur Pete Travis ist es der erste Ausflug auf die große Leinwand. Vielleicht findet sich hier die mangelhafte Ausarbeitung der Figuren, denn wie nah sich Figuren wie Barnes und Taylor stehen, erfährt man lediglich aus dem Presseheft („wie Brüder“, findet man dort). Diese und ähnliche andere Eigenschaften sucht man im Film vergeblich, denn dieser konzentriert sich allein auf seine Handlung und vernachlässigt dabei seine Charaktere. Da er sich jedoch am Ende wiederum auf diese beruft, kann seine Geschichte nicht anders als einbrechen. So gelingt es dem Action-Thriller tatsächlich den überbewerteten Rashōmon noch zu unterbieten, obschon die Actionszenen, Kameraführung und Schnitt bestens bearbeitet sind. Letzterer im Übrigen vom Ex-Regisseur Stuart Baird, nach erfolglosen Ausflügen ins Kino wieder an das Schnittpult zurückgekehrt. Am besten gelungen und das Herzstück des Filmes ist die exzellente Musik vom Isländer Atli Örvarsson, die jede Szene passend und äußerst spannend untermalt. Auch das Darstellerensemble weiß zu überzeugen, selbst wenn manche der Darsteller (5 US-Stars, 4 international-etablierte) durch ihre komprimierten Rollen nicht ihr ganzes Talent abrufen können. Vantage Point will vieles sein, ohne dem gerecht zu werden – das traurige daran ist, dass der Ansatz dazu da war. So ist der Film jedoch nicht mehr als ein technisch sehr gut gemachter doch inhaltlich durchschnittlicher Thriller mit Starensemble und 24-Feeling.

4/10

6. Februar 2008

Into the Wild

Wind in my hair, I feel part of everywhere.
(Eddie Vedder - “Guaranteed")

Wer kennt sie nicht, die 68er Generation, rund um Rockmusik und Rebellion, Aufstand gegen das Altbewährte und für das Neue. Eines dieser Gesichter in Deutschland war Rudi Duttschke, stehend für eine junge Generation mit Zug zur Freiheit. Ein Film begleitete jahrelang dieses Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit: Easy Rider, unter der Regie von Dennis Hopper 1969 in die amerikanischen Kinos gebracht. Zwei Männer, zwei Motorräder und die weite Leere der amerikanischen Straßen vor sich, dabei von einem Drogenrausch in den nächsten düsend. „Wir sehnen uns nach der absoluten Freiheit, und der Weg dorthin führt immer gen Westen“, schrieb einst Wallace Stegner und spricht damit dem Ur-Instinkt eines jeden Lebewesens aus der Seele.

Freiheit. Was Hopper seiner Zeit gemäß als Drogenrausch und Widersetzung gegen das Establishment inszenierte, ist heute nur noch im Kontext seiner Zeit begreifbar, identifizieren kann man sich damit nicht mehr. Das ändert jedoch nichts am menschlichen Wunsch nach Freiheit, ist in den meisten Ländern wie Deutschland doch eine Gefängnisstrafe die höchste Bestrafung die jemand drohen kann, der gegen die Gesetze seiner Gesellschaft verstößt. Wer sich nicht fügt, der büßt seine Freiheit ein und um diese zu wahren, muss man nach den Regeln spielen. Es ergibt sich von selbst, dass das, was dem Otto-Normalbürger als Freiheit vorkommt, nichts weiteres ist, als ein weiteres, selbstauferlegtes Gefängnis. Dahingestellt ob Gesetze gut oder schlecht sind, gibt jeder Bürger und jede Bürgerin einen Teil seiner beziehungsweise ihrer Freiheit auf innerhalb einer sozialen Gesellschaft.

