31. Oktober 2009

Panel to Frame: The Crow

This isn’t hell but you can see it from here.
(The Crow, Book Two: Fear, Chapter: Velocity)

Im Comicgenre herrscht im Grunde fast so etwas wie ein Duopol, sind immerhin DC Comics und Marvel die beiden alles überragenden Marktführer. Hier bestätigen Ausnahmen wie Dark Horse natürlich die Regel. Ein weitestgehend unbekanntes Label gebar 1989 einer der weitestgehend bekannten Comics. James O’Barr veröffentlichte in diesem Jahr in Caliber Comics – einem Verlag, der sich im selben Jahr erst gegründet hatte – seine über mehrere Jahre ausgearbeitete Geschichte The Crow. Eine düstere und melancholische Liebeserklärung, basierend auf wahren Begebenheiten und eigenen traumatischen Erlebnissen. Elf Jahre zuvor starb O’Barrs Freundin bei einem Autounfall, der von einem alkoholisierten Fahrer verursachte wurde. Nachdem O’Barr der Armee beigetreten war, begann er 1981 die Arbeiten an The Crow, um mit dem Verlust jener Freundin klar zu kommen. Eine weitere maßgebliche Inspirationsquelle war der Mord an einem Pärchen in Detroit, O’Barrs Heimatstadt, ausgelöst durch einen Ring im Wert von zwanzig Dollar. Ausgelegt als persönliche Katharsis verarbeitete der Autor all seinen inneren Schmerz in seinem Comic. Einem Comic, das im Vergleich zu einigen seiner Genrevertreter dem Anspruch eines contemporary piece gerecht wird.

Ein Jahr nach seiner Ermordung kehrt Eric Draven von den Toten zurück. Eine übersinnliche Krähe ruft ihn wieder ins Leben, um sich an jener Straßengang zu rächen, die ihn und seine Verlobte, Shelley, auf dem Gewissen haben. In aller Ruhe müssen die einzelnen Gangmitglieder Tin Tin, Top Dollar, Tom Tom, Funboy und T-Bird dran glauben, während Eric die restliche Zeit in jenem Haus verbringt, das Shelley und er einst renovieren wollten. Für die Gestaltung seines Comics ließ sich O’Barr stark von den Liedtexten der Gruppe Joy Division beeinflussen, während auch Gedichte von Arthur Rimbaud Einzug in das Comic fanden. Eric selbst wird in der gegenwärtigen Handlung als zynischer Punk portraitiert, versehen mit der inzwischen klassischen weißen Gesichtsfarbe, die ihm seinen gespenstischen Charakter verleihen. Die Rückblenden der Figur kleidet O’Barr dagegen in freundlichere Töne, die wie ein Auszug aus einem Musikvideo wirken. Grandios, wie die Gesichtszüge von Eric in den unterschiedlichen Panels abweichen. Ist sein Gesicht in den Rückblenden stets von Wärme, Liebe und Glück gezeichnet, birgt das Angesicht des auferstandenen Eric nichts als Kummer, Wahnsinn und Zorn. Durch die Verschmelzung von Rückblenden und Gegenwart lässt sich mitunter wahrhaft mit einem Auge beobachten, unter welchem emotionalen Schmerz O’Barr seinerzeit gelitten haben muss.

Die Verortung von The Crow in die achtziger Jahre ist natürlich schon alleine im Styling von Eric und Shelley gegeben, weiß aber auch durch einige location shots ins Auge zu springen, die an Coppolas Rumble Fish erinnern. Es ist ohne Frage ein gewalttätiges Comic, das liegt im Grunde schon in seiner Selbstjustiz-Thematik begründet. Dennoch wird die Gewalt nie ausufernd dargestellt, obschon sich eine gewisse Genüsslichkeit in ihrer Darstellung kaum negieren lässt. Man merkt es The Crow durchgehend an, dass es sich hierbei um eine emotionale Last handelt, die auf Papier gebannt wurde. Dabei ist O’Barrs Werk nicht unbedingt ein Meisterwerk, dafür bleiben hinsichtlich der Stringenz der Handlung zu viele Fragen offen. Warum konnten T-Bird und Co. nicht durch Captain Hook das Handwerk gelegt werden? Inwiefern wählt die Krähe ihre Proteges aus? Ganz zu Schweigen davon, dass hier noch nicht (offensichtlich) etabliert wurde, dass Erics Kräfte mit dem Wohlbefinden der Krähe stehen und fallen. Wobei sich diese ohnehin weniger als Begleiter denn als Wegweiser präsentiert. Hiermit soll aber nicht abgestritten werden, dass The Crow von einer faszinierenden poetischen Schönheit beseelt ist, was angesichts ihrer trostlosen und elenden Umgebung umso paradoxer erscheinen muss.

Es sollte bittere Ironie werden, dass auch die Verfilmung von O’Barrs Comic von emotionaler Trauer begleitet wurde. Am 31. März 1993 verstarb Hauptdarsteller Brandon Lee, Sohn des legendären Bruce Lee, am Set von Alex Proyas’ The Crow. Die Umstände seines Todes sind von besonders tragischer Natur. Vorab hatten Crewmitglieder mit Kugelattrappen aus einem Revolver geschossen. Hierbei handelt es sich um Kugeln, die kein Schießpulver enthalten. Als eine Szene mit Lee gedreht werden sollte, wurde der Revolver mit Platzpatronen geladen. Unwissentlich war jedoch eine der Kugelattrappen im Revolverlauf steckengeblieben. Durch das Abfeuern der Platzpatrone von Funboy-Darsteller Michael Massee wurde diese Kugelattrappe losgelöst und drang anschließend – da aus naher Entfernung abgefeuert – in Lees Abdomen ein. An seinen inneren Blutungen verstarb Lee schließlich zwölf Stunden später im Krankenhaus. Sicherlich trug Lees Tod viel zum Kultstatus von The Crow bei, der anschließend anhand digitaler Effekte und eines Doubles zu Ende gedreht werden konnte. In Folge der Ereignisse nahm sich Massee ein Jahr eine Auszeit von der Schauspielerei. Der australische Regisseur, für den The Crow sein zweiter Film darstellte, sollte mit Dark City erst vier Jahre später erneut hinter der Kamera Platz nehmen.

In seiner Adaption von The Crow nimmt Proyas nun einige Änderungen vor. Obschon die Verfilmung nur vier Jahre nach Veröffentlichung des Comics stattfand, wurde die Handlung des Filmes sichtbar in die Neunziger verlegt. Vorbei somit der achtziger Jahre Look von Eric Draven (Brandon Lee) und seiner Verlobten Shelley (Sofia Shinas). Und mit dem Look verschwindet auch die ganze schöne Melancholie von Joy Division, die dementsprechend ihren Platz auf dem Soundtrack an rabiatere Bands wie Nine Inch Nails, Rage Against the Machine oder Pantera abtreten müssen. Ohnehin spielt sich die gesamte Handlung ausschließlich im selben heruntergekommenen Viertel ab, was primär dazu dient, aufzuzeigen, dass hier nicht das Gesetz in Person von Sergeant Albrecht (Ernie Hudson) regiert, sondern Unterweltboss Top Dollar (Michael Wincott). Ungemein lächerlich im Übrigen, dass man die Reihenfolge der Gangmitglieder so änderte, dass Top Dollar zum finalen Gegner wird und nicht T-Bird. Offensichtlich hielt das Studio T-Bird für einen weniger autoritären Namen wie Top Dollar, sodass Wincott in dessen Rolle schlüpfen durfte. An seiner Seite stets die mysteriöse Myca (Bai Ling), die für die Handlung unerheblich ist und sicher nicht von ungefähr an Mortianna aus Robin Hood: Prince of Thieves erinnert.

Zudem regnet es aus unerfindlichen Gründen ständig im Film, was hinsichtlich der Tatsache, dass die Hauptfigur weiße Gesichtsfarbe trägt, eine ziemlich dämliche Entscheidung ist, da Lee gerade im Finale eigentlich unmaskiert auftritt. „Can’t rain all the time“, ist hier nur die vielzitierte Antwort von Eric bzw. Sarah (Rochelle Davis). Wahrscheinlich soll der Regen die Trostlosigkeit und Düsternis der Umgebung des Viertels fördern, was jedoch fraglich ist, da O’Barr denselben Effekt in seiner Vorlage auch ohne Regen hinbekommen hat. Allgemein missfällt die Ausstattung und das Produktionsdesign, welches sich zu Beginn des Filmes fast schon post-apokalyptisch in der Devil’s Night anbiedert, um im Finale dann sein an Notre-Dame de Paris erinnerndes Ende zu finden. Lediglich Gideons Pfandleihe weiß etwas wie Atmosphäre zu erwecken, während die übrigen Lokalitäten nicht wirklich zur Handlung passen wollen. Am wenigsten die Kirche zum Schluss. Dabei zeigt Proyas gelegentlich, dass ihm die Treue zur Vorlage am Herzen gelegen zu haben scheint. Sowohl die Morde an Tin Tin (Laurence Mason), als auch an Funboy (Michael Massee) sind neben der Gideon-Sequenz sehr dicht an O’Barrs Geschichte orientiert.

Ansonsten ist der Film jedoch eine sehr freie Adaption, die leider in ihren Neuerungen nicht an die poetische Tiefe der Vorlage heranreicht. Die Handlung ist unzureichend ausgearbeitet und in ihrer Komposition nicht wirklich nachvollziehbar. Im Gegensatz zum Comic hat Top Dollar nichts mit dem Mord an Shelley und Eric zu tun, weshalb dieser auch keinen Groll gegen ihn hegt. Umso unverständlicher, weshalb sich Top Dollar widersetzt, Skank (Angel David) – den Ersatz von Tom Tom – an Eric auszuliefern, ist Skank für ihn doch bedeutungslos. Obschon für Eric seine Katharsis mit Skanks Tod und seiner eigenen Flucht abgeschlossen ist, provoziert Top Dollar unsinnigerweise die finale Klimax, in welcher Eric nochmals als Retter von Sarah auftreten kann. Bai Ling soll in dem ganzen Szenario wohl lediglich etwas Weiblichkeit einbringen, bedenkt man dass Shinas nur in kurzen Rückblenden zu sehen ist und Davis als Kind kaum das Zielpublikum anspricht. Auch die vermehrten Szenen zwischen Eric und Sarah sowie Albrecht bringen die Handlung nicht unbedingt voran, verwundern eher, bedenkt man, dass beide Figuren relativ gelassen auf einen Untoten in ihrer Umgebung reagieren. Es liegt jedoch an der Vernachlässigung von Erics Trauer und Schmerz, dass The Crow nicht die Melancholie von O’Barrs Werk erreicht. Zwar ist der Ansatz interessant, die Rückblenden in starken Farben als Kontrast zu den ausgebleichten Bildern der Gegenwart zu präsentieren, doch sind die Rückblenden stets so kurz geraten, dass das Publikum keinen Eindruck von dem gewinnt, was Eric verloren hat.

Weder die Atmosphäre, noch die Musik wollen also wirklich überzeugen und dies setzt sich auch im Schauspielerensemble fort. Die gesamte Gang, angeführt von T-Bird (David Patrick Kelly), ereifert sich im ausufernden overacting, während Wincott, Bai Ling und Co. in ihren überspitzen Charakteren kein Fundament zu finden scheinen. Selbiges trifft an sich auch auf Brandon Lee zu, der mit seiner Figur schlichtweg überfordert gewesen zu sein scheint. Selten trifft er den richtigen Ton und auch seine Blicke gehen meist am Ziel vorbei. Erst zum Ende hin schafft Lee es, etwas in die Spur zu geraten. Regisseur Proyas wiederum weiß mit einigen netten Kamerafahrten aufzuwarten, doch letztlich bleibt der Film nichts als eine Fingerübung für Dark City, der vier Jahre später erstehen sollte. Grundsätzlich scheitert The Crow an seiner Ignoranz vor dem Schmerz, sowohl dem des Autors O’Barr als auch – konsequenterweise – dem von Eric selbst. Die Vernachlässigung der Rückblenden als Kontrast und Verständnis zur Gegenwart lassen den Film im Nachhinein nur zu einem durchschnittlichen Selbstjustiz-Actioner geraten – wenn auch mit stark düsterer Note. Eventuell weiß Stephen Norrington mit dem Reboot der Reihe, das für 2011 geplant ist, näher an die Vorlage zu gereichen. Es wäre ebenso wünschenswert wie die Vermeidung einer weiteren Tragödie, die scheinbar mit The Crow einhergeht.

5.5/10

28. Oktober 2009

The Cove

There is Private Space.

Überall Blut. Eine Lache mit meterweitem Radius. Mitten drin liegen zahlreiche leblose Körper. Einige leben noch, bäumen sich auf. Ehe der kalte Hass der Männer auch ihnen den Tod bringt. Die Leichname schmeißt man auf einen Haufen. Für heute ist man fertig. Morgen geht es weiter. Was wie ein Szenario aus dem Holocaust anmutet, ist brandaktuell. Und Geschichte. Wahrscheinlich auch Zukunft. Leider. Jedes Jahr werden von September bis April in der japanischen Küstenstadt Taiji in Wakayama 2.300 Delfine und Kleinwale ermordet. So lange wie die Saison geht, könnte man fast schon sagen, dass die Säugetiere das ganze Jahr über in Taiji abgeschlachtet werden. Gut zwei Dutzend Fischer zeichnen sich hierfür verantwortlich, werden jedoch von der Stadtregierung, dem Polizeichef und letztlich auch der japanischen Regierung gedeckt, unterstützt und beschützt. Sinn und Zweck sind dabei so perfide, dass es einem den Magen umdreht.

