30. September 2015

Filmtagebuch: September 2015

AMY
(UK/USA 2015, Asif Kapadia)
8/10

BIG HERO 6 [BAYMAX – RIESIGES ROBOWABOHU]
(USA 2014, Don Hall/Chris Williams)

6/10

THE ’BURBS [MEINE TEUFLISCHEN NACHBARN]
(USA 1989, Joe Dante)

8.5/10

CUTTHROAT KITCHEN – SEASON 1
(USA 2013, Steve Hyrniewicz)
7/10

ELECTRIC BOOGALOO: THE WILD, UNTOLD STORY 
OF CANNON FILMS
(USA/UK/AUS/IS 2014, Mark Hartley)
5.5/10

ENTER THE VOID
(F/D/I/CDN 2009, Gaspar Noé)
5.5/10

EVEREST (3D)
(USA/UK/IS 2015, Baltasar Kormákur)

7/10

THE FIRM [DIE FIRMA]
(USA 1993, Sydney Pollack)

6/10

GAME OF THRONES – SEASON 1
(USA 2011, Brian Kirk/Daniel Minahan u.a.)
6.5/10

GRAVITY
(USA/UK 2013, Alfonso Cuarón)
6/10

GREMLINS
(USA 1984, Joe Dante)
8/10

GREMLINS 2: THE NEW BATCH
(USA 1990, Joe Dante)
8/10

INNERSPACE [DIE REISE INS ICH]
(USA 20, Joe Dante)

6/10

KING KONG
(USA/D/NZ 2005, Peter Jackson)
2.5/10

THE LOOK OF SILENCE
(USA/UK/RI u.a. 2014, Joshua Oppenheimer)
8/10

LOVE (3D)
(F/B 2015, Gaspar Noé)

6/10

LOVE & MERCY
(USA 2014, Bill Pohlad)
5.5/10

MASH
(USA 1970, Robert Altman)
6.5/10

M*A*S*H – SEASON 1
(USA 1972/73, William Wiard u.a.)
7/10

THE MARTIAN (3D)
(USA 2015, Ridley Scott)

7/10

MASTERS OF THE UNIVERSE
(USA 1987, Gary Goddard)
4/10

MUSARAÑAS [SHREW’S NEST]
(E/F 2014, Juanfer Andrés/Esteban Roel)

4/10

PAUL
(USA/UK 2011, Greg Mottola)
6.5/10

PLEMYA [THE TRIBE]
(NL/UA 2014, Miroslav Slaboshpitsky)

6/10

PRISON BREAK – SEASON 1
(USA 2005/06, Kevin Hooks/Bobby Roth u.a.)
7.5/10

THE SEARCH FOR GENERAL TSO
(USA/CN/RC 2014, Ian Cheney)
6/10

SENNA
(UK/USA/F/BR 2010, Asif Kapadia)
8.5/10

SHOW ME A HERO
(USA 2015, Paul Haggis)
5.5/10

SMALL SOLDIERS
(USA 1998, Joe Dante)
3.5/10

TERMINATOR GENISYS
(USA 2015, Alan Taylor)
3/10

TIN CUP
(USA 1996, Ron Shelton)
6.5/10

TRAINER!
(D 2013, Aljoscha Pause)
7.5/10

TURBO KID
(CDN/NZ 2015, François Simard/Anouk Whissell/Yoann-Karl Whissell)
3.5/10

Werkschau: Edgar Wright


SHAUN OF THE DEAD
(UK/USA/F 2004, Edgar Wright)
8/10

HOT FUZZ
(UK/USA/F 2007, Edgar Wright)
6/10

SCOTT PILGRIM VS. THE WORLD
(USA/UK/CDN/J 2010, Edgar Wright)
5/10

THE WORLD’S END
(UK/USA/J 2013, Edgar Wright)
3.5/10

24. September 2015

Everest

Sit down, man. Acclimatize.

Das Einmalige ist preislos – sollte man meinen. In Steven Spielbergs Jurassic Park erkannte die Filmfigur des Anwalts mit dem Dino-Park ein lukratives Geschäft. “We can charge anything we want, 2,000 a day, 10,000 a day, and people will pay it”, frohlockt Donald Gennaro. Für Park-Gründer John Hammond ein No-Go. Jeder habe das Recht, an diesem einmaligen Erlebnis zu partizipieren, findet Hammond. Quasi eine Mischung aus beiden Ansichten vertrat wohl der Bergsteiger Rob Hall, der mit zu den ersten seiner Zunft gehörte, die kommerziell geführte Besteigungen anboten. In diesem Fall am Mount Everest, mit 8.848 Metern der höchste Berg der Erde. Seinen Gipfel zu erreichen ist kein leichtes Unterfangen – vor allem für Nicht-Profis.

