31. Juli 2007

Paprika

Time for the greatest show on earth!

Und noch ein zweites Mal konnte ich mich dazu durchringen, aufs Fantasy Filmfest zu gehen, die „Schuld“ hierfür trägt hauptsächlich Timo, der Satoshi Kon's neuestes Werk so gepriesen hat. Dabei fiel auch der Name David Cronenberg, bzw. eXistenZ, dem Paprika sehr ähnlich sein soll. Ich kenne zwar nur ein paar von Cronenbergs Werken, aber eXistenZ gehört zu einem meiner Favoriten. Nach dem Kinobesuch lässt sich Paprika als Konglomerat verschiedener Existenzangst-Filme beschreiben, wobei Kon nicht klaut, sondern die Bilder nur aufgrund derselben Thematik heraufbeschworen werden. Besonders an The Cell und Ghost in the Shell fühlte ich mich des öfteren erinnert.

Ähnlich wie bei Ghost in the Shell wird man auch in Paprika mit einer technischen Neuerung konfrontiert, die es bei japanischer Tonspur mit englischen Untertiteln nicht leicht macht, verstanden zu werden. Mit so genannten DC Minis kann man (wenn ich es nicht missverstanden habe) seine Träume mit anderen Menschen teilen, sowohl über Bildschirm aufzeichnen als auch jemanden als „Gast“ mitnehmen. Als drei dieser DC Minis gestohlen werden und die Träume verschiedener Menschen zu einer einzigen riesigen Parade zusammenschmelzen, muss die Therapeutin Atsuko, welche in der Traumwelt von der Figur Paprika verkörpert wird, einschreiten.

Besonders in der ersten Hälfte erinnert Paprika stark an Ghost in the Shell, hat doch ein Terrorist von einer technischen Neuerung, welche das reale und alltägliche Leben von Menschen beeinflussen kann, Besitz ergriffen. Dies alles verwirrt ziemlich oft, da einem der Kontext zu dem ganzen nicht ganz offenbar wird. In der zweiten Hälfte gewinnt der Film dann aber an Fahrt und entfaltet sein von ihm selbst auferlegtes Potenzial. Dies wird besonders durch die musikalische Untermalung und Paprika's Pophymne unterstützt, die richtig Laune machen. Mit dem fetten Tokita und der zuckersüßen Paprika sind auch sehr symphatische Figuren installiert worden.

Zeichnerisch und musikalisch lässt sich also kein Makel finden, weshalb Paprika aber nicht den Weg in mein Herz gefunden hat, liegt an seinem vielleicht nicht konfusen, aber dennoch komplizierten Subplot, welcher mich besonders in der Mitte beinahe verloren hätte, ehe umgeschwungen wurde. Der Rest hat zwar richtig gut unterhalten, jedoch hatte zumindest ich das Gefühl, dass ich im Film immer nur ein Fremdkörper war und mich nicht in der Handlung verlieren konnte. Zu abgedreht war dies dann doch an manchen stellen und sehr in sich selbst gekehrt. Paprika ist dennoch ein bemerkens- und sehenswerter Film.

8/10

30. Juli 2007

The Simpsons Movie

I'll teach you to laugh at something that's funny!

Im Jahre 1989 hat der Zeichner Matt Groening für den Produzenten James L. Brooks etwas geschaffen, was Jahre später zum Kulturgut der Welt werden und Homer Simpsons zum Idealbild des Amerikaners außerhalb von Amerika machen sollte: die Simpsons. Mit ihrem einzigartigen frechen Humor immer frei Schnauze gewann die Serie das Herz des einfachen Mannes, wie das des New York Times Redakteures und hat die deutsche Jugend (und auch so manchen Erwachsenen) in Deutschland wöchentlich abends zu unterhalten gewusst. Mit gut 400 Folgen gehen die Simpsons nunmehr in ihre 19. Staffel und um bei der Wahrheit zu bleiben: vom alten Glanz ist nicht mehr viel übrig.

Jahr für Jahr und Staffel für Staffel bauen die Simpsons stark ab, die Witze werden billiger, die Ideen einfallsloser, die Wiederholungen häufen sich. Die letzte richtig gute Staffel war die achte, bis zur 14. hat man sich noch wacker schlagen und mit aufstrebender Konkurrenz wie Futurama (ebenfalls von Groening) und den neuen Wunderkindern Matt Stone und Trey Parker rund um South Park mithalten können. Das ist jedoch auch bereits fünf Jahre her und die letzte Staffel war schon gar nicht mehr erträglich. Wieso also ein Kinofilm? fragt man sich da. Normalerweise kommen Kinoverfilmungen dann zu Stande, wenn die Serie auf ihrem Höhepunkt steht (s. X-Files oder demnächst Sex and the City) - bei den Simpsons kann dies jedoch nicht der Fall sein, eher will man wohl versuchen die alte Liebe neu zu entflammen.

Zu dieser schweren Aufgabe wurden dann neben 15 (!) Autoren auch ein Budget von 75 Millionen Dollar veranschlagt. 2001 begannen die Arbeiten am Drehbuch und all dies ließ hoffen, dass The Simpsons Movie tatsächlich bestrebt war eine alte Liebe wieder zum Leben zu erwecken. Das Ergebnis lässt sich mit diesen Fakten im Hinterkopf nur als desaströs beschreiben. Der Film ist von seiner Länge her viermal so lang wie eine durchschnittliche Simpsons-Folge und bietet eine Handlung, wie sie so in etwa bereits in gut einem Dutzend Folgen im Fernsehen serviert wurde. Springfield steht am Rande einer Katastrophe und das Zünglein an der Waage ist wie immer Homer.

Selbstverständlich versiebt er es, wird fortan von der Bevölkerung gehasst und muss mit seiner Familie fliehen. Der Simpsonsche Road-Trip lässt sich in jeder einzelnen Staffel wiederfinden, sei es Brasilien oder Florida. Auch andere Elemente der Serie finden Einzug, Entfremdung von Marge und Bart zu Homer, ein love interest für Lisa und rabiate Action für Maggie. Das dabei andere liebenswerte Figuren (bsp. Mr. Burns oder Apu) zu kurz kommen, ist vorprogrammiert. So gut wie jeder darf zwar mal sein Gesicht ins Bild halten, aber dies funktioniert hier so wenig, wie es beim komprimierten Harry Potter dieses Jahr im Kino funktioniert hat. Hier wäre weniger mal wieder mehr gewesen und mancherlei Gastauftritte wie der von Green Day hätte man sich ebenso getrost schenken können.