Es ist das Pech der Großen Tümmler, dass sie an Taiji vorbeischwimmen. Hier werden sie in eine Lagune getrieben, wo Delfindresseure aus aller Welt sich die Prachtexemplare aussuchen, um sie in Delfinarien in Gefangenschaft zu halten und mit ihren Shows Millionen zu verdienen. Für jeden Delfin, der so an Delfinarien, wie man sie auch im amerikanischen Unterhaltungspark SeaWorld findet, verkauft wird, erhalten die Fischer 150.000 US-Dollar. Doch es sind nur wenige Delfine, die es in die Gefangenschaft schaffen. Die übrigen Tausende werden von den Fischern in eine Bucht getrieben und dort abgeschlachtet. Ihr Fisch landet in den örtlichen Supermärkten. Nur kaufen will es keiner. Weswegen man es auch gerne als Walfisch ausgibt oder es in der ansässigen Schule als Pflichtmenü auf den Tagesplan setzt. Dass das Delfinfleisch durch die globale Umweltverschmutzung fünf Mal mehr Quecksilber enthält, wie zulässig ist, stört die japanischen Behörden dabei relativ wenig.

Der ehemalige National Geographic Photograph Louie Psihoyos widmete sich mit The Cove dem Thema des Delfinschlachtens in Japan. Mitverantwortlich für die Verbrechen an den Säugern fühlt sich der amerikanische Tiertrainer Ric O’Barry. In den sechziger Jahren wurde er engagiert, um die Delfine für die beliebte Fernsehserie Flipper zu dressieren. Schon bald merkte O’Barry jedoch, dass die Tiere sehr viel intelligenter waren als er selbst gedacht hatte. Doch er kaufte sich lieber jedes Jahr einen Porsche, anstatt ihnen helfen, erzählt er im Verlaufe der Dokumentation. Umwelt- und Delfinaktivist wurde er schließlich,als in den Siebzigern einer seiner Delfine, Cathy, Selbstmord beging, indem sich das Tier weigerte zu atmen. O’Barry ist iseither n der Aktivistenszene nur allzu gut bekannt. In Taiji darf er sich fast nicht mehr blicken lassen. Umbringen würden sie ihn, erzählt O’Barry, wenn die Fischer die Chancen dazu hätten. Auch bei den Veranstaltungen der IWC (International Whaling Commission) ist der Amerikaner nicht mehr willkommen.

Zufällig war Psihoyos auf O’Barry und das Verbrechen von Taiji gestoßen. Was ihn nicht daran gehindert hat, sich für die Abschaffung dieses jährlichen Massakers einzusetzen. Das Problem ist: die meisten Menschen wissen nicht, was sich von September bis April in Taiji überhaupt abspielt. Nicht einmal die Japaner außerhalb von Taiji, abgesehen von den Regierungsbehörden. Photographieren ist nicht erlaubt, zur Bucht wird man auch nicht zugelassen und wer es versucht, wird vorläufig festgenommen. Bis zu vier Wochen kann einen die Polizei in Gewahrsam nehmen, ehe es zu einer Anklage kommen muss. Scheiß gefährlich ist es in Taiji, weiß auch O’Barry, der seinen Landsmann und Regisseur auf die Lage einstellt. Wie oft er schon verhaftet worden sei, wird O’Barry zu Beginn von diesem gefragt. „This year?“, entgegnet der ehemalige Tiertrainer lediglich. Um das Massaker in die Öffentlichkeit zu zerren, setzten es sich Psihoyos und sein Produzent und Geschäftspartner Jim Clark zum Ziel, die Ermordung der Delfine in Taiji zu filmen.

In bester Ocean’s-Eleven-Manier versammelt der Photograph ein Team von Experten. Einen ehemaligen Mitarbeiter, der für ILM gearbeitet hat und Steinattrappen für versteckte Kameras bauen soll. Einen Musikkonzertmanager, der für den logistischen Transport des riesigen Equipment verantwortlich ist. Und ein Taucherpärchen, das bei der Anbringung helfen soll. Mit militärischen Wärmekameras machen sie sich nachts auf, um alles zu platzieren. Immer unter der Gefahr, von den örtlichen Behörden entdeckt und verhaftet zu werden. Die wiederum versuchen ihren westlichen Gegnern das Leben so schwer wie möglich zu machen. Immer wieder wird O’Barry von Beamten im Hotel befragt, was er in Taiji will und ob er mit Psihoyos und Clarks Organisation OPS (Oceanic Preservation Society) unter einer Decke steckt. An der Lagune selbst wartet jeden Tag Private Space. Ein Japaner, der mit eigener Kamera die westlichen Kameraleute filmt, ihnen die Sicht verdeckt und versucht sie derart zu provozieren, dass sie ihm respektive der Stadt Anlass geben, die Besucher ausweisen zu können. Seinen Namen erhielt er durch die einzigen beiden Wörter, die er auf Englisch beherrscht.

Während in Taiji jedes Jahr 2.300 Delfine und Kleinwale umgebracht werden, kommen auf ganz Japan hochgerechnet jährlich zehn Mal so viele Große Tümmler ums Leben. Wo die Beweise seien, dass es sich bei Walen – und zu diesen zählen auch die Delfine – um intelligente Tiere handelt, will der japanische Delegationsverantwortliche wissen? Zwar schränkte die IWC den Walfang ein, ließ jedoch das Schlupfloch offen, im Zuge der Wissenschaft die Säuger zu töten. Höhnisch kosten die Japaner dies aus, wenn sie während dem öffentlichen Abschlachten von Walen Schilder empor halten, die das Morden damit erklären, dass sie die Leber untersuchen wollen oder andere Ausreden finden. Um die Einschränkung der IWC zu kippen, kauft sich die japanische Regierung zudem die Stimmen von unbedeutenden kleinen Inselstaaten wie St. Kitts, die in ihrem Sinne abstimmen sollen. All das Lamentieren der brasilianischen oder mongolischen (!) Delegierten hilft nichts. Auch die IWC ist, wie die meisten anderen Institutionen – allen voran die UN und NATO –, letztlich nichts als heiße Luft und ein humanitärer Versuch auf dem Papier, der sich in der Realität jedoch niemals effektiv durchsetzen kann.

Die Ironie des ganzen ist letztlich der Quecksilberanteil des Delfinfleisches, welches ohnehin kaum jemand essen will. Giftig ist es, doch das ist der japanischen Regierung egal. Erst durch den Einsatz zweier Stadträte von Taiji, die Angst um die Gesundheit ihrer Kinder haben, wird es wieder vom Schulplan entfernt. Als O’Barry den Fischern anbietet, dass man ihnen das Geld gibt, welches sie durch den Delfinfang verdienen, damit sie diesen aufgeben, lehnen diese dies ab. Es ginge nicht um Geld, sondern um die Bewahrung ihrer Kultur. So falsch ist dies nicht, geht es zwar nicht um die japanische Kultur, sondern den Nationalstolz. Japan, die zweitstärkste Industrienation, will sich nicht vom Westen vorschreiben lassen, was es zu tun und zu lassen habe. Würde man den Fischern Geld anbieten, um die Delfine zu jagen, würden sie dies vielleicht eher aufgeben, nur um ihrem eigenen Kopf zu folgen. In seinem Uniformitätsstreben ist Japan – aber nicht als einziges asiatisches Land – durchaus ein seltsames Land. Dass sich das Land der aufgehenden Sonne mit seinem Verhalten wenig Freunde macht, ist ihm dabei relativ egal. Und die Norweger, ebenfalls eine Walfangnation, werden sich freuen, dass die Aufmerksamkeit erstmal gen Osten verlagert wird.

Zum menschlichen Gesicht des Filmes wird schließlich Ric O’Barry, der die meiste Zeit mit Tränen in den Augen von den Gräueltaten an den Delfinen und auch an den Menschen, die sich für diese einsetzen, berichtet. Er sieht in der Popularität von Flipper eine Ursache für die Begeisterung an den intelligenten Säugetieren und die daraus entsprießenden Delfinarien. Hätte er sich früher für sie eingesetzt, sie früher befreit, hätten sich vielleicht die heutigen Ausmaße einschränken lassen. Im Gegensatz zu Man on Wire wird O’Barry jedoch nicht zum Sinnbild der illegalen Nacht-und-Nebel-Aktion, sondern hält sich als Experte eher im Hintergrund. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Delfin-Massaker, auf der Szenerie. Die Akteure, wie O’Barry oder auch ganz kurz Hayden Panettiere, halten sich im Hintergrund auf. Selbst wenn das Team wie Ocean’s Eleven zusammengestellt wurde, beanspruchen weder die Mitglieder noch ihre wagemutige Aktion das Gros der Aufmerksamkeit.

Dass The Cove hierbei nicht frei von Fehlern ist, tut im Grunde nichts zur Sache. Delfine sind nicht nur die süßen Meeressäuger, die Menschen mitunter das Leben retten. Sie haben auch ein zweites Gesicht. Doch wer hat das nicht? Ein Einwand der Japaner, sie hätten ihre Delfine zum Schlachten und Essen, die Westler ihre Kühe, ist so falsch nicht. Kühe wie Delfine sind Säugetiere, die Grenze des Schlachtens sollte man nicht nur an der Intelligenz ausmachen. Auch die Inszenierung mit der gelegentlichen Verwendung der Wärmebildkamera wirkt eher hässlich als dass es zum Spannungsaufbau dient. Nichstdestotrotz funktioniert Psihoyos’ Film exzellent. Wie er die Wal- und Delfinaffinität bzw. deren Heuchelei in Taiji einfängt, die Farce, die sich IWC nennt, und allen voran das herzlose und Holocaustartige Abschlachten – welches so wohl auch auf einem Schlachthof, einer Viehfarm oder anderswo beobachtbar wäre – machen The Cove zu einem schockierenden, abstoßenden, mitreißenden, bewegenden und aufrüttelnden Film, der vielleicht keine große Auswirkungen hat (das Massaker wurde 2009 um eine Woche nach hinten verschoben, die australische Schwesterstadt setzte die Partnerschaft im September außer Kraft, nahm sie im Oktober jedoch wieder auf), aber deswegen nicht minder wichtig und bedeutsam ist.

9/10

25. Oktober 2009

A Beautiful Mind

I need to believe that something extraordinary is possible.

„Hollywood will fuck you when no one else will“, hieß es in Brian De Palmas The Black Dahlia Adaption. Da „ficken“ ein mehrdeutiger Begriff ist, kann man so eine Äußerung drehen und wenden wie man möchte. Hollywood nimmt sich der Menschen an und vermarktet sie zielgerecht. Am besten positiv, da man mit Personen, die man sympathisch findet, besser mitfühlt. So wird ein Schindler oder Stauffenberg schnell zum Liebling von Jedermann und sogar fiktive Figuren wie Tony Stark in Iron Man werden um ihre negativen Charaktereigenschaften beschnitten. Es sollte also nicht verwundern, wenn in vielen Filmbiographien oder Werken, die auf dem Leben einer historischen Persönlichkeit basieren, am Ende nur noch die Namen der Charaktere stimmen, während der Rest aus den Gedankenströmen emsiger Drehbuchautoren stammt, von denen einer stets die Fassung des anderen überarbeitet. Massentauglicher macht. „Hollywood will fuck you when no one else will.“

John Forbes Nash Jr. galt als „Genie“ und brillanter Mathematiker. In Princeton studierte und promovierte er über eine Wirtschaftsfrage, die 44 Jahre später mit dem Nobelpreis belohnt werden sollte. Erste Anzeichen seiner Schizophrenie zeigten sich bei Nash Ende der fünfziger Jahre. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits eine Beziehung mit einer Krankenschwester abgebrochen, nachdem diese ihm gestanden hatte, von ihm schwanger zu sein. Nash heiratete eine seiner Studentinnen, doch die Ehe zerbricht Anfang der Sechziger als Nash sich ganz in seiner Krankheit verliert. Bis 1970 ist er mehrmals in psychiatrischer Behandlung, an Arbeit ist sowieso nicht zu denken. Dann aber das entscheidende Jahr 1970: Nash scheißt auf die Medikamente und zieht mit seiner inzwischen von ihm geschiedenen Frau Alicia in eine Art Wohngemeinschaft, denn eine romantische Beziehung existiert zwische ihnen nicht mehr. Anfang der Neunziger dann Licht am Ende des Tunnels: Nash lehrt inzwischen in Princeton, erhält 1994 den Nobelpreis. Es geht aufwärts, die Liebe entflammt wieder zwischen ihm und Alicia, die 2001 zum zweiten Mal heiraten. Die Vorwürfe der Homosexualität und des Antisemitismus seien an dieser Stelle mal außen vor gelassen.

Ergo: Nash ist eine ambivalente Figur. Ein brillantes Genie vielleicht, aber mit scheinbaren menschlichen Schwächen (in den Augen Hollywoods). Vorwürfe der Homosexualität - und das in den fünfziger Jahren. Einen Sohn, dessen Mutter er bei Verkündung der Schwangerschaft verlassen hat. Eine schizophrene Flucht nach Europa als Nash den Boden unter den Füßen verliert. Die gescheiterte Ehe, die zum gemeinsamen Leben ohne gemeinsames Leben mutiert. Insofern ist Nash jemand, den man beruflich schätzen kann, auch oder insbesondere wegen der psychischen Umstände, mit denen er zu kämpfen hat. Privat sieht das dann etwas anders aus. Hollywood-Material ist das nicht gerade, das dürften auch Drehbuchautor Akiva Goldsman, Produzent Brian Grazer und Regisseur Ron Howard gemerkt haben. Nicht dienlich, dass Nash erst während Alicias Schwangerschaft beginnt schizophren zu werden. Schließlich will man auch das Princeton-Stadium erzählen. Muss man ja, wenn man den Film auf dem Höhepunkt des Nobelpreises für Nashs Uni-Promotion enden lassen will. Und dass Nash nie visuelle, sondern stets auditorische Halluzinationen hatte, lässt sich mit der Kamera auch eher mittelprächtig einfangen.

