9. Juni 2007

Blood Diamond

T.I.A. - This is Africa

Nach Japan hat es Regisseur Edward Zwick dieses Mal nach Afrika verschlagen, wo er die Geschichte des Diamentenschmugglers Danny Archer und die Suche des Vaters Solomon Vandy (Djimon Hounsou) nach seinem Sohn erzählt. Zwick ist ja ein Mann des Effektkinos, in welchem er mit viel Aufwand heroische Geschichten erzählt. Das kennen wir aus Glory oder Last Samurai und machen wir uns nichts vor, Zwick kann solche Geschichten auch imposant auf die Leinwand bannen. Nur zwei Filme hatten mich dieses Jahr bisher im Kino noch mehr beeindruckt als Blood Diamond, und eigentlich hatte ich erwartet, durch die DVD-Sichtung in meiner ursprünglichen Wertung etwas zurückstecken zu müssen.

Zwick will sein Experiment des Mainstream- und Geschichtskinos nicht so ganz gelingen. Hier und da ein paar Kameraeinstellungen von der Armut oder der Gewalt Afrikas - das ist zu wenig, um einen von der eigentlichen Geschichte um Danny Archer (Leonardo DiCaprio) loszueisen und dann doch auch wieder zu viel, da man unnötig von der Handlung ablenkt. Blood Diamond soll eine fiktive Geschichte innerhalb einer wahren Geschichte sein. Blutdiamanten und Kindersoldaten, Tagesordnung in Afrika, aber entweder erzählt man einen Handlungsstrang explizit über diese Themen oder man lässt es. Eine Geschichte zu erfinden, die innerhalb dieses Kosmos stattfindet und sich dann dieses bedienen will reicht nicht aus.

Da sehen wir Solomon's Sohn Dia, wie er zusammen mit den anderen Kindern genötigt wird, Menschen zu erschießen, Drogen verabreicht bekommt und einen möglichst bedrohlichen Namen wie Master of Desaster erhält. Dazu kommt Maddy Bowen (Jennifer Connelly), die als Journalistin über jene Blutdiamanten schreibt, aber Archer dafür kritisiert, dass er Solomon benutzt, um an einen von diesen ranzukommen. In Blood Diamond benutzt aber jeder jeden. Solomon will seinen Sohn wiederhaben und benutzt dafür Ex-Söldner Archer, der wiederum von Solomon den Blutdiamanten haben möchte. Dafür braucht Archer aber die Hilfe von Maddy, die von Archer eine Exklusivstory über die Blutdiamanten erhält.

Die Schmuckindustrie, das sind die bösen Buben. Commander Poison, welcher Dia zum Kindersoldaten ausbildet, sagt in einer Szene so schön: “I’m a devil, but only because I live in hell”. Für diese Hölle sind dann die Menschen im Westen verantwortlich, die wie Archer es sagt, die Diamanten haben möchten. Wir wollen den Schmuck, wollen die Diamanten. Und irgendwo müssen sie ja herkommen und irgendeiner muss sie einem ja beschaffen. So ist das Leben, so traurig das klingt. In einem anderen Gespräch meint Archer, dass Gott schon lange fort ist, denn wie könne er sonst diese ganze Gewalt und diesen ganzen Hass zulassen. Die Theodizee-Frage, die wohl nie jemand zufriedenstellend beantworten wird.

Und wenn Zwick den Film mit einem quasi Happy End abschließt, löst er sich auch hier von der Realität, bleibt den Menschen in Afrika doch ein solches verwehrt. Das Schöne an Blood Diamond ist jedoch, dass Zwick eine aus heutiger Sicht altmodische Erzählweise für seinen Film verwendet, die mit einer Liebesgeschichte ohne Sexszene oder sonstigem Schnickschnack auskommt und DiCaprio mit einer Bogartmässigen Figur glänzen lässt. Sowieso sind die darstellerischen Leistungen über jeden Zweifel erhaben, angeführt von DiCaprio in der Rolle seines Lebensnd.Am Ende lässt sich sagen, dass Blood Diamond nichts von seiner Kraft der Kino-Sichtung eingebüßt hat, weshalb deren Wertung Bestand hat.

8/10

24. Mai 2007

A Scanner Darkly

Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen:
Die eine hält, in derber Liebeslust,
Sich an die Welt mit klammernden Organen;
(A Scanner Darkly, S. 256; Faust I, S. 39)

Romanverfilmungen sind immer so eine Sache, meistens gelingen sie nicht allzu gut, oft gelingen sie gar nicht. Eine der Ausnahmen für mich ist z.B. The Fellowship of the Ring, wo Jackson im Gegensatz zu den Fortsetzungen noch gute Arbeit geleistet hat. Richard Linklater hat sich bei A Scanner Darkly wohl eine der höchsten Meßlatten heraus gesucht, die es gibt: Philip K. Dick. Dick gehört zu meinen Lieblingsautoren und ist ohne Zweifel einer der genialsten Autoren des 20. Jahrhunderts. Das Problem ist, dass Dick's Romane sehr futuristisch sind und zudem sehr komplexe mindfucks. Dies lässt sich m. E. filmisch nicht umsetzen, bzw. nicht genug umsetzen, um Dick zu entsprechen. Und wenn man es nicht schafft dem Roman zu entsprechen, sollte man ihn auch nicht verfilmen.

Linklater erzählt in seiner bereits in Waking Life verwendeten Technik des Rotoskop-Verfahrens, wo reale Bilder am Computer übermalt werden, die Geschichte des Undercover-Polizisten Bob Arctor (Keanu Reeves), welcher seine Junkie Freunde Donna (Winona Ryder), Luckman (Woody Harrelson) und Charles Freck (Rory Cochrane) ausspionieren soll, während ein weiterer Freund von ihm, Jim Barris (Robert Downey Jr.), ihn bei seinem Chef anschwärzt. Das Rotoskop-Verfahren ist auch gewöhnungsbedürftig, bei Waking Life fand ich es noch ganz passend, in A Scanner Darkly hat es mitunter gestört. Man würde meinen, dass auf diese Weise dargestellte "unreale" Bilder besser zu Dick's Story passen, jedoch verschwimmt die Handlung dadurch viel zu sehr, weswegen es besser gewesen wäre, die geschossenen Bilder nicht auch noch zu übermalen und wenn, dann nur in einzelnen Szenen.

Fehlbesetzt ist der Film dazu auch noch. Rory Cochrane besonders und Woody Harrelson zum Teil betreiben nerviges overacting, während Winona Ryder und Keanu Reeves unmotiviert und gelangweilt wirken, vielleicht sind sie auch einfach nur überfordert. Donna und Arctor sind die beiden komplexesten Figuren in A Scanner Darkly und Linlater wäre gut beraten gewesen, Charakterdarsteller für diese Rollen zu besetzen. Spontan fielen mir für Ryder's Figur Juliette Lewis und Marisa Tomei ein, welche Donna mehr Leben eingehaucht hätten, bei Arctor wären wohl Johnny Depp oder Jim Carrey die bessere Wahl gewesen. Der einzige der in seiner Darstellung überzeugt, ist Robert Downey Jr., welcher der Figur des egozentrischen und paranoiden Barris sehr gerecht wird.

Ein Thema zieht sich durch alle Geschichten von Dick: die fortschreitende Technologisierung. Oft sind auch Drogen ein zentrales Thema seiner Arbeiten, neben A Scanner Darkly insbesonders The Three Stigmata of Palmer Eldritch. Das lässt sich aus Dick's Zeitverständnis herleiten, schrieb er seine Arbeiten während der 60er und 70er Jahre, in der Zeit von Drogenfesten und Kaltem Krieg. Dabei ist A Scanner Darkly sein persönlichstes Werk, trägt es doch semiautobiographische Züge und Dick brach es nach eigener Aussage das Herz, als er das Buch schrieb, beschreibt er darin schließlich seine eigene Kommune, seine eigenen Freunde. Philip K. Dick "war" Bob Arctor und hat selber die meisten seiner Freunde an Drogen verloren.