Sommer 1990: der 22-jährige Christopher McCandless (Emile Hirsch) hat seinen Universitätsabschluss in Politik gemacht und spielt mit dem Gedanken an ein Jurastudium in Harvard. Doch dazu kommt es nicht, denn der junge Mann, der jahrelang mit seiner Schwester unter den elterlichen Streitereien und einem dunklen Familiengeheimnis litt, hat seinen eigenen Plan gefasst. Seine Ersparnisse von $24.000 spendet er wohltätigen Zwecken, alle seine Ausweise und Papiere vernichtet er. Gegenüber seinen Eltern verliert er kein Wort, wohlwissend, dass diese ihn niemals unterstützen würden – zu spießig sind sie. Auch sein Auto verliert Chris bald und an einer Raststätte lässt er sogar seine alte Identität zurück. Fortan nennt er sich Alexander Supertramp und lebt von dem Inhalt seines Rucksacks, schläft in einem Campingzelt.

Sein Ziel ist Alaska, wo er mehrere Monate frei in der Wildnis leben will, fernab von der verrotteten Gesellschaft, in der jeder Mensch sich nur Böse verhält. Auf seiner Reise begegnet Chris immer wieder verschiedenen Personen: wie Wayne (Vince Vaughn), einem vom FBI-gesuchten Farmer, zwei flippigen Dänen oder dem Alt-Hippie-Pärchen und vermutlichen 68ern Jan (Catherine Keener) und Rayne (Brian Dierker). Über Mexiko gelangt Chris nach Kalifornien und schließlich gen Norden, an die Grenze der USA. Zu allen seinen Bekanntschaften wie Wayne, Jan, dem Trailer-Park-Girl Tracy (Kristen Stewart) oder dem verwitweten Ex-Soldaten Ray (Hal Halbrook) entwickelt Chris enge zwischenmenschliche Beziehung, dennoch ist er bestrebt, seiner Reise nach Alaska keinen Einhalt zu gewähren.

Die Geschichte von Christopher McCandless erzählt wahre Begebenheiten. Am 18. August 1992 wurde er tot in einem alten Bus mitten in der Wildnis gefunden. Vollkommen abgemagert sowie einen leeren Fünf-Kilo-Reissack und ein Jagdgewehr neben sich. Die genaue Todesursache ist bis heute ungeklärt, der Journalist Jon Krakauer, der die Erlebnisse des Twen 1993 in einem Artikel im Outside Magazin und drei Jahre später in dem Roman Into the Wild verarbeitete, sieht eine Vergiftung von Pflanzensamen als Todesursache. Sean Penn sicherte sich die Rechte an Krakauers Roman und verarbeitet den Stoff in seiner vierten Regiearbeit. Bis in die Nebenrollen namhaft besetzt und mit einem Soundtrack von Pearl Jams-Frontmann Eddie Vedder ausgestattet, orientierte sich der Film an Krakauers Roman sowie an Interviews mit den Personen, denen Chris auf seiner Reise begegnete.

Wie alle von Penns Filmen zeichnet sich auch Into the Wild vor allem durch seine Bildstärke aus. Chris’ Reise wird von dem Regisseur mit vielen großartigen Landschaftsaufnahmen porträtiert, die allesamt an den Originalschauplätzen stattgefunden haben. Die ganze Schönheit Alaskas oder der Felder South Dakotas, die Chris selbst wahrgenommen haben dürfte, transferiert Penn nunmehr auf die Leinwand. Unterstützt wird dieses Gefühl bildhafter Freiheit von einem entsprechend gelungenen Soundtrack Vedders. Zudem haben sich Penn und Francine Maisler selbst übertroffen, denn es gelingt dem Schauspielensemble erschreckend authentisch, die Tiefe der zwischenmenschlichen Beziehungen darzustellen – besonders in den Szenen zwischen Hirsch und Halbrook, dessen Oscarnominierung konsequent war.

