29. April 2010

Ajami

إن شاء الله

Fremder im eigenen Land zu sein, ist eine Erfahrung, die man wohl niemandem wünscht. So wie es den Palästinensern in Israel ergeht, nachdem man ihnen vor 62 Jahren die Juden vor die Nase setzte. Der Nahost-Konflikt ist ein Reizthema der Weltpolitik, unabdingbar verbunden mit dem Holocaust und somit mit der Kneifzange anzufassen. Sicherlich verdienen die Juden eine eigene Nation, in der sie mal keiner verfolgt (eine traurige Konstante der Weltgeschichte). Sicherlich ist es aber auch nur bedingt rechtens, den Palästinensern dadurch quasi den Teppich unter den Füßen wegzuziehen. Eine Zwei-Staaten-Lösung - vermutlich das Beste für beide Völker - scheint auch heute kaum umsetzbar. Zu groß das Misstrauen, zu tief sitzt der Hass. Da stellen Filme wie Ajami einen Schritt in die richtige Richtung dar, behandelt Scandar Coptis und Yaron Shanis Film doch die problematische Beziehung beider Populationen, auch wenn sie keine Lösungsansätze präsentieren.

Am 13. Mai 1948 wurde Jaffa vom israelischen Militär annektiert, zwei Jähre später mit Tel Aviv vereint und ist seitdem lediglich ein Stadtteil. Jaffa selbst ist dabei über 5.500 Jahre alt und war vor 1948 nahezu vollständig Arabisch-Muslimisch. Mit der Annektion der Israelis sank die Gesamtbevölkerung um 70 Prozent, wohl auch, weil 95% der Araber flohen oder vertrieben wurden. Heute sind Jaffa und sein Straßenviertel Ajami ein Spiegelbild für Jerusalem und Israel selbst. 40.000 Menschen nennen Jaffa ihre Heimat, darunter 22.000 Juden und 18.000 Araber, von denen wiederum 6.000 dem christlichen Glauben folgen. Ein Schmelztiegel unterschiedlicher Religionen und Kulturen, der seine Opfer fordert - auch in den eigenen Reihen. Scandar Copti, arabischer Christ aus Ajami und Yaron Shani, jüdischer Israeli, der in Tel Aviv studiert hat, reflektieren nun in ihrem Film jene Konflikte offen und ungeblendet, auch wenn ihre Verbindung aller Episoden sehr konstruiert ist.

Sie erzählen vier Geschichten, deren Herzstück in Omar (Shahir Kabaha), einem arabischen Israeli auszumachen ist. Sein Onkel schoss einen kriminellen Beduinen an, weshalb dessen Stamm nun Omar und seine ganze Familie auslöschen will. Außer Omar kauft sich frei, doch fehlt ihm dazu das Geld. Dass er in Hadir (Ranin Karim), die arabisch-christliche Tochter seines Gönners Abu Elias (Youssef Sahwani) verliebt ist, bringt ihn auch nicht weiter. Geldprobleme hat auch Malek (Ibrahim Frege), der aus dem Palästinensergebiet stammt und schwarz im Restaurant von Abu Elias arbeitet. Seine Mutter braucht eine Knochenmarkstransplantation, die Maleks Familie jedoch nicht finanzieren kann. Omar und Maleks Freund Binj (Scandar Copti) muss sich wiederum mit seinem wegen Mordes an einem Juden flüchtigen Bruder und dessen Drogenerbe herumschlagen. Und auch der israelische Polizist Dando (Eran Naim) hat Brudersorgen, scheint sein jüngerer Bruder doch von Palästinensern ermordet.

Unterteilt in kleinere Kapitel mit unterschiedlicher Länge befassen sich die beiden Regisseure nun mit verschiedenen Episoden, beziehungsweise Blickwinkeln, auf dieselbe Situation. Wenn man so möchte, ließe sich das Ganze auch als israelische Antwort auf Crash sehen, mit einer ordentlichen Einstreuung von Cidade de Deus. So wird versucht, alle Figuren miteinander in Verbindung zu setzen, was dann letztlich zu einer unnötigen, da übertriebenen, Konstruiertheit führt. Der Episodenfilm ist ein schmaler Grat, an dem sich auch Experten wie Alejandro González Iñárritu mit Filmen wie Babel die Zähne ausgebissen haben. Hätten Copti und Shani darauf verzichtet, alles mit allem und jeden mit jedem zu verbinden, beziehungsweise im Ansatz Antworten auf Fragen zu liefern, derer es nicht zwingend einer Antwort bedarf, wäre Ajami eine ganze Ecke runder geworden. Ohnehin gereicht es dem Film nicht zum Vorteil, derart viele Handlungsstränge zu beginnen, ohne die Zeit zu haben, ihnen allen gebührend Aufmerksamkeit zu schenken.

So verliert sich Omars Geldproblem nach dem ersten Kapitel aus dem Auge. Noch drei Wochen hat er, um mehrere tausend Schekel aufzutreiben. Sonst ist er tot und auf lange Sicht auch seine Mutter, Schwester und Bruder. Wenn man Omar dann das nächste Mal sieht, sitzt er gemütlich bei Binj auf dem Sofa und erst später, als er auf Binjs Kokain stößt, wird sein Problem wieder etwas thematisiert. Allerdings ohne die nötige Ernsthaftigkeit, merkt man später schließlich zu keinem Zeitpunkt mehr, dass es für ihn um Leben und Tod geht. Auch die Tragödie rund um Binjs Bruder wirkt eher als Mittel zum Zweck, müssen die Auteure doch erklären, woher Binj nun ebenjene Drogen hat. Letztlich hätte es dem Film wohl besser zu Gesicht gestanden, wenn man sich auf eine einzelne Episode konzentriert hätte, oder wenn Omars Geschichte die Haupt- und Dandos Handlung den Nebenstrang ausgemacht hätte. Aber auch so gefällt Ajami über weite Strecken.

Die beiden Regisseure übervorteilen keine der Parteien. Hier bringen israelische Araber Juden um, weil die sich über den Lärm ihrer Schafe beschweren, verüben Juden Rache an Palästinensern, wegen verlorenen Familienmitgliedern, exekutieren Beduinen die Araber, weil die sich in ihre Angelegenheiten einmischen und kritisieren Araber ihresgleichen, weil sie Beziehungen zu Juden pflegen. Man erhält einen kritischen Blick auf alle Beteiligten, seien es Juden, Muslime oder Christen, Israelis, Araber oder Palästinenser. Copti und Shani ist mit Ajami ein bisweilen intensiver Film über drei Bevölkerungsgruppen gelungen, die einander misstrauen und sich schief beäugen. Es ist ein Film geworden, der keine Antworten liefert, der aber aufzuzeigen versucht, was falsch läuft. Oft ist von Ehre die Rede, mehr noch von Gott. „Inschallah“, heißt es oft. So Gott will. Eine Demutshaltung, die jedoch auch dazu dienen kann, eine klare Stellungnahme zu vermeiden. Ist Frieden möglich, zwischen den Völkern Israels? Inschallah. So Gott will.

6.5/10

26. April 2010

Kick-Ass

Okay, you cunts...let’s see what you can do!