Das zentrale Thema des Romans verkackt Linklater im wahrsten Sinne des Wortes im Film, nämlich was Drogen bei Menschen angerichtet haben und immer noch anrichten. Wie Fred am Ende nicht mehr zwischen Fred und Bob unterscheiden kann, geht im Film völlig verloren. Dick selber schrieb in einem Nachwort zu A Scanner Darkly: "Drogenmißbrauch ist keine Krankheit, sondern eine Entscheidung, vergleichbar mit der Entscheidung, vor einem heranrasenden Wagen hinaus auf die Fahrbahn zu treten". Diese Botschaft geht im Film verloren, weil Linklater nur die (tragisch) lustigen Szenen des Romans zusammenbastelt, damit der Zuschauer unterhalten wird. Dick's Romane lassen sich einfach nicht gebührend verfilmen, am gelungensten ist da wohl noch Blade Runner. Linklater verhebt sich bei seinem Verusch aber eindeutig und Lee Tamahori's Next, das ebenfalls auf einer von Dick's Kurzgeschichten basiert, ist wie John Woo's Paycheck auch gefloppt. Hollywood sollte endlich lernen, dass man die Finger von Dick zu lassen hat.

5.5/10

22. Mai 2007

The Fountain

Together we will live forever.

Gegen Ende des letzten Jahrhunderts fand in Hollywood eine Revolution der unabhängigen und innovativen Filmemacher statt. David Fincher kratzte 1999 mit Fight Club an dem Konzept der Heldenidentität, die Wachowskis brachen mit The Matrix im selben Jahr in neue Science-Fiction Welten vor, Spike Jonze sprengte mit Being John Malkovich die Regeln des linearen Erzählens und Darren Aronofsky schickte das Publikum im Jahr 2000 mit seinem Indie-Hit Requiem for a Dream auf eine Bilderachterbahn mit über 3.000 Schnitten, großartiger Musik und einer fabelhaften Geschichte nach dem Roman von Hubert Selby. Der Film tauchte auf über 150 Top Ten-Listen auf und verschaffte ihm einen grandiosen Ruf, der bereits durch sein Debüt π von 1998 Nahrung erhalten hatte. Wie so viele Arthouse-Regisseure wollten die Studios auch Aronofsky für einen Blockbuster gewinnen und boten ihm an, Frank Millers Batman: Year One zu verfilmen. Das Projekt kam jedoch nie zu Stande, da sich Warner Bros. gegen eine von Aronofsky intendierte Mitarbeit Millers verwehrte. Fünf Jahre später sollte sich dies bei Sin City ändern, Batman dagegen wanderte mit Christopher Nolan zu einem anderen Indie-Regisseur.

Aronofsky wollte dennoch einen Sci-Fi-Film drehen, der mit den bisherigen Konventionen brach und ähnlich wie Star Wars, 2001: A Space Odyssey und The Matrix in neue Regionen stieß. Ein Jahr nach Requiem for a Dream stieg er mit Warner Bros. Pictures in Verhandlungen zu The Fountain ein, für das ein Budget von 70 Millionen Dollar veranschlagt wurde und für das Brad Pitt in der Hauptrolle vorgesehen war. Pitt selber wurde, ebenso wie die für die weibliche Hauptrolle angedachte Cate Blanchett, durch ein Screening von Requiem for a Dream gewonnen. Die Planungen begannen und für 20 Millionen Dollar wurde in Australien ein Set gebaut. Im Frühsommer 2002, sieben Wochen vor Drehstart, verließ Pitt dann nach Differenzen mit Aronofsky bezüglich des Drehbuchs das Projekt ab. Die Vorproduktion wurde eingestellt, das Set bei einer Aktion verkauft und Blanchett entschädigt. Doch Aronofsky ließ The Fountain nicht ruhen und nahm die Verhandlungen zwei Jahre später erneut auf. Für die Hälfte des zuvor veranschlagten Budgets wurde der Film nun mit Hugh Jackman und Aronofskys damaliger Lebensgefährtin Rachel Weisz in den Rollen angegangen und kam schließlich nach sechs Jahren endlich in die Kinos.

In der Gegenwart versucht Neurowissenschaftler Tommy (Hugh Jackman) an Rhesusaffen eine Heilung gegen Hirntumore zu finden, um seine eigene Frau, die Autorin Izzie (Rachel Weisz), von ihrer eigenen Krebsdiagnose zu befreien. Während eine erfolglose Operation der nächsten folgt, verschlechtern sich Izzies Symptome zusehends. Derweil schreibt sie, von der Milchstrasse fasziniert, eine Historiennovelle über das frühneuzeitliche Maya-Volk. Im Jahr 1500 wird der spanische Conquistador Tomas (Hugh Jackman) von der spanischen Königin Isabella (Rachel Weisz) ausgesandt, um den Baum des Lebens zu finden, damit die von der Heiligen Inquisition als Häretikerin gebrandmarkte Königin nicht sterben muss. In einem Maya-Tempel erreicht Tomas letztlich dann sein Ziel. Mit einer Esche macht sich derweil im Jahr 2500 der Astronaut Tom (Hugh Jackman) auf den Weg in einen Nebel innerhalb der Milchstrasse, wo er Xibalba vermutet. Die Unterwelt der Maya, in welcher der Legende nach die Seelen der Verstorbenen wiedergeboren werden sollen. Diese drei ineinander verschachtelten Handlungsstränge werden am Ende letztlich auf einen gemeinsamen, sie zusammenführenden, Nenner gebracht.

Entsprechend der narrativen Vorlage – und seiner visuellen Konzeption – ist der Vorwurf, The Fountain könne prätentiös geraten, naheliegend. So kam Aronofskys dritter Spielfilm beispielsweise bei den Redakteuren des Spiegels gar nicht gut an. Von Birgit Glombitza wurde der Film mit den Worten „nervig“, „anmaßend“, „Kitsch“ und „Hokuspokus“ bedacht, ihr Kollege Daniel Sander kam zu dem Schluss, es handele sei ein „zur Katastrophe mutierter Kunstfilm“. Nun stimme ich selten mit den Kino-Rezensenten des Spiegels überein und in diesem Fall schon gar nicht. The Fountain ist weder nervig oder anmaßend noch kitschig oder Hokuspokus. Die Äußerung von Sander dagegen lässt erahnen, dass man es hier wohl mit einem Vertreter des Männerkinos zu tun hat, der vermutlich bei müden shot-for-shot-Remakes wie The Departed besser aufgehoben ist. Denn The Fountain ist ein Kunstfilm und somit zu einem gewissen Grad durchaus prätentiös. Und das muss er auch sein. Wenn schon bezahlte Kritiker dem Film keine Liebe entgegen bringen, muss diese ihm zumindest inhärent sein. Dabei kann man Aronofskys Werk durchaus belanglos, langatmig oder uninteressant finden, dem großen Ganzen kann man sich nicht verschließen. Was er für 40 Millionen Dollar hier auf die Leinwand bannt, sucht in der Filmgeschichte seinesgleichen.

Die übergeordnete Thematik von The Fountain ist der Tod und die Angst der Menschen davor, diesen zu akzeptieren. Insbesonders wenn Liebe mit im Spiel ist. Tommy will Izzie nicht verlieren und verbringt seine gesamte Freizeit im Labor, um eine Heilung gegen ihren Krebs zu finden. Immer wieder spielt Aronofsky dabei einen Moment ab, in welchem Izzie ihn dazu verleiten will, gemeinsam mit ihr den ersten Schnee zu sehen. Die Zeit, die bleibt, miteinander zu verbringen. Doch er wimmelte sie ab, arbeitet lieber an einer Heilung, damit ihnen mehr Zeit bleibt. Es ist bittere Ironie, dass Tommy jene Heilung später findet, dies für Izzie allerdings bereits zu spät ist. Tommy steht hierbei symbolisch für die gegenwärtige Menschheit, die ihren Gott in der Wissenschaft gefunden glaubt. Für Tommy ist der Tod nur eine Krankheit, die man wie jede andere auch heilen und sich vor ihr schützten kann. Dieser Glauben wird erschüttert, als er schließlich an Izzies Grab steht und lediglich ein “there is no hope, only death“ hervorpresst. Mit dem Tod will er sich nicht abfinden, ihn nicht als das finale Ende akzeptieren und Izzies Worten, dass die Mayas den Tod als einen Akt der Erschaffung ansahen, schenkt er wenig Beachtung.