Bilder, Musik und Darstellung bilden hier eine fast perfekte Symbiose, die kaum Wünsche offen lässt. Ein schöner Moment zeigt wie Chris in Los Angeles eintrifft, sich in einem Obdachlosenheim einquartiert und dann durch die Strassen wandert. Als er jedoch die von der Gesellschaft eingepferchten Menschen sieht, in ihren Anzügen und gegelten Haaren, eilt er zurück und zieht schnell weiter. Denn in der Stadt scheint Freiheit nicht möglich. Um wahrhaft frei zu sein, muss er zu den Wurzeln des Menschen zurückkehren – zurück in die Wildnis. Chris hat afrikanische Gesellschaftspolitik studiert, sich also damit beschäftigt, wie Menschen mit anderen Menschen umgehen (können). Die Schuld schreibt er der Zivilisation zu und daher will er fern von dieser sein. Fern von Ausweisen, Anträgen oder einem Geldsystem.

Wirklich frei lebt Chris dabei jedoch nicht, stets muss er Gelegenheitsjobs übernehmen, um seine Reise zu finanzieren. Interessanterweise kann er sich auch bis zu seinem Tod nicht von seiner Uhr trennen, dem letzten Relikt seines Gefangenendaseins. Vielleicht ist dies auch der letzte Rettungsanker vor der Verwahrlosung, von Geld selbst und Einzäunung hält der junge Uniabsolvent jedoch rein gar nichts. Als er einen Fluss mit einem Kajak hinunterfahren will, reagiert er mit Unglauben als der Park-Ranger nicht nur $2.000 dafür verlangt, sondern ihn auch noch auf eine 12-jährige Warteliste setzt – all das, um einen Fluss hinunterzufahren, der an sich niemandem gehört und jedem frei zur Verfügung stehen müsste, sodass Chris dann auch auf eigene Faust ins Kajak steigt und ohne Lizenz gen Mexiko padelt.

Es spricht für sich, dass Chris während seiner zweijährigen Reise nur freundliche Menschen trifft. So gesehen hat Chris seinen Wunsch von Freiheit ausgelebt, wohl in der heutzutage reinstmöglichen Form – denn als er in Alaska auf sich selbst gestellt ist, versagt er an seinen Fehlern. Die schlimmste Tragödie seines Lebens wird das Schießen eines Elches sein, den er nicht vor den Fliegen retten kann und dessen Tod somit vergeudet wurde. Auch dies eine sehr starke Szene. Penn interpretiert Krakauers Gedanken zu Chris’ Tod nochmals eindringlicher und lässt diesen schließlich aus einem Leichtsinnsfehler des jungen Mannes resultieren. Gegen Ende ist der einst gesunde junge Mann nur noch ein Skelett und Schatten seiner selbst. In der Einsamkeit der Wälder Alaskas seine letzte Erkenntnis findend.

Penn gelingt es, diese Wanderung einer verstörten Seele mit brillanten Bildern einzufangen, verschiedene atemberaubende landschaftliche Großaufnahmen unterstützen dieses in gewissem Sinne spirituelle Road-Movie, ohne in Kitsch abzugleiten. Dabei werden die gut zweieinhalb Stunden spielend überbrückt und im Gegensatz zu Easy Rider wird kein Freiheitsbild einer Generation gezeigt, eher ein allgemein-verständlicher Ansatz eines durch und durch menschlichen Gefühles dargestellt. Als Pünktchen auf dem I gelingt es Sean Penn dann schließlich noch, seinem Film diesen gewissen Hauch von Magie beizusteuern. Into the Wild ist ein ganz besonderer Film über einen ganz besonderen Menschen und eine ganz besondere Tat.

9/10

21. September 2007

Artificial Intelligence

He who is without “sim”, cast the first stone.

Gegen Ende der 1980er Jahre hatte Regisseur Stanley Kubrick eine Vision für eines seiner vielen Film-Projekte, basierend auf der Kurzgeschichte Super-Toys Last All Summer Long von Brian Aldiss. Obschon Aldiss und Kubrick bis Mitte der 1990er hinein an einer Realisierung des Projektes arbeiteten, schieden sie aufgrund kreativer Differenzen schließlich auseinander. Stattdessen arbeitete Kubrick mit dem britischen SF-Autor Ian Watson an einer filmischen Umsetzung der Handlung. Nachdem Kubrick an die 200 Skizzen und Zeichnungen für das Storyboard Design ausgearbeitet hatte, bekam er immer mehr den Eindruck, dass die Handlung viel eher zu seinem Freund Steven Spielberg passen würde, denn ihm selbst. Diesen holte er während der Entwicklung an Bord und legte ihm den Film nahe, obschon er wiederum Kubrick als passenderen Regisseur empfand. Als Kubrick jedoch 1999 unerwartet verstarb, nahm sich Spielberg erneut des Projektes an und verwirklichte es bereits zwei Jahre später. Als Produktion von Stanley Kubrick geführt, stellte Spielberg mehrfach klar, dass Artificial Intelligence eine Hommage an Kubrick sei.