Das britische Empire gibt es nicht mehr. Die einstige Großmacht, inzwischen - wenn man so will - durch die Vereinigten Staaten von Amerika abgelöst, verfügt zwar noch über ein großes Britannien und ein Commonwealth, aber so wie früher ist das alles nicht mehr. Man könnte jedoch sagen, dass in der Comic-Branche durchaus noch ein britisches Empire regiert. Bestimmten doch in den letzten Jahrzehnten Briten wie Alan Moore (Watchmen), Neil Gaiman (The Sandman), Garth Ennis (Preacher) oder Warren Ellis (Transmetropolitan) den Markt, während in Form von Andy Diggle (The Losers) oder Mark Millar (Wanted) andere Talente nachrückten. Jerry Siegel, Stan Lee und Frank Miller waren gestern. Heute inszenieren die Tommys die Comic-Landschaft Amerikas. Und das sehr erfolgreich. Über Umsetzungen ihrer Werke auf der Filmleinwand denken die Künstler sehr unterschiedlich. Ein Moore reagiert verärgert, ein Millar enthusiastisch.

Mark Millar gilt in Fan-Kreisen als Hollywood-Hure, da er bereitwillig seine eigenen Werke ausschlachtet, solange die Kasse und die entsprechende Anerkennung stimmt. Wie im Falle von Wanted, eine der unsäglichsten Comic-Verfilmungen, die man im letzten Jahrzehnt gesehen hat. Ähnlich scheint es nun mit seinem neuesten Werk Kick-Ass zu gehen, welches von Manchem als „Nerdcomic-Overkill“ eingeordnet wird, während sich die Masse in Buh-Rufer - ob der obszönen Sprache und Gewaltdarstellung - und Ja-Sager - wohl aus demselben Grund - einteilt. Im Vorfeld hoben die Beteiligten explizit hervor, dass niemand in Hollywood seine Finger auf das Material legen wollte. Zu viel Gewalt, zu viel Diskussionsstoff sei enthalten. Nun strahlen sie, die Messr. Mark Millar und Matthew Vaughn. Letzterer ist Drehbuch-Tippse und Regisseur des Filmes, in Deutschland hauptsächlich als Ehemann von Claudia Schiffer bekannt, der vom Gatten in dessem neuen Film auch gleich eine sekundenlange Hommage gewidmet wird.

Trotz all den Lobhudeleien startete Kick-Ass dann in den USA äußerst verhalten, wobei es sich hierbei auch um einen sogenannten „R“-Rated-Film handelt. Ein Minderheiten-Film, was man schlecht glauben will, wenn man sich all das überschwängliche Lob im Internet vor Augen führt. Was Millar dazu verleitet, Marvels Strategie, den Helden aus der zweiten Reihe - Thor und dergleichen - ein Filmabenteuer zu spendieren, als altbacken abzukanzeln. Kick-Ass gibt die Melodie vor, eine Comic-Verfilmung, die in Produktion ging, ehe das Comic fertig war. Weshalb sich Film und Comic auch unterscheiden, insofern, dass Vaughns Film weit weniger zynisch ist, als Millars Comic. Aber das kannte man bereits von Wanted. Das traditionelle Prozedere geht los, Kick-Ass endet auf einer Sequel-Note (herrlich dämlich von Austin Powers übernommen), könnte/dürfte sich aber so versanden wie Wanted 2 oder Sin City 2. Die groß angekündigten Nachfolger, die es bis heute nicht in das Stadium der Vorproduktion geschafft haben.

Kick-Ass nunmehr also ein „Nerdcomic-Overkill“, was man zwar nicht wirklich sagen kann, da dies wenn dann auf Scott Pilgrim vs. the World zutreffen könnte, ist Kick-Ass doch eigentlich reichlich profan. Eine trashigere Variante von Watchmen, angesiedelt in der Gegenwart. Normalos in Kostümen, nur eben das Ganze ohne Nuklearen Holocaust und Dr. Manhattan. Aaron Johnson spielt Tobey Maguire wie er Peter Parker spielt, nur dass Peter Parker hier Dave Lizewski heißt. Ein schlaksiger Nerd, dessen einzige Superkraft nach eigener Aussage darin besteht, unsichtbar für Frauen zu sein. Und weil Dave ein Nerd ist, liebt Dave Comics. Weshalb er sich fragt, warum es eigentlich niemanden gibt, der sich als Superheld versucht. Was dazu führt, dass er sich einen Tauchanzug ordert, um selbst einer zu sein. Es folgt ein Unfall, eine körperliche Beeinträchtigung (oder Verbesserung, je nach Blickwinkel) und eine neue Prämisse, die dem Film dann anschließend abhanden kommt. Die versuchte Geschichte in Kick-Ass ist vorbei, ehe sie losgeht.

Eine „Rettungsaktion“ führt zu einem YouTube-Video, dies wiederum zu einer Nachrichtenmeldung, resultierend in einer MySpace-Seite (man mag sich fragen, warum Dave nicht das in den USA weit verbreitetere Facebook nutzt). Der nächste Auftrag ist so herrlich dämlich in filmische Form verpackt, dass ein von Millar zu Grunde liegender Zynismus total abhanden kommt. Unwissentlich macht Dave a.k.a. Kick-Ass mit dem Ex-Freund seines High-School-Schwarmes (Lyndsy Fonseca) Schluss: einem Drogen dealenden Afroamerikaner um die 30. Die Situation wird durch das Auftreten von Hit Girl (Chloë Moretz) und ihrem Vater Big Daddy (Nicolas Cage) deeskaliert. Was den Ärger von Drogen-Boss Frank D’Amico (Mark Strong) auf sich zieht, der Kick-Ass für den Verursacher hält. Um sich die Sympathien des Vaters zu sichern, initiiert Chris D’Amico (Christopher Mintz-Plasse) das Superhelden-Alter-Ego Red Mist und nimmt Kontakt mit Kick-Ass auf. Fortan springt Vaughn willkürlich zwischen den Handlungssträngen.

Das große Problem von Kick-Ass ist, das er nichts zu erzählen hat. Vaughn verfügt über einzelne Szenen, die mal mehr und mal weniger unterhalten. Manche betreffen Big Daddy und Hit Girl, andere die D’Amicos. Vaughn versucht, sie zu einer stringenten Handlung zusammenzuschnüren, scheitert jedoch grandios. Der Film beginnt mit einer reichlich langen Exposition, der jegliche Grundlage fehlt. In einer Einstellung stirbt Daves Mutter am Frühstückstisch. Wieso? Ist das erheblich für den Film? Nach seiner Superhelden-Frage wird er auf einem Parkplatz ausgeraubt. Später führt ihn seine erste Kick-Ass-Mission auf denselben Parkplatz, zu denselben Typen. Sie möbeln Dave auf, schlagen ihn Krankenhausreif. Anschließend werden sie ignoriert. Kick-Ass verfolgt sie nicht, die Polizei anscheinend auch nicht. Dabei wäre der erste Ansatzpunkt, auf jenem Parkplatz nachzusehen, auf dem sie sich anscheinend immer herumtreiben. Vaughn arbeitet die „Origin“-Story des Helden ab und wechselt die Szenerie.