In der Zukunft scheint Tom(my) selbst seine biologische Uhr abgeschaltet zu haben und reist mit einer Esche, in der er Izzies Seele glaubt, in einem seifenblasenartigen Gebilde zu jenem sterbenden Stern, in welchem die Maya ihre Unterwelt Xibalba vermuteten. Dabei wird er immer wieder von jenem Moment verfolgt, in dem er sich nicht Zeit für Izzie nahm. Schließlich schreibt er ihre Geschichte des spanischen Conquistadors Tomas zu Ende, als er dieses auch für sich akzeptiert. Dessen Verständnis vom ewigen Leben wird auf eine harte Probe gestellt und Aranofsky schlägt eine inhaltliche Brücke über ein ganzes Jahrtausend hinweg. Ohne Frage ist The Fountain von einem spirituellen Verständnis durchzogen, das jedoch nicht nur von christlicher Natur ist. Denn der Baum des Lebens findet sich in verschiedenen Kulturen wieder, wie in Yggdrasil aus der nordischen Mythologie. Es geht Aronofsky nicht um religiösen Glauben, sondern um Glauben per se. Was den Menschen menschlich macht, ist für Aronofsky die Tatsache, dass er stirbt. Es ist mehr ein menschliches als ein religiöses Verständnis, dass nach dem Tod noch etwas folgt. Dass der Körper nur ein Gefängnis für unsere Seelen ist, wie es im Film heißt.

Das bedeutet jedoch keineswegs, dass die Zuschauer durch The Fountain zur Religion hingeführt oder zum Glauben gebracht werden sollen. Der Film behandelt lediglich den Tod des Menschen und dessen sich im Zwiespalt befindende Akzeptanz jener Tatsache, die er nicht ändern kann, nicht einmal durch die Wunder der Wissenschaft. Aronofsky schuf dabei eine bildgewaltige Oper, in der die Galaxie durch Aufnahmen chemischer Reaktionen ersetzt wurde und dennoch glaubhafter aussieht, als in den meisten Science-Fiction-Filmen aus Hollywood. Der stete Wechsel zwischen den Zeitebenen gelingt dabei nahtlos, nicht zuletzt auch dank der einfallsreichen Repetition verschiedener Bildmotive und Symbole. Unterstützt wird diese Bilderflut zudem vom großartigen Soundtrack Clint Mansells, der sich speziell im Finale selbst zu übertreffen scheint. Ähnlich wie 2001: A Space Odyssey dürfte Aronofskys Film der Rezeption seiner Zeit voraus sein, veranschaulicht an den beiden Redakteuren des Spiegel. Und so kann man The Fountain sicher übertriebene Prätention, Religiosität oder Spiritualität unterstellen – wie eigentlich fast jedem Film, der je gedreht wurde – oder man kann ihn ganz einfach nur genießen.

9/10

14. Mai 2007

Funny Games

Sie dürfen den Unterhaltungswert nicht vergessen.

Meine Fernsehzeitung bezeichnete Michael Haneke's Werk von 1997 mit dem Satz "Achtung, spielt mit den Sehgewohnheiten und ist sehr hart", ein Bloggerkollege beschrieb mir den Film als mindfuck - mehr musste ich nicht wissen und schon war das Teil aufgenommen und gestern Abend zu Gemüte geführt worden. Vorab will ich schon mal sagen, dass ich den Film nicht zu hart fand. Jedenfalls von seiner Gewalt. Und generell auch nicht. Hart ist das falsche Wort. Oder ich bin einfach nur "abgehärtet".

Ich will nicht lange versuchen auf mein Fazit zu kommen, sondern erarbeite lieber aus meinen Fazit heraus weiter: Funny Games ist ein klasse Film. Mehr als Klasse, das Drehbuch sucht seinesgleichen. Hab seit Memento glaube ich nicht mehr solch ein gutes Thriller-Drehbuch gesehen. Hier stimmt alles, jede Handlung, jeder Dialog, alles am richtigen Platz. Da hat sich Haneke selbst übertroffen. Zwei junge Männer, die wahl- und motivlos eine dreiköpfige Familie quälen, dabei aber immer höflich, ruhig und sachlich bleiben und sich brav für alles bedanken, was sie bekommen.

Nach der ersten Stunde war ich total aus dem Häuschen und war bereit dem Film die volle Punktzahl zu geben. Als Haneke aber nach dem ersten Showdown die Kamera fünf Minuten auf der selben Szene lässt, in welcher nichts passiert und nur zwei Sätze geredet werden, wurde meine Geduld ein wenig übertrapaziert und ich war froh als Paul und Peter wieder im Haus waren. Die darstellerischen Leistungen von allen Beteiligten sind top, die von Arno Frisch (Paul) überragt jedoch alle. Mit seinem österreichischen Akzent und seiner kurzen Hose, dazu das Lächeln. Richtig toll.

Das Konzept von Funny Games ist aber dabei im Grunde das, was mir beim Film so gefallen hat. Am Anfang fragt Georg Paul noch, warum die beiden jungen Kerle all das tun, worauf Paul nur entgegnet "Warum nicht?". Dies wird im Laufe des Filmes und besonders am Ende erklärt, bzw. deutlich. Was der Zuschauer in Funny Games sieht, ist (nur) ein Film. So sehe ich das zumindest. Funny Games ist ein Film, den man sicher immer wieder sehen kann, um ihn zu entschlüsseln. Meine Interpretation ist, mich auf das Gespräch der beiden am Ende berufend, dass Paul und Peter echt sind, real, während die Familie Fiktion ist.

Paul durchbricht mehrfach die Vierte Wand, zwinkert dem Zuschauer zu, spricht ihn an, seine Gefühle ("Sie sind doch auf ihrer Seite, oder?"), handelt nach den Gesetzen des Thrillerfilms. Er lässt den Opfern die Möglichkeit zu fliehen, um die Spannung aufrecht zu erhalten und organisiert einen Zeitplan, der eine gesunde (Film)Länge ermöglicht. Das erklärt das viele Essen der beiden, erklärt wieso sie von einem Haus zum nächsten fahren, erklärt wieso Paul den Mord an Peter zurückspulen konnte. Wenn ich weiß, dass alles nur ein Film ist, kann ich als Protagonist die Mauer der Moral durchbrechen und tun und lassen was ich will. Auch Gewalt. Insbesondere Gewalt. Wäre die Szene um die 80. Minute nicht gewesen...naja, wie gesagt, vielleicht verzeihe ich sie Haneke schon beim zweiten sehen, bzw. bei seinem Remake.

9/10

11. Mai 2007

Tenkū no Shiro Rapyuta [Das Schloss im Himmel]

The earth speaks to all of us, and if we listen, we can understand.

Seine Vorstellungskraft und Bildgewaltigkeit kennt kaum Grenzen. Miyazaki Hayao ist fraglos Walt Disneys einzig wahrer Erbe als Vater des berührenden Zeichentrickfilms und dem Status seines Animationsstudios Ghibli als Meisterwerksschmiede macht nur Pixar Konkurrenz. Wen wundert es also, dass auch Tenkū no Shiro Rapyuta (aka Das Schloss im Himmel) als erster offizieller Ghibli ein kleines Meisterwerk ist. Eins, das bei uns erst spät in den Kinos lief. Nicht unähnlich wie ein Lied des hawaiianischen Künstlers Israel Kamakawiwo’ole, das 17 Jahre nach seiner Aufzeichnung – und 13 Jahre nach dem Tod des Künstlers – in Deutschland die Single-Charts stürmte.