Monica (Frances O’Connor) und ihr Mann Henry (Sam Robards) haben ihren Sohn Martin an eine unheilbare Krankheit verloren, die Ärzte eine Genesung aufgegeben. Da gelingt in Henrys Firma Cybertronics eine Revolution, als deren Leiter, Prof. Hobby (William Hurt), einen Androiden herstellt, der Liebe empfinden kann. Dieser Android erhielt das äußere Erscheinungsbild von Hobbys eigenem verstorbenem Sohn David (Haley Joel Osment) und wird Henry als Prototyp anvertraut. Als Monica ihn programmiert und allmählich eine tiefe Zuneigung zu ihm empfindet, geschieht das Unerwartete: Martin erfährt eine Heilung. In David einen Rivalen sehend, provoziert Martin diesen immer wieder, bis er ihn in eine Situation manövriert, in der David nicht mehr tragbar ist. Anstatt diesen jedoch zu Cybertronics zur Verschrottung zu bringen, setzt ihn Monica im Wald aus. David setzt alles daran, Monicas Liebe wiederzugewinnen und macht sich auf die Suche nach der Blauen Fee, die ihn in einen echten Jungen verwandeln soll. Auf seiner Odyssee trifft er den Sex-Androiden Gigolo Joe (Jude Law), der ihn auf seiner gefährlichen Reise begleitet.

Im Grunde ist Artificial Intelligence eine futuristische Variante von Carlo Collodis Pinocchio: ein künstlicher, gefertigter Junge, der zum richtigen, lebendigen Junge werden will. Dies war Kubricks Idee und hatte unter anderem zum Bruch mit Aldiss geführt. Mitunter wirkt die Geschichte von Spielberg, der hier zum ersten Mal seit Poltergeist selbst am Drehbuch schrieb (wobei er die Vorlage von Kubrick verwendete), als wäre sie von Philip K. Dick. Schließlich wird die Frage thematisiert, was einen Menschen menschlich macht. Mit David wurde ein Android gebaut, der (programmierte) Liebe empfinden kann und dennoch wird er vom Menschen verstoßen. Speziell die Szene der Flesh Fair, einem überdrehten und gladiatorenhaften Jahrmarkt, zeigt diese humane Angst vor der Vermenschlichung der Androiden. Deren Besitzer Lord Johnson Johnson (Brendan Gleeson) ist zwar fasziniert von David, setzt ihn jedoch trotzdem dem Showprogramm aus. Die gewaltgeile Menge bringt es dann allerdings doch nicht fertig, diesen jungenhaften Roboter zu vernichten, obschon er seinen mechanischen Gefährten primär äußerlich nicht unähnlich ist.

Szenen wie diese sind überaus düster, selbst wenn sie Spielbergs typische Handschrift tragen. Glauben will man es ihm aber nicht, wenn er behauptet, die düsteren Szenen stammen von ihm selber und die Kitschigen von Kubrick. Der gesamte Handlungsverlauf schreit stets „Spielberg“, weshalb Kubrick wohl mit dem Projekt an Spielberg herangetreten war. Zwar baut Spielberg viele kubriksche Elemente wie die Ausleuchtung der Szenen oder die Darstellung des Menschen als gewaltgeiles Tier ein, wie ein Film des Altmeisters selbst wirkt das Resultat dennoch bei weitem nicht. Stattdessen erinnert Artificial Intelligence durch und durch an Spielbergs Filmografie und nicht an die von Kubrick. Dieser warme und durchweg sympathische Charakter von David, ohne jeglichen Makel, öffnet die Herzen der Zuschauer und lässt sie mit ihm und seinen Schicksal mitfiebern. Ein Attribut, wie es auf eigentlich keinen Kubrick-Film zutrifft. Auch wenn Artificial Intelligence als Märchen gedacht ist, lässt sich der Film nicht in die Kubrick-Schablone pressen. Denn dafür ist er von seinen Farben zu bunt, zu kräftig und nicht zuletzt zu kitschig.