Hier sind Big Daddy und Hit Girl. Zwei Figuren mit Potential, allerdings nimmt sich der Film keine Zeit für sie, sondern lässt sie vorerst zu kurzen Randerscheinungen verkommen. Als Vaughn ihnen mehr Aufmerksamkeit schenkt, integriert er eine vollkommen unerhebliche - und zudem grauenhaft klischeebehaftete und uninspirierte - „Origin“-Story, die liebevoller Weise im Comic-Stil erzählt wird. Jetzt kennt man die Vorgeschichte, die einem eigentlich absolut egal war. Vaughn setzt ein Häkchen und wechselt die Szenerie. Man lernt die D’Amicos kennen, die eigentlich nur aus Frank und Chris bestehen, verschwindet die Mutter doch irgendwann und taucht anschließend auch nicht mehr auf. Christopher Mintz-Plasse erhält eine ambivalente Figur, derer man sich widmen könnte oder gar müsste, was Vaughn sich allerdings erspart. Sein Chris D’Amico ist ein Nerd. Und weil Chris ein Nerd ist, liebt er Comics. Es gibt eine wunderbare Szene, in der Dave im Comic-Laden auf den einsamen Chris zugeht, dann aber von dessen bulligem Bodyguard abgewiesen wird. Chris ist einsam. Chris sucht Freunde.

Dann die Kehrtwende. Chris sitzt in Franks Büro mit dessen Wumme und spielt Gangster-Boss. Später biedert er sich seinem Vater als Spitzel an (die Beziehung der Beiden wirkt so unnatürlich, dass man eigentlich erwartet, dass Frank lediglich Chris’ Stiefvater ist). Später thematisiert Vaughn nochmals die Ambivalenz des Jugendlichen, allerdings nur für einen Bruchteil, um sie dann erneut zu negieren. Kick-Ass ist zu diesem Zeitpunkt bereits eine lose Aneinanderreihung von Bildern ohne wirklichen Zusammenhang, die jederzeit enden oder auch unendlich weiterlaufen könnte. Irgendwo dazwischen glaubt Daves Schwarm dann noch, dass er schwul sei, adoptiert ihn urplötzlich als besten Freund - alle Frauen sehnen sich scheinbar nach einem schwulen besten Freund - und die absurde Situation bildet den Aufhänger für einige weitere Szenen, die in jenes Potpourrie geschmissen werden, das Vaughn inzwischen angesammelt hat.

Nun muss nicht jeder Film eine Geschichte erzählen, man kann wie Michael Bay ganz darauf verzichten oder wie James Cameron einfach eine bereits bekannte und etablierte nahezu identisch übernehmen. Was man Kick-Ass vorwerfen kann, ist, dass er so tut, als ob er eine Geschichte erzähle, dies in Wahrheit jedoch nicht der Fall ist. Der Film ist so belanglos für den Zuschauer, dass man ihn getrost auch „Lame-Ass“ nennen könnte. Die einzige Konstante ist der vorherrschende Gewaltpegel, der die in Ansätzen vorhandenen Obszönitäten - die im Vergleich zu jedem Film eines Kevin Smith und Judd Apatow nicht mal eine Erwähnung wert sein dürften - deutlich in den Schatten stellt. Und auch die Gewalt ist im Grunde keiner Diskussion wert. Hier knallen Teenies von Hausdächern auf Autos, landen Gangster in Autopressen und Riesenmikrowellen. Dazwischen wird speziell Hit Girl als kleinwüchsiger Wesley-Gibson-Verschnitt durch die Hausflure gejagt, was cool sein soll, es aber auch durch die musikalische Untermalung nur selten ist.

Und wo es gerade zur Sprache kommt, hier und da war man sich einig, dass Vaughns Kompilationstalent was die Musik für den Film angeht, an Tarantino herankommt. Was dieser als schallende Ohrfeige empfinden darf, versprühen Gnarls Barkley und Co. selten etwas von dem kongenialen Einsatz, wie ihn QT pflegt. Die Musik ist charmant, durchaus, aber mehr auch nicht. Keines der Lieder bleibt einem im Ohr hängen wie „Little Green Bag“ oder „Stuck in the Middle With You“. Grundsätzlich gehört Kick-Ass in seiner Gesamtheit wie auch schon andere Filme vor ihm - man denke an Zombieland -, in die Sparte „Don’t believe the hype“. Nicht mal die allseits gelobte Moretz will wirklich gefallen, sodass der Film eigentlich nahezu vollständig auf den Schultern von Mark Strong lastet (dessen Bösewicht-Typisierung inzwischen auch langweilig wird). Wo Chloë Moretz und Aaron Johnson bisweilen mit der Situation überfordert scheinen, sind Nic Cage und Christopher Mintz-Plasse brillant fehlbesetzt.

Es gibt Regisseure, die starten mit einem bescheidenem Debüt. Darunter fallen Darren Aronofsky und Wes Anderson, die sich anschließend stetig steigerten. Konträr dazu gibt es auch Kollegen, die stark beginnen und dann merklich abbauen. Wie Guy Ritchie oder nun auch Matthew Vaughn. Zeugte dessen Layer Cake noch von einer mitunter beeindruckenden Brillanz, verkam sein Nachfolger Stardust bereits zum müden Aufguss. Mit Kick-Ass ist Mr. Schiffer nun an seinem bisherigen Tiefpunkt angelangt, was Böses für den weiteren Verlauf seiner Karriere ahnen lässt. Dass ein Film, der sich damit preist, anders zu sein und anzuecken, dennoch nicht die zynische Konsequenz der Vorlage vollends durchhalten kann und stattdessen die Hollywood-Marschroute wählt, sollte Zeugnis seines heuchlerischen Charakters sein. Was am Ende bleibt, ist die Erkenntnis, dass es das britische Empire scheinbar wirklich nur noch in der Comic-Szene zu geben scheint.

5.5/10

24. April 2010

Sin Nombre

Not in God’s hand, perhaps in the Devil’s.

Die USA sind ein Einwandererland – oder waren es mal. Inzwischen ist man weit weniger bereit, all die müden, armen und sich zusammendrängenden Massen, die sich nach Freiheit und den American Dream sehnen, aufzunehmen. Was diese nicht daran hindert, dennoch jedes Jahr in müden und armen Massen ihren Weg über die Grenze zu schlagen. Zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts suchten jährlich über 800.000 Menschen als illegale Einwanderer ihr Heil in Amerika. Gegen Ende des Jahrzehnts ging die Zahl schließlich auf eine halbe Millionen zurück. Der Großteil stammt aus Mexiko (56 Prozent) und Lateinamerika (22 Prozent). Vergangenes Jahr widmeten sich gleich zwei Regisseure der oft tödlich endenden Reise in Richtung der USA. Während Rebecca Cammisas Dokumentation Which Way Home im Februar für einen Academy Award nominiert war, fand Cary Fukunagas Debütfilm Sin Nombre dagegen lediglich Anklang bei einigen Kritikern.

Der US-Regisseur Fukunaga, selbst Einwandererkind – der Vater ist Japaner, die Mutter Schwedin – verwebt in Sin Nombre gekonnt zwei Handlungsstränge miteinander, die sich in ihrem Ursprung diametral gegenüberstehen. Auf der einen Seite begleitet er die honduranische Jugendliche Sayra (Paulina Gaitán) sowie ihren Vater und Onkel auf ihrer Reise nach New Jersey. Zu Fuß und ab Mexiko dann auf dem Rücken von Zügen soll sich ihr Traum von der US-Ostküste erfüllen. Auf der anderen Seite rückt Fukunaga die mexikanische Gang La Mara Salvatrucha ins Zentrum. Die Maras finden ihren Ursprung in Los Angeles, von wo aus sie anschließend ihre Wurzeln gen Zentral- und Lateinamerika schlugen. Hier steht Willy (Édgar Flores), Gangname “El Casper”, im Fokus. Seine Beziehung zu seiner Freundin Martha Marlen (Diana Garcia) wird nicht nur ihr Schicksal, sondern auch das von Sayra und den Maras verändern.