Unverfilmbar ist so was nicht. Eher schon ungenießbar bzw. nicht vermarktbar. Also beginnen die Halluzinationen von John Nash (Russell Crowe) schon in Princeton und zwar gleich am Anfang. Der gute Charles (Paul Bettany) verkörpert dabei den imaginären Freund, der John Gesellschaft leistet,da er sich als Einzelgänger fühlt. Denn die anderen Kollegen wie Martin Hansen (Josh Lucas) nehmen ihn wegen seiner Eigenarten eher auf den Arm als das sie ihn anerkennen. Und Anerkennung ist das, was John sich wünscht. Anerkennung ist das, was er sieht, als einer der Dozenten von seinen Kollegen Wertschätzung erfährt. „Try to see accomplishment“, rät ihm Nashs exquisit von Judd Hirsch portraitierter Dozent. Dann die Promovierung, der gute Job als Mathematiker. Zweimal in vier Jahren wird er sogar von der Regierung um Hilfe gebeten. Doch für Nash ist das nicht genug. Noch mehr Anerkennung will er von Vater Staat und laut Goldsman erfindet er sich dann einfach William Parcher (Ed Harris) vom Verteidigungsministerium. Er sei der beste Analytiker den er je getroffen habe, schmiert Parcher bzw. Nash sich selbst Honig ums Maul. Ab sofort werden Codes gebrochen was das Zeug hält. Alles streng geheim natürlich, nur Nash ist wichtig genug, um eingeweiht zu werden.

Dann die Beziehung mit Alicia (Jennifer Connelly), die zwar eigentlich aus El Salvador kommt, aber Hollywood besetzt nicht so gerne Minderheiten in seinen Oscaranwärtern. Dafür stattdessen die in der Tat groß aufspielende Connelly, deren Rolle anschließend zur Heiligen stilisiert wird (auch wenn dies Goldsman und Howard in ihren unterschiedlichen Audiokommentaren verneinen). Die gute Ehefrau, die stets an der Seite ihres Mannes bleibt. Aus Liebe, versteht sich. Das ist dann auch das große Thema von A Beautiful Mind: die Liebe zwischen Alicia und Nash. Verständlich, dass die „Wohngemeinschaft“ und die 24 Jahre in Scheidung hier nicht gut reinspielen. Der Teppich beginnt sich zu wölben mit all den Dingen, die Goldsman darunter gekehrt hat. Inwiefern die Academy hier noch urteilen wollte, was genau der Autor so gut aus Sylvia Nasars Biographie adaptiert hat, dass man ihm einen Oscar verleihen musste, bleibt unklar. Nun versteht sich A Beautiful Mind aber auch nicht als wirkliches Biopic und ehrlicherweise muss man eingestehen, dass Howard dem Publikum auch ein „Beruht auf wahren Begebenheiten“ erspart, wie man es von jedem Hansel mit einer 8mm-Kamera kennt, der in seinem Film auch nur ein Detail einbaut, das auf etwas Realem basiert.

Insofern kann man nicht unbedingt von Heuchelei sprechen, selbst wenn dieses Wort einem in Anbetracht der Umsetzung als erstes einfallen möchte. Das ist nicht das Leben von John Forbes Nash Jr., das die Zuschauer hier sehen. Es ist eine fiktive Geschichte, die sich an Elementen aus dem Leben eines wirklichen Menschen orientiert. Sein Genie, seine Krankheit und wie seine Karriere darunter gelitten hat. Eine Liebesgeschichte zweier Menschen, die sich in wenig guten und vielen schlechten Zeiten einander die Treue gehalten haben. Eine Underdog-Geschichte von jemand, der auszog um Anerkennung zu finden und am Ende schließlich einer Leistungserfüllung entgegenblickte. Es ist ein Hollywood-Märchen, in dem zwar nicht alles optimal läuft, aber sich schließlich ins Gute verkehrt. Der strauchelnde Held, der die Oberhand behält. Der in Stockholm auf der Bühne steht und seine Wertschätzung gegenüber seiner Frau zum Ausdruck bringt. Der strauchelnde Held ist in A Beautiful Mind aber nicht John Nash, sondern seine Frau Alicia. Seine Anerkennung ist ihre Anerkennung. Die Liebe obsiegt, an dieser Stelle ausnahmsweise nicht nur in der filmischen Umsetzung, sondern auch im wahren Leben. Nasar selbst meinte, der Film weiche von ihrer Biographie stark ab, werde jedoch dem Geist von Nashs Leben gerecht.

Wie man der obigen Ausführung entnehmen kann, ist Howards Film also mehr schlecht als recht eine wahrheitsgemäße Wiedergabe von Nashs Leben. Darüber kann man sich jetzt streiten, ob das in Ordnung ist oder den Film, der eh etwas ganz anderes sein will, verfälscht. Dennoch funktioniert A Beautiful Mind als typischer Hollywood-Film erstaunlich gut. Das Schauspielensemble gefällt, allen voran die beeindruckenden Jennifer Connelly und Josh Lucas. Aber auch Ed Harris, Christopher Plummer oder Paul Bettany können in ihren Rollen überzeugen. Crowe wiederum, der speziell in den Princeton-Jahren eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem echten John Forbes Nash Jr. aufweist, spielt erst in seiner Darstellung des 1994er-Nash groß auf. Zuvor hat er gelegentlich seine Momente, schwankt jedoch in seiner Leistung gerade in den Paranoia-Szenen. Das Casting geht im Grunde aber auch wegen seiner tollen Nebendarsteller (Adam Goldberg, der bereits erwähnte Judd Hirsch, Austin Pendleton, Anthony Rapp) in Ordnung. Bedenkt man, dass statt Russell Crowe kurzzeitig auch Tom Cruise im Gespräch für die Hauptrolle gewesen war, lässt sich auch an der Besetzung des Neuseeländers trotz des einen oder anderen Hängers nichts aussetzen.

Die Regie von Howard und das Drehbuch von Goldsman sind wie angesprochen Hollywood-zweckdienlich. Die Gesetzmäßigkeiten der Branche werden erfüllt und dies bisweilen auch ehrlicherweise sehr gelungen. Die humoristischen Auflockerungen, sei es ein scherzender John Nash oder die Müllmann-Szene zwischen ihm und Alicia, funktionieren. Noch besser sogar die kitschigen und rührseligen Szenen, wenn Nash seine Dankesrede gibt, die zur Liebeserklärung wird oder er zum Abschied die kleine Marcee (Vivien Cardone) küsst, seine dritte und letzte Manifestation. Wer sich auf A Beautiful Mind als Emotionskino einlässt, kann zu Tränen gerührt werden. Howard setzt viele der ohnehin schon manipulierten Szenen noch manipulativer ein und oftmals von Erfolg gekrönt. Wäre der Noir-lastige Nebenplot rund um Parcher und die sowjetische Verschwörung nicht, der Film würde noch viel besser dastehen. Zumindest was seinen reinen Unterhaltungseffekt angeht. Die Portraitierung der Schizophrenie ist dabei bisweilen durchaus interessant eingesetzt, aber irgendwie auch nicht zur Genüge. „You’re not real” stottert Nash als er Parcher zum ersten Mal seit seiner Insulin-Behandlung wiedersieht. „Of course I am. Don’t be ridiculous”, entgegnet dieser nur.

„Imagine if you had suddenly learned that the people and the places and the moments most important to you were not gone, not dead … but worse, had never been”, hatte der von Christopher Plummer dargestellte Psychiater zuvor resümiert. Der Film greift es später noch mal im Scherz auf. Woher will man – gerade, aber nicht nur – als Schizophrener wissen, wer real ist und wer nicht? Sicher, im Endeffekt stellt sich raus, dass niemand mit Charles oder Parcher interagiert hat, dass Marcee über ein Feld voller Tauben rannte, ohne diese aufzuschrecken. Aber die Szene bezüglich Charles im Sanatorium fasst es gut zusammen. Ob sie Charles schon mal getroffen hätte, ob er bei ihrer Hochzeit anwesend gewesen sei, fragt Plummer hier Connelly. Nein, ist die Antwort. Aber nur weil man jemandem noch nie begegnet ist, muss das ja nicht heißen, dass er nicht existent ist. Oder anders gesagt: wie definiert man Existenz? Später gesteht Nash seiner Frau, dass er manchmal die Gespräche mit Charles vermisst. Was unterscheidet nun ein Gespräch mit einer realen von dem mit einer nicht realen Person? Fragen, die Howard nicht berücksichtigt, genauso wenig wie eine ständige Hinterfragung, welcher der Figuren, mit denen Nash nach seiner Diagnose nun interagiert, auch tatsächlich real sind.

Aber es ist ein Hollywood-Film und kein Indie-Mindfuck-Thriller. Als rührseliges Oscarkino kann A Beautiful Mind überzeugen, dazu braucht der Film von seinem Drehbuch und seiner Regie her nicht unbedingt originell oder gelungen sein. Er bewegt bisweilen und das möchte er auch. Ein großes Lob verdient sich hierfür auch James Horner mit seiner stimmigen und mitunter träumerisch-melancholischen Musik. Auch Roger Deakins Kameraarbeit ist grandios, wie so oft zeichnet sich der Engländer durch seine phantastische Ausleuchtung aus. Überraschend, dass er für seine Arbeit als einer der wenigen nicht mit einer Oscarnominierung bedacht wurde. Was soll man nun von Howards Film halten? Er wird der Person nicht gerecht, erhebt aber auch nicht den Anspruch, dies zu wollen oder zu versuchen. Er erzählt eine Geschichte, wie sie Hollywood gerne erzählt und die bisweilen auch funktioniert. Der Film ist dabei jedoch zu lang, was weniger an seiner Laufzeit liegt als vielmehr an der Tatsache, dass die Verschwörungsnebenhandlung etwas überzogen wirkt. Vieles – allen voran die Krankheit an sich – bleibt zudem eine Facette, die lediglich als Aufhänger für das Gefühlskino dient. Insofern lautet das Fazit wohl, dass A Beautiful Mind vielleicht kein Meisterwerk ist und seinen Oscar als Bester Film auch wirklich nicht verdient hat, für das was er sein möchte jedoch in Ordnung geht.

6.5/10

22. Oktober 2009

Futurama - Season One

Bite my shiny metal ass!

Welche Möglichkeiten stehen einem talentierten Mann wie Matt Groening offen, wenn er mit The Simpsons eine der pop-kulturellen Serien schlechthin erschaffen hat? Natürlich eine neue pop-kulturelle Serie zu kreieren. Mitte der neunziger Jahre überlegte sich Groening die Basiselemente für seine Sci-Fi-Sitcom Futurama, die schließlich 1999 das Licht der Welt erblickte. Groening kämpfte hart dafür, dass er innerhalb der Show dieselben kreativen Freiheiten besaß, wie sie Fox seiner Zeit den Simpsons gewährte. Bis 2003 wurden vier Staffeln ausgestrahlt, ehe die Serie letztlich nach über achtzig Folgen eingestellt wurde. Zuletzt wurden vier Direct-to-DVD-Filme produziert, die jeweils ein Handlungsszenario von vier Folgen umspannt. Das Ergebnis ist nur leidlich gelungen und erklärt, weshalb etwaige Sender inzwischen vorziehen, die vier Filme im Folgenformat als fünfte Staffel auszustrahlen. Immerhin liefen die DVD-Verkäufe derart gut, dass eine neue Staffel geordert wurde, was Futurama nach Family Guy zur zweiten Fox-Serie macht, die nach ihrer Einstellung wieder ins Leben gerufen wurde.

Die Prämisse der Serie ist im groben identisch mit der von Mike Judges Idiocracy. Ein scheinbarer Loser der Gegenwart wird durch kryonische Maßnahmen eingefroren und wacht schließlich in der Zukunft wieder auf. Groenings und Judges Visionen unterscheiden sich jedoch darin, dass Luke Wilsons Figur nun der schlauste Mensch der Welt ist, während Groenings Fry weiterhin denselben Status als Idiot und Loser inne hat wie 1999. Als Fry schließlich eintausend Jahre später aufwacht, muss er sich in der Pilotfolge Space Pilot 3000 damit auseinandersetzen, dass er auch in der Zukunft nur ein Lieferjunge ist. Gemeinsam mit der Zyklopin Leela und dem Roboter Bender heuert Fry schließlich beim Paketlieferdienst seines in die Jahre gekommenen Nachfahrens Prof. Farnsworth an. Die dreizehn Folgen der ersten Staffel konzentrieren sich dann primär auf die Kollisionen von Leelas pflichtbewusstem Charakter mit Frys Nichtsnutzerei und Benders anarchischem Lebensstil. Genauso wenig wie The Simpsons verfügt auch Futurama über eine Art roten Faden, sieht man von Frys Akklimatisierung in der Zukunft einmal ab.

Die Serie ist durchzogen mit pop-kulturellen Anspielungen an Vertreter aus Film, Fernsehen und Literatur. Einige Folgen wie Mars University widmen sich etwas expliziter (hier Animal House) ihren Genrevertretern, andere wie When Aliens Attack mit einer Anspielung auf Independence Day dagegen eher kurz. Doch eine Groening-Serie wäre keine Groening-Serie, wenn er nicht auch etwas Sozialkritik üben würde. Am deutlichsten wird dies wohl in A Big Piece of Garbage, wo die Müllpolitik der New Yorker Stadtbevölkerung – stellvertretend für die ganz Amerikas oder generell wohl auch der Welt – an den Pranger gestellt wird. Weitere Anspielungen finden sich zudem durch etwaige Gastauftritte, die hauptsächlich durch die am Leben erhaltenen Köpfe (ehemaliger) Berühmtheiten verkörpert werden (u.a. Pamela Anderson, die Beastie Boys). Alle hier angesprochenen Eigenschaften der Serie – die Medienreferenzen, Sozialkritik, Gaststars – sollten in den kommenden drei Staffel nochmals zunehmen und dazu beitragen, Futurama neben Shows wie The Simpsons oder South Park zu etablieren.