Regisseur Baltasar Kormákur widmet sich in Everest nun jenem Everest-Unglück vom 10./11. Mai 1996, als zwei geführten Gruppen gemeinsam den Gipfelsturm in Angriff nahmen. Am Ende sollten acht der 33 Personen ihr Leben auf dem Berg lassen, nachdem zeitliche Verzögerungen und ein Sturm die Pläne der Expeditionsleiter kreuzten. Der Film fokussiert sich dabei auf den bereits erwähnten Rob Hall (Jason Clarke), der in Kathmandu auf seine Klienten wartet, ehe diese in den 40 Tagen bis zur Gipfelbesteigung an die Bedingungen akklimatisiert werden. Zu Halls Gruppe gehören dabei neben dem Journalisten Jon Krakauer (Michael Kelly) auch der Pathologe Beck Weathers (Josh Brolin) sowie der Postbote Doug Hansen (John Hawkes).

Für Hansen war es ein erneuter Anlauf, den Gipfel des Everest zu erreichen, nachdem ihn Hall in der Vergangenheit bereits zu einer Umkehr gezwungen hatte. Währenddessen bereiten Hall einerseits die Schwangerschaft seiner Frau Jan (Keira Knightley) Sorgen, für deren Entbindung er wieder zurück in seiner Heimat Neuseeland sein möchte, aber auch die Vielzahl an geführten Expeditionen, die an seinem eigenen designierten Termin (10. Mai) zum Gipfel wollen. Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, legt Hall seine Führung mit der seines Konkurrenten Scott Fischer (Jake Gyllenhaal) zusammen. Doch bereits im Verlaufe des Aufstiegs zwischen den verschiedenen Basiscamps zeichnen sich Spannungen und Problemfelder ab.

Das in – weitestgehend verschenktem – 3D gedrehte Abenteuer-Drama teilt sich von seiner Dramaturgie in zwei Hälften auf: die zum Aufstieg führende und die den Abstieg begleitende. Zwar nimmt Rob Hall dabei die Rolle der Hauptfigur ein, doch angesichts der Vielzahl von Figuren – Emily Watson spielt Halls Basiscamp-Leiterin und Elizabeth Debicki dessen Arzt, Sam Worthington einen befreundeten Bergsteiger – gerät Everest mehr zu einem Ensemblefilm. Dies gereicht ihm durchaus zum Vorteil, selbst wenn in dessen Folge vielschichtige Figuren wie Krakauer oder Fischer und ihre Motive fraglos weniger beleuchtet werden, als vielleicht möglich gewesen wäre. Nur: Everest will keine persönliche, sondern eine kollektive Geschichte erzählen.

Es ist also nicht zwingend von Bedeutung, welche der vielen vermummten Personen nun wer ist oder wo genau sich jede einzelne von ihnen gerade am Gipfel befindet. Eine räumliche Aufteilung der entscheidenden Figuren wird auch aufgrund von klarer Farbunterlegung deutlich, weiß man, wer und wo Hall, Hansen, Fischer und Weathers sind. Besonders wenn der Sturm den Everest erreicht, steigert sich Kormákurs Film nochmals, überlässt der Regisseur jegliche narrative Dramaturgie ganz den unglücklichen Ereignissen von 1996. Obschon man Everest vorwerfen kann, dass er viele Umstände ziemlich subtil interpretiert und erklärt, der Film jedoch bereits die Vorfälle von damals auf zwei Stunden komprimiert und Figurenmomente kürzt.

Die Dosierung der vielen Hollywood-Stars – Robin Wright taucht auch noch in einer Nebenrolle als Weathers’ Ehefrau auf – beherrscht Kormákur gekonnt. Der Umstand, dass Christian Bale, der ursprünglich Hall spielen sollte, ausschied und der Film somit charakterlich dezentralisiert wurde, avanciert zum Qualitätsmerkmal. Wer generell dem Subgenre mit solchen Filmen wie Touching the Void nicht abgeneigt ist, der wird auch bei Everest auf seine Kosten kommen. Wobei angesichts der wahren Begebenheiten – wie so oft – auch eine Dokumentation nicht verkehrt gewesen wäre. Dort hätte man auch die Kritik an der Kommerzialisierung der Everest-Besteigung verstärken können. Denn nur weil etwas da ist, muss es nicht jeder gleich besteigen.