Einen ähnlichen Triumphzug vermochte Tenkū no Shiro Rapyuta im Jahr 2006 allerdings nicht anzutreten, als der erste Film des Studio Ghibli fast genau 20 Jahre nach seiner Premiere in unseren Kinos startete. Mit seinem ersten Werk unter dem Banner des neu gründeten Studio Ghibli knüpfte Miyazaki-san im Jahr 1986 daran an, was ihn zwei Jahre zuvor mit Kaze no tani no Naushika so erfolgreich gemacht hat. Bildgewaltige Szenerien, sympathische Charaktere, ein ökologischer Subtext sowie ein pompöses Amalgam aus Kinder- und Actionfilm. Und was besonders beeindruckt: Tenkū no Shiro Rapyuta sieht nicht aus, als wäre er bereits zwei Jahrzehnte alt.

Das liegt zwar mit an der durchgängig-zeitlosen Animation von Ghibli, ist aber zugleich auch ein Qualitätsmerkmal. Ausgesprochen detailliert gerät dieser kindliche Abenteuerfilm, der mehrmals in mehrfacher Hinsicht schweres Geschütz auffährt. Wie so oft in Miyazakis Werken verschmelzen die verschiedenen Zeitepochen, wird Gegenwart und Vergangenheit oder Vergangenheit und Zukunft miteinander kontrastiert. Die Welt in Tenkū no Shiro Rapyuta erinnert an das viktorianische Zeitalter, wird jedoch gepaart mit einer Prise Fantasy-Futurismus und Steampunk. Hier treffen Loks auf fliegenden Scooter und Revolver auf unzerstörbare Roboter.

Grundsätzlich erinnert die Szenerie dabei an Großbritannien, wo Miyazaki und seine Zeichner Inspiration aus der walisischen Landschaft zogen. Das mag zwar für uns Abendländer weniger exotisch sein, dafür für die Japaner umso mehr. Aber auch bei uns hinterlassen die an Berghängen gegründeten Städte und die weite Peripherie Eindruck, selbst wenn sich ein Großteil der Handlung weniger zu Land denn in der Luft abspielt. Hier nimmt der Film nach einem bereits turbulenten ersten Akt anschließend richtig Fahrt auf. Im sprichwörtlichen Sinn. Denn Tenkū no Shiro Rapyuta ist ein Kinderfilm, wie man ihn nicht alle Tage – und schon gar nicht von Disney – erlebt.

Hier flirten mehrere Männer ungeniert mit kleinen Mädchen und Erwachsene scheuen sich nicht davor, wiederholt auf Kinder zu schießen. Was undenkbar in der naiv-harmonischen Welt von US-Animationsfilmen ist, trägt bei Miyazaki dazu bei, dass dieser ein spannendes Abenteuer für die Kleinen parat hält und sich für die Großen erwachsener gibt als Genrekollegen. Nicht vergessen werden dabei die Charaktere, von denen besonders die an die Fratellis aus The Goonies erinnernden Luftpiraten rund um Matriarchin Dora sich im Verlauf von den Bösen zu den Guten wandeln und somit jene humane Dualität repräsentieren, die den Werken Miyazakis stets innewohnt.

Getragen wird die Geschichte dabei von der unschuldigen Freundschaft und suggerierten Liebe zweier Kinder, deren Moral und Ethik so rein ist wie ihre Loyalität zueinander. So ist Tenkū no Shiro Rapyuta gerade für sein Produktionsjahr ein fast schon bahnbrechendes Werk, was die Integration von Action und Abenteuer in einem animierten Kinderfilm angeht. Selbst die für das Genre ungewöhnlich lange Laufzeit von zwei Stunden erzeugt keine Längen. Zwar ist der Film nicht ganz so stark wie Miyazakis Vorgänger, dennoch als erster Ghibli ein exzellenter Vertreter für die Ideologie und Qualität des Studios. Auch, wenn das die Deutschen erst 2006 mitbekamen.

8.5/10

4. Mai 2007

Super Size Me

This is the best part of the day, when I get to be fat, on the bed, with my quart of Coke.

Viele Menschen sind keine Fans von Dokumentationen, wahrscheinlich weil nicht wirklich etwas passiert oder in die Luft fliegt, also keine richtige Handlung vorhanden ist. Ich dagegen bin ein Freund von Dokumentationen und schaue sie mir gerne an. Das diese jedoch mit Vorsicht zu genießen sind habe ich neulich erst festgestellt. War bis dato nämlich ein großer Fan von Michael Moore, dessen Filme Roger & Me, Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 mir sehr gefallen haben, bis die Dokumentarfilmer Debbie Melnyk und Rick Caine (welche ursprünglich eine Lob-Dokumentation über Moore machen wollten) in ihrem Werk Manufacturing Dissent auf die Arbeitsmethoden von Moore hinwiesen, die sich in keinster Weise von denen seiner Gegner unterschieden. Auch zu Morgan Spurlocks Oscarnominiertem Film Super Size Me gibt es andere Meinungen, doch dazu später mehr.

Morgan Spurlock, ein gesunder und fitter New Yorker nimmt sich vor 30 Tage lang dreimal täglich nur bei McDonald's zu essen, um festzustellen, wie sich das auf seine Gesundheit auswirkt. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind ein Land der Superlativen, selbstverständlich auch was das Gewicht angeht. So leben die fettesten Menschen der Welt in den USA. Mehr als 60% der US-Bürger sind fettleibig oder übergewichtig. Ausgelöst wurde Spurlock's Film durch eine Klage zweier übergewichtiger Mädchen, welche McDonald's verklagten, da deren Essen ungesund sei und sie übergewichtig gemacht hätte. Die Klage wurde abgewiesen. Spurlock will aber dennoch feststellen wie ungesund Fast Food tatsächlich ist.

Zu Beginn des Filmes lässt er sich von drei verschiedenen Ärzten durchchecken und von einer Ernährungswissenschaftlerin beraten. Sein Gewicht beträgt 84kg. Dann beginnt er täglich nur noch bei McDonald's zu essen. Der Titel lässt sich auf das amerikanische Super Size Menü zurückführen, wo man zu seinem Burger noch ein halbes Kilo Pommes und ein Liter Limonade bekommt. Bezeichnenderweise braucht Spurlock dann für sein erstes Super Size Menü auch 22 Minuten und muss das Essen abbrechen, als er sich aus dem Autofenster übergibt. Im Laufe seines Fressens wird Spurlock depressiv, wenn er nichts ist und sein Cholesterinwert steigt um 50%, seine Leber macht fast schlapp. Nach 22 Tagen raten ihm die Ärzte aufzuhören, es könnte lebensbedrohlich werden. Er macht weiter und schafft tatsächlich die 30 Tage, an welchen er dann 95kg wiegt und insgesamt 14kg Zucker zu sich genommen hat.

Ich war selber schon mehrmals in den USA und kann nur bestätigen, dass Fast Food dort eine ganz andere Dimension wie hier in Deutschland einnimmt. Geht man in Manhattan morgens um 8 Uhr in eine McDonald's Filiale sieht man haufenweise Anzugträger, die sich ihr Frühstück hier auf dem Weg zur Arbeit abholen. Da verwundert es nicht, dass McDonald's tagtäglich 46 Millionen Kunden weltweit hat (!) und im Zuge dessen jährlich 1,4 Milliarden Dollar für Werbung ausgibt! Wundert man sich da, dass jeder 20. Amerikaner an einem Typ Diabetes leidet oder 400,000 Menschen jährlich an Folgen von Fettleibigkeit sterben? Dass kleine Kinder eher wissen wie Ronald McDonald aussieht, als Jesus? Wenn die Bürger nicht den Bürgereid, dafür aber dern Big Mäc Werbeslogan aufsagen können?