Allerdings ist in der ersten Staffel noch nicht alles Gold was glänzt. Zwar unterhalten alle Folgen, wobei sich die meisten eher im leicht überdurchschnittlichen Bereich befinden. Neben dem Piloten Space Pilot 3000 sind es lediglich Love’s Labours Lost in Space und Fry and the Slurm Factory die wirklich herauszustechen vermögen. Mit Hell is Other Robots hingegen erreicht die Serie ihren „Tiefpunkt“ (die Folge selbst ist grundsätzlich aber nicht schlechter als vier, fünf andere). Für eine Auftaktstaffel ist das recht ordentlich und der Einbezug von Figuren wie Zapp Brannigan, Kiff, Mom oder Calculon sollte sich auch Jahre später noch bezahlt machen. Es ist jene erste Staffel, die noch relativ zaghaft mit ihrer Umwelt umgeht. Bender ist weitaus freundlicher und romantischer, als man ihn später antreffen wird und die Zuneigung von Fry zu Leela taucht bis auf A Flight to Remember glücklicherweise auch nicht sonderlich auf. Alles in allem eine gelungene Serie, die ihren Platz im Fernsehen gefunden hat.

7.5/10

19. Oktober 2009

Taking Woodstock

You have a permit, right?

Vor 40 Jahren fand das legendäre Musikfestival Woodstock statt, das quasi für die gesamte Hippie-Bewegung angefangen mit den 68ern bis hinein in die siebziger Jahre stehen kann. Dass zum Jubiläum ein Film über jenes Festival in die Kinos kam, wurde von den Medien natürlich wärmstens aufgenommen. Und plötzlich stellt sich – zumindest für die Öffentlichkeit – heraus, dass nach vier Jahrzehnten ja doch alles ein wenig anders war, wie man es zuvor gekannt hat. Denn in Taking Woodstock, dem Film wie dem Roman, wird Elliot Tiber zum Helden der Geschichte. In der Süddeutschen erkor man Tiber zum „Mann, der Woodstock gerettet hat“ und für den Spiegel ist er gar der „Mann, der Woodstock möglich machte“. Wogegen er in einem anderen Artikel des Spiegels lediglich zum „Mann mit der Wiese“ erklärt wurde. „Man hat mich über Jahrzehnte ignoriert“, beklagte Tiber im Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Doch diese Phase war nun, vierzig Jahre später vorbei. Oscarpreisträger Ang Lee sei Dank.

Für SZ-Autorin Christina Waechter ist es „das wichtigste Festival aller Zeiten“, ihr Spiegel-Kollege Marc Pitzke sieht in Woodstock die „legendärste Spielwiese“ der Blumenkinder. Deswegen ist sich Roland Lindner von der FAZ auch sicher: „Ohne Elliot Tiber wäre es nicht so weit gekommen.“ Elliot Tiber also, der Mann, der Woodstock gerettet hat oder möglich gemacht hat. Wie man es sehen möchte. Auf jeden Fall der Mann mit der Wiese. Oder eigentlich doch nicht. Denn die Wiese gehörte Max Yasgur, einem örtlichen Milchbauern. Aber wie Tim Burton schon dem legendären Regisseur Edward D. Wood Jr. in den Mund legte: Film-Making is not about the tiny details, it's all about the big picture. Insofern spielt es für Taking Woodstock keine Rolle, dass die Wiese von Yasgur (Eugene Levy) nicht dank Elliot Tiber (Demetri Martin) in die Hände von Woodstock-Organisator Michael Lang (Jonathan Groff) gelangte. Oder dass Elliot – entgegen den Bildern, die Lee vermittelt – bereits vor Woodstock im Klaren über seine Homosexualität war.

Ohnehin erfährt man von Elliots Leben nicht sonderlich viel. Von seinem aufregenden New Yorker Nachtleben – er traf scheinbar Marlon Brando und Rock Hudson, war sogar mit Truman Capote befreundet – ganz zu Schweigen. Thomas Alberthauser bezeichnet ihn in der WELT daher als „Müttersöhnchen“. Denn Elliot steckt seine ganzen Ersparnisse in das heruntergekommene Motel seiner Eltern, zweier russischer Juden, die einst in die USA ausgewandert waren. Fleißig kommt er jedes Wochenende nach Hause, hilft aus und versucht die Bank um einen Aufschub der Hypothek zu bemühen. Dass Elliot ein herzensguter Junge ist, merkt man auch an seiner Organisation der örtlichen Freizeitgestaltung oder dass er eine freizügige Lokaltheatergruppe (u.a. Dan Fogler) in der elterlichen Scheune hausen lässt. Als er dann von einer möglichen Absage des Woodstock-Festivals hört, schnellen ihm die Dollarzeichen in die Pupillen und einen Anruf später scheinen die Probleme von jedem gelöst zu sein. Yasgur erhält 75.000 US-Dollar Miete für seine Wiese und das Motel von Elliots Eltern (Imelda Staunton, Henry Goodman) ist den ganzen Sommer ausgebucht.

Alberthauser lobt, dass Ang Lee „das Festival ganz ohne Konzert“ feiert und darüber hinaus nicht nur „die xte Coming-Out-Story“ propagiert. Was so nun auch nicht stimmt, denn Elliots Coming Out spielt durchaus eine Rolle in Taking Woodstock, wenn auch nur eine subtile. Einer der Handwerker hat es ihm angetan und so wie Lee die Bilder zusammenfügt, könnte man meinen, dass Elliot selbst zuvor noch gar nicht wusste, dass er eigentlich homosexuell ist. Also nicht die xte Coming-Out-Story, gut. Und dass Lee das Festival als solches abgesehen von einer sehr schön photographierten Meeres-Metapher nicht präsentiert, ist auch legitim. Wenn er aber schon keine Coming-Out- oder Coming-of-Age-Story erzählen möchte, und auch keinen Film, bei dem Woodstock als solches im Zentrum steht, dann doch bitte irgendetwas anderes. Hauptsache eine Geschichte. Auf eine solche wartet man jedoch vergeblich. Stattdessen verliert sich Lee in seiner Referenz an Michael Wadleighs Woodstock-Doku, wenn er unentwegt Bilder in ein unsinniges Split-Screen-Verfahren presst.

Und wenn man nicht gerade inhaltsfreie Bilder im Drei- oder Vierfach-Split-Screen bewundern darf, schubst Lee eine schrullige Figur nach der anderen vor die Kamera, um ein paar Lacher herauszukitzeln. Da wäre die Nudisten-Theatergruppe, der mehr als nervige Vietnam-Veteran Billy (Emile Hirsch), der/die Ex-Marine und jetziger Transvestit Vilma (Liev Schreiber), zwei Acid-Twens im VW-Bus (Kelli Garner, Paul Dano) oder ein von Blumenkindern bekehrter Streifenpolizist. Dass sich Lee erdreistet dann auch noch das ausgelutschte Bild der bekifften Eltern zu integrieren – eine Szene, die schon in Michael Bays Transformers: Revenge of the Fallen nicht mehr lustig war -, kommt da dann nur noch wie eine schallende Ohrfeige daher. Nicht nur sind all diese Figuren total unlustig – im Falle von Hirsch sogar grauenhaft schlecht und klischeehaft -, sondern sie haben auch keinerlei Mehrwert für dieses armselige Konstrukt, das bei Lee und Drehbuchautor James Schamus wohl gerne als Handlung durchgegangen wäre.

Insofern ist Taking Woodstock im eigentlichen Sinne kein Film, sondern eine Aneinanderreihung von Bildern, die versuchen ein ´69er-Gefühl zu erwecken, indem langhaarige Nackte, Drogenkonsum und Schlammhügel gezeigt werden. Und selbst wenn sich dann gelegentlich der Ansatz für eine Geschichte zu erkennen gibt, betoniert Lee diese Momente mit einem raschen Szenenwechsel zu. Da findet Elliot am Ende seine Mutter im Wandschrank, wo sie fast schon raffend 97.000 US-Dollar hortet, während ihr Sohn seine Ersparnisse und Freizeit in ihre Bruchbude von Motel gesteckt hat. Hier ist sie, eine mögliche Wende in der Geschichte oder besser gesagt ein möglicher Ansatz für eine solche. Doch Lee ignoriert die Szene. Als Elliot enttäuscht seine Sachen packt, um endlich sein eigenes Leben zu leben, fragt er seinen Vater, wie dieser es vierzig Jahre mit dieser Frau ausgehalten habe. „I love her“, entgegnet dieser erwartungsgemäß, ohne dass in den zwei Stunden zuvor in auch nur einer einzigen Szene eine Begründung für dieses Liebesgefühl zu entdecken gewesen wäre.

Als wirkliches Ende kann man den Schluss auch nicht bezeichnen, weil Lee einfach irgendwann ausblendet, wie er zwei Stunden zuvor auch plötzlich eingeblendet hat. Einen „Entwicklungsroman eines jungen Mannes“, wie Alberthauser es bezeichnet, lässt sich schwer ausmachen. Eher schon das Erfassen von „Zuckungen“, wie es Fritz Göttler in der SZ schrieb. Die Frage ist jedoch, wozu es eines Spielfilms bedarf, um ein Gefühl von Woodstock zu transferieren, wo dies in Hadleighs Dokumentation doch sehr viel besser gelingt. Denn zwei Stunden Split-Screen und ein halbes Dutzend nutzloser, durchgeknallter Nebenfiguren, die sich stets nur in der Peripherie des Geschehens bewegen – wobei „bewegen“ schon zuviel des Guten ist -, langt nicht aus, um eines Filmes, allen voran eines von Ang Lee, würdig zu sein. Da will dann auch die herausragende darstellerische Leistung von Imelda Staunton kaum noch etwas bewirken. Somit kann man wohl sagen, dass Elliot Tiber der Mann ist, der Taking Woodstock möglich gemacht hat. Der Mann, der diesen Film gerettet hat, ist er jedoch nicht.

4.5/10

17. Oktober 2009

(500) Days of Summer

Roses are red, violets are blue... Fuck you, whore!

“You should know up front: this is not a love story”, erklärt der Erzähler direkt zu Beginn von Marc Webbs Debütfilm (500) Days of Summer dem Publikum. Dabei stimmt dies nicht so ganz, denn zumindest partiell ist der Film dann doch eine Romanze. Sogar eine Geschichte über Liebe auf den ersten Blick – und von denen gibt es schließlich nicht mehr so viele. Das Problem ist nun, dass es eine (weitestgehend) unerwiderte Liebe ist, was allerdings noch lange kein Grund ist, dass sich nunmehr keine Geschichte aus diesem Umstand entwickeln könnte. Eher im Gegenteil, preist doch der Filmtitel alleine schon ganze 500 Tage von Summer (Zooey Deschanel), der hinreizenden Protagonistin, an. Selbst wenn wir nur Auszüge erhalten.

Dass Summer die Richtige ist, das merkt Tom (Joseph Gordon-Levitt) schon bei ihrer ersten Begegnung. Summer will jedoch keine feste Beziehung. Tom willigt zwar ein, doch natürlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis ihre Gefühlslagen aneinander geraten. Was Webbs Debütfilm nun so ganz besonders charmant macht, ist seine originelle Art. Jede neue Szene wird innerhalb der 500 speziellen Tage eingeordnet, und die Erzählung selbst springt unchronologisch vor und zurück. Hierbei wechseln die Gefühlsstadien von Tom je nachdem, in welcher Kondition seine Romanze mit Summer sich gerade befindet. Mal heiter, mal am Boden zerstört. Lediglich Toms kleine Schwester Rachel (Chloë Grace Moretz) kann hier den Durchblick bewahren.

Dabei zählt auch sie zu den gewinnenden Eigenschaften des Films, denn wie oft sieht man schon einen amourösen Twen Beziehungstipps von seiner Schwester aus der High School einholen? Die richtige Antwort ist: selten. Und selbst in den Fällen, wo dem so ist, hält sich dies noch in Grenzen. Aber (500) Days of Summer ist sowieso stets ein bisschen anders als andere romantische Komödien. Und selbst da, wo er es nicht ist, erweckt der Film zumindest den Eindruck, es zu sein. Einerseits übernimmt Webb einige Genre-Elemente, wie einen Karaoke-Abend in einer Bar, aber auch hier bewahrt er sich stets seinen individuellen Esprit. Wo eine Musical-Einlage schnell in die Hose geht, tritt Webb mit einer verblüffenden Leichtigkeit auf.

Andere nette Spielereien, die den Film um Tagträumer Tom bereichern, sind auch die “what if”-Szenarien, in denen Webb Toms Erwartungshaltung mit der schließlich eintretenden Wirklichkeit abgleicht. Diesem Film, der zugegeben einen etwas müden Start feiert, gelingt es durch seine vielen kleinen charmanten Nuancen, viel moderner zu erscheinen als alle Judd-Apatow-Komödien, die mit Beteiligung von Seth Rogen zur Zeit den Markt überschwemmen. Da birgt es in der Tat ein gewisses Maß an Ironie, dass Webb selbst einen Penis-Witz einbaut, der jedoch wie alles an diesem Film ein wenig anders ist als man erwartet. Zu verdanken ist dies auch dem exzellent harmonierenden Hauptdarsteller-Duo Deschanel und Gordon-Levitt.