7/10

18. September 2015

The Search for General Tso

This is all crazy nonsense.

Andere Länder, andere Sitten – ein Sprichwort, das auch auf die Kulinarik passt. Denn was in Deutschland gerne als ausländische Küche à la Pizza oder Döner Kebab goutiert wird, kommt in der ursprünglichen Heimat oft ganz anders auf den Teller. Oder teils auch gar nicht. So sucht man Glückskekse, die es in jedem westlichen China-Restaurant gibt, in der Volksrepublik beispielsweise vergeblich. Im Westen sind die Nachtisch-Snacks dafür umso populärer – und nicht nur sie. Auch das Gericht General Tso’s Chicken erfreut sich größter Beliebtheit in US-amerikanischen China-Restaurants. Derart großer sogar, dass Regisseur Ian Cheney in seiner Dokumentation The Search for General Tso den Ursprung des Gerichts ausfindig machen will.

Ein erstes Indiz gibt natürlich der Name von General Tso, auch wenn natürlich keiner weiß, wer oder woher dieser ist. Selbst in Shanghai sind die Leute wenig schlauer. “I haven’t seen it directly on a menu in China”, gesteht die Food-Redakteurin Crystyl Mo von Time Out Shanghai. Auf der Straße erkennt auch keiner das Gericht wieder, das Brokkoli mit frittierten Hühnerschenkeln in einer süß-scharfen Sojasoße reicht. “It doesn’t look like chicken”, meint gar ein Chinese. “It looks like frog.” Also weiter gesucht, mit dem Namenspaten als Indiz. Er stammt aus der Provinz Hunan und war ein General in der Qing Dynastie. “Extremely famous and respected in Hunan”, weiß Qing-Experte Liang Xiao Jin – und liefert in Hunan sogleich den Beweis.

Von der Tso Schule bis hin zum Tso Platz führt er Cheneys Crew – sogar in ein General Tso Hotel wo stilecht General Tso Schnaps gereicht wird. Auch wenn diesen der General seinerzeit – die Qing Dynastie reichte von 1644 bis 1911 – selbst nicht trank. Auch jenes Hühnergericht, das seinen Namen trägt, kannte der General nicht, obschon Hunan für die im Rezept verwendeten Chilis berühmt sei. “He did not invent this chicken”, stellt Liang klar. Also doch eine US-Erfindung? An dieser Stelle stoppt The Search for General Tso die Suche und liefert einen Rückschau auf die Geschichte der Chinesen in den USA, deren erste Vertreter gegen Ende der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom Goldrausch nach Kalifornien gelockt wurden.

Wer die HBO-Serie Deadwood kennt, weiß jedoch, dass es die Neunankömmlinge aus dem fernen Osten – oder in dem Fall eher: Westen – nicht leicht hatten. Sie wurden diskriminiert, informieren Amerikaner chinesischen Ursprungs in Cheneys Film, und fanden letztlich eine Nische in der Gastronomie und Wäscherei. Heute, so Historikerin Sue Lee, machen Chinesen ein Prozent der US-Bevölkerung aus, “yet probably most Americans have eaten Chinese food”. Seinen ersten Aufstieg nahm die Asia-Küche zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit dem Gericht Chop Suey, aber im Laufe der Jahre wurde auch deutlich: mit Original chinesischer Cuisine hatten die Speisen in den US-amerikanischen China-Restaurants immer weniger zu tun.

Die Restaurants merkten schnell, dass auch wenn ihre exotischen Gerichte Interesse erweckten, sie diese der US-Kultur anpassen mussten. “This awareness of having to make yourself acceptable to a wider world”, nennt es Buchautorin Bonnie Tsui. Und spricht von “Chinese food” als “invitation into the world” für die Amerikaner – selbst wenn die Küche “as American as anything else” war. Richtig boomte das Geschäft der Restaurants, so die Dokumentation, nachdem Präsident Nixon 1972 dem kommunistischen China einen Besuch abstattete und so mögliche ideologische Kulinarik-Brücken auch in der Heimat wieder einriss. Spätestens jetzt begann der Siegeszug von Frühlingsrollen, Glückskeksen, Chop Suey und General Tso’s Chicken.