Spurlock prangert in Super Size Me nicht (nur) McDonald's an, sondern die gesamte Fast Food Industrie, bis hin zur Schulkantine, wo nur 6 von 36 Mahlzeiten im Monat tatsächlich gekocht werden. Der Film fängt Meinungen von Ärzten und Ernährungswissenschaftlern ein und versucht das Problem zu lokalisieren. Fast Food macht süchtig und ist ungesund, besonders für Kinder auf die jedoch auch besonders die Werbung abzielt. Ich gebe zu, ich esse wirklich selten Fast Food, vielleicht alle drei Monate mal, eher seltener. Bei mir scheitert das an den Preisen der Burger/Menüs. Allzu hochnäsig dürfen wir aber auch nicht sein, denn Deutschland ist das fetteste Land Europas! In Schweden wurde Spurlock's Experiment von einem Wissenschaftler nachgeahmt und dieser kam bei 18 Studenten nicht auf ähnlich hohe Cholesterinwerte, wobei meiner Ansicht nach solche Dinge auch abweichen können. Ich halte Super Size Me für einen sehr wichtigen Film, den sich jeder - egal ob fett oder nicht - ansehen sollte. Wenige Monate nachdem der Film rauskam, setzte McDonald's im übrigen das Super Size Menü ab. Zufall?

8/10

25. April 2007

Sunshine

Who is the fifth crew member?

Im Weltraum hört dich keiner schreien. So lautete der Untertitel von Ridley Scotts Meisterwerk Alien aus dem Jahr 1979. Dabei ist diese Äußerung so nicht einmal zutreffend, zumindest nicht wenn man sie auf die Science Fiction Filme oder Alien selbst bezieht. In den Raumschiffen, in welchen meist der Horror wie in Alien oder Event Horizon zelebriert wird, sind die Schreie durchaus hörbar. Dabei fungieren sie als Katalysator von Angst zugleich für deren Förderung. Dass im Weltraum geschrieen wird, scheint dabei im Grunde unabkömmlich zu sein. Jenseits der Erde scheint der Mensch nichts verloren zu haben, und wenn er sich dann in ungeahnte Sphären aufmacht, erwartet ihn oftmals, 2001: A Space Odyssey oder Solaris lassen grüßen, Horror und Gefahr.

Die Wege ins All finden oft, wie in Deep Impact, keine Rückkehr nach Hause und wenn, dann nur unter großen Verlusten. Dass der Mensch auf ungewohntem Terrain nur sein Verderben finden kann, schildert bereits der griechische Mythos des Ikaros. Der Knabe, dessen Vater und Erfinder Daedalos sich selbst und seinem Sohn Flügel aus Wachs anband, flog in seinem naiven Übermut zu nah an die Sonne heran. Seine Wachsflügel schmolzen daraufhin und Ikaros stürzte ins Meer. Die hierbei bestimmende Frage lautet, ob es sich der Mensch anmaßen sollte, Gott zu spielen und sich selber in Sphären zu versetzen, die ihm die Natur nicht zugeordnet hat? Jene Frage transferierten Autor Alex Garland und Regisseur Danny Boyle 2007 auf die Kinoleinwand in ihrem Sci-Fi-Thriller Sunshine.

Mit großer wissenschaftlicher Authentizität gingen Garland und Boyle an ihre Geschichte heran. Ihre Einbindung von schwarzer Materie als Ursache für ein Erlischen der Sonne ist gegenwärtig Diskussionsstoff der Astrophysik. In fünfzig Jahren soll die Sonne durch eine nukleare Reaktion mit Hilfe einer Bombe der Größe Manhattans wiederbelebt werden. Dabei offenbart bereits die Einführung der Icarus II zu Beginn, dass es eine Icarus I gegeben haben muss. Durch dieses Detail bringen Garland und Boyle ihr Publikum sofort auf den vorgegebenen Kurs, vermitteln die Tragweite des gesamten Geschehens. Die Notwendigkeit einer zweiten Mission setzt voraus, dass eine erste zum Scheitern verurteilt war. Dies wiederum zieht nach sich, dass auch der Erfolg der zweiten Mission nicht als selbstverständlich zu erachten ist.

All dies wird durch die ersten Sekunden der Einführung vermittelt, ein exzellentes Beispiel für die hohe Kunst der Geschichtenerzählung. Im Gegensatz zu Filmen wie Lost in Space hält sich Danny Boyle auch nicht mit der hoffnungsvollen Abreise der Crew auf, sondern setzt mitten in der Mission ein. Genauer gesagt tritt die Mission nunmehr in ihre kritische Phase. Nach sechzehn Monaten im All überschreitet die Icarus II den Punkt, an welchem der Kontakt zur Erde verloren geht. Gewissermaßen überschreitet man hier den Rubikon. Stellvertretend für alle Crew-Mitglieder zeigt Boyle dem Publikum lediglich die letzte Botschaft von Physiker Robert Capa (Cillian Murphy), welcher den Missionsinhalt Revue passieren lässt: So if you wake up one morning and it's a particularly beautiful day, you'll know we made it.

Woher nimmt der Mensch das Recht am Universum herum zu spielen? Und ist es nicht vorhersehbar, dass dabei etwas schief gehen muss? Berechtigte Fragen und ihre Antworten dürften der Prämisse zufolge bekannt sein. Hierbei funktioniert Sunshine deshalb so gut, da sich Autor Alex Garland viel Mühe mit seiner Charakterausarbeitung gab. Mit wem es das Publikum hier tatsächlich zu tun hat, wird durch das bloße Betrachten des Filmes nicht klar. Was ist die Agenda der Crew, was sind ihre Ängste und ihre Erwartungen? Da ist zum einen Corazon (Michelle Yeoh), welche für den biologischen Garten der Sauerstoffproduktion zuständig ist. Ihr Name (span. Herz) bezieht sich dabei mehr auf ihren Garten, denn auf ihre eigene Persönlichkeit. Corazon ist nicht wirklich kaltherzig, ihren wahren pragmatischen Charakter sieht man erst, als ihr Garten zerstört wird. Letztlich stirbt vielleicht mit ihrem Garten auch ihr eigenes Herz.

Als eigentliches Herz der Mannschaft fungiert vielmehr Pilotin Cassie (Rose Byrne), die eigene Opfer auf sich nahm, um an dieser Mission teilzunehmen. In den entscheidenden Szenen agiert Cassie im Grunde als das Gewissen der Icarus II. Dieses lässt sich nicht unbedingt als rational bezeichnen, jedoch als menschlich, sodass Cassie im Grunde die Stellvertretung der gesamten Menschheit auf der Mission einnimmt. Wo Cassie die Rationalität abgeht, ordnet sich Techniker Mace (Chris Evans) ganz dem Ziel der Mission unter. Hierbei zählt nur der Transfer der Bombe zur Sonne und zugleich die Aufrechterhaltung von Capas Leben, der als der Bord-Physiker als einziger mit der Bombe umgehen kann.

Auch in den entscheidenden Szenen -beispielsweise am Luftschloss der Icarus I - zögert Mace daher nicht eine Sekunde sein Leben hinter das von Capa zu stellen. Obschon er mit diesem - ist Capa doch der einzige nicht ausgebildete Astronaut an Bord - mehrfach Auseinandersetzungen hat. Als zwei erfahrene Figuren findet sich noch Psychologe Searle (Cliff Curtis) und Kapitän Kaneda (Hiroyuki Sanada). Beide haben sich mit dem Scheitern der Vorgängermission eindringlich beschäftigt, allen voran Kaneda. Zum Zünglein an der Waage wird letztlich Mathematiker Trey (Benedict Wong), dessen Genie ihm zum Verhängnis wird. Das gesamte Ensemble agiert den Film hindurch nach Garlands Vorgaben, auch wenn diese bei Figuren wie Harvey (Troy Garity) bedauerlicherweise im Film nicht zur Genüge zur Geltung kommen.

Auf ihrem Weg zur Sonne stößt die Icarus II auf das Schiff ihrer Vorgängermission. Die logische Konsequenz: man birgt die Bombe der Icarus I. Das ganze Projekt ist auf Theorie gegründet, sollte etwas schief gehen, sind zwei Bomben besser wie eine. Es ist keine demokratische Entscheidung, vielmehr fällt sie allein Physiker Capa zu. Sein „Oh shit“ ist dabei die wohl treffendste Äußerung, welche die Figur in diesem Moment von sich geben könnte. Ein unbedeutender Umweg bringt die Planungen von Wochen und Monaten durcheinander. Navigator Trey, ein mathematisches Genie, will die neue Berechnung nicht dem Bordcomputer überlassen, vernachlässigt bei seiner eigenen Kalkulation jedoch etwas. Die logische Entscheidung führt zum menschlichen Versagen, die von langer Hand geplante Routine zum Opfer der Spontaneität.