Speziell Gordon-Levitt zeigt Potential, die Lücke, die John Cusack in den Achtzigern hinterließ, zu schließen. Die Nebendarsteller, die sich nicht aus großen Namen speisen, wissen ihre Parts nicht minder gut zu interpretieren. Dass der Film dann auch von technischer Seite überzeugt, komplettiert nur das Bild. Gerade der Soundtrack – den der Film im Fall von The Smiths selbst kommentiert – weiß mit Liedern wie Carla Brunis „Quelqu’un M’a Dit“ oder Regina Spektors „Us“ die Stimmung zu unterstützen oder sogar zu verstärken. Frei von Fehlern ist Webbs Debüt allerdings nicht, wo der Mittelteil nahezu makellos ist, kosten es der etwas lahme Einstieg – der zum Glück schnell ausgemerzt wird – und das etwas platte Finale Punkte.

Dies hängt jedoch weniger mit der erzählten Geschichte als vielmehr mit Marc Webbs diesbezüglich ungenügender Charakterzeichnung zusammen. Der Zuschauer wird wie auch Tom selbst plötzlich vor Tatsachen gestellt, zu denen nötige Hintergrundinformationen fehlen, um die Wendung verarbeiten zu können. Nichtsdestotrotz ist (500) Days of Summer eine der gefälligsten romantischen Komödien der letzten Jahre. Webb beeindruckt mit vielen liebevollen Spielereien visueller wie narrativer Natur, die einem sowohl den Protagonisten Tom als auch seine unglückliche Liebesgeschichte mit Summer selbst ans Herz wachsen lassen. Und wenn sich der Zähler am Ende des Films von 500 wieder bei 0 einpendelt, dann schließt sich der Kreis.

8.5/10

14. Oktober 2009

The Italian Job

Hang on a minute, lads. I've got a great idea…er…

Keine Vorschusslorbeerkronen wollten Schiller, Lessing und Goethe laut Heinrich Heine in seinem Gedicht Plateniden von 1851. Erhalten haben sie sie dennoch. Ähnlich verhält es sich mit Peter Collinsons Kultfilm The Italian Job, der dieses Jahr sein 40-jähriges Jubiläum feiert. Was Paramount dann auch eine bildtechnisch superb restaurierte Blu-Ray wert war, deren Ton mit dem Bild allerdings nicht ganz mithalten kann. Aber zurück zu den Vorschusslorbeeren, die dieses Heist-Movie begleiten. Speziell die Briten lieben Collinsons Film, landete er bei einer Rangliste des Total Film Magazins immerhin auf Platz 27 und bei einer Umfrage unter Briten auf Platz Eins für das beste Filmzitat aller Zeiten. Selbst dem Sohn von Drehbuchautor Troy Kennedy Martin wird heute noch entgegnet: „You’re only supposed to blow the bloody doors off!“, wie Kennedy Martin im Audiokommentar erzählt. So nett wie die Szene - in der versehentlich ein ganzer Laster statt lediglich dessen Türen in die Luft gesprengt wird – auch ist, so unspektakulär ist sie letztlich. Und dies trifft im Grunde auch auf The Italian Job selbst zu.

Die Eröffnungsszene hat etwas von einem Bond-Film, wenn der Gauner Beckerman (Rossano Brazzi) über eine Bergstraße fährt, während Quincy Jones’ On Days Like These ertönt. Kurz darauf ist Beckerman tot, mit Dank an die italienische Mafia und deren Vertreter Altabani (Raf Vallone). Sterben musste Beckerman wegen eines Coups, den er vorhatte in Turin durchzuziehen. Ein Coup, in den auch der inhaftierte Gaunerkollege Charlie Croker (Michael Caine) verwickelt ist, was sich rasch in dessen Gefängnis herumspricht. „I hope he likes spaghetti” kommentiert Mr. Bridger (Noel Coward), der höchstangesehene Gefängnisinsasse lediglich. Denn in italienischen Besserungsanstalten wird das Pastagericht vier Mal die Woche serviert, so Bridger. Frisch aus dem Knast wird Charlie dann von seiner „Freundin“ Lorna (Margaret Blye) abgeholt, in ein Hotel gebracht, und dort mit gut einem Dutzend Frauen versorgt. Einige Stunden (und wohl auch einige Orgasmen) später schleicht sich Charlie den Flur runter zu Beckermans Zimmer. Doch der ist ja verstorben, was seine Witwe nicht davon abhält, Charlie die Pläne für den Coup zu übergeben. Bevor auch sie mit ihm zu schlafen begehrt.

Wer jetzt noch nicht den Eindruck gewonnen hat, dass dieser Charlie Croker ein kleiner Casonova ist, wird einige Szenen später erneut darauf hingewiesen, wenn Lorna zu Charlie fährt und dort erst einmal drei wildfremde Frauen halbnackt aus dem Haus scheuchen muss. Schon ein steiler Zahn, dieser Charlie, spätestens jetzt ist es wohl auch dem letzten Idioten klar geworden. Die Weiber-Szenen haben in The Italian Job eigentlich keine Daseinsberechtigung, ähnlich wie vieles in der ersten Hälfte des Filmes keine wirkliche Daseinsberechtigung hat. Allen voran Lorna, deren Figur vollkommen unerheblich ist und dies in jeglicher Hinsicht. Ihre Involvierung in den Coup macht keinen Sinn, vor allem da Charlie sie noch vor diesem ohnehin aus dem Geschehen transportiert. Genauso verhält es sich mit Professor Peach (Benny Hill), der die wichtigste Figur im Coup darstellt, aber von allen Beteiligten schließlich am wenigsten im Bild zu sehen ist. Davon, dass sein Schicksal anschließend nicht mehr geklärt wird, gar nicht erst zu sprechen. Wie schlampig Collinson und Kennedy Martin hier mit den ersten 45 Minuten Laufzeit umgehen, ist wirklich bedauerlich.

Wenn dann schließlich nach einer Stunde der eigentliche Raubüberfall endlich beginnt, nimmt Collinsons Film auch dankenswerterweise an Fahrt auf. Zwar ist der Raub als solcher mehr schlecht als recht inszeniert, doch geht und ging es dem Film ausschließlich um die Flucht. Gold im Wert von einigen Millionen wird in drei Minis verladen, die anschließend vor der Turiner Polizei in U-Bahn-Unterführungen, auf Hallendächern und durch Flüsse Reißaus nehmen. Zwar wird nicht erklärt, wieso die Turiner Polizei sofort die Minis als Tatfahrzeuge ausfindig macht – man sollte meinen der „verdeckte“ Überfall dient auch der Anonymität der Täter -, aber allein durch die Choreographie der Minis und Quincy Jones’ Musik ruft die Flucht eine gewisse Coolness hervor, die man Collinsons Film an dieser Stelle nicht absprechen kann. Es ist diese Fluchtsequenz, überleitend in das Finale des Filmes, die The Italian Job letztlich den Kragen rettet und zumindest teilweise über die lahme erste Hälfte hinwegtröstet.

Nun ist es im Genre begründet, dass der eigentliche Raub weitaus spannender ist als dessen Vorbereitung. Aber die Hinführung ist in The Italian Job dann doch eher misslungen, seien es die mehr als nötigen Frauenabenteuer oder Crokers Einbruch in sein altes Gefängnis. Hinzu kommt der fade Beigeschmack, dass Collinsons Film reichlich von Lewis Milestones Ocean’s Eleven von 1960 abgekupfert scheint. Sei es die ähnlich große Anzahl an Teammitgliedern (hier 14 statt 11), der darin eingeschlossene token black guy oder das Ende, in welchem die Gruppe ihrer vermeintlichen Beute Ade sagen muss (auch wenn es hier offen gehalten wird). Wobei gerade Letzteres ein fast schon typisches Merkmal des Genres ist. Dass The Italian Job nur bedingt funktioniert liegt auch nicht wirklich an möglichen Ähnlichkeiten zum Rat-Pack-Vehikel, sondern an der belanglosen ersten Hälfte. Alles in allem wird der Film also seinen Vorschusslorbeeren nur bedingt gerecht.

6/10

11. Oktober 2009

Jay and Silent Bob Strike Back

Ben Affleck was the bomb in Phantoms!

Für Regisseur, Autor und Hauptdarsteller Kevin Smith ist es der teuerste Inside-Joke-Film aller Zeiten, für Produzent Scott Mosier etwas oberflächlicher gesehen „the most expensieve dick and fart joke movie ever made“. Die Wahrheit liegt sicherlich irgendwie dazwischen bzw. stimmt hinsichtlich beider Aussagen. Zwar muss man nicht die vier vorherigen Filme des New Jerseyer Regisseurs gesehen haben, um sich während Jay and Silent Bob Strike Back zu amüsieren, doch hebt die Kenntnis seines Œuvres sicherlich den Humor nochmals auf eine andere Ebene. Dass der Film dabei allein in den USA zehnmal so viel eingespielt hat wie im Rest der Welt, spricht dabei für sich und auch für den internationalen Konsum von Smiths Werken. Dabei ist sein fünfter Film ein Nonsense-Feuerwerk erster Güte mit hochrangiger Besetzung bis in die kleinste Nebenrolle. Und wenn Smith dann auch noch, bis auf Jeremy London und Claire Forlani, alle seine View-Askewniverse-Figuren aufwartet, dann ist der Film zumindest für Smiths Fans ein einziges Vergnügen.

Im Grunde könnte man Jay and Silent Bob Strike Back ein Spin-Off nennen, rückt es doch zwei Nebenfiguren von Smiths vorherigen Werken (endlich) in den Mittelpunkt. Die beiden Slacker Jay (Jason Mewes) und Silent Bob (Kevin Smith) haben sich in Clerks. als die Pestilenz des Quick-Stop-Supermarkts präsentiert, während sie wohl auch wegen ihrer Aktivitäten in Mallrats schließlich von Holden McNeill (Ben Affleck) und Banky Edwards (Jason Lee) in Chasing Amy als Grundlage der Comicfiguren Bluntman and Chronic dienten. In Dogma ging Smith sogar soweit, sie als Propheten an die Seite des letzten Nachkommen von Jesus Christus zu stellen, um zwei Engel davon abzuhalten die Welt zu zerstören. Spätestens jetzt hatten es sich die Berufskiffer also verdient, zu den Helden ihrer eigenen Geschichte zu verkommen. Ohnehin ist Mewes eine derart gelungene Figur – auch abseits der Filme (s. die Evening with Kevin Smith-Filme) – dass ein Film, der sich primär auf ihn fokussiert, eigentlich gar nicht schief gehen kann. Und bei näherer Betrachtung geht diese Rechnung natürlich auf. Denn woran Dogma zuvor noch scheiterte, weiß der Nachfolger zu überzeugen.

Mit einer wirklichen Handlung will Smiths Nonsense-Film nämlich gar nicht aufwarten. Zwar gibt er eine Rahmenhandlung vor, doch ist diese dabei nicht mehr als die Bühne, auf der er anschließend sein Starensemble auftreten lässt. Als Jay und Silent Bob über die Umwege von Brody (Jason Lee) und Holden erfahren, dass in Hollywood eine Verfilmung von Bluntman and Chronic stattfindet, machen sie sich auf gen Kalifornien, um jene Adaption und mit ihr all die Hasstiraden von Internetusern auf die Beiden zu stoppen. Es ist ein Zwischenstopp in der Fast-Food-Kette Moobys, der dem Film seine Wendung verleiht. Hier trifft Jay auf die hinreizende Justice (Shannon Elizabeth) und zieht sich selbst und Silent Bob fortan ins Schlamassel, wenn er sich von Justices Gang (u.a. Eliza Dushku und Ali Larter) als Sündenbock für einen Diamantraub und „master of the C.L.I.T.“ hinstellen lässt. Da die beiden Slacker einen Orang-Utan stehlen, ist ihnen fortan der Wildhüter Willenholly (Will Ferrell) auf den Fersen. Auf dem Studiogelände von Miramax findet schließlich die Klimax des Filmes stand, wenn sich Jay und Silent Bob neben Willenholly auch dem bedrohlichen Bösewicht Cock-Knucker (Mark Hamill) erwehren müssen.

Welchen Ton Smith in seinem fünften Werk angibt, macht er durch seine etwaigen Durchbrechungen der vierten Wand deutlich. Das ist ein Film, der nicht ernst genommen werden soll und auch nicht ernst genommen werden kann. Vielmehr stellt er eine Aneinanderreihung von Sketchen und Skits dar, die versuchen einem roten Faden zu folgen. Im Vergleich zu Dogma zünden diese jedoch weitaus besser, da der Kontext „nach Hollywood kommen“ weitaus verständlicher ist als „zwei Engel, Dämonen und Monster abhalten die Welt zu zerstören“. Sei es der „the book of the road“-Gag mit George Carlin und Carrie Fisher oder die herrliche C.L.I.T.-Sequenz („I am the C.L.I.T. commander!“), die ihre Fortsetzung durch Jon Stewart und Will Ferrell findet. Dass im Gegensatz zu Dogma weniger – tricktechnisch gesehen – manchmal mehr ist, zeigt auch die großartig von Mewes gespielte Planet of the Apes-Referenz. Grundsätzlich ist die Gag-Quote in Jay and Silent Bob Strike Back derart hoch, dass der Film die schwachen und die nicht so recht zünden wollenden Witze locker wett machen kann.

Speziell die Cameos zu Beginn mit Brody und Holden wollen nicht so richtig funktionieren. Lee übertreibt es etwas bei Brody (z.B. das Schokobretzel-Zitat), während Affleck nur bedingt Engagement zeigt (Smith erklärt, dies liege an der Tatsache, dass Affleck zuvor vier Filme hintereinander gedreht hätte und übermüdet gewesen sei). Auch die Furz-Witze, besonders der mit Larter, sind eigentlich derart platt, dass man geneigt ist den Film dafür abzustrafen, würde Smith nicht sogleich mit einer phänomenalen Opern-Persiflage („Justice is dead … or so thinks Jay“) wieder jenen Schandfleck ausmerzen. Eventuell ist der Film auch einfach etwas zu überfüllt, wollen manche Cameos (Seann William Scott, Judd Nelson) doch eher weniger zünden. Dafür ist der Film aber schon alleine wegen dem Gastauftritt von Gus van Sant Pflicht, der vielleicht von allen Gastspielern am überzeugendsten auftritt („Jesus Ben, I said I’m busy“). Grundsätzlich macht der Film aber schon allein wegen dem typisch view-askweniversen Affleck-Bashing Spaß. Dies zieht sich nicht nur durch dessen eigene Phantoms-Anspielung über den Film hinweg, sondern zeigt sich in weiteren, sehr amüsanten Einbindungen (Moonraper, 1007 vs. 1082). Ohnehin ist Bashing in jeglicher Form (Jason Biggs vs. James Van Der Beek) überaus gelungen und amüsant in das restliche Geschen eingebunden.

