„Der Mensch ist verrückt. Wir und unsere Welt sind verrückt“, presst Haidar El Ali hervor. Lachend, ob des Wahnsinns, der seinen Worten innewohnt. „Wir führen Krieg gegen die Fische“, sagt der Meeresbiologe Daniel Pauly. „Es könnte eine Straße ohne Wiederkehr sein“, meint sein konsternierter Kollege Boris Worm. Traurige Worte für eine traurige Situation. Für 1,2 Milliarden Menschen ist Fisch der Hauptbestandteil ihrer Ernährung. Laut Experten könnten unsere Meere jedoch bei derzeitigem Stand in 60 Jahren leergefischt sein. Die Schuld tragen neben den verantwortungslos handelnden Politikern auch wir selbst. Rupert Murray gelingt mit seinem Film The End of the Line eine wichtige Bestandsaufnahme und ein bedeutender Weckruf.
Als Charles Clover zum ersten Mal in einem walisischen Fluss angelte, fing er gleich den größten Lachs, den er je am Haken hatte. Es war einer der letzten Lachse, die dort gefangen wurden, denn es gab keine Frühjahrswanderung mehr. Und Clover, seines Zeichens Journalist beim Daily Telegraph, begann sich zu fragen, was eigentlich mit den Fischen passiert. Erst recht, als er 1990 die falsche Pressekonferenz in Den Haag betrat, und stattdessen einen Vortrag über die Auswirkungen der Trawl-Fischerei hörte. Hierbei werden Schleppnetze hinter einem Schiff hergezogen, mit Auswirkungen, die einem Feld gleichkommen, das sieben Mal im Jahr gepflügt wird. „Das veränderte meine Sichtweise“, gesteht Clover in Rupert Murrays Dokumentation.
Der britische Journalist schrieb ein Buch mit dem doppeldeutigen Titel The End of the Line, das der The Econimist als „unbequeme Wahrheit über die Auswirkungen der Überfischung“ bezeichnete. Womit Murrays Film zu seinem plakativen deutschen Verleihtitel kam, ein Zwitter aus Eine Unbequeme Wahrheit und Unsere Ozeane. Murray besuchte globale Brennpunkte der Überfischung: sei es Neufundland, der Senegal oder Tokio. Führte Gespräche mit Experten wie Daniel Pauly und suchte die Ursachen für die aktuelle Überfischung. Denn seit Jahrhunderten fängt der Mensch Fische. Speziell in Neufundland, wo das Kabeljau-Vorkommen einst Existenzgrundlage war und die Europäer nach Kanada lockte. „Der Kabeljau ist weg“, lautet nun das Urteil von Jeffrey Hutchings, Professor an der Dalhousie Universität.
Der Kabeljau-Bestand Neufundlands war so groß, dass man angeblich auf dem Rücken der Fische über das Wasser laufen konnte. Doch die riesigen Kabeljau-Mengen gab es nur bis 1992, ehe der damalige Fischereiminister John Crosbie ein zweijähriges Fangmoratorium wegen Überfischung verhängte. Über Nacht verloren 40.000 Fischer ihren Job. Auch fast 20 Jahre später hat sich der Kabeljau-Bestand nicht erholt. Und ist damit nur der Vorreiter für all die anderen Fischarten – besonders für den Blauflossen-Thunfisch. Er ist der begehrteste Fisch der Welt, eine Delikatesse, nicht nur als Sushi. Und er ist vom Aussterben bedroht. Der WWF empfahl der EU, seine Fangquote auf zehn Tonnen im Jahr zu reduzieren. Nur so könne sich der Bestand erholen. Die EU setzte die Quote dagegen drei Mal so hoch an.