Der Moment fordert ein menschliches Leben, ein Verlust der im Grunde für den Rest des Filmes unerheblich ist. Schließlich wird es nicht Treys Fehler sein, der zur Tragik verkommt, sondern Capas Entscheidung die Icarus I aufzusuchen. Was hatte die erste Mission zum Scheitern verurteilt? Capa und die anderen werden es herausfinden und die Geister, die sie riefen, nicht mehr loswerden. Auf ihrer gottesgleichen Mission, der Erschaffung eines Sternes, werden der Crew ihre menschlichen Fehler zum Verhängnis werden. Dabei werfen Garland und Boyle jedoch keineswegs moralische Fragen oder Dilemmas auf, sondern schildern einfach die Ereignisse dieser acht Personen auf ihren Weg zur Rettung eines ganzen Planeten.

Es gelingt Danny Boyle mit Sunshine einen ruhigen und teilweise sogar elegischen Thriller zu drehen. Die Stärken seines Filmes sind die optischen respektive technischen Szenen. Die Symbiose zwischen den Bildern und dem Ton ist faszinierend, die Einstellungen der Sonne und der Icarus II im All, der Raumschiffgänge, dies alles mit der musikalischen Untermalung von Underworld. Exzellent auch der Übergang der Crew zur Icarus I, bei welchem jedes Mal, wenn die Taschenlampen die Kamera treffen, Bilder der verstorbenen Crewmitglieder übergeschnitten werden. Mit Sunshine schuf Garland eine stylische Mischung aus 2001 und seinem eigenen Werk The Beach. Auf klaustrophischen Raum werden über eine längere Zeit hinweg unterschiedliche Persönlichkeiten konzentriert.

Kein Entkommen und Loslösen voneinander teilweise Anwesenden zu denen man ein gespanntes Verhältnis hat. Die erste Hälfte des Filmes ist hier ob ihrem phantastischen Look und der Intelligenz des Drehbuchs berauschend. Die Wendung, welche Sunshine anschließend nimmt, ist diskutabel. Manche Einstellungen folgen so rasch aufeinander, dass man das Gefühl hat, Boyle hätte die eine oder andere Szene geschnitten - gerade im Finale. Zur Hinterfragung des Plots und somit des Filmes ist die Wendung allerdings nur konsequent. Mit Sunshine ist Garland und Boyle ein Science-Fiction Film gelungen, der letztlich zwar mehr style over substance ist, aber dennoch auch durch seine Atmosphäre zu überzeugen weiß und zu den besten Filmen des Genres zählt.

8.5/10

14. April 2007

Marie Antoinette

It’s not too much, is it?

Wieder Mal behandelt diese Rezension einen Film, den das regionale Kino nicht in seinem Programm hatte und der daher auf DVD nachgeholt werden muss. Obschon ich weder von Sofia Coppolas The Virgin Suicides noch ihrem hochgelobten Lost in Translation sonderlich angetan war, barg der nett geschnittene Trailer zu Marie Antoinette etwas Verlockendes – was folglich den Ausschlag zur Sichtung gab. Inhaltlich dreht sich Coppolas dritter Spielfilm dann wenig überaschend auch um die Regentin Marie-Antoinette, angefangen von ihrer Überführung aus Österreich nach Frankreich. Dort sollte sie im Dienste der Friedensbeziehungen zwischen Frankreich und Österreich den Thronfolger Louis XVI. ehelichen.

Scheint ihr die französische Hofwelt zu Beginn noch fremd, passt sich die junge Frau schnell den neuen Gepflogenheiten an. Und das ist im Grunde auch alles, was Coppola aus der Historie übernimmt. Die Rolle der 14-jährigen Marie-Antoinette fällt im Film dann der zehn Jahre ältere Kirsten Dunst zu, während Coppolas Cousin Jason Schwartzman (Rushmore) den Part ihres 15-jährigen Gatten Louis erhielt. In weiteren Rollen treten auch noch Steve Coogan (A Cock and Bull Story), Rip Torn (Men in Black), sowie die vergnügliche Rose Byrne (Troy) und die kurzweilige, aber gute Asia Argento (xXx) auf. Gemäß dem Filmtitel ist dies jedoch die Show von Marie Antoinette und damit Kirsten Dunst.

Anzumerken ist, dass Marie Antoinette in technischer Hinsicht nahezu perfekt gerät. Die Szenen sind wunderbar ausgeleuchtet, egal ob im Palast von Versailles oder in seinen Gärten. Zuträglich war hier sicherlich, dass es Coppola gestattet wurde, als erste Filmproduktion überhaupt in den Räumen des Schlosses zu drehen. Auch Maske und Kostüme enttäuschen erwartungsgemäß nicht, werden vielmehr geradezu zelebriert, während die untypische, kontemporäre Musikuntermalung von The Strokes über Air bis hin zu Bow Wow Wow und The Cure dem Film etwas Besonderes verleiht. Dabei wirkt sie nie deplaziert, verleiht Coppolas Werk vielmehr eine erfrischende Note im Vergleich zu Genrekollegen wie Barry Lyndon.

Das Schloss selbst wird dabei so oft wie möglich in seiner vollen Größe wiedergegeben, ebenso wird dem riesigen Garten Tribut gezollt. Die Botschaft des im Luxus verlorenen Mädchens wird hier allerdings ein wenig überstrapaziert, denn viel zu ausgiebig gibt sie sich ihren Aufnahmen hin. So folgt man Dunst gerne auch in zwei verschiedenen Szenen mit der Kamera die 20 Sekunden, die sie zum Treppensteigen braucht. Generell ist der Film mit seinen zwei Stunden viel zu lang, vor allem wenn man bedenkt, dass Coppola keine wirkliche Geschichte zu erzählen hat. Zu Beginn des Films geht eine junge, unsichere Maria Antonia an der Grenze Österreichs zu Frankreich symbolisch durch ein Zelt. Lost in Transition.

Auf französischer Seite tritt sie dann als Marie Antoinette, zukünftige Königin Frankreichs, heraus. Dass nicht viel von ihr erwartet wird, außer einen Thronfolger zu gebären und sie ansonsten gegen die Hofetikette rebelliert und ihren Alltag mit Futtern und Shoppen bestreitet, mag ja historisch belegt sein. Dennoch hätte sich Coppola im Klaren sein müssen, dass dies keine zwei Stunden füllt. Ihr Porträt einer vom Luxus und ihrer Position überwältigten Teenagerin – nach Antonia Frasers Biographie von 2001 – vermisst dabei charakterliche Einblicke und Realismus (Coppola transportiert das Bild eines modernen Teens in eine Zeit, in der die Lebenserwartung 35 Jahre betrug und Kinder früher reiften als heute).

Wer aber ein dümmliches Blondchen mit seinem Hündchen im Arm durch ihr luxuriöses Leben spazieren sehen will, schaut wohl eher eine Sendung über IT-Girl Paris Hilton, und nicht einen Film über Marie-Antoinette. Auch wenn Sofia Coppola zu Anfang noch den Druck darstellt, der auf der Thronfolgerin lastet, weil ihr Mann keinen Verkehr mit ihr haben will, verliert sie sich dann anschließend leider in eine pompöse Ausgabe von The Fabulous Life of Marie Antoinette. Da wirkt dann schließlich auch das Ende deplatziert und falsch gewählt. So visuell überzeugend Marie Antoinette auch ausfällt, so flach gerät der Film inhaltlich und biografisch. Mit dem Soundtrack zum Film fährt man also besser als mit diesem selbst.

5.5/10

12. April 2007

Idiocracy

If you don’t smoke Tarryltons... Fuck You!