So sehr sein Film sich auch mit der beschwerlichen Reise der Immigranten beschäftigt – sie versammeln sich zu Hunderten auf den Bahnhofgleisen und warten darauf, dass der Zug einfährt –, sorgt in Fukunagas Geschichte doch das Gangszenario für die Musik. Es ist eine Milieustudie, wenn Fukunaga zu Beginn den kindlichen Smiley (Kristyan Ferrer) in die Initiationsriten schubst. Zuerst gilt es, 13 Sekunden cortés (dt. Höflichkeiten) auszutauschen, wenn die Gangmitglieder auf Smiley von allen Seiten eintreten. Dieselbe Strafe muss er wenige Tage später erneut einstecken, als er und Casper sich weigern, Lil’ Mago (Tenoch Huerta) von Caspers Beziehung zu erzählen. So sehr Smiley zu den Maras dazugehören will, so sehr scheint Casper inzwischen aus seiner Umgebung herausgewachsen. Nur widerwillig tritt er auf seinen Protege ein, eher ungewollt hilft er diesem dabei, seinen ersten Mord zu begehen. Schon bald darauf steht Casper dann am Scheideweg.

Am Ende des ersten Aktes kreuzen sich beide Handlungsstränge, wenn Casper, Smiley und Lil’ Mago die Reisenden auf den Dächern des Zuges ausrauben – darunter Sayras Familie. Als Sayra droht, von Lil’ Mago vergewaltigt zu werden, ergreift Casper die Initiative und tötet seinen Boss. Er schickt Smiley vom Zug, wohl wissend, sich die Rache der Maras und deren Boss El Sol (Luis Fernando Peña) aufzubürden. “I’m a dead man”, erklärt er Sayra später, die ihn im Gegensatz zu den anderen Passagieren nicht skeptisch beäugt. Sie sieht in Casper, der nun wieder zu Willy wird, ihren Beschützer und entwickelt Gefühle für ihn. Eine Bindung, die diesem ausgesprochen unwohl ist. “I fucked up my life already and now I’m afraid I fucked up yours, too”, sieht er Sayra in Gefahr, wenn sie sich an seine Seite stellt. Derweil wird Smiley bei seiner Rückkehr von El Sol damit beauftragt, selbst für die Exekution von Casper zu sorgen, will er ein Mara bleiben.

Die Reise der Immigranten spielt zu diesem Zeitpunkt nur noch eine untergeordnete Rolle. Fukunaga, der zwei Jahre lang recherchiert hat und selbst mit Immigranten auf Zügen gefahren ist, präsentiert dennoch bleibende Eindrücke. Von der Zuggesellschaft, die sich der schwarzen Passagiere bewusst ist und sie einfach akzeptiert. Von „Haltestellen“, an denen sich die Reisenden auffrischen können. Einmal zeigt der Amerikaner eine Gruppe von Kindern, die den Immigranten Obst zuwerfen, einige Szenen später sind es dagegen Steine, die aus den Händen der Jugendlichen fliegen. “You have to see it as an adventure”, erklärt Sayra ihr Vater, der sie einst verlassen und in den USA eine neue Familie gegründet hat, zu Beginn. Aber Abenteuer sind selten ungefährlich und sie werden auch bei Sayras Familie ihren Tribut einfordern. Waren die Zugdächer zu Beginn des zweiten Aktes noch voll, findet sich am Filmende kaum noch wer auf ihnen.

Leider stellt Fukunaga seine Figuren hinter die Geschichte zurück. So bleiben sie meist eindimensionale Schachfiguren in einem Spiel, das sie nicht beeinflussen können. Caspers Wandel scheint durch Martha Marlen beeinflusst, was angesichts seiner Vergangenheit aber ungenügend wirkt. Genauso wie nicht vollends klar wird, wieso Sayra unbedingt die riskante Reise auf sich nehmen muss, zeigt doch eine der geschnittenen Szenen, dass sie es so schlecht in Honduras gar nicht getroffen hat. Die Charaktere bleiben also primär Mittel zum Zweck, Martha Marlen lediglich Auslöser für Caspers endgültige Wandlung, Smiley als Protege und Freund, der letztlich die Loyalität zur Gruppe wählt und das hilflose Mädchen, das es zu beschützen gilt. Ein einfaches Schema, das aber durch Fukunagas intensive Recherche und die daraus folgende Kulisse auf dem Rücken eines Zuges dem Film seine ihm innewohnende Kraft und Eindringlichkeit schenkt.

Speziell Flores gefällt als schwermütiger Außenseiter, der zwar keine Angst vor dem Tod hat, aber davor, nicht zu wissen wann und wo dieser eintritt. Gaitán wiederum ist die gute Seele des Films, die ihrem Vater zuliebe nach Amerika geht und schließlich auch Caspers Güte erkennt. Beide zusammen stellen ein gefälliges Paar dar, stets eingebettet von Adriano Goldmans wunderschönen Bildern, die entgegen dem aktuellen Trend klassisch auf 35 mm gedreht wurden. Wie gekonnt Cary Fukunaga die beiden Handlungsstränge miteinander verwebt und sie schließlich in ständiger Fortbewegung der Kulisse gelungen zu einem Ende bringt, zeugt von Talent. Es wundert daher nicht, dass er mit der Adaption von Charlotte Brontës Jane Eyre den Sprung nach Hollywood geschafft hat. Mit Sin Nombre ist ihm ein beeindruckendes Debüt auf visueller wie narrativer Ebene gelungen.

9/10

21. April 2010

American Pie

This one time, at band camp…

Sex, Sex, Sex. Das Einzige, was für Jugendliche zählt, ist Sex. Oder sagen wir: das Einzige, was für männliche Jugendliche zählt, ist Sex. Da langt es nicht nur zu Küssen, da rutscht die Hand dann auch irgendwann unters T-Shirt. Wer will denn auch ewig auf der „second base“ verharren, wie es Kevin (Thomas Ian Nicholas) so treffend ausdrückt. Wenn die Hormone erstmal loskicken, fokussiert sich die ganze Pubertät nur auf die klimatische Mannwerdung des ersten Mals. Wer hat zuerst Haare am Sack, wer hat zuerst ein Mädchen geküsst, sie nackt gesehen und letztlich mit ihr Sex gehabt. Erster, Schnellster, Bester. Männer sind im Grunde so einfach gestrickt - machen wir uns nichts vor. Und wenn man nur nach dem Sex ein Mann ist und nur Männer aufs College gehen, dann folgt daraus im Umkehrschluss, dass man am Ende seiner High School Zeit … Sex gehabt haben sollte. Bedenkt man, dass der Durchschnittsjugendliche laut Studien sein erstes Mal mit 16 oder 17 Jahren erlebt, müsste das also drin sein. Auch, wenn man nur noch drei Wochen Zeit hat.