„Kein Tag, an dem die EU sich mit Ruhm bekleckert hat“, so der damalige britische Fischereiminister Ben Bradshaw. Denn in Wirklichkeit wird doppelt so viel Thunfisch gefangen wie die EU festlegte. Und damit sechs Mal so viel, wie der WWF empfahl. Gegen die technische Entwicklung haben die Tiere keine Chance. Seit Beginn des industriellen Fischfangs 1950 ging laut Boris Worm die Zahl der großen Fische um 90 Prozent zurück. Laut manchen Kollegen seien es „allenfalls“ 70 Prozent. Was die Lage nicht weniger prekär macht. 1,4 Milliarden Haken werden jährlich ausgeworfen, mit denen man die Erde 550 Mal umwickeln könnte. Ein Zehntel der gefangenen Fische wird tot zurück ins Meer geworfen, weil sie keine Verwendung finden.
Seit 1988 geht der Fischbestand der Meere zurück, doch festgestellt wurde dies erst 2002. „Die See hat uns im Stich gelassen“, ruft ein senegalesischer Fischer resignierend. Fischerei ist ein Geschäft des Moments. Je weniger Blauflossen-Thunfisch es gibt, desto mehr lässt sich für ihn verlangen. Und wenn die Gattung ausgestorben ist, kommt einfach die nächste dran. Bis es keinen Fisch mehr gibt. Bis er zur Erinnerung in den Biologie-Büchern unserer Urenkel verblasst ist. Denn auch mit dem Lösungsansatz der Fischfarmen umgeht man das Problem der Überfischung nicht, sondern macht es nur noch schlimmer. Immerhin werden die gezüchteten Fische mit Fischmehl gefüttert – und für dieses wiederum weiter die Meere leergefischt.
„Es könnte eine Straße ohne Wiederkehr sei“, urteilt Boris Worm. Und in Alaska scheint man bereits zu reagieren. Hier wird vorausgedacht, für die nächsten zehn, zwanzig Jahre, in denen man ebenfalls Fische fangen möchte. Daher gibt es nur ein bestimmtes Zeitfenster für die Fischer – die Fangquote wird somit reguliert. Die Überfischung stoppen kann aber Alaska nicht allein. Hierzu bedarf es verantwortungsvoll handelnder Politiker und Menschen, die bereit sind, ihre Ernährung umzustellen. „Wissen gibt Ihnen die Macht, das eigene Verhalten zu ändern“, richtet sich The End of the Line zum Schluss an den Zuschauer. Dieses Wissen haben Charles Clover mit seinem Buch und Rupert Murray mit seinem Film bereitgestellt. Für Veränderungen sind wir jedoch selbst verantwortlich. Ehe es zu spät ist.
Als Charles Clover zum ersten Mal in einem walisischen Fluss angelte, fing er gleich den größten Lachs, den er je am Haken hatte. Es war einer der letzten Lachse, die dort gefangen wurden, denn es gab keine Frühjahrswanderung mehr. Und Clover, seines Zeichens Journalist beim Daily Telegraph, begann sich zu fragen, was eigentlich mit den Fischen passiert. Erst recht, als er 1990 die falsche Pressekonferenz in Den Haag betrat, und stattdessen einen Vortrag über die Auswirkungen der Trawl-Fischerei hörte. Hierbei werden Schleppnetze hinter einem Schiff hergezogen, mit Auswirkungen, die einem Feld gleichkommen, das sieben Mal im Jahr gepflügt wird. „Das veränderte meine Sichtweise“, gesteht Clover in Rupert Murrays Dokumentation.
Der britische Journalist schrieb ein Buch mit dem doppeldeutigen Titel The End of the Line, das der The Econimist als „unbequeme Wahrheit über die Auswirkungen der Überfischung“ bezeichnete. Womit Murrays Film zu seinem plakativen deutschen Verleihtitel kam, ein Zwitter aus Eine Unbequeme Wahrheit und Unsere Ozeane. Murray besuchte globale Brennpunkte der Überfischung: sei es Neufundland, der Senegal oder Tokio. Führte Gespräche mit Experten wie Daniel Pauly und suchte die Ursachen für die aktuelle Überfischung. Denn seit Jahrhunderten fängt der Mensch Fische. Speziell in Neufundland, wo das Kabeljau-Vorkommen einst Existenzgrundlage war und die Europäer nach Kanada lockte. „Der Kabeljau ist weg“, lautet nun das Urteil von Jeffrey Hutchings, Professor an der Dalhousie Universität.