Für sein Projekt konnte Spielberg besonders in den Nebenrollen Stars gewinnen, neben Jude Law wurden auch die Stimmen von Ben Kingsley, Meryl Streep, Chris Rock und Robin Williams integriert. Für die Musik war John Williams verantwortlich, was wiederum ein Beispiel dafür ist, wie die kubriksche Verkleidung nicht authentisch wirkt. Denn sogar für Spielbergs Standard gerät die Musik extrem kitschig und aufgesetzt. Selbst als Spielberg-Film funktioniert Artificial Intelligence somit nicht, wirkt er doch wie eine Mischung aus E.T. und Minority Report. Besonders seine Familienmoral stößt dabei verstärkt bitter auf, was aber auch an der Schauspielerei von Osment liegen kann. Davids Gequengel nach der Blauen Fee und der Liebe zu Monica geht einem nämlich spätestens in der Mitte des Filmes tierisch auf den Keks. Hierbei sind die besonders vorstechenden Elemente von Spielberg natürlich das Kind als Held im Zentrum des Geschehens, sowie satte und kräftige Farben. Alles wirkt ziemlich gekünstelt, dabei lässt sich kaum Kritik an den Effekten finden, die in der Tat dem typisch spielbergschen Standards entsprechen.

Besonderes Highlight des Films ist Teddy, das filmische Beispiel eines Supertoys, der nicht nur knuffig aussieht, sondern auch eine goldige Stimme hat. Paradoxerweise ist Teddy auch die einzige rational denkende Figur in der gesamten Handlung. Sein katastrophales Ende findet Artificial Intelligence schließlich in seinem grotesk-absurden Finale. Sollte der Film so tatsächlich Kubricks Idee gewesen sein, wäre es die Schlechteste gewesen, die er je gehabt hatte. Aber hätte Kubrick den Film inszeniert, wäre er fraglos anders geworden. Vielleicht nicht zwingend unbedingt viel besser, aber sicherlich interessanter. So bleibt Artificial Intelligence der reine Versuch eines großen Regisseurs, die Idee eines anderen großen (größeren?) Regisseurs auf dessen Art und Weise zu verfilmen. Dabei ist das Ergebnis zu sehr Spielberg, um irgendwelche von Kubricks Elementen effektiv zu tragen und funktioniert nicht als Symbiose dieser beiden Männer, welche von ihrer Erzählstruktur so verschieden sind wie Feuer und Wasser. Am Ende ist das Resultat nicht mehr als ein gut gestylter, aber durchschnittlicher Film.

5.5/10

17. September 2007

Mr. Brooks

I don't enjoy killing. I do it because I'm addicted to it.

Und auch Kevin Costner ist in den Unweiten Hollywoods inzwischen verschwunden, seit er zum Club der Herren über 45 gehört. Da ergeht es ihm nicht unähnlicher als John Travolta, Kurt Russell oder anderen, deren Hoch-Zeit vorüber ging. Costners fand ein Jahrzehnt lang, Ende der Achtziger bis Ende der Neunziger, statt. Ob ihm letztendlich 3000 Miles To Graceland oder The Postman das Genick gebrochen hat, ist schwer zu beantworten. Seitdem muss sich der gute Kevin jedoch in anderen Rollen gut tun, bsp. in dem Pseudo-Psycho-Thriller Dragonfly oder als Hoffmanscher Charmeur in Rumor Has It… Einen wirklichen Bösewicht hat Costner dabei aber nie gespielt, sieht man mal von Perfect World und 3000 Miles ab. Und selbst da war kein richtig böser Bösewicht, jedenfalls keiner im Gary-Oldmanschen Verständnis. Da überrascht es dann schon, dass er in Mr. Brooks ebenjenen Mr. Brooks spielt – einen Serienmörder.