Das alles ist jedoch nur halb so schlimm, hätte wenigstens die Komik gestimmt. Zugegebenermaßen fand ich fünf oder sechs Witze richtig gut, dass waren die alten Simpsons und auch die meisten der restlichen Witze befanden sich noch in dem Niveau des Zeitfensters der 8.-14. Staffel, aber wirklich gut/lustig waren sie auch nicht. Etwas zum Schmunzeln, aber nicht wirklich zum Lachen. Da kann man von 15 Autoren, u.a. Harvard-Absolventen, sicherlich mehr erwarten. Und fünf Lacher in einem Kinofilm machen diesen nicht zum Meisterwerk (wie das geht zeigt z.B. Hot Fuzz!).

Am Ende lässt sich sagen, dass The Simpsons Movie nicht schlechter ist wie jede andere Folge die Abends auf Pro Sieben läuft - wirklich gut (oder besser) ist er aber auch nicht und erreicht nicht mal ansatzweise die Klasse der ersten Jahre. So verkommt er zu einem Film, den keiner wirklich gebraucht hat und der so schnell aus dem Gedächtnis verschwindet, wie er darin Einzug erhalten hat.

3.5/10

The Sopranos - Season Two

There's an old Italian saying: you fuck up once, you lose two teeth.

Bei der ersten Staffel hatte ich ja moniert, dass bis zu den letzten vier Folgen hin keine rechte Spannung aufkam, das Staffelfinale das jedoch wieder etwas wett zu machen wusste. Bei der zweiten Staffel kann ich das leider nicht mehr behaupten. Die Handlung der Serie ist weit entfernt davon stringent zu sein, teilweise trifft das auch auf einzelne Folgen zu und es passiert im eigentlichen Sinne nichts. Soprano (James Gandolfini) ist inzwischen der Capo, aber trotz allem nicht unumstritten, liegen seine engsten Feinde immer noch in seiner Familie rund um seinen Onkel Junior und seiner Schwester Janice und ihren Freund Richie.

Mein Problem mit den Sopranos ist, dass sich weder die Serie noch die Figuren weiterentwickeln. Soprano besucht nach kurzer Pause wieder Dr. Melfi (Lorraine Bracco), scheint aber durch die Therapie keine Veränderung durchgemacht zu haben. Jede Sitzung resultiert in Beschimpfungen und Bedrohungen seiner Therapeutin, oft geht er auch vorzeitig, sitzt wenige Tage dann aber wieder in dem Sessel ihr gegenüber. Hinzu kommen noch die heuchlerischen Figuren rund um Soprano's Frau Carmella (Edie Falco) und seiner Tochter. Viele andere Figuren gehen mit ihrer Pseudomoral und Überheblichkeit ebenfalls ziemlich auf die Nerven. Die einzige symphatische Figur für mich war Pussy, der von seinen besten Freunden im Staffelfinale erschossen wird.

Das Staffelfinale war auch die Folge, welche von allen 26 bisher die schwächste gewesen ist, mit lahmen Fantasiesequenzen gefüllt. Dass sich Menschen meistens nicht verändern und weiterentwickeln mag wohl auf das echte Leben zutreffen, in meinen Augen schauen Menschen jedoch Filme, bzw. stürzen sich allgemein in Fiktion, weil sie eben jenem "echten" Leben entfliehen wollen, wenn auch nur für eine kurze Zeit. Will ich eine abgefuckte Familie ohne jegliche Entwicklung sehen, beobachte ich meine Nachbarn oder wenn ich es noch einfacher haben will meine eigene Familie.

The Sopranos entwickelt jedoch eine solche spannungsarmut, dass man problemlos eine Folge der fünften Staffel und danach eine der dritten Staffel sehen könnte und hätte dennoch keinerlei Probleme der Handlung auf dem Bildschirm zu folgen. Diese Linie von David Chase ist sehr bedauernswert und abgesehen von hervorragenden schauspielerischen Leistungen (allen voran natürlich Gandolfini) hatte die zweite Staffel nicht viel zu bieten. Möge die dritte Staffel besser sein.

6.5/10

29. Juli 2007

Toki o Kakeru Shōjo

Time waits for no one.

„Ich mache kaum Fehler, die ich im Nachhinein bereue“, ist sich die junge Oberschülerin Makoto (Naka Riisa) in der Mitte des ersten Akts von Hosoda Mamorus Anime-Adaption Toki o Kakeru Shōjo ziemlich sicher. Wo man im Westen skeptisch Sequel- und Remake-Manien beäugt, gehören sie in Japan irgendwie zum guten Ton. Angefangen von den unzähligen Gojira-Filmen bis hin zu verschiedenen Adaptionen von Tsutsui Yatsutakas Toki o Kakeru Shōjo, die von November 1965 bis Mai 1966 in Magazinen veröffentlicht wurde und zu verschiedenen Adaptionen fürs Kino und Fernsehen geführt hat. Dabei ist Hosoda-sans Film mehr ein Sequel zu Tsutsui-sans Geschichte, denn weitere Adaption oder Remake/Reboot.

Die Protagonistin des Film ist Tomboy Makoto, ein lebensfrohes Mädchen, das seine Freizeit am liebsten mit ihren beiden Mitschülern Kôsuke (Itakura Mitsutaka) und Chiaki (Ishida Takuya) beim Baseball spielen verbringt. „Wenn heute ein ganz normaler Tag wäre, dann wäre nichts passiert“, lautet dann die Einleitung zu Makotos kommenden Erlebnissen. In der Schule stößt sie auf einen walnussförmigen Apparat und als sie auf dem Heimweg nicht mit ihrem Fahrrad bremsen kann und von einer Bahn überfahren zu werden droht, springt sie zu ihrer eigenen Überraschung einige Sekunden in der Zeit zurück. Zuerst perplex ob der neugewonnenen Fähigkeit, beginnt Makoto schon bald darauf Gefallen an dieser zu finden.