Mit American Pie begründeten die Gebrüder Weitz Ende der neunziger Jahre nicht nur eine sehr erfolgreiche Komödien-Serie, sondern auch - ob man will oder nicht - einen Klassiker des High-School-Genres. Die Regiekarriere der beiden Brüder wurde hiermit losgetreten, Schauspieler wie Seann William Scott, Shannon Elizabeth, Mena Suvari, Tara Reid oder Chris Klein starteten anschließend in Hollywood durch. Auch wenn abgesehen vom Stiffmeister niemand lange durchgehalten hat. Hauptdarsteller Jason Biggs ging, wie es Jay in Jay and Silent Bob Strike Back so treffend ausdrückte, als „Pie-fucker“ in die Annalen der Kinogeschichte ein. Fast noch besser als einen Apfelkuchen-fickenden Jim ist jedoch dessen Reaktion als er die Analogie der Penetration einer Vagina mit der heißen Backware hört: „McDonald’s or home-made?“ Ohnehin beherbergt American Pie ein Sammelsurium an knackigen Einzeilern und trug letztlich sogar dazu bei, dass die Abkürzung MILF heutzutage Gang und Gebe geworden ist. Auch wenn es eine übertrieben infantile Komödie ist, die sich im Vergleich zu früheren High-School-Komödien mehr als alles andere auf den sexuellen Aspekt konzentriert, hat American Pie dennoch seinen Platz im Genre gefunden.

Dass der Sherminator (Chris Owen) vor ihnen zum Schuss kam, passt Jim (Jason Biggs), Kevin, Oz (Chris Klein) und Finch (Eddie Kaye Thomas) gar nicht in den Kram. Schließlich sind sie alle noch Jungfrauen und ihr letztes Schuljahr keine drei Wochen mehr alt. Es wird also ein Pakt geschlossen. Ein Sex-Pakt, um genau zu sein. Während Finch in die Vollen geht und sich über Gerüchte als Hengst aufspielt, versuchen die anderen Drei bei ganz gezielten Frauen Punkte zu sammeln. Kevin hätte es eigentlich am Leichtesten, ist er doch immerhin schon eine Weile mit Vicky (Tara Reid) zusammen. Doch bevor die ihn ranlässt, will sie erst einmal das L-Wort hören. Jim hingegen versucht bei der Austauschschülerin Nadia (Shannon Elizabeth) zu landen, was weitaus erfolgloser verläuft, als Oz’ durchdachte Angehensweise bezüglich der Chorsängerin Heather (Mena Suvari). Dabei sollten alle Jungs immer im Hinterkopf behalten: „You don’t score until you score.” Wie es sich für eine High-School-Komödie gehört, fließt bei all dem Sex auch etwas coming of age ein. Bei manchen … ach, eigentlich allen weniger, bei Oz als Einzigem dafür mehr. Zwar „scoren“ zum Schluss auch Finch und Jim, doch von allen Figuren hat eigentlich nur der Lacrosse-Spieler wirklich eine Katharsis durchlebt.

So weit her auch das Ficken eines Apfelkuchens sein mag, viele andere Facetten des Filmes dürften Manche noch aus ihrer eigenen Jugend wiedererkennen. Beispielsweise das Anschauen eines zensierten Pornokanals, wie man es seiner Zeit bei Premiere miterleben konnte. Hier und da mal eine Brust auszumachen, da liegt das wahre Talent des notgeilen Teenagers. Dabei ist Jim im Grunde eine reichlich enttäuschende Figur, mit der man nicht wirklich Sympathie empfinden will. Dies trifft jedoch auf die meisten Jungs der Clique zu, insbesondere auch auf Finch, der reichlich überflüssig ist. Seine einzige Daseinsberechtigung hat er in seinem Clinch mit Steve Stifler (Seann William Scott), sodass sein Beischlaf mit dessen Mutter in den folgenden beiden Fortsetzungen zum Running Gag wurde. Auch Kevins und Vickys Beziehung wird reichlich pomadig präsentiert und vermag nicht mit der Romanze zwischen Oz und Heather mitzuhalten. Es ist die Geschichte der Beiden, derer sich die Gebrüder Weitz mit etwas Tiefgründigkeit widmen. Selbst wenn Klein hier schwächer auftritt als noch zuvor in Election ist es seine Figur, bzw. deren Entwicklung, die American Pie reifer erscheinen lässt als er allein durch seine Sperma-Jokes sonst wäre.

Neben dem Kuchenfick von Biggs ist am Eindringlichsten wohl Nadias Striptease im Gedächtnis der Popkultur haften geblieben. „God bless the Internet“ erscheint da in der Tat der richtige Ausspruch zu sein, wenn sich Kevin, Jim, Finch und schließlich die ganze Schule pornographisches Material über ihren Computer ansehen. Im Vergleich zu den übrigen Damen ist Elizabeth die Einzige, die sich freizügig gibt und für die obligatorische nackte Haut in der High-School-Komödie sorgt, wie man es aus einigen Genrekollegen der Achtziger bereits kannte. Summa summarum ist American Pie folglich durchaus ein Kultfilm, zumindest für die Generation, die ihn miterlebt hat. Die Erfolgsformel der High-School-Komödie greift auch hier, wenn sich viele bekannte Gesichter in ihren Zwanzigern bemühten, nochmals die Schulbank zu drücken. Die fehlende charakterliche Entwicklung bei den übrigen Figuren, sowie ein überbordender Fäkalhumor (Sperma im Bier, Dünnschiss in der Schule) verkommen dann zwar zu merklichen Störfaktoren, trüben jedoch das generell positive Bild dieser oftmals sehr charmanten, zeitgenössischen Teenie-Komödie wenig.

7/10

18. April 2010

A Single Man

Experience is not what happens to a man,
it’s what a man does with what happens to him.


Die Kamera fängt einen Mann unter Wasser ein, der sich windet und kämpft. Er will an die Oberfläche, kann dorthin jedoch nicht gelangen. Er sinkt und sinkt, die Luft zum Atmen geht ihm aus. Dieser Mann ist George Falconer (Colin Firth), ein Literaturprofessor aus Los Angeles, der einst aus England in die Vereinigten Staaten kam. Der Mann unter Wasser ist eine Versinnbildlichung von Georges Schicksal. Eine Zusammenführung seiner letzten acht Monate, in denen George sank und ihm die Luft auszugehen drohte. Sein Lebensabschnittspartner Jim (Matthew Goode) verstarb vor acht Monaten bei einem Autounfall. Sechzehn Jahre waren der über fünfzig Jahre alte George und der jüngere Jim zusammen. In einer schwülen Nacht, ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkrieges, lernten sie sich kennen. Seit Jims Tod sinkt George hinab in die Tiefe. Am 30. November 1962 soll dem adretten Professor schließlich die Luft ausgehen.

Mode-Designer Tom Ford adaptierte Christopher Isherwoods Roman A Single Man von 1964, welcher sich mit dem letzten Tag im Leben des homosexuellen Professors George befasst. George ist ein lebloser Mann, müde und erschöpft. “It takes time in the morning for me to become George”, erzählt die Figur zu Beginn. “Time to adjust what is expected of George and how he has to behave.” George spielt ein Spiel. Nicht für sich, sondern für seine Umwelt. Eine Maske, hinter die nur wenige Menschen, wie seine alte Freundin Charley (Julianne Moore) oder die Nachbarn von gegenüber blicken. “By the time I have dressed and put the final layer of polish on the now slightly stiff but quite perfect George, I know fully what part I’m supposed to play”. George ist in gewissem Sinne dem Comic-Helden Superman nicht unähnlich. Er kleidet sich an, er kämmt sich das Haar, er zieht sich die Brille auf. Er ist Clark Kent. Er ist unsichtbar.