Derselbe Text lässt sich eigentlich auch über Demi Moore schreiben, welche die weibliche Hauptrolle inne hat und deren Hoch-Zeit ebenfalls ein gutes Jahrzehnt, Mitte der Achtziger bis Mitte der Neunziger, währte, ehe auch hier die Frage ist, ob es Striptease oder G.I. Jane war, der ihre Karriere beinah zerstörte. Ruhig war es jedenfalls um sie geworden, ehe sie mit ihrem gestählten Körper im Sequel von Charlie’s Angels für Aufmerksamkeit sorgte. Genauso wie Costner überrascht auch Moore etwas in der Rollenwahl, spielt sie doch die toughe Ermittlerin Tracy Atwood. Unterstützt werden beide dann von William Hurt, der zwar nie wirklich eine Hoch-Zeit hatte, es jedoch meistens verstand in seinen Rollen zu glänzen (so auch wieder in Mr. Brooks, dessen Highlight er ist). Schmalspur-Comedian Dane Cook verkomplettiert diesen Cast unter der zweiten Regiearbeit von Bruce A. Evans. Der hat erstaunlicherweise seit 1992 keinen Film mehr gedreht und damals seine Spielfilmdebüt Kuffs herausgebracht. Schade eigentlich, muss man an dieser Stelle sagen, denn Kuffs fand ich immer ziemlich cool – im Übrigen begann damals auch die kurzweilige Hoch-Zeit von Christian Slater, aber das nur nebenbei.

Mr. Brooks ist also ein Serienmörder und mit solchen hat man es ja als Zuschauer schwer Sympathien aufzubringen. Earl Brooks ist aber kein leidenschaftlicher Mörder, sondern er ist Mann des Jahres und leidet – wie er es ausdrückt – unter einer Sucht, welche er mehr schlecht als recht bei den anonymen Alkoholikern versucht unter Kontrolle zu halten. Wäre da nicht sein Marshall (Hurt). Was Marshall genau ist, lässt sich schwer sagen, Earl’s Alter Ego trifft es denke ich am besten, denn für sein Gewissen ist er zu böse und um die Funktion des Teufelchens auf der Schulter auszuüben müsste auch ein ebensolches Engelchen vorhanden sein (was es aber nicht ist – es sei denn Marshall hat es getötet). Alter Ego passt meiner Ansicht nach also am besten und Marshall teilt Earl auch oft Informationen oder Entscheidungen mit, auf die dieser selber nicht zu kommen scheint und das Verhältnis beider zueinander ist durchaus freundschaftlich geprägt. Die Tatsache, dass Marshall immer im Plural von Earl spricht, wenn Gefahr im Raum steht, unterstützt wiederum meine Alter Ego These. Es wirkt zu Beginn so, als hätte Mr. Brooks seine „Sucht“ im Griff, bis ihn Marshall dazu „anstachelt“ ein Tanzpärchen umzubringen. Hierbei begeht Earl einen Fehler und hat alsbald mit Mr. Smith (Cook) einen Zeugen am Hals. Dieser will ihn jedoch nicht verpfeifen, sondern bei Earl’s nächstem Mord live dabei sein. Während sich Earl nunmehr mit einem blutgeilen „Praktikanten“ herumschlagen darf, steht ihm mit seiner schwangeren Tochter und seinem Interesse für die gegen ihn ermittelnde Ermittlerin Atwood weiterer Ärger ins Haus. Dabei will der gute Mr. Brooks doch nichts weiter als ein ganz normales Leben führen, ohne Blut an den Händen und sonstigen Gelüsten.