„Mädchen in deinem Alter passiert das häufig“, versichert Makoto ihre Tante Kazuko (Hara Sachie) amüsiert. Und die muss es schließlich wissen, immerhin ist sie die ursprüngliche Heldin in Tsutsui-sans Geschichte (daher der Fortsetzungscharakter des Films). Makoto wiederum nutzt ihre Zeitreisen fortan zur alltäglichen Bequemlichkeit. Der zuvor vermasselte Mathetest wird nun perfekt bestanden, der abendliche Hunger mit dem Essen vom Vortag gestillt und ein Malheur im Kochunterricht umgangen, indem man es jemand anderem in die Schuhe schiebt. Makotos vorherige euphemistische Bemerkung, dass sie kaum Fehler mache, die sie im Nachhinein bereut, erhält durch die Zeitreisen eine völlig neue Bedeutung.

Über die Konsequenzen ihres Handelns denkt Makoto nicht nach. „Hat man Pech, bleibt es kleben, heißt es“, sagt sie zu Beginn und eine These von Kazuko bestätigt dies. Denn was Makoto sich erspart, fällt stattdessen Anderen zu. Sei es der Unfall im Kochunterricht, eine vermasselte Liebeserklärung oder das Bremsversagen ihres Fahrrads. Wenn Chiaki ihr eines Abends seine Gefühle gesteckt, springt Makoto einfach so lange zurück, bis sie seine Aufmerksamkeit auf ein anderes Thema lenkt. Einen zynischen Vorschlag ihrer Tante, doch eine Zeit lang mit Chiaki und Kôsuke zu gehen und bei fehlendem Erfolg einfach zurück in die Vergangenheit zu reisen und es zu lassen, lehnt diese wiederum brüsk ab.

Für Matoko spielt sich ihr Leben im Hier und Jetzt ab, ist sie doch niemand, der sich allzu große Gedanken macht. Als Kôsuke, der Medizin studieren will, sie im ersten Drittel fragt, was sie denn später gerne werden möchte, antwortet Matoko in infantiler Gleichgültigkeit „Hotel- oder Erdölmagnat“. So kommt es, dass sie erst den Sinn und Zweck ihrer Zeitsprünge zu hinterfragen beginnt, als die Personen in ihrer unmittelbaren Umgebung unter Makotos Aktionen leiden müssen, darunter zum Teil auch Matoko indirekt selbst. Dementsprechend entwickelt sich die Schülerin im Laufe dieses coming of age-Prozesses zu einer reiferen Person, ohne zugleich die Sensibilität und Infantilität ihres wahren Alters zu verlieren.

Infolgedessen interessiert sich Toki o Kakeru Shōjo weniger für die Möglichkeiten seiner Zeitreisethematik, als für die Entwicklung seiner Hauptfigur. Deren wiederholte Zeitsprünge, um vergangene Ereignisse nach ihrem Gusto umzubiegen, haben einen charmanten Groundhog Day-Charakter, wenn Makoto beispielsweise Probleme hat, Kôsuke und eine seiner Schwärmerinnen zu verkuppeln. Eine spezielle Dramatik wird von Hosoda dann im dritten Akt aufgebaut, wenn Makoto irgendwann ihren letzten Sprung verbraucht hat, aber es noch gilt, eine bedrohliche Situation zu entschärfen. Yoshida Kiyoshis oft minimalistische Untermalung mit dem Piano fängt dabei die dem Finale innewohnende Melancholie exzellent ein.

Auch die Visualisierung der Geschichte (für die eine Anime-Adaption prädestiniert war) ist sehr stimmig geraten. Wenn die Figuren in einer distanzierten Totale aufgenommen werden, machte man sich nicht mal die Mühe, ihnen Augen zu zeichnen und auch ihre Haare sind einfache farbige Konturen. Eine Detailverliebtheit wie bei Pixar und Co., wo jede Haarsträhne und jeder Grashalm distinktiv herausragen müssen, benötigt Toki o Kakeru Shōjo ebenso wenig wie pop-kulturelle Anspielungen und dumpfe Gags. Die Prämisse von Tsutsui-sans Geschichte verbunden mit dem Charme von Okudera Satokos Drehbuch verleihen Hosoda-sans Film eine Wärme, Magie und Einzigartigkeit, wie man sie nur selten erlebt.

Zugleich verfügt der Film über eine plakative Geschichtsmoral im mehrfach verkündeten: Time waits for no one. Eine Erfahrung, die Makoto am eigenen Leib macht, wenn sie zuerst Chiakis Liebesgeständnis „verhindert“ und sich später danach sehnt. Okudera-san greift das Ganze am Ende sehr schön wieder auf, wenn Kôsuke Makoto daran erinnert, beim Laufen nach vorne zu schauen. Seinen Erfolg verdankt der Anime jedoch nicht nur Okudera und Hosoda, sondern auch dem gelungenen Voice Cast, aus dem besonders Naka Riisa Stimme herausragt. So ist Toki o Kakeru Shōjo am Ende nicht nur ein grandioser Anime, sondern auch ein grandioser Film, der keine Fehler macht, die er bereuen müsste.

10/10

23. Juli 2007

Postal

It was time for POSTAL and you know it and I know it.
(Uwe Boll)

Ich muss ein böser, sehr böser Junge gewesen sein, denn heute wurde ich mit dem schlimmsten Film-Tag meines Lebens bestraft. Nach Miikes grausamen Full Metal Yakuza erlebte ich in meiner Sneak sogar noch eine Steigerung, ein Mann, dessen Name alleine schon ein Fluch zu sein scheint, sodass ich fast verführt wäre in Harry-Potter-Manier von Ihr-wisst-schon-wem zu sprechen - das Grauen hat einen Namen: Uwe Boll. Genauer gesagt Dr. Uwe Boll. Eigentlich wollte ich nicht viele Worte verlieren, aber da ich ein Interview vom Meister gefunden habe, gehe ich doch etwas näher auf den Film ein.

Wie immer verfilmt Boll ein Videospiel, bzw. das Videospiel Postal, von dem ich zwar noch nie gehört habe, in welchem aber anscheinend der Postal-Dude durch eine Stadt geht und Menschen erschießt. Da wir ja in Zeiten leben, wo selbst aus Hasbro-Spielzeug Filme gemacht werden, will ich über das Videospiel-Thema nichts mehr verlieren. Zurück zum Film, der keinerlei Sinn hat oder macht und nur eine Geschmacklosigkeit an die nächste reiht. Angefangen von den Opfern des 11. September, die laut Postal "alle den Tod verdient hatten", bis hin zu einem Freizeitpark Little Germany wo das Lazaratt nach Dr. Mengele benannt ist und Kinder in Konzentrationslagern spielen können.