Insgesamt macht Jay and Silent Bob Strike Back also – zumindest für den Smith-Fan – jede Menge Spaß, wobei sich die direkten Anspielungen an die vier vorangegangen Filme (sieht man von den Cameos von O’Halloran, Anderson, Ewell und Lauren Adams, sowie natürlich Brody, Banky und Holden, einmal ab) in Grenzen halten. Der Film strotzt nur so vor Gastauftritten ehemaliger Smith-Kollaborateure wie Matt Damon oder Chris Rock und weiß zudem des Weiteren auch mit Wes Craven und Shannen Doherty aufzuwarten. Smith zitiert sich bisweilen selbst oder bevorzugt andere Filme, primär natürlich die, die es dem Regisseur besonders angetan haben. Darunter natürlich die obligatorische Star Wars-Referenz, aber auch Reservoir Dogs oder auch Daredevil. Wie angesprochen zündet nicht jeder Gag, aber Smith feuert so viele teils plumpe teils brillante Witze über die Leinwand, dass die Trefferquote trotz allem ausreichend ist. Im Nachhinein ist sein (bisher) vorletztes View-Askewniverse-Werk durchaus zuerst an die eigenen Fans gerichtet, denn an ein breites Publikum. Wobei grundsätzlich wohl kaum jemand einen Kevin-Smith-Film schaut, wenn er denn kein Fan des New Jerseyer wäre. Letztlich ist Jay and Silent Bob Strike Back jener Film, der Dogma aufgrund seiner Thematik nicht wirklich vermochte zu sein. Der teuerste Inside-Joke-Film aller Zeiten. Mit Furz- und Schwanzwitzen.

8/10

8. Oktober 2009

Entourage - Season Six

Sorry, he Jason Bourned me.

„Mensch, bist du groß geworden“, hört man als Kind oft bei Familienfesten. Weil man noch in einer Entwicklungsphase steckt, in den sprichwörtlichen Kinderschuhen, aus denen es herauszuwachsen gilt. Und irgendwann kommt dann die Tante oder Großmutter nicht mehr auf einen zu, um festzustellen wie groß man doch geworden sei. Und mit dem Reifeprozess verabschiedet sich auch der Spielraum, den man zuvor noch gewährt bekam. Stattdessen hat sich eine Erwartungshaltung eingestellt, der es gilt gerecht zu werden. Dies trifft im übertragenen Sinne auch auf Fernsehserien zu. Sind diese in ihrer ersten Staffel oft noch etwas unbeholfen – wie z.B. Scrubs oder Entourage -, kommen sie nach zwei, drei Jahren so richtig in Schwung. Oder werden jedes Jahr größer, um auf die anfängliche Metapher zurück zu kommen. Nach einigen Staffeln stellt sich dann aber eine Erwartungshaltung ein und wenn eine Serie dieser nicht gerecht werden will, weil sie gerne weiterwachsen möchte, aber dazu nicht mehr im Stande ist, dann gibt es ein Problem.

Was hatte Vincent Chase (Adrian Grenier) über die Jahre hinweg nicht für Probleme. Zuerst flog er aus der Fortsetzung zu Aquaman, seinem größten Hit, dann kamen finanzielle Probleme hinzu, bevor die Karriere wieder Aufschwung nahm. Ehe in Staffel Vier mit dem missratenen Projekt Medellin ein clusterfuck erster Güte eintrat. Vinces Karriere schien vorbei, ausgebuht in Cannes flüchtete der Jungstar in Staffel Fünf zu einer endlosen Sexorgie am Strand. Ehe er sich langsam als second lead wieder nach Hollywood tastete. Am Ende war alles wieder gut, Vincent drehte fleißig mit Martin Scorsese, sein großer Bruder Johnny „Drama“ (Kevin Dillon) befindet sich selber in der fünften Staffel seiner Fernsehserie Five Towns und sogar Turtle (Jerry Ferrara) ist glücklich mit der Schauspielerin Jamie-Lynn Sigler liiert. So kann es dann weitergehen, wenn zu Beginn der neuen Staffel Eric (Kevin Connolly) nicht nur einen neuen Job, sondern auch eine neue Freundin kriegt. Und es könnte so harmonisch für alle Beteiligten sein, wenn Ari (Jeremy Piven) sich nicht mit dem Privatleben eines seiner Angestellten rumschlagen müsste.

Das große Problem der sechsten Staffel von Entourage ist, dass sich die Serie dieses Jahr wie ein eingeschlafener Fuß anfühlt. Leb- und lieblos wurde hier vieles vorgetragen, wobei „vieles“ bereits übertrieben ist. Was Doug Ellins Serie fehlte, war eine Handlung. Turtle ist glücklich in einer Beziehung, emanzipiert sich zudem ein wenig von Vince, indem er einen Wirtschaftskurs an der Uni belegt. Wow. Drama legt sich ein ums andere Mal mit seinem Produzenten an, weil dieser sich scheinbar an Jamie-Lynn ranmacht. Mhm. Und Vinnie, was macht eigentlich Vinnie, der in früheren Staffeln wenn nicht beim Drogenkonsum, dann beim Vögeln gefilmt wurde? Der Drogenkonsum hat sich eingestellt (außer bei Turtle, und auch bei ihm nur selten, spielen Drogen überraschenderweise kaum eine Rolle), dafür wurde das Vögeln wieder etwas angeheizt. Vincent Chase, einstiger Hauptdarsteller von Entourage, wurde dieses Jahr zur blassesten aller Nebenfiguren degradiert. Zwar versucht sich die Serie daran, ihm einige Folgen einen vermeintlichen Stalker anzuhängen – der Ansatz eines roten Fadens -, ansonsten hat Vinnie jedoch keinerlei Zweck innerhalb der Serie, als wahllos irgendwelche Frauen zu bumsen.

Damit schafft es der Schauspieler zur profillosesten Figur der Serie aufzusteigen, der in Episoden wie Running on E einfach aus Langeweile, weil keiner seiner Freunde mit ihm spielen will, eine Kellnerin mit nach Hause nimmt, um sie durchzuvögeln. Dieses Spiel wird dann quasi mit jedem weiblichen Kontakt, den Vincent hat, fortgesetzt. Dass die Autoren aus dieser Figur nicht mehr herausholen können ist bedauerlich. So nehmen Erics Liebesdreieck mit Sloan (Emmanuelle Chriqui) und Ashley (Alexis Dziena), sowie Aris Probleme mit seinem Agenten Andrew Klein (Gary Cole) bzw. seinem Sekretär Llyod (Rex Lee) den Hauptraum der sechsten Staffel ein. Dies ist gerade im Fall von Eric eher ein leidliches Unterfangen, da er von allen vier Jungs immer noch der Unsympathischste ist, was auch an Connolly selbst liegt. Auch der Subplot um Andrew Klein und seine innerbetriebliche Affäre (Autumn Reeser) wirkt nach einigen Folgen reichlich ausgelutscht. Der Stalker-Plot hatte dagegen Potential, doch wurde dieses eigentlich zu keinem Zeitpunkt wirklich ausgeschöpft.

Es gibt also keine stringente Handlung, sondern vormerklich einzelne (Handlungs-)Episoden, die jedoch meist nicht wirklich etwas zu erzählen wissen. Dafür setzt die Serie dieses Jahr auf Gastauftritte, zu denen Chriqui und Sigler ob ihrer Präsenz schon gar nicht mehr zu zählen sind. Ansonsten geben sich von Matt Damon über Frank Darabont, 50 Cent, Marky Mark, Kate Mara und Bono bis hin zu Peter Stormare, William Fichtner und Malcolm McDowell – um wirklich nur Einige zu nennen – die Stars die Klinke in die Hand. Das ist zwar ganz nett, tröstet jedoch nicht über die (momentane) Perspektivlosigkeit der Serie hinweg. Denn die meisten Episoden waren schlichtweg enttäuschend – zumindest gemessen an den vergangenen drei Jahren. Dass die Serie dennoch über eine gewisse Qualität per se verfügt, soll dabei nicht abgestritten werden, die Worte klingen insgesamt wohl auch härter als das finale Urteil letztlich ist. Doch abgesehen von No More Drama wollte keine Folge wirklich herausragen, sodass Entourage nach guter Entwicklung wieder zwei Schritte zurück macht. Bleibt zu hoffen, dass den Autoren für nächsten Sommer Besseres einfällt.

7.5/10

5. Oktober 2009

Bakjwi

We’ll both probably go to hell.

Der Südkoreaner Park Chan-wook ist einer der letzten großen asiatischen Regisseure, die sich bisher geweigert haben, ihr Talent Hollywood zur Verfügung zu stellen. Hat der Chinese Wong Kar-wai mit My Blueberry Nights den Schritt über den Pazifik getan, dreht Park auch seinen sechsten Langspielfilm weiterhin in seinem Heimatland. Nach seiner vielfach gerühmten Rache-Trilogie rund um das centerpiece Oldeuboi wagte sich der 46-jährige Regisseur mit Saibogujiman kwenchana mit einer romantischen Komödie an ein vollkommen neues und weitaus helleres Genre. Nun, drei Jahre später, wendet sich Park jedoch wieder einer etwas düsteren Geschichte zu. Auch wenn er sich selbst in ihr nicht vollends der humoristischen Elemente versagen möchte. Dabei hat seine Vampir-Horror-Komödie allerdings ironischerweise auch ihre Schattenseiten. Gerade die finale halbe Stunde ist weniger für die Figuren als vielmehr für den Zuschauer ob ihrer Länge eine kleine tour de force.

Der junge katholische Priester Sang-hyun (Song Kang-ho) will sich am Kampf gegen das tödliche Emmanuel-Virus beteiligen. Freiwillig stellt er sich als Testobjekt zur Verfügung, verstirbt jedoch kurz darauf – nur um wenige Sekunden später auf wundersame Weise wieder zum Leben zu erwachen. Ein halbes Jahr später bemerkt Sang-hyun einige Veränderungen in seinem Verhalten. Ihn ereilt ein plötzlicher Durst nach Blut, weshalb ihm ein Komapatient als sprichwörtlicher Durstlöscher gerade recht kommt. Als erster und einziger Überlebender des Virus’ ist der Pater inzwischen zur wandelnden Heilstätte verkommen. Zu den von ihm Geheilten zählt auch sein ehemaliger Schulkamerad Kang-woo (Shin Ha-kyun). Mit dessen eher unfreiwilliger Ehefrau Tae-ju (Kim Ok-bin) beginnt Sang-hyun schließlich eine blutige Affäre, die jedoch nur im Geheimen stattfinden kann. Nachdem Tae-ju beginnt ihren Geliebten gegen ihren Ehemann und für ihre eigenen Interessen auszuspielen, begibt sich Sang-hyun in eine Spirale, aus der er droht nicht mehr ausbrechen zu können.

Wer in Bakjwi Hintergrundinformationen erwartet, ist an der falschen Adresse. Weder zum Virus selbst, noch zu Sang-hyuns überraschender „Heilung“ gibt es Erklärungen. Genauso wenig wie der Pater zum Vampir und ob es noch weitere gibt. Ohnehin ist Parks neuer Film nicht so sehr Vampir-Horror als vielmehr eine bizarre Liebesgeschichte, in deren Zentrum mit jeder Minute weniger Song zu stehen beginnt, sondern die Stück für Stück die junge Kim an sich zu reißen versteht. Zwar übertreibt sie es gerade im letzten Drittel gerne etwas mit ihrer Darstellung, dennoch stellt ihre Leistung den Höhepunkt des Filmes dar. Ihr Charakter der introvertierten Tae-ju ist fraglos die vielschichtigste Figur, deren Handlungen eher in den seltensten Fällen durchschaubar sind. Scheint sie zu Beginn nicht wirklich von Sang-hyun angetan zu sein, gesteht sie später, dass sie ihn seit Jahren anziehend fand. Zwar zeigt sie sich einerseits von ihrer Ehe zu Kang-woo angewidert, zeigt aber dennoch in der Mitte des Filmes eine unerwartete Loyalität zu diesem. Im Gegensatz zu Sang-hyun, der versucht ein letztes bisschen seiner Menschlichkeit zu bewahren, ist Tae-jus Agenda sehr viel undurchsichtiger.

Womit der Film am meisten hadert, ist seine teils unstimmige Komposition. Viele Aspekte wie die Pilger, das Virus oder das Vampir-Dasein wirken wie bloße Staffage. Auch die Liebesgeschichte ist auf leicht sandigem Fundament gebaut und ebenso läuft die Einbindung unterschiedlichster Elemente meist etwas verstörend. Nach dem Mord an Kang-woo werden sowohl Tae-ju als auch Sang-hyun von diesem in Halluzinationen heimgesucht. Bis diese sich so schnell wie sie gekommen sind wieder verflüchtigen. Auch die langatmigen Sexszenen, an denen sich Park mehrere Minuten ergötzt, hadern mit dem allgemeinen Problem des Filmes. Denn mit etwas mehr als zwei Stunden geht Bakjwi sicherlich gefühlte drei Stunden. Gerade das letzte Drittel, welches schließlich im Klischee-Ende eines jeden Vampir-Films mündet, hat im Grunde keine Daseinsberechtigung, da die Geschichte zu diesem Zeitpunkt eigentlich erzählt ist. Dagegen lassen sich die humoristischen Noten weitaus gelungener in das Gesamtgefüge integrieren und zeichnen sich durch den typischen Witz des Südkoreaners aus.