Aufmerksam auf Mr. Brooks haben mich meine Bloggerkollegen Timo und Jochen mit ihren positiven Worten nicht nur über den Film, sondern insbesondere über Costners Leistung gemacht (da wurde teils schon fast in Superlativen gesprochen). Im Nachhinein muss ich jedoch sagen, dass Costner mich schauspielerisch ziemlich kalt gelassen hat. Die meiste Zeit des Films spielt er mit ein und demselben Gesichtsausdruck und an Leistungen wie in JFK oder Dances With Wolves kann er hier bedauerlicherweise nicht anknüpfen. Moore spielt akzeptabel und wie oben bereits hervorgehoben ist William Hurt das Sahnehäubchen des Films. Herrlich diabolisch und gekonnt souverän spielt er den Part des Marshall, sodass einem dessen Gegenwart gegen Ende des Films richtiggehend fehlt. Was manchmal störend wirkt, ist der Einsatz der Musik, welcher nicht immer zu passen scheint, auch wenn das Theme des Filmes recht gelungen wirkt. Leider reißt einen die Handlung nie wirklich mit und daher plätschert alles so vor sich dahin, das Ende wirkt recht absehbar. Wiederum gar nicht passen will die letzte Einstellung, die bei mir ein WTF-Moment hervorgerufen hat, in seiner Auflösung dann wiederum jedoch absolut unnötig wirkte. So bleibt Mr. Brooks ein solider, gut gemachter Thriller, den man aber nicht unbedingt im Kino sehen muss und der auch nicht sonderlich lange in Erinnerung bleibt.

6.5/10

10. Juni 2007

Syriana

This is a fight to the death.

Selten lässt sich über einen Hollywood-Film sagen, dass er intelligent ist. Und sicherlich darf darüber gestritten werden, ob Kino nicht zum Abschalten dienen soll nach einem harten Arbeitstag. Anstatt die Köpfe mit geopolitischen Ränkespielen zum Rauchen zu bringen. Wozu stumpfes „Glotzen“ verkommen kann, hat Bernward Wember vor drei Jahrzehnten mit seiner Bild-Text-Schere zu warnen versucht. Umso verdienstvoller gerät also Syriana, der Polit-Thriller von Stephen Gaghan (Traffic). Sicherlich auch dank seiner hochkarätigen Besetzung mit George Clooney und Matt Damon gelang es dem Film in den USA sogar seine Kosten wieder einzuspielen. Was angesichts seiner Thematik durchaus erstaunt.

Denn gut drei Jahre nach dem Ende des Irakkriegs übt Gaghan ganz unsubtil an der Politik seiner Heimat, die Strukturen im Mittleren Osten nach ihrem Gusto umzumodellieren. Als Episodenfilm lässt Syriana hierbei vier Handlungsstränge parallel und bisweilen auch zusammenlaufen. Im Zentrum steht dabei ein fiktives Emirat im persischen Golf, das über Erdöl verfügt und in dem sich ein Machtwechsel anbahnt. Auf der einen Seite steht Prinz Nasir (Alexander Siddig), der progressive Sohn des Emirs, der den Fortschritt seines Landes zum Ziel hat und sich hierbei vom Energie-Analytiker Bryan Woodman (Matt Damon) beraten lässt, nachdem dessen Sohn bei einer Privatfeier von Nasirs Vater unglücklich zu Tode kam.

Auf der anderen Seite steht Nasirs jüngerer Bruder Meshal (Akbar Kurthaas), den eher Luxusgüter als Politik interessieren. Weil Nasir Bohrungsrechte an die Chinesen vergeben will, zieht er sich den Zorn der US-Lobby auf sich. Der Fernost-Agent Bob Barnes (George Clooney) soll das Nasir-Problem aus der Welt schaffen, während in der Heimat der Anwalt Bennett Holiday (Jeffrey Wright) versucht, die Fusion des Öl-Unternehmens Connex Oil mit Jimmy Popes (Chris Cox) Firma Killen durch potentielle Korruptionsvorwürfe zu schiffen. Die Entscheidung von Connex wiederum, eine Ölraffinerie im Mittleren Osten lahmzulegen, hat für pakistanische Arbeitsmigranten wie Wasim (Mazhar Munir) Folgen.