Der Ursprung von Letzterem wird zum Ende von The Search for General Tso auch noch aufgeklärt – zumindest teils. Wieso das Rezept so aussieht, wie es aussieht und nach dem General benannt wurde, bleibt ebenso unklar wie der Grund für seine landesweite Popularität. Als Aufhänger für seine kurzweilige Dokumentation funktioniert das Hühnergericht aber dennoch ganz gut, speziell wenn Ian Cheney dies dazu nutzt, wenn auch etwas oberflächlich, die Geschichte der chinesischen Einwanderer in den USA zu skizzieren – und welche Rolle ihr kulinarisches Erbe für die einheimische Gesellschaft spielt. Am Ende wird General Tso’s Chicken dann sogar auch in Hunan serviert – hoffentlich mit mehr Erfolg als die deutsche Döner-Version in der Türkei.

6/10

12. September 2015

Until Dawn

I feel like someone’s watching us.

Man kennt das vermutlich aus so manchem Horror-Film, wo der Zuschauer wiederholt anders – lies: klüger – entschieden hätte, um sein Überleben zu sichern. In entscheidenden Szenen rennen statt kauern, oder verstecken statt rennen. Until Dawn, ein interaktives Horror-Spiel von Supermassive Games, sollte nun dies in die Realität umsetzen: ein spielbarer Horror-Film, in dem es am Spieler ist, durch seine Entscheidungen zu beeinflussen, wer stirbt und wer überlebt. In gewisser Weise ähnlich zu Telltale’s The Walking Dead-Reihe, aber – so sicher die Idee – weitaus immersiver, was von den Machern um Regisseur Will Byles durch die Verortung in eine einzelne Nacht und die weniger Comic-hafte Grafik per Motion Capture untermauert wird.

An einem Februar-Wochenende trifft sich eine Gruppe Freunde um Sam (Hayden Panettiere) in der abgelegenen Skihütte von Filmproduzenten-Sprößling Josh (Rami Malek) zum ersten Jahrestag des Todes von dessen Zwillingsschwestern Hannah und Beth (beide Ella Lentini). Beide waren im Jahr zuvor im Wald gestorben, nachdem ihre Freunde rund um Mike (Brett Dalton), Emily (Nichole Bloom), Jessica (Meaghan Martin), Matt (Jordan Fisher) und Ashley (Galadriel Stineman) Hannah zuvor einen kindischen Streich ob ihrer romantischen Gefühle gegenüber Mike spielten. Doch schon bald zeigt sich, dass die Studenten erneut nicht alleine auf dem verschneiten Berg sind. Ein maskierter Mann hat es wohl auf die Gruppe abgesehen.

Abwechselnd übernimmt der Spieler im Verlauf von Until Dawn die Kontrolle über die Gruppe Freunde, angefangen mit Hayden Panettieres Sam, die trotz ihrer namhaften Darstellerin von allen Charakteren am wenigsten ausgefeilt wirkt. Nach den Ereignissen aus dem Vorjahr als Prolog zieht sich die Exposition der Handlung ein wenig, um die Dynamik zwischen einzelnen Figuren zu etablieren. Seien es romantische Gefühle zwischen Ashley und Chris (Noah Fleiss) oder Eifersucht von Emily, die nun mit Matt liiert ist, früher jedoch mit Mike, der nun mit Jessica angebandelt hat. Letztere machen sich auf zu einer zweiten Hütte für Gäste, während es Sam nach einem heißen Bad sehnt. Doch der Abend soll anders verlaufen als erhofft.

Die Handlung des Spiels und seine Dialoge sind dabei genauso behämmert, wie man es aus Horror-Filmen gewohnt ist. Sich am Jahrestags des Todes zweier Freunde am Tatort zu treffen wird von niemandem hinterfragt – auch nicht von einem Psychiater (Peter Stormare), der einem zwischen den einzelnen Kapiteln Fragen stellt wie: Wovor fürchtest du dich mehr, Clowns oder Vogelscheuchen? Mit einem “Previously on Until Dawn” geht es dann zurück auf den Berg – als ob man nicht wüsste, was bisher geschah, nachdem man es vor einer halben Stunde selbst gespielt hat. Dass sich das Spiel im Verlauf von seiner Serienkiller-Slasher-Methodik verabschiedet, um statt Halloween eher The Descent nachzuäffen, macht alles noch schlimmer.