„Wenn also die Juden über alles Witze machen dürfen und dabei die Entertainment-Industrie beherrschen, dann muss es auch erlaubt sein, dass ich Witze über Osama bin Laden oder über Juden mache", sagte Boll in einem Interview und hat an sich auch Recht damit. Es gibt jedoch auch den Unterschied, ob etwas erlaubt oder angebracht ist. Von jemand der einen Doktortitel hat, sollte man so etwas eigentlich erwarten können. Fangen wir erstmal da an: Boll scheint tatsächlich einen Doktortitel in Literaturwissenschaft zu haben! Das muss man sich erstmal geben. Und dann schreibt er so furchbare Filme, so furchtbare, furchtbare Filme! Seine Doktorarbeit will ich gar nicht erst lesen.

Obiges Zitat stammt diesmal übrigens nicht aus dem Film, sondern vom Meister selbst, ebenso wie seine Äußerung: „Dieser Film wird in den USA niemals eine Verleihfirma finden. Dabei will jeder ihn sehen!“. Herr Boll scheint m.E. an Größenwahn zu leiden, denn selbst wenn Warner Bros. diesen Schrott verleihen würde, täte ihn dennoch niemand sehen wollen. Ein Film der eine Komödie oder Satire sein soll, ohne einen auch nur einmal zum Lachen zu bringen, hat einfach nur versagt. Halt! Einmal hat er mich doch zum Lachen gebracht, nämlich als der Meister in einem Kurzauftritt Mut zur Selbstironie bewiesen hat und meinte, der einzige Grund warum seine Filme finanzierbar wären, läge an Nazigold, dass seine Familie besitzt. Irgendwie hab ich das Gefühl, hier scheint ein wenig Wahrheit zu liegen, anders lässt sich Postal nicht erklären.

1/10

18. Juli 2007

L.A. Confidential

Off the record, on the QT, and very hush-hush.

1997 beeindruckte Regisseur Curtis Hanson nicht nur Hollywood mit dieser Adaption des Romans von James Ellroy. Im Los Angeles der 50er Jahre ist dieser Film noir angesiedelt, über Mord, Korruption und Liebe. In der Stadt der Engel leben jedoch nur Teufel und diese tragen verschiedene Gesichter. Hier gibt es keine Guten, sondern nur Böse und weniger Böse. Jeder ist sich selbst der Nächste, wenn es gilt die Karriereleiter empor zuklettern. Da macht man einen Deal gegen Kollegen, wie es Ed Exley (Guy Pearce) tut, oder man arbeitet als Berater fürs Fernsehen und schustert den Medien Razzien zu, wie Jack Vincennes (Kevin Spacey).

Exley und Vincennes sind es dann auch, die in dem Fall der brutalen Night Owl Morde zusammenarbeiten und auf ein Komplott von ungeahnten Ausmaßen stoßen. Dabei präsentiert sich Hauptfigur Exley als der perfektionierte Paragraphenreiter, der erst im Laufe des Filmes lernt, wie die Welt auf der Strasse wirklich funktioniert (in Zeiten, wo Brillen noch als Schwäche galten). Der scheinbare aalglatte Vincennes verfolgt den Fall dagegen aus persönlichen Gründen und der dritte, idealistischste und charismatischste Ermittler im Team, Bud White (Russell Crowe), ist einfach nur eine gute Seele, versteckt im Körper einer losgelassenen Bulldogge.

Hansons Regie ist fabelhaft und fängt mit jeder Einstellung und jedem Schnitt passend die Stimmung ein. Das Flair der 50er lebt praktisch auf der Leinwand wieder auf. Dazu kommt das ausgereifte Drehbuch von Brian Helgeland und das durch die Bank hervorragend besetzte Ensemble, bei dem besonders Russell Crowe und Danny DeVito hervorgehoben werden müssen. Crowe spielt im Gegensatz zu heute damals in seinem hollywoodschen Schattendasein noch mit Herzblut und intensiv, auch Guy Pearce war selten so gut wie hier. Aber wie erwähnt sind alle Schauspieler, auch Kim Basinger, David Strathairn und James Cromwell zu loben.

Leider verläuft sich der Film in der Mitte etwas, da näher auf die drei Ermittler Exley, Vincennes und White eingegangen wird. Dies ist natürlich interessant für den Zuschauer, reißt aber aus dem Ermittlungsstrom heraus und lässt einen fast vergessen, um was es sich gerade prinzipiell dreht. Diese filmische Ebbe verschwindet jedoch bereits nach etwa zehn Minuten wieder, weshalb sie nicht weiter von Bedeutung ist. Geradezu eine Beleidigung, dass L.A. Confidential „nur“ zwei Oscars bekommen hat, aber die Welt ist nun mal nicht gerecht. Das Highlight findet der Film in seinem bleihaltigen Finale, welches in guter alter Western-Manier stattfindet.

9/10

17. Juli 2007

Death Proof

Shots first, questions later!

Wenn sich zwei der talentiertesten und kultigsten Regisseure unserer Generation zusammentun, um ein Double Feature ins Kino zu bringen, jubelt der Filmfan. In der Tradition des Grindhouse, das zur Ertragsstreigerung zwei trashige B-Movies zum Preis von einem zeigte (sogar Kubricks The Killing lief einst im Grindhouse), wollten Robert Rodriguez und Quentin Tarantino jeweils einen Film beisteuern und als Hommage an dieses drehen, um beide Filme anschließend als Double-Feature ins Kino zu bringen. Inklusive Fake-Trailer zu weiteren Grindhouse-Filmen, gedreht von den neuen Söhnen des Horrors wie Eli Roth und Rob Zombie. Dabei liegt die Betonung aber auf wollten, denn wenn Dinge zu schön scheinen, um wahr zu sein, sind sie es meist nicht.