Von ihrer Mentalität selbst her sind sich Sang-hyun und Anne Rices Vampir Louis recht ähnlich. Der katholische Priester entzieht sich der nächtlichen Menschenjagd und speist sich stattdessen jede Nacht von Komapatienten. Seinen Durst stillt er dabei zum einen um dessen Selbstwillen, andererseits aber auch um seine Viruserkrankung aufgrund der vampirischen regenerativen Kräfte unter Kontrolle zu halten. Ganz anders verhält es sich dann später mit Tae-ju, die nach ihrer Konvertierung das exakte Gegenstück zu ihm darstellt. Aus der zu Beginn ruhigen und leicht verschlossenen jungen Frau wird im Verlauf von Bakjwi wahrhaftig eine blutrünstige Bestie. Unabhängig von seiner extremen Überlänge erschafft Park jedoch durchgehend hübsche Bilder, die grundsätzlich von einem überzeugenden Darstellerensemble getragen werden. Nichtsdestotrotz kann Bakjwi nicht an die zuletzt starken Filme des Südkoreaners Park Chan-wook anknüpfen und stellt neben seinen beiden ersten Werken wohl seinen bisher schwächsten Filmbeitrag dar. Hier wäre weniger ganz klar mehr gewesen.

6/10 

2. Oktober 2009

Kurz & Knackig: Nazi Swines

Romper Stomper

“Fuck off!“, schreit der Skinhead in die Kamera, untermalt mit gehobenem Mittelfinger und Geifer am Mundwinkel. Wie tollwütige Tiere werden Skins gerne in Filmen dargestellt. Nichtmal Hobbes hätte sich seinen Naturmensch wohl so vorgestellt. Da sitzen sie, die Skins und in vollkommener Unordnung trinken sie Milch direkt aus der Flasche und die Hälfte geht am Mund vorbei. Läuft übers Kinn, auf die Brust, zu Boden. Da hat es fast schon etwas von liebevoller Zartheit, wenn Anführer Hando (Russell Crowe) den auf dem Boden schlafenden Davey (Daniel Pollock) ein Kissen unter den Kopf legt und ihn mit dessen Bomberjacke zudeckt. Um jedoch nicht zu viele Sympathien aufzuwecken, lässt Regisseur Geoffrey Wright Crowe kurz darauf in der nächsten Szene bei der Verabschiedung eines Freundes den Arm zum Hitlergruss heben. Scheint also doch nicht so nett zu sein, der Hando. Dessen Wohnstätte sieht dann auch aus wie ein chaotischer Pausenraum der Hitlerjugend. Davey, der immerhin deutsche Nachfahren hat, rennt mit dem Deutschlandadler auf dem Shirt durch die Gegend und Hando selbst hat nicht nur ein, sondern gleich zwei Swastika-Tattoos auf dem Körper. Zudem hängt noch ein „Deutschland erwache!“-Swastika-Banner über seinem Bett. An dieses klammert er sich dann gar, als er seine neue Freundin Gabrielle (Jacqueline McKenzie) von hinten zum Orgasmus bringt. Da lächelt dann auch der Führer selbst, im eingerahmten Photo.

Skinheads per se sind noch relativ jung, wobei für Manche wohl schon ein zu langes Ärgernis. Ursprünge finden sich in den sechsziger Jahren und in der Neo-Nazi-Szene. Wobei der Neo-Nazi generell auch ein interessantes Objekt ist bzw. eher der Grad des „Neuem“ am Nationalsozialismus. Denn ob der Führer mit diesem „Pack“ zufrieden gewesen wäre, ist anzuzweifeln. Blond und blauäugig war gestern, heute heißt es kahlrasiert und tätowiert. Was bleibt ist der Hass auf Ausländer und ein daraus resultierendes Streben nach Gemeinsamkeit unter Gleichgesinnten. Der Rest ist wildes Pogo-Tanzen und Prügeleien untereinander. Der Stress muss schließlich raus, denn Arbeiten tun weder Hando noch Davey. Wahrscheinlich wurden ihnen ihre Jobs von Vietnamesen („Gooks“) weggenommen. Oder sie sind einfach zu beschränkt. Jetzt mag man sich fragen, wie jemand wie Hando eine Freundin kriegen kann. Und weil man ihm wohl keinen Nina-Hagen-Verschnitt wie bei den anderen weiblichen Figuren in Wrights Romper Stomper an die Seite stellen wollte, ist Gabrielle ein von ihrem Vater Martin (Alex Scott) sexuell missbrauchtes Mädchen, das seinen seelischen Schmerz in Drogeneskapaden zu ertränken versuchte. Adolf Hitler scheint ihr nichts zu sagen und wenn sie den Worten aus „Mein Kampf“ lauscht, dann wohl eher weil Hando diese vorträgt. Nun ist Romper Stomper aber nur nebenbei eine – erstaunliche zarte – Liebes- bzw. Dreiecksgeschichte. Übergeordnet versucht sich Wright daran, die destruktive Kraft seiner Skinheads zu portraitieren.

Die kriegen wiederum Nichts auf die Reihe. Als einige Vietnamesen verprügelt werden, weil diese die Stammkneipe von Hando und Co. kaufen, fliehen die Skins schließlich als sich die „Gooks“ in Massen organisieren. Einige Gruppenmitglieder bleiben zurück, manche von ihnen sterben. Jetzt ist Hando natürlich angepisst und will sich Waffen besorgen. Doch der (stark an A Clockwork Orange erinnernde) Raub bei Martin läuft deshalb schief, weil sich die Romper Stomper (dt. Ausländerschläger) zu lange in der Garage austoben. Erst konnten sie keine Ausländer verkloppen, jetzt nichtmal ein sicheres Ding drehen. Als die Gruppe dann an die Polizei verraten wird, ist der Niedergang schließlich besiegelt. Dass Wright die Skins in einem negativen Licht zeigen will, ist nur konsequent und wohl auch richtig. Eine wirkliche Handlung bietet er dem Publikum jedoch nicht an und an der Skinhead-Szene selbst, kratzt er stets nur leicht an der Oberfläche. Hando bleibt dabei genauso blass wie die anderen Figuren. Man erfährt nichts über ihn, seine Motivation und seine Hintergründe. So verkommt Romper Stomper die meiste Zeit nur zur lauten Pseudo-Sozialstudie, mit eingebetter Liebesgeschichte rund um Daveys Gefühle für Gabrielle. Dass der Film für neun australische Filmpreise nominiert war, muss dabei nicht mehr heißen als es bei den hiesigen Preisträgern der Fall ist. Russell Crowe in seiner Durchbruchsrolle bleibt als eindimensionaler Skin jedoch hinter dem Lob seiner Auszeichnung als Bester Hauptdarsteller zurück. Im Vergleich zu analytischeren Genrebeiträgen wie This is England oder American History X enttäuscht Wrights zweiter Spielfilm somit etwas.

5.5/10

Inglourious Basterds

Der Feuilleton liebt ihn, für Georg Seeßlen ist er der Usain Bolt des Gegenwart-Kinos. Die Rede ist von Quentin Tarantino, dem ehemaligen Videothekenangestellten, der seither für seine dialogreichen Filme mit exquisitem Soundtrack berühmt geworden ist. Manche halten ihn für überbewertet, andere lieben alles was er macht, wohl weniger wegen dessen Inhalt, sondern einfach weil es „tarantino“ ist. Zudem weiß jedes Jahr mit zumindest einem sinnlos gehypten Film daherzukommen, wie man es letztes Jahr mit The Dark Knight erlebt hat. Und wenn sich dann Tarantino und der alljährliche Hype treffen, dann kann man schnell ins Kreuzfeuer geraten. Tarantinos Neuer, Inglourious Basterds, war - oder ist – neben James Camerons Avatar (vom britischen Empire Magazin sogar schon als Film des Jahrzehnts beschrieen) der The Dark Knight von 2009. Das Projekt, welches der Amerikaner schon seit Jahren geplant hatte (u.a. mit Michael Madsen, Eddie Murphy und Adam Sandler), wurde nun endlich Realität, weil man für eine der Hauptrollen den Österreicher Christoph Waltz gewinnen durfte. Dieser habe ihm seinen Film gerettet, meinte Tarantino und Waltz (in seinem österreichischen Naturell?) ließ sich das gleich zu Kopf steigen, weshalb er seine Figur des Hans Landa in einem Interview mit der FAZ zur unerreichten Krönung im Tarantino-Universum erhob. Aber die Worte „Tarantino“, „überbewertet“ und „Hype“ fielen ja bereits.

Dass Tarantino weitaus mehr Material gedreht haben muss als er am Ende in den Film integrierte, merkt man Inglourious Basterds im Grunde unentwegt an. Speziell im letzten Drittel häufen sich die Handlungsstränge, die aus dem Nicht beginnen oder ins Nichts verlaufen. Handlungslücken und Logikfehler inklusive. Vom großen Regisseur, der jede Szene sorgsam auswählt, ist zu diesem Zeitpunkt schon nichts mehr zu sehen. Seinen unübersichtlichen Höhepunkt hatte der Auteur da bereits in seiner vorab gerühmten Kneipenszene erreicht. Diese, die er zuvor als Reservoir Dogs auf Deutsch anpries, ist in ihrer Auflösung so stümperhaft zusammengeschnitten, dass man es zwei Mal aufblitzen sieht, ehe scheinbar jeder einem Mexican-Shoot-Out zum Opfer gefallen ist. Wie genau dies nun passiert ist, fragt man sich vergeblich. Denn Tarantino zeigt einfach, platziert bloß. Sinn- und zwecklos, möglichst effekthaschend, aber im Nachhinein ohne Verstand. Da passt es nur perfekt, dass mancher Handlungsstrang, allen voran der der Engländer, eigentlich bedeutungslos ist für das, was Inglourious Basterds erzählen will. Wobei man von Tarantinos Film nicht wirklich sagen kann, dass er überhaupt eine Geschichte erzählen möchte, zumindest keine, die man in einem David-Bowie-Musikvideo nicht auch hätte platzieren können.

Dabei beginnt der Film in der Tat recht stark, wenn Waltz, der an sich die meiste Zeit als einziger der Schauspieler überzeugen kann, in fließendem Französisch und später Englisch in seiner Rolle als SS-Oberst und Judenjäger Landa den französischen Milchbauern Perrier LaPadite (Denis Menochet) verhört. Was die beiden Männer hier an Schauspielkunst bieten, verdanken sie auch dem exzellent geschriebenen Dialog von Tarantino. Dessen wahres Talent wird innerhalb der nächsten zwei Stunden lediglich in Landas Szenen in Erscheinung treten, während die Szenen der anderen Beteiligten oft so blass sind, dass sich quasi von jedem x-beliebigen Regisseur stammen könnten. Dass Tarantino seinen Film hierzu – natürlich überflüssigerweise – in vier Kapitel einteilt, erschafft seiner ohnehin schwachen Narration einen weiteren engen Rahmen, in dem sich seine Geschichte anschließend kaum bewegen kann. Nachdem kurz die Basterds um Aldo Raine (Brad Pitt) und den Bärenjuden Donowitz (Eli Roth) gezeigt wurden, darf sich schnell noch ein geschminkter Mike Myers als britischer Offizier schauspielerisch blamieren, bevor Inglourious Basterds mit einer potentiellen Liebesgeschichte zwischen dem deutschen Scharfschützen Fredrick Zoller (Daniel Brühl) und der heimlichen Jüdin Shosanna (Mélanie Laurent) wieder etwas an Höhenluft gewinnt. Doch als der Film erneut in die stümperhafte „Operation Kino“ verfällt, beginnt eine langsame Talfahrt, die schließlich vom enttäuschenden Finale abgeschlossen wird.

Was Inglourious Basterds, der abgesehen von einigen stumpfsinnig expliziten Gewaltszenen relativ wenig Action bietet, neben seinem schwachen Drehbuch am meisten das Genick bricht, ist seine Besetzung. Authentizität ist schön und gut, aber wenn man unentwegt Nulltalenten wie Til Schweiger und Diane Kruger (deren Deutsch eigentlich sogar noch schlechter ist, als ihr Englisch) und unterdurchschnittlichen TV-Schauspieler wie Gedeon Burkhard zusehen/-hören muss, will man am liebsten seine eigenen Ohren fressen. Dass an sich auch der Rest, allen voran natürlich der (in jeglicher Hinsicht) vollkommen talentfreie Eli Roth, hier enttäuscht (sei es, weil wie im Falle von B.J. Novak - der zudem auch mies spielt - oder Michael Fassbender die Figur keine Rolle spielt), wundert da schon gar nicht mehr. Pitt weiß erst in der Premierenszene etwas zu gefallen. Somit sind es lediglich Waltz, Laurent und August Diehl, die dem Film durch ihr Spiel gelegentlich Akzente zu verleihen wissen. Letztlich ist Inglourious Basterds ein Film mit vielen erzählerischen Schwächen (Zoller erschießt also in 3 Tagen 250 Soldaten, die zu dumm sind, seinen Turm zu sprengen?, Zoller trägt eine Waffe auf einer Premierenfeier mit sich? Von Hammersmark plant „Operation Kino“ bereits seit zwei Jahren, im Wissen, dass Goebbels irgendwann eine Kinopremiere organisieren wird?), hauptsächlich schlechten Darstellern (wenn die Kruger stirbt, ist das wie Weihnachten, Ostern und Chanukka zusammen), einer miesen musikalischen Untermalung und damit hat man die Spitze des Eisbergs gerade ein Mal abgearbeitet. So setzt Tarantino, der zuletzt mit Jackie Brown einen guten Film abzuliefern wusste, seinen Abwärtstrend fort.