Der Einfluss auf das Geschehen hält sich zudem in Grenzen. Generell darf man immer aktiv werden, wenn man einen Schalter umlegen oder eine Tür aufdrücken soll, ansonsten läuft viel in Zwischenszenen, deren Dialoge sich nur bisweilen steuern lassen. Das wiederum nach dem Motto: Sag ich etwas Freundliches, krieg ich eine freundliche Antwort. Und umgekehrt. Ob man in entscheidenden Momenten dann flieht oder sich versteckt, kann irrelevant sein für den Ausgang der Szene – was die Entscheidungsgebung ebenso irrelevant macht. Wenn dann doch plötzlich Figuren sterben, weil zuvor (“Previously on…”) ein weitestgehend nichtig erscheinender Beschluss einen in den Hintern beißt, überrascht das zwar, ist aber auch nicht dramatisch.

Grundsätzlich, so die Idee, können alle Figuren das Spiel überleben – oder auch nicht. Je nachdem, wie man entscheidet. Abgesehen von der Herausforderung als solchen wäre es dabei dienlich, wenn die Charaktere etwas mehr Persönlichkeit kriegen würden, außer A steht auf B. So ist Emily eine derart unsympathische Person, dass einem ihr Überleben keine Priorität ist. Und sogar Sam als größte Identifikationsfigur bleibt ein Rätsel. Da Until Dawn jedoch einem Horror-Film nachempfunden sein soll, stand zumindest für mich fest, dass nicht jeder den Morgengrauen noch erleben würde. Selbst wenn mancher Tod dann doch nicht geplant war. Sei es, weil man mal zu spät reagiert, oder weil man dann doch etwas zu naiv entscheidet.

Konsequent ist das Spiel hier keineswegs. Manche Figuren können nur in bestimmten Momenten sterben respektive ab einem gewissen Zeitpunkt. Folglich sind ihre Entscheidungen von weniger bis gar keiner Bedeutung, wo eine andere Figur einem zuvor wegstirbt. Der Freiraum, den einem Until Dawn gewährt, ist entsprechend begrenzt und somit auch der Spielraum. Heißt es, dass manchmal Nichtstun die beste Lösung ist, ist Nichtstun später selten bis gar nicht eine Option. Eben immer so, wie es die Macher gerade wünschen. So lange heißt es also, die Zwischenszenen mit ihren furchtbaren Dialogen ertragen oder die zähen und unsinnigen Momente mit Stormares fiktivem Psychiater, der weder Sinn für das Spiel noch den Spieler macht.

Ob man sich mehr vor Clowns oder Vogelscheuchen fürchtet, entscheidet dann, ob einem im Spielverlauf ein Clown oder eine Vogelscheuche begegnet. Oder kann. Auf meinen Hinweis, ich ekele mich mehr vor Spinnen als vor Schlangen folgte nichts. Die Psychiaterszenen sind somit lediglich Füllmaterial, um ein Spiel etwas auszudehnen, dass bis auf einige krude Referenzen – Saw wird ebenfalls zitiert – wenig Originalität bietet. Dass die müde Handlung dabei nur für den Spieler, nicht für die Figuren durchschaubar ist, macht das Erlebnis nicht weniger zäh. Wenn mehr und mehr Referenzen vom vermeintlichen Täter zu den Ereignissen um Hannah auftauchen, kommt das keinem der Charaktere in Until Dawn Spanisch vor.

Von einem interaktiven Horror-Film habe zumindest ich mir etwas mehr versprochen. Interaktiv heißt für mich nicht, dass ich erst Schaltkästen aufmachen und dann den Schalter darin selbst umlegen „darf“. Grundsätzlich hätte Supermassive Games aus dem Konzept von Until Dawn also mehr herausholen können als man es letztlich getan hat. So halbgar wie die Umsetzung ist trotz des ansehnlichen Settings auch die Darstellung des Ensembles (mit Galadriel Stineman als Ausnahme). Von meinen acht Figuren überlebten am Ende lediglich drei (Sam, Jessica, Emily), wobei es mir nur um Mike leidtut, dessen Tod jedoch mehr noch als der von Matt eher der inhärenten Unlogik zu verdanken ist. Also eben wie in einem Horror-Film.