Das Budget von GrindHouse lag bei 53 Millionen Dollar, produziert wurde er von Tarantinos langjährigen Partnern, Bob und Harvey Weinstein. Enttäuschenderweise spielte GrindHouse am Startwochenende in den USA nicht einmal 12 Millionen Dollar ein – was angesichts des Ostertermins aber auch nicht allzu verwunderlich ist für einen R-Rated-Film. Tarantino war zwar enttäuscht, bezeichnete sich jedoch als stolz über seinen vermeintlichen Flop. Ganz anders dagegen Harvey Weinstein. Der sah sein Geld den Bach runter gehen und weil Produzenten keine Filmschaffenden, sondern Geschäftsleute sind, versuchte sich der gierigere Weinstein an Schadensbegrenzung. Vielleicht sollten er es George Lucas machen und ein und denselben Film alle paar Jahre re-digitalisiert neu veröffentlichen.

Das Schema des “Zwei Filme zum Preis von einem“ kam in den USA allerdings nicht wirklich an. Mancher verließ das Kino bereits nach Rodriguez’ Segment Planet Terror, unwissend, das Tarantinos Death Proof folgte. Harvey Weinstein sah jedenfalls sein teures Geld davon fließen, weshalb er nun außerhalb der USA GrindHouse getrennt vertreibt, dafür in erweiterten Fassungen. Seiner Begründung nach können Europäer ohnehin nichts mit der Tradition des Grindhouse-Kinos anfangen, wieso ihnen folglich die Mühe machen. Gesagt, getan und nun startet Planet Terror gut zwei Monate nach Death Proof in unseren Kinos. Statt 2 für 1 also alles wie gehabt. Ganz schön dreist eigentlich, dass man nun den doppelten Preis für ein Produkt zahlen muss, wie von den Produzenten zuvor angekündigt.

Death Proof handelt von Stuntman Mike (Kurt Russell), der in seiner Freizeit junge, scharfe Mädels kalt macht. Hierbei hat er sich als Opfer DJane Jungle Julia (Sydney Potier) und deren Freundinnen Arlene (Vanessa Ferlito) und Shanna (Jordan Ladd) ausgesucht. Nach einem Abend in der Kneipe sucht er sie schließlich mit seinem todsicheren Chevy Nova heim – nur damit sich die Handlung in der zweiten Hälfte des Filmes nochmals wiederholen kann. Dort nimmt es Stuntman Mike mit den etwas robusteren Mädels Abernathy (Rosario Dawson), Kim (Tracie Thoms) und Zoë (Zoë Bell) auf. Während vieler tiefsinniger Frauengespräche bietet Tarantino auch jede Menge Kunstblut und obschon beide Teile seines Filmes identisch wirken, sind sie prinzipiell dann doch grundverschieden.

Das der Film Tarantino Spaß gemacht hat, macht sich bemerkbar. Er zitiert sich gerne selbst, referiert des Öfteren Vanishing Point und Bullitt, stellt für eine Barszene seine private Jukebox zur Verfügung und ergötzt sich an seinen Frauendialogen. Jungle Julia und/oder Abernathy treffen sich beide mit ihren Freundinnen zu einem großen und ausführlichen Plausch zu Tisch, doch während die einen unbekümmert über Männer und Flirten tratschen, offenbart sich bei zweiter Gruppe die toughere Natur der Damen – mal abgesehen von Lee (Mary Elizabeth Winstead), die dafür das eye candy des Filmes bildet. So nett und ausgefeilt Tarantinos Dialoge auch sind – sie sind zu lang. Denn an sich führen sie nirgendwo wirklich hin und entwickeln zudem nicht einmal die dargebotenen Charaktere weiter.

Die Tonmängel und Farbfehler sind natürlich nett mitzuerleben und schön eingebaut für das richtiges Flair, welches durch Tarantinos exzellente (und erstmalige) Kameraführung unterstützt wird. Auch die Musikauswahl ist wie immer über jeden Zweifel erhaben, für einen echten Grindhouse-Film ist allerdings doch zu unkonsequent durchgezogen. Denn nur weil Death Proof sich mitunter Stilblüten des Grindhouse bedient, macht das den Film noch lange nicht zu Grindhouse. Einen guten Film auf schlecht zu trimmen, damit er den Anspruch erfüllt so schlecht zu sein, dass er schon wieder gut ist, funktioniert hier dank Tarantinos gekonnte Inszenierung nicht. Und auch die überbordende Länge spricht dafür, dass Death Proof in seiner ursprünglichen GrindHouse-Fassung sicherlich runder daherkommt.

6.5/10 - erschienen bei Wicked-Vision

14. Juli 2007

The Sopranos - Season One

Act like a good Catholic for fifteen fucking minutes. Is that so much to ask?

Alle meine Serien sind in Sommerpause, also griff ich auf diese "Perle" zurück, von der man immer Gutes gehört hat, welche sogar die Clintons regelmäßig anschauten, mit Preisen übersät (allein Gandolfini gewann mehrmals den Emmy) worden ist - die dummerweise aber auch im ZDF-Randprogramm lief, irgendwann Mo. oder So. nachts. Jedenfalls kam ich nie dazu, nun wurde dies nachgeholt. Wie weiter unten bei Goodfellas bereits geschrieben, basiert, bzw. orientiert sich The Sopranos an Goodfellas und gibt einen Einblick in das alltägliche Leben eines capo's der Mafia: Anthony "Tony" Soprano (James Gandolfini).

Der Beginn der Serie kommt einem aus Analyze This vertraut vor, Tony hat Panickattacken und besucht schließlich einen Therapeuten, genauer gesagt eine Therapeutin (Lorraine Bracco, Goodfellas). Hier "heult" er sich über die Schwierigkeiten in seinem Beruf und seinem Privatleben aus, wobei sich beide Themen meistens vermischen, da wie jeder weiß, die Mafia auch als "Familie" angesehen wird. Dabei wirken die ersten vier oder fünf Folgen sehr eigenständig, ohne erkennbaren größeren Zusammenhang, was sie etwas schwer verdaulich macht. Gegen Ende kommt die Serie dann allerdings richtig in Schwung und auch wenn das Staffelfinale nicht die Lösung offenbarte, die ich mir gewünscht hätte, wurde dennoch genügend Spannung aufgebaut bis es zur 13. Folge kam.