Isherwood war selbst Dozent. Eines Tages fragte er einen Freund, wie viele seiner Kollegen wüssten, dass Isherwood schwul sei? Alle, so die Antwort. In A Single Man wird nicht klar, ob Georges Mitarbeiter von seiner Homosexualität wissen. Er spricht mit seinem Kollegen Grant (Lee Pace), während er die nackten Oberkörper zweier Tennisspieler betrachtet. Er komplimentiert seine Sekretärin bezüglich ihres Aussehens. Später spricht er in seiner Vorlesung von Minderheiten. Und von der Angst der Mehrheit. “Fear after all is our real enemy”, sagt er. “And if the minority is somehow invisible than the fear is even greater.” Bis zur Schwulenrevolution und den Stonewall-Unruhen 1969 würde es noch sieben Jahre dauern. Noch ist es riskant, sich offen als homosexuell zu outen. Bisweilen auch heute noch. George setzt eine Maske auf. Er weiß, was von ihm erwartet wird. Er spielt das Spiel mit. Zumindest noch an diesem 30. November.

Der Verlust von Jim nagt an George und zieht ihn hinunter in die Tiefen des Wassers, raubt ihm den Atem. “Looking in the mirror staring back at me isn’t so much a face as the expression of a predicament”, heißt es zu Beginn. Ein doppeldeutiger Ausspruch, bezieht er sich zugleich auf Georges Homosexualität als auch seine Depression. “Just get through the goddamn day”, lautet daher sein Mantra. Die Prämisse der Geschichte scheint Shakespeare entlehnt. “Once more unto the Breach, Deare friends, once more.” Es soll sein letzter Tag werden. Er löst seine Konten auf, versieht die Haushälterin mit einer ordentlichen Abfindung, legt sich den Anzug raus, in dem er beerdigt werden möchte. Der 30. November soll zu einer Abschiedstour werden. Zu seiner Abschiedstour. “If it’s going to be a world with no time for sentiment it’s not a world that I want to live in”, entgegnete George gegenüber Grant zuvor in ihrem Gespräch.

Ford fängt diesen vermeintlich letzten Tag von George visuell besonders ein. Stets ist Firths Gesicht blass, fast grau. Leblos. Was man speziell in der Szene merkt, in der George mit Kenny (Nicholas Hoult), einem Schönling seiner Vorlesung, redet. Blondes Haar, pinkfarbene Lippen, voller Leben. Die Schnitte zwischen Kenny und George lassen Letzteren fast schon wie eine Leiche erscheinen. Doch Georges letzter Tag verläuft anders als dieser denkt. Kenny geht auf ihn zu, öffnet sich ihm, bietet ihm seine Freundschaft an. Ein gut aussehender Madrilene, Carlos (Jon Kortajarena), flirtet ganz ungezwungen mit George und macht ihm sexuelle Avancen. Das losgelöste Abendessen mit seiner Jugendfreundin Charley bringt freudige nostalgische Erinnerungen mit sich (“Living in the past is my future”, gesteht diese). Und jedes Mal, wenn George auf eine andere Person trifft, blüht er auf, gewinnt sein Gesicht an Farbe.

Man merkt Tom Ford an, dass es sich hier um seinen Debütfilm handelt. Die Regie ist in A Single Man zwar noch das Schlechteste, aber deswegen keineswegs schlecht. Einige Einstellungen und Entscheidungen verraten, dass Ford noch nicht ganz Zuhause in dieser neuen Welt zu sein scheint. Dafür zeichnet er sich in anderer Hinsicht aus, vom Drehbuch über das Schauspielensemble bis hin – natürlich – zu den Kostümen. Georges Anzug ist ein modischer Traum, sowohl der, den er trägt, wie auch der, den er für seine Beerdigung herauslegt. Natürlich stammen sie von Ford selbst, wie auch der restliche Look des Filmes seinen Stempel trägt. Zudem zeigt A Single Man, dass sich Ford mit dem Thema verbunden fühlt, was sich schließlich auch dadurch ausdrückt, dass der eigentlich Nachnamenlose Protagonist mit „Falconer“ den Namen von Fords erstem Liebhaber erhält.

Schaut man sich die Vita von Firth an, so gibt er selten den Hauptdarsteller. Am bekanntesten ist er vermutlich für seine Rolle in den Bridget Jones-Filmen, mit A Single Man wurde er im März nun durch die Academy in sein verdientes Rampenlicht gerückt. Es ist sein Film, wie auch Crazy Heart Jeff Bridges gehörte. Mit seiner warmen Verletztheit spielt Firth die Rolle seines Lebens. An seiner Seite glänzt die wie immer überzeugende Moore, deren Leistung der Academy dieses Jahr nicht einmal eine Würdigung wert war. Wie Moore bei den Oscars erwähnte, lernten sie und Firth sich erst am Filmset kennen, portraitieren ihre Jahrzehntelange Freundschaft aber mehr als glaubwürdig. Lob verdienen sich auch Hoult und Goode. Letzterer besonders durch die glaubhafte und romantische Beziehung, die Ford ihn in Rückblenden mit Firths Charakter erleben lässt. Dennoch ist A Single Man kein Film der Darsteller.

Ford und David Scearce adaptierten gemeinsam Isherwoods Roman in ein beeindruckendes Drehbuch, dessen Zeilen oftmals wie Poesie anmuten. Hier ist kein Wort zuviel gewählt, stattdessen hat jede Silbe eine Funktion. Hinzu kommen teilweise wunderbar subtile philosophische Einstreuungen und Reflektionen über das Leben (“If one is not enjoying one’s present, there isn’t a great deal to suggest that the future should be any better”). Lediglich den Schlusssatz hätte Ford sich vielleicht sparen können, doch trübt dies die Schönheit des Drehbuches nicht. Ausgesprochen nett ist auch die Musik geraten, die bisweilen an Clint Mantsells Komposition zu The Fountain erinnert. Insgesamt betrachtet ist A Single Man ein Film, der wenig falsch macht, lediglich in seinen letzten Minuten etwas Zeit für die Aufarbeitung vermissen lässt, ansonsten jedoch fraglos zu den gelungensten und anmutigsten Filmen dieses Jahres gezählt werden kann.

8.5/10

15. April 2010

Män som hatar kvinnor

Read it and weep, Kalle Blomkvist…

Man sollte sich nichts vormachen. Kann etwas, das Begeisterungsstürme in mehreren Ländern gleichzeitig auslöst, wirklich von qualitativer Sonderklasse sein? Sind die Menschen dafür bekannt, unisono etwas, das tatsächlich „sehr gut“ ist, anzuerkennen? Sicher, Harry Potter ist eine bewundernswerte Reihe über Phantasie, die Tausende Kinder (wieder) zum Lesen animierte. Aber aus literarischer Sicht merkt man eben doch, dass es von einer arbeitslosen Hausfrau geschrieben wurde. Auch Dan Browns Bestseller The Da Vinci Code liest sich wie die Arbeit eines Stümpers, was nichts damit zu tun hat, dass weltweit 80 Millionen Kopien von dem Roman verkauft werden konnten. Soweit ist es mit Stieg Larssons Millennium-Trilogie dann noch nicht, die als Paket lediglich auf 21 Millionen verkaufte Exemplare kommt. Aber deshalb nicht minder euphorisch von der Masse aufgenommen wurde. Man sollte sich aber nichts vormachen. Auch Larssons Schreibstil ist rudimentär und ausgesprochen simpel in seiner Semantik gehalten.