Wieder mal ein Film, den ich gerne im Kino gesehen hätte, der in meiner Region jedoch keine Kopien erhalten hatte. Egal, schau ich ihn mir eben auf DVD an, so komm ich auch in den Genuss der Originalfassung. Eigentlich schade aber, dass Regisseur Mike Judge so selten in Aktion tritt, zeichnet ihn doch nicht nur seine Arbeit an Beavis & Butthead aus, sondern auch sein Werk Office Space (welches ich erst vor ein paar Wochen genießen durfte). Überrascht war ich, als ich im Vorspann zu Idiocracy sah, dass Ethan Coen mit am Drehbuch geschrieben hat. Es handelt sich dann aber doch nur um Judges langjährigen Kollaborationspartner Etan Cohen (Beavis & Butthead, King of the Hill). Daran, dass der Film ein Knaller ist, hat das allerdings nichts geändert.

Aber nun zur hervorragenden Story: Soldat Joe (Luke Wilson) ist im wahrsten Sinne des Wortes ein average Joe, ist er doch in allem, was er macht, lediglich Durchschnitt. Das bewegt die Armee, in welcher Joe den einfachsten verfügbaren Job ausfüllt, dann dazu, Joe gemeinsam mit der Prostituierten Rita (Maya Rudolph) für ein Experiment zu benutzen. Ziel ist es, die Probanten von 2005 bis 2006 kryogenisch einzufrieren. Als aber der leitende Wissenschafter wegen eines Prostituiertenrings auffliegt, werden Joe und Rita vergessen, weshalb sie irgendwann erst wieder im Jahr 2505 aufwachen. Inzwischen ist die US-Bevölkerung so verdummt, dass Joe nach einem IQ-Test zum klügsten Menschen und Innenminister ernannt wird. Dabei will er eigentlich nur wieder zurück nach Hause.

Minimal erinnert das Szenario an die Prämisse von Matt Groenings Futurama, doch Judge will weitaus mehr. Um seine Prämisse zu erklären wird zu Beginn eine fiktive Studie anhand zweier Familien gezeigt: Ein überdurschnittlich intelligentes Pärchen spart sich die Familienplanung jährlich auf, während ihr asoziales Pendant sich exponential vermehrt. Dementsprechend erwacht Joe 500 Jahre später nicht mehr in einer Demo-, sondern einer Idiokratie - einer Gesellschaft, die durch und durch verdummt ist. Köstliche Beispiele hierfür sind Sofas mit integriertem Klo, eine Sitcom über Tritte in die Weichteile, Restaurants mit dem netten Namen Butt-Fuckers oder ein Film der Arsch heißt, 90 Minuten lang auch nichts als diesen zeigt und damit 8 Oscars (nur?) gewonnen hat.

Als Joe einen IQ-Test machen soll bevor man ihn ins Gefängnis wirft, weil er seine Krankenhausrechnung nicht gezahlt hat, lautet eine der darin vorkommenden Fragen: If you have one bucket that holds two gallons and another bucket that holds five gallons, how many buckets do you have? Kein Wunder, dass er anschließend zum klügsten Menschen erklärt wird und das Amt des Innenministers von einer Bande von Idioten zugesprochen bekommt. Dabei will Joe nichts weiter als zur Time Macheene zu kommen, von der ihm sein Verteidiger Frito (Dax Shepard) erzählt hat. In einer Zukunft, wo der US-Präsident ein Ex-Pornostar (Terry Crews) ist und Charlie Chaplin wegen The Great Dictator als NS-Mitverschwörer gilt, ist Joe klar der einäugige König unter den Blinden.

Und Judge gelingt es mit Idiocracy ein hervorragendes Bild des derzeitigen Bildungsstandes der Vereinigten Staaten wiederzugeben. In Zeiten, in denen Teenager kaum mehr lesen, Sex und Pornographie jedoch zum Mittelpunkt der Gesellschaft werden, ist eine Zukunft wie in Idiocracy nicht unwahrscheinlich. Selbst in Deutschland sieht man dies, wo Jugendlich nicht mehr ohne die Wörter Alter und ich schwör in ihren Sätzen auskommen. Mit Idiocracy gelingt Judge ein sehr wichtiger und (was ebenso wichtig ist) ungemein amüsanter Film, der sich in meinen Augen nicht vor Abrahams, Zucker & Zucker verstecken muss. Ich kann den Film wirklich nur weiterempfehlen und nicht beirren lassen: nicht der Film ist debil, sondern die Gesellschaft, die in ihm widergespiegelt wird!

9/10

9. April 2007

Quo Vadis

So, habs endlich mal geschafft auch diesen Klassiker anzuschauen, Christus bzw. Ostern sei Dank! Quo Vadis enstammt einer Zeit, in der Monumentalfilme das waren, was Comic-Verfilmungen heute sind: Massenware. Dabei bedient sich der Film der üblichen Rezepte und bringt tatsächlich ein gelunges Resultat hervor. Die Effekte sind sehr gut, die Kostüme sind stimmig, die Kulissen opulent. Mit einer Lauflänge von 160 Minuten ist Quo Vadis jedoch wie seine Altersgenossen sehr lang und dies wie in den meisten Fällen unnötigerweise.

Dabei zirkuliert die Handlung um zwei Themen, wo eines der beiden bereits gereicht hätte: Das Kaisertum von Nero (hervorragend: Peter Ustinov) und die Liebesgeschichte des römischen Kommandanten Marcus Vinicius (Robert Taylor) mit der römischen Geisel und gläubigen Christin Lygia (Deborah Kerr). Verbindungsstück der beiden Geschichten ist Neros Berater und Marcus' Onkel Petronius (Leo Genn). Die spannendere der beiden Handlungsstränge ist dabei Nero und seine Charakteristika. Die Liebesgeschichte von Marcus & Lygia verkommt zu einer Missionierungsgeschichte, in welcher bezeichnenderweise durch lieb gemeinten Hinweis von Paulus selbst Vinicius sich vom Saulus zum Paulus wandelt und im Angesicht seines bevorstehenden Todes bereitwillig und freudig das Christentum annimmt.

Das ist in meinen Augen auch das Hauptmanko des Filmes, neben seiner Länge: Quo Vadis ist durch und durch christlich motiviert. Da wird der kalte Marcus Vinicius durch seine Liebe zu der Christin Lygia langsam aber sicher innerhalb einer Woche zum Christentum konvertiert, was nach dem Brand Roms und der anschließenden Christenverfolgung dann in einer Verfütterung an die Löwen im Kolloseum mündet. In diesen Szenen werden dann auch die Römer als lüsterne Barbaren dargestellt, die sich mit sabbernden Grinsen an dem Tod der Christen aufgeilen (ist ja nicht so, dass Rom damals die Kulturhauptstadt der Welt war), während diese ihre von Jesus Christus gegründete friedliche Gemeinschaft mit gemeinsamen Sängen symbolisieren. Mit Gesängen! Selbst auf dem Scheiterhaufen singen diese Christen noch (was ich für physisch unmöglich erachte, dass man während man brennt einen Ton halten kann). 

Als Lygias Bodyguard dann dem auf sie abgerichteten Stier das Genick bricht, jauchzt die Menge nach Begnadigung, was Nero ablehnt und dann konsequenter Weise in einem Aufruhr und seinem Tod in den Palastgemächern endet. Die Botschaft hier: Don't mess with Jesus, oder auch Wie du mir, so ich dir. Das zwischen dem Brand von Rom und Nero's Selbstmord immerhin vier Jahre lagen, dass seine Frau Poppaea zu der Zeit (seines Todes) bereits tot war, sich sein Selbstmord nicht im Anschluss an die Christenverfolgung und auch nicht aufgrund dieser ereignet hat, usw. will ich mal außer Acht lassen, denn historisch gesehen ist jeder Hollywood-Schinken für die Katz. Trotz allem ist der Film gute klassische Unterhaltung, wobei einem die christlichen Untertöne und die Länge übel aufstoßen mögen.

6.5/10

7. April 2007

300

Brave amateurs. They do their part.