4.5/10

American History X

Wie heißt es immer so schön: als Rassist wird man nicht geboren, zum Rassisten wird man erzogen. Das passt wohl auch zu Tony Kayes Debütfilm American History X, in dem zwei Brüder in den Fängen einer Neo-Nazi-Gruppe landen. Eingeleitet wird der Film mit Derek Vinyard (Edward Norton), dem zweiten Mann einer kalifornischen Neo-Nazi-Bewegung rund um deren charismatischen Führer Cameron Alexander (Stacy Keach). Als eines Nachts zwei Afroamerikaner Dereks Auto klauen wollen, ballert dieser den einen kurzerhand über den Haufen und zertritt dem Anderen den Schädel in einem der erinnerungswürdigsten Totschläge der Filmgeschichte. Peu a peu bewegt sich Kaye dann in die Vergangenheit und deckt Schicht für Schicht von Dereks Maske ab. Da heult ein unbärtiger und langhaariger Derek in die Fernsehkamera, weil sein Vater, ein Feuerwehrmann, scheinbar von einem Mitglied einer ethnischen Minderheit erschossen wurde. Etwas später, schon fast gegen Ende, sieht man Derek dann mit seinem Vater beim Abendessen sitzen. Derek schwärmt von seinem neuen Lehrer, dem Afroamerikaner Sweeney (Avery Brooks), der den intelligenten Jungen begeistert. Für Dereks Vater hingegen bedeutet die Tatsache, dass sein Sohn ein Buch über eine afroamerikanische Figur lesen muss, dass „weiße Werte“ verloren zu gehen drohen.

Ist es bei Derek der Verlust des Vaters, der ihn in die Szene führt, so ist es für Dereks jüngeren Bruder Danny (Edward Furlong) der „Verlust“ des Bruders, der bei ihm dasselbe bewirkt. Kaye zeichnet die Grundlage der Neo-Nazis als Perspektivlosigkeit. Dereks Vater klagt, dass zwei kaukasische Anwärter trotz eines besseren Testergebnisses ihre Plätze wegen „political correctness“ an zwei Afroamerikaner verloren haben. Derek selbst klagt zu Beginn in einer Rückblende an, dass Weiße in einem Lebensmittelladen rausgeflogen seien, weil Einwanderer ihnen die Jobs weggenommen hätten. Mit dem Land geht es bergab. Keine Jobs, keine Sicherheit – alles ist scheiße. Später resümiert Derek: „I'm tired of being pissed off.“ Seine Katharsis erlebt Derek dann schließlich im Gefängnis und hier wird Kayes Schreibe plötzlich ziemlich schlampig. Die Neo-Nazis bzw. Skins im Knast, sind nicht sonderlich nationalsozialistisch eingestellt, machen sogar Drogendeals mit den Latinos. Derek entfremdet sich von seiner Gruppe und öffnet sich seinem afroamerikanischen Arbeitskollegen Lamont (Guy Torry). Dann wendet sich das Blatt. Zur Strafe wird Derek von seiner eigenen „Rasse“ in der Dusche vergewaltigt, als er sich daraufhin vollends isoliert, ist es Lamonts Zutragen, dass sich die Afroamerikaner im Knast nicht seiner entledigen.

Der Umschwung in Dereks Charakter – er liegt flennend mit blutendem Arsch auf der Liege und lässt sich von Sweeney bequatschen – ist unglaublich flach. Nicht weniger konstruiert ist die Katharsis von Danny, bei dem schon die Story von der Vergewaltigung bzw. natürlich allgemein Dereks Erinnerungen reichen, um sich von den Neo-Nazis abzuwenden. So überzeugend Kaye in American History X auch eine Subkultur zu sezieren weiß, die Katharsen sind im Vergleich enttäuschend schwach. Das Finale wiederum – in einer konträren Spirale des Hasses verfällt einer von Dannys afroamerikanischen Mitschülern der Gewalt – ist stimmig und überzeugend. Auch wenn ein Mord auf einer Schultoilette während der Pause dann doch ein sehr dümmliches Szenario darstellt. Das Schauspielensemble agiert eigentlich durchweg überzeugend, insbesondere Brooks und Jennifer Lien. Kaye selbst wollte seinen Namen aus dem Projekt tilgen, weil Norton scheinbar – wie er es seitdem gerne tut – den Film umschneiden ließ, um seine Rolle stärker zu betonen. Eine etwas ungünstige Entscheidung, da Norton speziell in den hochemotionalen Szenen (TV-Interview, Camerons Büro, Krankenstation) schlichtweg überfordert ist. Dafür ist der Moment, wenn er aus der Dusche steigt und sich im Spiegel mit der Swastika auf seiner Brust für immer mit seiner Vergangenheit konfrontiert sieht, eigentlich der Höhepunkt des Filmes. Grundsätzlich verfügt American History X also über sehr gute Ansätze, scheitert in seiner Parabel jedoch an den unglaubwürdigen Katharsen der Hauptfiguren.

7/10

Made in Britain

Alan Clarke hat eine sehr schöne Szene in seinem Skinhead-Drama Made in Britain integriert. Ein Polizeiinspektor (Geoffrey Hutchings) sucht den 16-jährigen Skin Trevor (Tim Roth) in seiner Arrestzelle auf und erklärt ihm über eine Schieferntafel seinen Teufelskreis. Sechs Chancen habe die Gesellschaft ihm gegeben, von den Eltern über die Schule bis hin zur Jugendhilfe. Alle habe er, Trevor, ausgeschlagen. Wenn er sich jetzt nicht ändert, begibt er sich in die tödliche Spirale aus Gefängnis und Kriminalität. Trevor hört zu, eigentlich aufmerksam, aber dennoch geht es ins eine Ohr rein und ins andere wieder raus. Trevor hat seinen Entschluss bereits gefasst bzw. hat Regisseur Clarke den Entschluss für ihn gefasst. Trevor ist ein hoffnungsloser Fall. Ein Querulant, ein Taugenichts. Intelligent sei er, ja. Das steht in seiner Akte und das zweifelt auch niemand an, obschon der Film selbst zu keinem Zeitpunkt einen Anhaltspunkt für jene Intelligenz liefert. Aber Erklärungen will Clarke nicht liefern. Er will nicht hinter die Fassade schauen, hinter die Swastika, die sich Trevor zwischen die Augen hat tätowieren lassen. Trevor ist ein eindimensionales, negatives Exempel.

Kein Wunder also, dass Made in Britain als Lehrfilm an britischen Schulen lief. Nach dem Motto: nur Rumlungern und keine Schule macht Trevor zum stumpfen Jungen. Warum Trevor ein Skinhead ist, erfährt man nicht. Vermutlich weiß Trevor es nicht einmal selbst. Hauptsache gegen das System wenden und sich dabei jemandem anschließen, der selbst möglich anti-systematisch eingestellt ist. Trevor will keine Hilfe, er will kein Entgegenkommen. Kurzzeitig flammt zwar mal Hoffnung auf, als ihn sein Heimbetreuer (Sean Chapman) mit zu einem Autorennen nimmt. Trevor lacht, Trevor strahlt, Trevor hat Spaß. Solange bis der Motor absäuft, ihn das (mechanische) System im Stich lässt. Hoffnungslos. Er büxt wieder aus, macht ein wenig Krawall und Remmidemmi, sucht am Ende der Nacht seinen Sozialarbeiter Harry (Eric Richard) auf. Die einzige Person, die Trevor nicht aufgegeben hat und zu der der Junge so etwas wie einen Bezug hat. In den Knast will er bzw. akzeptiert es als seine Strafe für seine nächtlichen Straftaten. Als Harry ihn zu einer Polizeistation schicken will, die auf Trevor nicht gut zu sprechen ist, bettelt Trevor kurz, doch fällt schnell in sein anarchisches Grinsen zurück. Wie gesagt, für Clarke ist Trevor ein hoffnungsloser Fall.

Grundsätzlich fängt der Film viele schöne und auch authentische Momente ein. Das Rebellieren zum Selbstzweck, um des Rebellierens Willen, ungeachtet der teils entgegenkommenden Angebote (z.B. wenn Errol ihm doch das Bett anbietet, dass Trevor zuerst haben wollte). Oder die – wenn auch größtenteils selbstverschuldete – Perspektivlosigkeit des jungen Protagonisten. Was Made in Britain als Schulfilm dann allerdings etwas ungeeignet wirken lässt, ist die Einbahnstraße, die Trevor nimmt. Wo American History X, wenn auch etwas konstruiert, mit zwei Katharsen aufwartet, ist Clarkes Film letzlich genauso so „anti“ wie seine eigene Figur. Trevor sägt den Ast ab, auf dem er sitzt. Er reflektiert nicht darüber, er macht eigentlich gar nichts. Etwas schade ist dies schon, da auch eigentlich alle Beteiligten, speziell der junge Tim Roth, hier sehr überzeugend und mit Elan aufspielen. Aus der (Moral-)Geschichte hätte Clarke mehr machen können, denn Jugendliche lassen sich eher selten durch einseitige Abschreckung (mach das und es folgt das) überzeugen. Sie müssen von selbst erkennen, dass das, was sie tun, falsch ist (siehe hierzu erneut, wenn auch wie erwähnt in konstruierter Form, AHX). Denn Made in Britain liefert am Ende keine Auswegmöglichkeiten für Trevor, sondern lediglich Konsequenzen aus seinem Verhalten. Dem Problem den Riegel vorschieben tut man damit jedoch nicht.

6/10

Oi! Warning

„Oi! Ich bin der Janosch“, sagt Janosch (Sascha Backhaus) zu Beginn des Zweiten Aktes, als er sich in seiner neuen Klasse vorstellt, dem Lehrer aber gleich klar macht, dass er Schule „scheiße“ findet. Im Debütfilm von Ben und Dominik Reding, ist Janosch der naive Mittelpunkt eines Konstruktes, das die Redings wohl als Handlung bezeichnen würden. Dabei weiß der Film eigentlich keine stringente Geschichte zu erzählen, sondern wirkt die meiste Zeit wie eine bloße Aneinanderreihung von teilweise abstrusen Szenen. Hinzu kommt dann natürlich die Tatsache, dass man sich an einem Milieufilm versucht, ohne jedoch das betreffende Milieu zu reflektieren. So sieht man Janosch zu Beginn sein Elternhaus auseinander nehmen, weil er nach einer Kreditkarte sucht. Der schwäbische Bub, aufgewachsen am Bodensee in einer gut situierten Familie, hat die Schnauze voll. Kein Bock mehr auf Schule, kein Bock auf die Eltern, kein Bock auf die Freundin. Wieso erfährt man nicht, wahrscheinlich weiß es Janosch nicht mal selbst. Ziellos fährt er mit seinem Moped scheinbar vom Bodensee nach Dortmund, wo er über seinen alten Kumpel und inzwischen Kickboxer und Oi-Skin Koma (Simon Goerts) stolpert.

Fortan beginnt Janosch Koma anzuhimmeln, kurz darauf fallen die Haare der Schere zum Opfer und der Schwabe ist selbst zum Skin mutiert. Das wahre Leben ist das aber auch nicht, denn die neue Freundin steht nicht auf sein fesches Tattoo, Schule macht ihm immer noch kein Bock und irgendwie will das mit der Skin-Szene auch nicht so laufen wie Janosch sich das vorgestellt hat. Da schweift seine Aufmerksamkeit nach einer Geburtstagparty doch lieber zum Feuerschlucker Zottel (Jens Veith), mit dem Janosch dann auch wenig später eine sexuelle Beziehung eingeht. Ehe es zum dramatischen Finale kommt, in welchem die Redings sich nicht scheuen die Mordszene aus dem vorjährigen American History X zu kopieren. Dabei ist Oi! Warning wie angesprochen die meiste Zeit eine krude Bildmixtur ohne wirklichen Hintersinn. Gerade das erste Aufeinandertreffen von Janosch und Zottel ist derart konstruiert inszeniert, das man nur mit dem Kopf schütteln kann. Die Redings machen sich in ihrem Schwarzweiß-Debütfilm zudem nicht die Mühe die Motivationen der Figuren aufzudecken. Diese agieren meist ziemlich uninspiriert und außerhalb jeden Kontextes.

Von der Skin-Szene rund um Koma sieht man dann auch nicht mehr als das gewohnte Pogo-Tanzen oder vereinzelten Schlägereien. Von Ausländerhass kann hier dann auch eigentlich keine Rede sein, werden doch lediglich ein etwas hyper-extrovertierter Mann im gehobenen Alter und ein diebischer Punk verprügelt. Insofern taugt Oi! Warning auch nicht wirklich als Milieustudie, kann aber auch nicht als Coming-of-Age-Drama oder Liebesgeschichte überzeugen. Problematisch ist einfach, dass man keinen Zugang zu Janosch, dem Protagonisten erhält. Dies scheint – schaut man sich die obigen Filme an – allerdings bis auf die Ausnahme American History X ein generelles Problem dieses Genres zu sein. Dabei wissen die Gebrüder Reding mitunter durchaus etwas Witz in ihrem Film zu integrieren. Sei es das Koma-Jingle in dessen Hof oder seine Freundin Sandra (Sandra Borgmann), die überlegt wie sie ihrem hitzköpfigen Freund am besten gesteht, dass sie statt einem Kind nun doch Zwillinge erwartet und das Problem schließlich damit löst zu sagen: „Wir kriegen jetzt doppeltes Kindergeld.“ Dass alles tröstet jedoch nicht darüber hinweg, dass Oi! Warning als Gesamtkonstrukt nicht überzeugt, da hierfür einfach die Figuren im wahrsten Sinne des Wortes farblos bleiben und die Geschichte keine Geschichte zu erzählen vermag.

3.5/10