Der Kabeljau-Bestand Neufundlands war so groß, dass man angeblich auf dem Rücken der Fische über das Wasser laufen konnte. Doch die riesigen Kabeljau-Mengen gab es nur bis 1992, ehe der damalige Fischereiminister John Crosbie ein zweijähriges Fangmoratorium wegen Überfischung verhängte. Über Nacht verloren 40.000 Fischer ihren Job. Auch fast 20 Jahre später hat sich der Kabeljau-Bestand nicht erholt. Und ist damit nur der Vorreiter für all die anderen Fischarten – besonders für den Blauflossen-Thunfisch. Er ist der begehrteste Fisch der Welt, eine Delikatesse, nicht nur als Sushi. Und er ist vom Aussterben bedroht. Der WWF empfahl der EU, seine Fangquote auf zehn Tonnen im Jahr zu reduzieren. Nur so könne sich der Bestand erholen. Die EU setzte die Quote dagegen drei Mal so hoch an.
„Kein Tag, an dem die EU sich mit Ruhm bekleckert hat“, so der damalige britische Fischereiminister Ben Bradshaw. Denn in Wirklichkeit wird doppelt so viel Thunfisch gefangen wie die EU festlegte. Und damit sechs Mal so viel, wie der WWF empfahl. Gegen die technische Entwicklung haben die Tiere keine Chance. Seit Beginn des industriellen Fischfangs 1950 ging laut Boris Worm die Zahl der großen Fische um 90 Prozent zurück. Laut manchen Kollegen seien es „allenfalls“ 70 Prozent. Was die Lage nicht weniger prekär macht. 1,4 Milliarden Haken werden jährlich ausgeworfen, mit denen man die Erde 550 Mal umwickeln könnte. Ein Zehntel der gefangenen Fische wird tot zurück ins Meer geworfen, weil sie keine Verwendung finden.
Seit 1988 geht der Fischbestand der Meere zurück, doch festgestellt wurde dies erst 2002. „Die See hat uns im Stich gelassen“, ruft ein senegalesischer Fischer resignierend. Fischerei ist ein Geschäft des Moments. Je weniger Blauflossen-Thunfisch es gibt, desto mehr lässt sich für ihn verlangen. Und wenn die Gattung ausgestorben ist, kommt einfach die nächste dran. Bis es keinen Fisch mehr gibt. Bis er zur Erinnerung in den Biologie-Büchern unserer Urenkel verblasst ist. Denn auch mit dem Lösungsansatz der Fischfarmen umgeht man das Problem der Überfischung nicht, sondern macht es nur noch schlimmer. Immerhin werden die gezüchteten Fische mit Fischmehl gefüttert – und für dieses wiederum weiter die Meere leergefischt.
„Es könnte eine Straße ohne Wiederkehr sei“, urteilt Boris Worm. Und in Alaska scheint man bereits zu reagieren. Hier wird vorausgedacht, für die nächsten zehn, zwanzig Jahre, in denen man ebenfalls Fische fangen möchte. Daher gibt es nur ein bestimmtes Zeitfenster für die Fischer – die Fangquote wird somit reguliert. Die Überfischung stoppen kann aber Alaska nicht allein. Hierzu bedarf es verantwortungsvoll handelnder Politiker und Menschen, die bereit sind, ihre Ernährung umzustellen. „Wissen gibt Ihnen die Macht, das eigene Verhalten zu ändern“, richtet sich The End of the Line zum Schluss an den Zuschauer. Dieses Wissen haben Charles Clover mit seinem Buch und Rupert Murray mit seinem Film bereitgestellt. Für Veränderungen sind wir jedoch selbst verantwortlich. Ehe es zu spät ist.
8.5/10