Damals im Kino war ich ja sehr angetan von 300, die Action und die Optik hatten einen extrem hohen Unterhaltungswert. Im Zuge der Neustrukturierung meiner diesjährigen Top-5 habe ich alle Film der Liste einer zweiten Sichtung unterzogen und es gab in der Tat eine Neuordnung. Trotz allem ist 300 aber der unterhaltsame Slaher-Film geblieben, als den ich ihn in Erinnerung behalten hatte. Es zeigt sich, dass Zach Snyder doch mehr Talent besitzt, als man ihm vielleicht zuzutrauen bereit war, da mag man von Dawn of the Dead und 300 denken was man will, aber eine gewisse Vorfreude auf Watchmen weckt das ganze dann schon. Basierend auf den Comic von Frank Miller, welcher wiederum die historischen Ereignisse der Schlacht in den Thermopylen zur Grundlage seiner Erzählung hatte, bekommt hier der Zuschauer vor allem eines nicht: eine Lektion in Geschichte. Miller war seiner Zeit beeindruckt von dem Film The 300 Spartans (Der Löwe von Sparta) gewesen und hatte anschließend – da von Militärgeschichte begeistert – die Geschehnisse nachrecherchiert. Das macht jedoch weder den Comic noch den Film zu etwas von geschichtlicher Bedeutung, 300 ist kein Monumental-, sondern ein Fantasyfilm.

Tatsächlich wurden die spartanischen Jungen, wie in 300 dargestellt, von ihrem 7. Lebensjahr an militärisch erzogen, sprich alle Jungen waren wehrpflichtig. Leonidas selber war bei Ausbruch des Perserkrieges 481 jedoch schon über 50 Jahre alt gwesen und hatte in keiner Weise die Autorität gehabt, Xerxes oder dem Perserreich den Krieg zu erklären. Schon allein deshalb nicht, weil die Spartaner traditionell zwei Könige hatten, die jedoch mehr Feldherren wie Könige waren. Ebensowenig war Leonidas auf eigene Faust und vorab geplant zu den Thermopylen gezogen, sondern geschah dies im Zuge eines strategischen Feldzuges unter Mitwirkung des spartanischen Ältestenrates. Für Spartaner war es sicher nicht selbstverständlich freiwillig den Tod in der Schlacht zu suchen - die Entscheidung Leonidas' an den Thermopylen zurück zu bleiben, weckte gerade dadurch Bewunderung, da es im Prinzip ein Einzelfall war. Perserkönig Xerxes wird auch sicher nicht so ausgesehen haben, wie er im Film dargestellt wird (Schmuck behangen und haarlos), genauso wenig werden in den Perserreihen Mutanten und sonstige Kreaturen mitgekämpft haben (was sich von selbst verstehen dürfte). Der Einsatz von Granaten ist ein weiteres Beispiel für die Unernsthaftigkeit der Handlung

Neben der historischen Grundlage (300 Spartaner besetzten einen Pass und verteidigten diesen bis auf den Tod gegen Xerxes’ Perserarmee) erzählt 300 eine Geschichte voller Pathos: Perserkönig Xerxes (Rodrigo Santoro) will das Hellenenreich erobern und rückt mit seinen Truppen vor. Der Spartanerkönig Leonidas (Gerard Butler) will sein Volk nicht der Sklaverei aussetzen und erklärt Xerxes den Krieg. Da er hierbei jedoch keine Unterstützung des Ältestenrates erfährt, zieht er auf eigene Faust mit 300 weiteren Spartanern gezielt zu den Thermopylen, um den Engpass ins Hellenenreich zu besetzen. Problemlos hält er drei Tage lang mit seinen Männern gegen eine Überzahl von Feinden stand, ehe der Verräter Ephialtes den Persern einen geheimen Pass in den Rücken von Leonidas’ Truppen offenbarte. Währenddessen versucht Königin Gorgo (Lena Headey) in Sparta den Ältestenrat zur Truppenunterstützung ihres Mannes zu bewegen und muss sich mit dem korrupten Theron (Dominic West) auseinandersetzen.

Was Zack Snyder mit 300 visuell gelungen ist, lässt sich einfach nur als atemberaubend beschreiben, die Bilder sind in so prächtige Farben getaucht, dass man wirklich nur staunen kann. Auch vom Ton und Schnitt her lässt es sich wohl kaum besser machen und jener Effekt wird besonders dadurch erreicht, dass Snyder den Film mit doppelter und teils sechsfacher Geschwindigkeit drehen ließ, um ihn anschließend in normaler Geschwindigkeit wieder abspielen zu lassen, was dann in den zeitlupeartigen Bilden resultierte. Die musikalische Untermalung von Tyler Bates ist wahrlich perfekt, auch wenn ihm Plagiatsvorwürfe gegenüber Elliott Goldenthal’s Score für Titus gemacht worden sind. Vom technischen Aspekt her kann man dem Film also keinen Vorwurf machen - aber das wurde bereits im Vorfeld überall gesagt.

Man darf jedoch keinesfalls vergessen, dass 300 vom Zuschauer nicht ernst genommen werden will, das zeigt Snyder ziemlich deutlich. Gerade deswegen lassen Miller und Snyder auch Dilios die Geschichte erzählen, um ihr gezielt einen subjektiven Charakter zu verleihen. Die Geschichte von Frank Miller und der Film von Snyder wollen keine historischen Fakten präsentierten und kein Monumentalepos sein - sondern Unterhaltung. Von der viel gehörten Kritik, dass in 300 ständig halbnackte Menschen zu sehen ist, muss ich Abstand nehmen. Die Spartaner waren für ihre spärliche Kleidung bekannt, sicherlich hatte damals kaum einer einen gestählten Waschbrettbauch, aber das ist ja auch Eigenheit des Films. 300 erzählt eine ihm eigene Geschichte (aus der subjektiven Sicht Dilios' an seine Mit-Spartaner gerichtet) und ist für mich durch und durch Fantasy. Der Kampf des Guten gegen das Böse, versinnbildlicht durch körperliche Missbildungen oder Mutanten jeglicher Art. Dazu das ständige Harooh! der Spartaner, das für ihre Gemeinschaftlichkeit steht. Zugegeben, Dilios' (David Wenham) pathetische Lobhudeleien aus dem Off hätten weniger sein können, aber was solls. Die Kampfszenen selber sind ein Genuss für das Auge (ohne jetzt Gewalt zu verherrlichen), aber absolut wunderschön anzusehen und glänzend choreographiert.

Was man eben nicht darf, ist diesen Film politisieren. Xerxes und seine Perser haben in meinen Augen nichts mit 1. dem damaligen Xerxes per se und 2. mit den heutigen Persern, bzw. Iranern zu tun. Miller hat einfach eine Schlacht von vielen in der Antike ausgeschlachtet, aufgrund ihrer historischen Bedeutung und ihrem Beitrag zum Ruhm der Spartaner (welcher 100 Jahre später vorbei sein würde). Snyder will nichts anderes als unterhalten, dies tut er durch die Videoclip-Ästhetik, die Hack&Slay Gewalt, die Waschbrettbäuche und Titten. 300 ist ein durchgestyltes B-Movie auf höchstem Niveau in meinen Augen und ich hatte mich seit langem nicht mehr so köstlich amüsiert im Kino wie bei diesem Film. Dabei ist 300 an sich ist nicht vergleichbar mit Sin City oder jedem besserem Monumentalfilm wie Ben Hur. Für sich gesehen ist er aber nahezu perfekt und ein Meisterwerk. Snyder schafft es sogar filmische Anekdoten an Klassiker wie Gladiator oder The Fellowship of the Ring zu liefern, besonders in der golumschen Figur des Verräters Ephialtes. Der Film leidet aber darunter, dass er gute 20 Minuten zu lang ist und sich durch die Einschübe von Königin Gorgo nur hinauszögert, was aufgrund der historischen Fakten und im Vergleich zum Comic absolut unnütz für die eigentliche Handlung war.

8/10

1. April 2007

Impressum

Florian Lieb
E-Mail: TheRudi[at]gmail.com

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