In der ersten Staffel stellt das Überthema den Machtkampf zwischen Tony und seinem Onkel Junior um die Position des Bosses dar. Junior wird zwar Boss, sieht in Tony jedoch weiterhin eine Gefahr und dieser hat Junior wissentlich die Rolle des Boss übernehmen lassen, während er seine eigenen Geschäfte regelt. Außerdem kommen Tony's beide Kinder (darunter die kesse Jamie-Lynn Sigler) in ein Alter, wo sie zu Begreifen beginnen, wer ihr Vater in Wirklichkeit ist. Dies alles wird von Produzent David Chase sehr suburban like dargestellt, ist dadurch auch sicher realitätsnäher als Goodfellas, weiß aber auch über manche Strecken nicht so gut zu unterhalten wie dieser, da ihm charismatische Figuren wie Pesci, De Niro oder Liotta fehlen. Die zweite Staffel ist bereits besorgt und wird folglich demnächst gesichtet werden, immerhin sind ja noch zwei Monate für mich zu überbrücken.

7.5/10

11. Juli 2007

Goodfellas

How the fuck am I funny, what the fuck is so funny about me?

Neben The Godfather zählt Goodfellas zu den besten Mobster-Filmen aller Zeiten. 1990 hatte es Martin Scorsese mal wieder verpasst, den Oscar für die beste Regie zu gewinnen - der ging stattdessen an Kevin Costner (Dances With Wolves). Ebenso wie 2004, wo er mit The Aviator versagte - gegen Clint Eastwood (Million Dollar Baby), 2002 mit Gangs of New York gegen Roman Polanski (The Pianist) oder 1980 mit Raging Bull gegen Robert Redford (Ordinary People). Immer verlor Scorsese gegen Schauspieler. Für Taxi Driver (1976) und Casino (1995) wurde er nicht einmal nominiert. Eine schreiende Ungerechtigkeit, das gebe ich zu. Ihm dann den Oscar für The Departed (2006) zu geben, ist auch eine schreiende Ungerechtigkeit, hat Scorsese in dem Film doch nichts anderes getan, als ein echtes Meisterwerk Szene für Szene mit teilweise denselben Einstellungen nachzudrehen.

Goodfellas erzählt die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte des Gangsters Henry Hill (Ray Liotta), welcher zusammen mit Tommy DeVito (Joe Pesci) in der Mafia-Hierarchie unter Jimmy Conway (Robert De Niro) aufsteigt. Mit den Jahren wird Tommy allerdings immer unberechenbarer und Jimmy paranoider, was Henrys Familiendasein zu gefährden droht. Von einem wahren Aufstieg und Fall eines Mafiosi lässt sich hierbei nicht wirklich sprechen, inszeniert Scorsese den Fall von Hill doch innerhalb von nur einer Viertelstunde. Vielmehr geht es um die Entwicklung dieser drei goodfellas, die sich im Laufe der Jahrzehnte voneinander entfernen, sodass am Ende jeder seinen eigenen Kampf zu kämpfen hat. In dieser Hinsicht ähneln sich Goodfellas und Casino erstaunlich stark.

Die Kameraarbeit von Michael Ballhaus ist perfekt, daran gibt es nichts zu mäkeln, ebenfalls die Regie von Scorsese oder die Darstellerleistungen – auch wenn Liotta an mancher Stelle nicht mit de Niro und Pesci mithalten kann. Scorsese zeichnete mit Goodfellas ein Bild der Mafia, welches einem fast noch mehr im Gedächtnis bleibt als das von The Godfather. Den Eindruck den man von den Gangstern gewinnt, die einfach alles haben und wie Superstars behandelt werden, lässt einen in mancher Szene gar neidisch werden. Wenn man aber die Todesrate begutachtet, auch wieder nicht. Scorsese zeichnet eine eigene Welt, in der eigene Gesetze gelten (falls man überhaupt von Gesetzen sprechen kann). Begleitet wird durch diese drei Jahrzehnte dauernde Geschichte durch die Figur bzw. Ehe des Henry Hill.

Mobsterfilme sind das, worauf sich Scorsese versteht, so etwas kann er gut inszenieren. Meiner persönlichen Ansicht nach ging der Oscar 1990 damals dennoch zu Recht an Costner, dessen Film einfach runder im Vergleich zu Goodfellas ist. Dieser verliert sich besonders in der letzten halben Stunde viel zu oft auf Nebenkriegsschauplätzen und stellt eigentlich nur eine Aneinanderreihung verschiedener erwähnenswerter Mafia-Erlebnisse dar, sodass er fast hinter Casino zurücksteht. Dazu müsste ich letzteren aber nochmals sehen. Goodfellas ist also eine alltägliche Darstellung des Mafia-Lebens und hat Pate gestanden für die erfolgreiche HBO-Serie The Sopranos. Für ein wahres Meisterwerk fehlt ihm jedoch die in sich geschlossene Handlung und ein Schluss-Viertel, dass mit dem Anfang mithalten kann.

7.5/10

10. Juli 2007

Next

I've seen every possible ending. None of them are good for you.

Sie sind beliebt. Sie sind begehrt. Es handelt sich um die Geschichten des Autors und Visionärs Philip K. Dick. Einer der Großen des Cyberpunk-Genres, berühmt geworden durch Romane wie Ubik, The Three Stigmata of Palmer Eldritch oder A Scanner Darkly. Zudem war Dick auch Verfasser einiger Kurzgeschichten, darunter fallen auch Second Variety, Impostor, We Can Remember It For Your Wholesale und The Minority Report. Letztere wurden deswegen angeführt, da sie für Verfilmungen in Hollywood mit namhafter Besetzung führten, Second Variety und We Can Remember It For Your Wholesale dürften eher unter den Namen Screamers und Total Recall bekannt sein. Problematisch bei Dick-Verfilmungen sind immer die Erwerbungen der jeweiligen Rechte, die ähnlich wie bei den Tolkien-Nachfahren nur für horrende Summen herausgegeben werden. Abgesehen von der ersten Dickschen Verfilmung, Blade Runner (basierend auf dem Roman Do Androids Dream of Electric Sheep?), konnten die Nachfolger auch nicht so recht überzeugen. Meist scheiterten die Versuche bereits daran, die Geschichte zu korrumpieren, und wenn man von Dick die Geschichten nimmt, nimmt man praktisch alles. Am Ende kommt dann Chaoskino a la Minority Report heraus, das letztlich überhaupt nichts mehr zu bieten hat. Und wenn Hollywood dann die nächste Dicksche Verfilmung ankündigt, kann sich der Dick-Fan bereits darauf freuen, dass hier ein nächstes Debakel ansteht. Wenn das Projekt dann auch noch in der Regie mit Lee Tamahori besetzt wird, bräuchte man sich den Film nicht mal im Kino ansehen. Wie sehr der Neuseeländer seit Once Were Warriors abgestürzt ist, stimmt einen traurig. Dabei war sein Debütfilm so kraftvoll und von Leben erfüllt. Da wusste nur noch The Edge etwas anzuknüpfen, ohne am Ende vollends zu überzeugen.