Wohl die einfachste Möglichkeit, möglichst viele Menschen anzusprechen. Wer will sich auch durch kafkaeske Sätze quälen, wenn es locker flockig aus der Hüfte kommt? Eine derartig erfolgreiche Reihe verlangt dann natürlich nach filmischer Umsetzung. Und eine europäische filmische Umsetzung - speziell aus Schweden, so scheint es in den letzten beiden Jahren - schreit nach einem amerikanischen Remake. Kaum erschien Män som hatar kvinnor, der in Deutschland Verblendung und im Englischsprachigen Raum The Girl with the Dragon Tattoo (zwei gänzlich dämliche Titel, von denen einen bescheuerter ist als der andere) heißt, im vergangenen Monat nun also in Großbritannien und den USA, folgten bereits die ersten Meldungen über ein geplantes Remake. Namen wie David Fincher, der zuletzt einen Film mit Pop-Star Justin Timberlake gedreht hat, machten die Runde. Schweden ist en vogue in Hollywood, wo Matt Reeves, Inszenator von Cloverfield, mit Let Me In gerade das Remake zu Låt den rätte komma in beendet hat.

Die Geschichte von Män som hatar kvinnor ist dabei trotz ihrer fast 700 Seiten relativ simpel. Mikael Blomkvist (Michael Nyqvist) ist Journalist für das Blatt „Millennium“ und damit eine Art Alter Ego von Stieg Larsson selbst. Als er wegen Verleumdung zu drei Monaten Haft verurteilt wird, weil er (scheinbar) fälschlicherweise dem Industriellen Wennerström Waffenhandel unterstellte, verbringt er das letzte halbe Jahr vor Haftantritt damit, einem anderen Industriellen, Henrik Vanger (Sven-Bertil Taube), bei dessen inzwischen vierzigjähriger Recherche bezüglich des Schicksals seiner verschwundenen Nichte Harriet (Ewa Fröling) zu unterstützen. Hilfe erfährt Blomkvist, Spitzname „Kalle Blomkvist“, dabei von der misshandelten Hackerin Lisbeth Salander (Noomi Rapace), die wiederum ursprünglich von Vanger engagiert wurde, um herauszufinden, ob Blomkvist zu Recht gegen Wennerström ermittelt hatte. Vangers einziger Hinweis an den Enthüllungsjournalisten: Die Ursache für Harriets Verschwinden findet sich wohl in der Familie.

Ein Mann, eine Frau. Filme sind auch nur Menschen - oder so ähnlich -, weshalb der Blomkvist und die Salander dann auch ziemlich schnell Körperflüssigkeiten austauschen. Ein Aspekt, der wohl wie Salanders eigener Handlungsstrang um ihren juristischen Vormund, den perversen Anwalt Bjurman (Peter Andersson), und ihre in zaghaften Rückblenden angedeutete schwere Kindheit Kostproben für die kommenden Teile Flickan som lekte med elden (a.k.a. Verdammnis/The Girl Who Played with Fire) und Luftslottet som sprängdes (a.k.a. Vergebung/The Girl Who Kicked the Hornest’s Nest) darstellen. Für Niels Arden Oplevs Verfilmung des ersten Teiles als Stand-Alone wirken Salanders Abenteuer jedoch nur bedingt interessant und fallen letztlich denselben Problemen zum Opfer, die der Film in seinem vierten Akt entwickelt. Bis dahin und somit im Rahmen seiner eigentlichen Geschichte und derer drei Akte, ist Män som hatar kvinnor durchaus ein spannender europäischer Thriller und dies trotz seiner konstruierten Handlung.

Natürlich muss Blomkvist in wenigen Tagen schaffen, was der Polizei in vier Jahrzehnten nicht gelang. Ein narratives Element, das genauso verzeihlich ist, wie die fehlende Erklärung für Salanders Interesse an Blomkvist. Letzteres vielleicht auch nur ebenso Material für die kommenden Filme, aber wie bereits angesprochen ein Makel für die hier alleinstehende Handlung. Was als Harriets Geschichte beginnt, verliert sich dann in der Titelgebenden Prämisse: Männer, die Frauen hassen. Die beiden ungleichen Ermittler stoßen auf Serienmorde, die weitreichende Folgen haben. Weniger dramatisch inszeniert als Browns Da Vinci Code, sind sich die ermittlerischen Recherchen nicht unähnlich. Die Blomkvists und Langdons dieser Welt sehen eben das, was die Regierungsapparate nicht entdecken. Sonst würden sie auch Mulder heißen. Die Exposition der Mordserie, die dafür sorgt, dass man Harriet beginnt zu vergessen, kann daher nach über anderthalb Stunden im Grunde auch nur in einer unzufriedenstellenden Auflösung münden.

Diese wäre verschmerzbar, würde Niels Arden Oplev bzw. Stieg Larsson sich nicht bemühen, sich nach diesem Nesselsitz noch weiter in jenem Unkraut zu wälzen. Denn eigentlich ist die Geschichte erzählt, doch Larsson baut eine weitere Wendung ein, die den Film in einem unnötigen vierten Akt münden lässt. Fortan wird das dargebotene Szenario mit jeder neuen Enthüllung, jeder fortlaufenden Minute, lächerlicher und verkommt zu einer Selbstdemontage, wie man sie selten miterlebt hat. Bedauernswert, dass man es nicht nach hundert Minuten gut sein lässt und sich mit einem spannenden Thriller verabschiedet, sondern stattdessen in einem Meer aus billigen Enthüllungen verliert, die entgegen der zuvor fruchtlosen Ermittlung nun unwahrscheinlich zügig wie eine Zeitungsbeilage aus dem Film heraus purzeln. Ein Aspekt, der Män som hatar kvinnor im Nachhinein ausgesprochen schadet. Kann etwas, das Begeisterungsstürme in mehreren Ländern gleichzeitig auslöst, wirklich von qualitativer Sonderklasse sein? Scheinbar nicht.


5.5/10

11. April 2010

Cop Out

Da ist er nun, das neue Werk und erste Studio-Film von Kevin Smith, der diesen somit zum sell out macht. Die Frage ist: Kann das gut gehen? Wenn der eigentliche Titel des Films, der ursprünglich A Couple of Dicks (hihi) hieß, wegen ebenjenem Titel und dem damaligen (US-)Tra-Ra zu Zack and Miri Make a Porno aber umbenannt wurde, nun Cop Out lautet? Mit einem Bruce Willis in der Hauptrolle, dessen beste Zeiten nun auch schon über ein Jahrzehnt zurück liegen? Und einem durchgeknallten Tracy Morgan als durchgeknallten Cop? Die Antwort lautet: Nein. Wer wissen will, wieso das so ist, muss wohl beim Manifest weiterlesen.

8. April 2010

As Time Goes By: Jennifer Connelly

Each film is a chapter in my life wherein I learn so much more about myself.