4.5/10

6. September 2015

This Is the End [Das ist das Ende]

Hermione just stole all of our shit. And Jay suggested that we rape her.

Unverhofft kommt oft, heißt es so schön. Das sollte vermutlich für nichts mehr gelten als für das Ende aller Tage, auch als Armageddon bekannt. Und wie sich zeigt, gibt es wider Erwarten scheinbar keinen schlechteren Ort, um auf die biblische Entrückung zu hoffen, als eine Hollywood-Party zu besuchen. So zumindest lassen es einen Evan Goldberg und Seth Rogen in ihrem Regiedebüt This Is the End glauben, in dem sie ihren eigenen Freundeskreis die Apokalypse erleben lassen. Viel dramatischer als der Weltuntergang vor der eigenen Haustür entwickelt sich die Offenbarung, die sich innen statt draußen abspielt. Es sind die emotionalen Fassaden, die bröckeln, wenn sich eine Handvoll Freunde offen die Meinung sagt.

Beste Freunde seit gemeinsamen Undeclared-Tagen fürchtet Jay Baruchel im Film um seine Freundschaft zu Kollege Seth Rogen, der inzwischen seine Bromance mit Freaks-and-Geeks-Kollege James Franco intensiviert. Seine Clique rund um Jonah Hill versucht zwar alles, um Baruchel in ihre Mitte aufzunehmen, doch so wirklich will der nicht in deren Kreis passen. Craig Robinson und Emma Watson halten ihn sogleich für einen Hipster, der sich zu schade ist, die Toilette zu besuchen, nur weil Michael Cera auf Kokain dort gerade einen flotten Dreier verlebt. Als dann auch noch die Welt untergeht, sieht sich Baruchel eingesperrt mit Rogens Clique in Francos Haus. Dort wartet die Gruppe auf ihre Rettung, immerhin sind sie Hollywood-Stars.

Der Humor von This Is the End, so die Idee, zeugt von übersteigerten Darstellungen der öffentlichen Meinung der Stars. Oder, wie im Falle von Michael Cera, von deren totaler Verkehrung. So gibt Jonah Hill (“from Moneyball”) einen Schleimscheißer, James Franco inszeniert sein Bild als prätentiöser Seth-Rogen-Fan und Danny McBride gibt ein Arschloch vom Dienst, wie er es schon in The Pineapple Express oder Eastbound & Down perfektioniert hat. Das ist zwar ein interessantes und vielversprechendes Konzept, wird allerdings im Film von Goldberg und Rogen nicht konsequent zu Ende gedacht. Auch, weil der Meta-Gedanke im Laufe des zweiten Akts dann letztlich einem konventionellen dramatischen Verlauf geopfert wird.

Mit Beginn der Apokalypse beginnt zugleich das schleichende Ende des sich gegenseitig Aufziehens, in dem allenfalls James Franco eine Ausnahme darstellt. Speziell Craig Robinson verkommt zu einer eindimensionalen Figur, die mehr den Status des Token Black Guy einnimmt, anstatt dass Robinsons Persona als Sprungbrett für Sarkasmus oder Zynismus dient. Der Humor des Films, so scheint es, generiert sich zuvorderst daraus, dass Stars als sie selbst angesprochen werden, statt mit einem Charakternamen. Da taumelt Paul Rudd mit Schampusflasche einer Besucherin in den Schädel und Emma Watson verschwindet zuerst von Francos Party, um dann später kurz zurückzukommen, ohne dass der Film etwas mit ihr anzufangen wüsste.

Wenn ein vollgedröhnter Michael Cera den Hintern vom Rihanna begrabscht und diese ihm eine scheuert, ist das durchaus amüsante physical comedy, verpufft aber im Grunde genauso wie die wenig gehaltvollen Momente mit Stars wie Jason Segel, Kevin Hart oder Aziz Ansari. Es wäre This Is the End vielleicht mehr geholfen gewesen, wenn man Cera mit in die Gruppe eingeschlossen hätte und McBride als Antagonisten ersetzen lassen, statt dass Letzterer einfach eine Widersacher-Rolle aus seinen Filmen in die Realität übernimmt. Auch eine vertiefte weibliche Figur hätte hier nicht geschadet, um den Humor zu (ver-)stärken, beispielsweise mit Aubrey Plaza oder Linda Cardellini, um die Freaks and Geeks-Referenz weiterzutreiben.