Der Magier Cris Johnson (Nicolas Cage) ist mehr als nur ein einfacher Magier – Cris verfügt über die Fähigkeit zwei Minuten in seine persönliche Zukunft zu sehen. Dies macht ihn interessant für das Federal Bureau of Investigation und deren Agentin Callie Ferris (Julianne Moore). Eine ominöse Terroristengruppe (angeführt von Thomas Kretschmann) plant einen nuklearen Anschlag in den Vereinigten Staaten. Agentin Ferris möchte sich Cris’ Talent zu Nutzen machen und dem Wohle der nationalen Sicherheit unterordnen. Doch Cris will nicht, schließlich hat er unglückliche Erinnerungen an seine Jugend, in der er zum Versuchsobjekt degradiert wurde. Vielmehr will Cris die ihm unbekannte Liz (Jessica Biel) kennen lernen, von der er seit langem Visionen hat. Wegen des Interesses des FBI geraten Cris und Liz jedoch auch zur Zielscheibe der Terroristengruppe und plötzlich sieht sich Cris gezwungen, Ferris und ihren Männern zu helfen. Dies ist die Handlung des Filmes, die mit Dicks Kurzgeschichte The Golden Man kaum noch etwas zu tun hat. Und ironischerweise hat die Handlung auch relativ wenig mit dem ersten Drehbuchentwurf zu tun, der im Jahr 2004 aus der Feder von Gary Goldman (Total Recall, Big Trouble in Little China) entstand. In Dicks Kurzgeschichte ging es um den Mutante Cris, der in die Zukunft blicken konnte und eine goldfarbene Hautschicht hatte. Die Regierung versucht Cris gefangen zu nehmen, um ihn hinzurichten, da die genetische Evolution der Mutanten eine Gefahr für die übrige Menschheit darstellt. Dicks Geschichte ist jedoch weniger ein Plädoyer für die Mutanten – wie bei X-Men der Fall, sondern eher ein Pamphlet für deren Vernichtung, falls die Menschheit überlegen möchte. Schließlich wurde in seiner Handlung angedeutet, dass Cris’ Rasse die Menschheit auf kurz oder lang verdrängen könnte respektive würde.

Bereits in Goldmans Drehbuch war die Handlung stark abgewandelt. Der rassistische Unterton gegenüber Mutanten wurde entfernt, Cris selbst wurde zum mutierten Wolfskind mit übernatürlichen Fähigkeiten, statt seiner goldenen Hautfarbe. Ansonsten wurde das Hauptelement beibehalten, denn Cris wurde zum Interessenspunkt des Büros zur Nationalen Sicherheit. Diese wollten Cris quasi in ein Zimmer einsperren, um sich seiner Fähigkeiten zu bedienen. Als Gegenpol wurde die Figur von Liz eingeführt, die ebenfalls eine Mutantin war. In diesem Drehbuchentwurd schwängerte Cris Liz und begab sich schließlich in die Hände der Regierung, um die Sicherheit seines ungeborenen Kindes zu gewähren. Sicherlich handelte es sich bei The Golden Man um kein Meisterwerk des Sci-Fi-Genres, aber durch die Hereinnahme der Liebesgeschichte verlor das erste Skript zu Next noch mal an Kraft. Auch die Abänderung des Rassismus, der während Dicks Lebzeiten in den USA ja noch eminent war, nimmt der Geschichte etwas Präsenz. Doch wenige Monate später sollte das Drehbuch nochmals geändert werden, nachdem es bei Nicolas Cages Produktionsfirma Saturn Films landete und von Jonathan Hensleigh (Die Hard: With a Vengeance). Dieser brachte den unsäglichen Nebenplot um die Terroristen herein und nahm jegliche politische Brisanz aus dem Werk sowohl Dicks als auch Goldmans. Was am Ende dabei herauskam, war ein 70 Millionen Dollar teures Vehikel, welches mit Ach und Krach seine Kosten wiedereinspielen konnte, was jedoch hauptsächlich dem Ausland zu verdanken war, dass dreimal so viel das Kino besuchte, wie die Amerikaner selbst.

Im Endeffekt weiß Next nicht nur wegen der erneut kruden Frisur von Hauptdarsteller und Produzent Nic Cage zu schocken. Vielmehr stören die herben Drehbuchfehler beziehungsweise die darin enthaltenen Logiklöcher. Wieso kann Cris nur oder ausgerechnet zwei Minuten in die Zukunft blicken? Warum wird diese Zeit ausgedehnt, wenn er in Gegenwart von Liz ist? Und was hat es eigentlich mit den Terroristen auf sich, was wollen sie und wieso tun sie es? Mit den Fragen, die Next offen lässt, könnte man eine ganze Trilogie ausfüllen, denn die Terroristen taugen nicht als bloßer MacGuffin, wenn sie letztlich das sind, was bekämpft werden muss. Fraglich auch, wie das FBI sprich Ferris überhaupt auf Cris aufmerksam wurde. Nett sind zwar die Verweise auf Kubricks Dr. Strangelove und A Clockwork Orange, doch bilden diese lediglich die Ausnahme. Weiß der Anfang von Next noch halbwegs zu überzeugen und Cris’ Talent gebührlich zu zelebrieren, geht diese Eigenschaft bald flöten. Hilfreich unterstützt wird das vom wenig überzeugenden Schauspiel aller Beteiligten, wobei man dem Film zu Gute halten muss, dass er im englischen Original weit weniger dämlich daher kommt, wie es in der deutschen Synchronisation der Fall ist. Dennoch hätte man aus der Handlung und auch aus dem zumindest kreativ angehauchten Plottwist sehr viel mehr machen können, als es am Ende bei Tamahori der Fall war. An sich ist Next dabei wieder mal ein hervorragendes Beispiel, weshalb Dickscher Stoff nicht adäquat auf die Leinwand zu bannen ist. Seine oftmalige sozial-politische Kritik ist den Hollywood-Produzenten meist zu unbequem und wird für Entertainment-Plots geopfert. Wenn diese dann auch noch so miserabel ausgearbeitet werden wie hier, können selbst namhafte Darsteller wie Cage und Moore nicht mehr viel retten. Insbesondere da beide im Drama-Genre viel eher beheimatet und weitaus besser aufgehoben sind.