Gaghans Film ist bevölkert von dutzenden Figuren und jede von ihnen hat ihr eigenes Päckchen zu schultern. Da ist Julie Woodman (Amanda Peet), die den Tod ihres Sohnes betrauert und plötzlich auch ihren Mann zu verlieren scheint, der in den Reuebekundungen des Emirats die Chance auf eine historische Wende und zugleich privaten Reichtum für seine Firma sieht. Und außerdem Danny Dalton (Tim Blake Nelson), ein korrupter Lobbyist, dessen Vergangenheit die Fusion von Conney und Killen gefährden könnte, was nicht zuletzt der verantwortlichen Anwaltskanzlei von Dean Whiting (Christopher Plummer) ein Dorn im Auge wäre, die so wie alle amerikanischen Figuren ein Stück vom Kuchen haben will.

Fortan bewegt sich Syriana wie ein politischer Strom. Von Teheran wandern wir nach Washington, von dort nach Genf über Marbella bis nach Beirut. Die Protagonisten sind global player, Vermittler zwischen dem Öl im Osten und den Interessenten im Westen. Und alles dazwischen verkommt zu Kollateralschaden. Der tote Sohn avanciert zum subversiven Druckmittel, eine an Ägypter verkaufte Rakete wird zum Stolperstein für einen aufmerksamen CIA-Agenten. In dieser geopolitischen und von ökonomisch-industriellen Werten geprägten Welt kommt derjenige weiter, der zuerst an sich denkt. Und dadurch lebt er auch länger, wie Außendienst-Agent Barnes später im Libanon feststellten muss.

Adaptieren ist das Schlagwort für die Figuren. So ist der Auftragskiller Mussawi (Mark Strong) inzwischen zu den Iranern übergewandert (“This is a war!“), wie sich auch Barnes’ Vorgesetzte (u.a. Tom McCarthy) stets danach richten, wo aktuell der Wind herweht. Ähnlich verhält es sich für Bennett Holiday, der zwar sympathische Züge trägt, letztlich jedoch zu merken scheint, dass man als Hai im Fischbecken sicherer schwimmt (“Our real client, is, after all, us, the American people“). Zur Säule der Loyalität und Stimme der Räson verkommt da - neben Amanda Peets Gattin – lediglich Alexander Siddigs Prinz, der schon allein aufgrund seiner Progression zum Scheitern verurteilt scheint. Und das ist die Tragik.

Wenn man so will, liefert Syriana den (oberflächlichen) Hintergrund für den Irakkrieg, für all die politischen Tumulte im arabischen Raum. Die USA wollen Öl, die Arbeiter im Persischen Golf wollen Jobs und jeder will mehr Macht und Geld. Als Folge drohen Mord und Totschlag, Terror, Folter und Tragödien. Ein Intrigenspiel, bei dem Gutmenschentum nicht belohnt, sondern bestraft wird. Denn der Kampf um das Öl hat begonnen. “It’s running out. And ninety percent of what’s left is in the Middle East”, erklärt Woodman einem (ver-)zweifelnden Prinzen. “This is a fight to the death.” Und als solchen inszeniert Gaghan seinen Film auch – allerdings mit amerikanischen Figuren in der Rolle als Bösewichter und Henker.

Dass Syriana derart überzeugend ausfällt, verdankt sich nicht nur seinem komplexen und informationslastigen Drehbuch, sondern auch dem Ensemble, das seine Figuren zum Leben erweckt. Zwar wurde lediglich Clooney für einen Oscar nominiert (den er auch gewann), aber die Damons, Peets, Siddigs und Co. müssen sich nicht hinter ihm verstecken. Gaghan gelingt es, uns einen Plot zu servieren, der konventionell genug ist, damit wir ihm folgen, und smart genug, damit wir von ihm möglicherweise sogar noch etwas lernen. Oder um sich der Szene zwischen Holiday und dem Justizministerium zu bedienen: “I used to think there’s something wrong here. Now I know there’s something wrong here”.

8/10