Der weitere Filmverlauf beschränkt sich dann auf Goldbergs und Rogens aus Superbad übernommene Faszination mit Penissen, die Dämonen und Satan geschenkt werden, ohne dass sie einen Sinn ergeben, und dem Gedanken, wenn man sich für jemand opfert, wird man entrückt – selbst wenn es eine kalkulierte Selbstopferung ist, im Wissen, aus ihr resultiert die gewünschte Entrückung (Hollywoods Idee von Altruismus). Womöglich wäre This Is the End eine rundere Sache als verlängerter SNL Digital Short beziehungsweise in den Händen vom The Lonely Island-Team geworden, zumindest ein kompetenter Regisseur wie Adam McKay hätte jedoch geholfen. Am Ende gilt für den Film daher dasselbe wie für Aziz Ansari in ihm: “It’s too late for you.”

5/10

1. September 2015

Filmtagebuch: August 2015

’71
(UK 2014, Yann Demange)
6.5/10

BALLERS – SEASON 1
(USA 2015, Julian Farino u.a.)
6.5/10

BOBBY FISCHER AGAINST THE WORLD [ZUG UM ZUG IN DEN WAHNSINN]
(USA/UK 2011, Liz Garbus)

6/10

CAKE
(USA 2014, Daniel Barnz)
5.5/10

CAMP X-RAY
(USA 2014, Peter Sattler)
6/10

THE FARM: ANGOLA, USA
(USA 1998, Liz Garbus/Jonathan Stack)
5/10

GINGER SNAPS
(CDN 2000, John Fawcett)
4/10

GIRLHOOD
(USA 2003, Liz Garbus)
5.5/10

GREY’S ANATOMY – SEASON 2
(USA 2005/06, Peter Horton u.a.)
7/10

THE GUEST
(USA/UK 2014, Adam Wingard)
10/10

THE IMITATION GAME
(UK/USA 2014, Morten Tyldum)
4.5/10

LOVE, MARILYN
(USA/F 2012, Liz Garbus)
4.5/10

MAY
(USA 2002, Lucky McKee)
5/10

A MOST VIOLENT YEAR
(USA/UAE 2014, J.C. Chandor)
6/10

PIRANHA
(USA 1978, Joe Dante)
3.5/10

PIRANHA 3D
(USA 2010, Alexandre Aja)
5.5/10

PONTYPOOL
(CDN 2008, Bruce McDonald)
5.5/10

RESIDENT EVIL
(USA/UK/D/F 2002, Paul W.S. Anderson)
5/10

RESIDENT EVIL: APOCALYPSE
(USA/UK/D/F/CDN 2004, Alexander Witt)
4/10

RESIDENT EVIL: EXTINCTION
(USA/UK/D/F/AUS 2007, Russell Mulcahy)
3/10

RESIDENT EVIL: AFTERLIFE
(USA/D/F/CDN 2010, Paul W.S. Anderson)
3.5/10

RESIDENT EVIL: RETRIBUTION
(USA/D/F/CDN 2012, Paul W.S. Anderson)
1/10

SELMA
(USA/UK 2014, Ava DuVernay )
6/10

STILL ALICE
(USA/F 2014, Richard Glatzer/Wash Westmoreland)
6.5/10

TRUDNO BYT BOGOM [ES IST SCHWER, EIN GOTT ZU SEIN]
(RUS 2013, Aleksey German)

3/10

TRUE DETECTIVE – SEASON 2
(USA 2015, Justin Lin/John Crowley u.a.)
6.5/10

WET HOT AMERICAN SUMMER
(USA 2001, David Wain)
9/10

WET HOT AMERICAN SUMMER: FIRST DAY OF CAMP
(USA 2015, David Wain)
7/10

WHAT HAPPENED, MISS SIMONE?
(USA 2015, Liz Garbus)
5/10

ZOMBEAVERS [ZOMBIBER]
(USA 2014, Jordan Rubin)

3/10

Retrospektive: Die Top Five 2012


DRIVE
(USA 2011, Nicolas Winding Refn)
8.5/10

THE IMPOSTER [DER BLENDER]
(UK 2011, Bart Layton)

8.5/10

AMOUR [LIEBE]
(F/D/A 2012, Michael Haneke)

8/10

BEASTS OF THE SOUTHERN WILD
(USA 2012, Benh Zeitlin)
8/10

THE INTERRUPTERS
(USA 2011, Steve James)
10/10