4/10

6. Juli 2007

Cidade dos Homens - Season Two

Als Neuerung der zweiten Staffel gibt es statt vier Folgen nunmehr derer fünf. Produzent Fernando Meirelles führte erneut bei einer der Episoden (Sabado) Regie. Im Gegensatz zur ersten Staffel konzentriert sich die Handlung weniger auf das direkte Leben in den Favelas, sondern Acerola (Douglas Silva) und Laranjinha (Darlan Cunha) sind inzwischen gealtert und haben in ihrer Pubertät nichts anderes als Mädchen im Kopf. Gleich die erste Episode dreht sich um dieses Thema, denn Samstags (Sabado) treffen sich alle in der (Open-Air) Disco, wo anschließend kräftig gebaggert wird und es nur darum geht, von jemandem geküsst zu werden.

Auch die anderen vier Episoden haben das Thema Beziehung und Sex zur Thematik, die gesamte zweite Staffel entfernt sich von der Grundstimmung aus Cidade de Deus. Dies ist im Grunde auch der Hauptkritikpunkt, den man äußern kann, denn so seltsam es sich anhört, wird das Leben von Acerola und Laranjinha gelegentlich so porträtiert, dass man denken könnte, sie leben nicht im Slum, sondern im Paradies. Von Gewalt und Armut in den Favelas ist nicht mehr viel zu sehen, stattdessen werden hübsche Mädchen angebaggert oder am Strand gesurft. Auch die Pfade der beiden Jungs und Joao Victor, dem upper-class Jungen aus letzten Staffel kreuzen sich wieder und die drei freunden sich an. Erst die fünfte und letzte Folge zeigt dann wieder das "wahre" Gesicht der Favelas.

Die zweite Staffel knüpft gut an die erste Staffel an und unterhält auch sicher mit den pubertären Bestrebungen der beiden Protagonisten. Der Grundtenor des Favela-Lebens wird dabei jedoch in den Hintergrund gespielt und lässt einen dann wie oben erwähnt hin und wieder stutzen, da einem das eigene Leben viel komplizierter erscheint, wie das von Acerola und Laranjinha. Es bleibt zu hoffen, dass die dritte Staffel sich wieder mehr dem Ernst des Themas widmet. P.S.: Für alle Interessierten, die ersten drei Staffeln gibt es bei amazon.de in einer Collector's Box für läppische 30€.

7/10

2. Juli 2007

Cidade dos Homens - Season One

Du stiehlst das Richtige und nie das Falsche.

Nach dem Erfolg von Cidade de Deus hat Regisseur und Produzent Fernando Meirelles eine Serie mit demselben Hintergrund kreirt: Cidade dos Homens (City of Men). Von 2002 bis 2005 lief die Serie in vier Staffeln über die brasilianischen Bildschirme, konzentrieren sich aber nicht auf die Hauptfiguren aus dem Film. In jeweils vier (später auch fünf) Episoden wird aus dem Leben der beiden (anfangs) 12jährigen Acerola (Douglas Silva) und Laranjinha (Darlan Cunha) erzählt, hauptsächlich ihr täglicher Überlebenskampf in ihrer Favela.

Die erste Folge (A Coroa do Imperador) wird hierbei als Einführung, indem sie die Bandenkämpfe in den Favelas mit den Napolitanischen Kriegen gleichzusetzen versucht. Hierbei werden Acerola und Laranjinha in ihren Familiensituationen eingeführt. In einer besonderen Szene schauen sich die Jungs mit ihren Freunden scheinbar im Fernsehen selber an, wo sie als Schauspieler Bezug dazu nehmen, dass sie alle selber aus den Favelas kommen und das Leben und Tod dort in Hand daherkommen.

Die zweite Folge (O Cunhado do Cara) hat dann schon eher einen Cidade de Deus-Touch, denn als Acerolas Schwester etwas mit dem Bandenchef Deco anfängt, bekommt Acerola die Kraft der Macht zu spüren und scheint den Weg von Löckchen aus Cidade de Deus zu gehen. Hierbei entfremden sich auch Acerola und Laranjinha, welcher der gewitztere der beiden ist.

In der dritten Folge (Correio) wird ein positiveres Bild der Favela gezeichnet, in denen nicht die Polizei, sondern die Banden herrschen. Dies heißt aber nicht, dass deshalb Anarchie angesagt ist und so setzt in Correio der Bandenchef Acerola und Laranjinha als Postboten für die Favela ein, damit auch jeder seine Post bekommt. Als ein Brief allerdings übrigbleibt und der Chef im Urlaub ist, müssen Acerola und Laranjinha um ihr Leben fürchten.

In der vierten und letzten Folge der ersten Staffel (Uólace e Joao Victor) - welcher von Meirelles diregiert wurde - stehen Laranjinha, dessen Geburtsname Uólace ist, und ein Junge namens Joao Victor im Blickpunkt. Während Laranjinha in der Favela wohnt und jeden Tag nach Essen sucht, wohnt Joao Victor im gehobeneren Viertel, nimmt sogar Tennisstunden. Was beide verbindet, ist die Sehnsucht nach einem neuen Sportschuh, der für beide allerdings zu teuer ist. Mehrfach kreuzen sich ihre Wege in dieser Folge, in der aufgezeigt werden soll, dass man nicht ist, was man ist, weil man in der Favela oder im gehobeneren Viertel lebt.

Für jemanden in Deutschland lässt sich das Leben in den Favelas wohl schwerlich vorstellen und ob es gebührend charakterisiert wird, ist fraglich (da es relativ gewaltarm zugeht, auch wenn Acerola mehrfach um sein Leben fürchten muss). Mit Acerola und Laranjinha hat man zwei Helden, die stark an die jungen Löckchen und Béné aus Meirelles' Film erinnern. Allerdings war es interessant, einmal ein brasilianisches Serienkonzept zu begutachten. Dabei unterhält die Serie und lebt von der gelungenen Regie und den beiden Talenten Cunha und Silva. Dieses Jahr kommt auch noch eine Kinoversion von Cidade dos Homens heraus...ich werde mir demnächst erstmal die zweite Staffel anschauen.

8/10