Am 12. Dezember 1970 wurde Jennifer Lynn Connelly in den Catskill Mountains, New York geboren. Als einziges Kind von Gerard Connelly, einem New Yorker Kleidungsverkäufer irisch-norwegischer Abstammung, und der russisch-polnisch-stämmigen Eileen Connelly, die ehemals ein Antiquitätengeschäft in Woodstock betrieb und inzwischen in Kalifornien als Cranio-Sacral-Therapeutin arbeitet, verbrachte Connelly die meiste Zeit ihrer Jugend in Brooklyn Heights, New York, wo sie die St. Ann Privatschule besuchte. Mit zehn Jahren sollte sich ihr Leben jedoch für immer ändern, als sie erste Schritte in Richtung Unterhaltungsbranche unternahm. Ein Freund der Familie arbeitete in der Werbung und schlug den Connellys vor, mit ihrer Tochter zu einem Vorsprechen zu gehen. Es folgten zahlreiche Engagements für Zeitungs- und Magazinwerbungen, welche die Zehnjährige auf Trab halten sollten. Die Repräsentation des Jungmodels übernahm die New Yorker Ford Agentur, deren Gründer ironischerweise Eileen und Gerard Ford heißen.

Rückblickend auf ihre Modelkarriere äußerte Connelly später den Satz: ”It wasn’t my niche“. Diese sollte sie stattdessen in der Schauspielerei finden. Ein Scout wurde auf die Vierzehnjährige aufmerksam und empfahl sie dem italienischen Regisseur Sergio Leone für eine Rolle in dessen Amerika-Epos Once Upon a Time in America. Ihre Nebenrolle für den Altmeister Leone sollte Connelly dann bereits ein Jahr später den nächste Part beschaffen. Der Italiener empfahl die Teenagerin seinem Freund und Kollegen Dario Argento, in dessen Phenomena Connelly ihr zweites Engagement fand. Ihr nächstes großes Projekt sollte der Jim-Henson-Film Labyrinth sein, in welchem Connelly an der Seite von Pop-Star David Bowie spielen würde. Ihre übrigen achtziger Jahre Filme wie Etoile, Seven Minutes in Heaven oder Some Girls verliefen im Vergleich zu ihren Arbeiten für Henson und Leone sehr bescheiden und unbemerkenswert. Immerhin sorgten Rollen in Etoile und Phenomena dafür, dass Connelly Französisch und Italienisch lernte.

Gegen Ende der Achtziger begann sich aber erneut eine gewisse Überdrüssigkeit einzustellen. ”The movies I was making weren’t the movies I wanted to go see“, erklärte Connelly. So lehnte sie 1988 einerseits die Rolle der Veronica im Kultfilm Heathers ab, ergatterte im Jahr darauf im Gegenzug jedoch nicht den Part in Cameron Crowes Say Anything. Stattdessen trieb es Connelly wie andere junge Schauspielerinnen - z.B. Natalie Portman oder Emma Watson - an die Universität. Im Herbst 1990 schrieb sie sich in New Haven an der Yale University im Fachgebiet Englisch ein. Sich nach Anonymität sehnend, wurde sie jedoch von ihrer Mitbewohnerin in Labyrinth erkannt. Während ihrer Zeit in Yale nahm Connelly Rollen in The Hot Spot an der Seite von Don Johnson oder in der Comic-Verfilmung The Rocketeer an. Nach zwei Jahren wechselte Connelly an die Stanford University in Kalifornien, wo sie Schauspiel, Theater und Improvisation studierte. Allerdings würde die Darstellerin das Studium nach einem Jahr abbrechen.

Ihre Nebenrolle in The Rocketeer brachte ihr 1991 die Zuneigung von gleich zwei Männern. Auf der einen Seite die Liebe ihres Filmkollegen Bill Campbell, mit dem Connelly in den kommenden fünf Jahren immer wieder zusammen kam. Auf der anderen Seite die bewundernde Zuneigung des angesehenen Filmkritikers Roger Ebert, der Connelly in The Rocketeer als ”sweet and sexy“ bezeichnete. Attribute, die er ihr im Laufe des kommenden Jahrzehnts noch mehrfach zuschreiben würde. So nannte er ihr Engagement im fünf Jahre später erschienenen Mulholland Falls eine der ”key casting decisions“ und beschrieb Connelly selbst als ”sexy in the way Marilyn Monroe was sexy--as if she doesn't quite believe it, and can't quite help it“. Im Jahr darauf attestierte er ihr in Inventing the Abbotts an der Seite von Liv Tyler, Billy Crudup und Joaquin Phoenix ”the most interesting Abbott girl“ gewesen zu sein und ging nach dem 2000 erschienenen Requiem for a Dream so weit, die New Yorkerin gar als ”sex symbol“ zu bezeichnen.

Anerkennung, die nicht nur bei Campbell und Ebert der Fall gewesen zu sein schien. So landete Connelly im August 1991 auf dem Cover von Esquire im Zuge derer ”Women We Love“-Reihe. Und 1992 gab sie im Musikvideo I Drove All Night des vier Jahre zuvor verstorbenen Roy Orbison den love interest für Serien-Star Jason Priestley. Schließlich landete sie 1993 auf den 14. Platz von Celebrity Sleuth’s ”25 Sexiest Women of 1993“. Eine Nennung, die sie sicherlich auch ihrer Nacktszene in The Hot Spot zu verdanken hatte und deren ersten Platz damals Sharon Stone nach dem im Vorjahr erschienenen Basic Instinct einnahm. In den kommenden Jahren sollte Connelly jedoch noch in zahlreichen anderen und ähnlichen Listen auftauchen. So zählte sie zu den vom People Magazin 2002 gekürten fünfzig schönsten Menschen, als auch zu FHMs ”100 Sexiest Women“ sowohl 2002 als auch 2005. Die Leser des britischen Empire Magazins platzierten Connelly vor drei Jahren dann auf Rang 54 der ”100 Sexiest Stars in Film History“.

Unbestritten scheint also Connellys bewunderte Schönheit, die dafür sorgte, dass Disney sich in seiner Gestaltung der Prinzessin Jasmin in ihrem Meisterwerk Aladdin an Connellys Äußerem orientierte. Zugleich schien Hollywood aber auch nicht viel weiter als bis zu jener Äußerlichkeit zu sehen, betrachtet man Connellys Rollen in den Neunzigern. In Filmen wie The Rocketeer oder Mulholland Falls ist die Schauspielerin wie bereits zuvor in The Hot Spot nichts als die schöne Frau an der Seite des Helden. Ein Aspekt, den man durch Hervorhebung ihrer Brüste zu dieser Zeit noch zu untermauern versuchte. Erst in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre wandelte sich ihr Rollenbild ein wenig. In John Singletons Higher Learning spielte Connelly eine lesbische Lehrerin, in ihren Rollen aus Inventing the Abbotts oder Waking the Dead gab sie sich verletzlicher. Auch acht Jahre später sollte Ebert der Schauspielerin noch attestieren, dass ”nobody is better than Connelly at looking really soulful“. Dennoch schien sie vorerst typisiert zu sein.

Immerhin gewannen ihre Filme an Profil und visueller Influenz. In Alex Proyas’ Dark City sieht man Connelly ebenso am Ende eines Hafensteges stehen, wie später auch in Requiem for a Dream und House of Sand and Fog. Zudem sollte der Film ihre Rollentypisierung der kommenden Jahre vorgeben, sah man nun die Schauspielerin doch öfter nicht nur als schöne Frau an der Seite des Helden, sondern zugleich auch als Frau an der Seite des Helden, der droht seine Persönlichkeit zu verlieren. Elemente, die sich offensichtlich in Dark City, Hulk oder A Beautiful Mind wiederfinden, in gewisser Hinsicht aber auch in Requiem for a Dream. Gerade letzterer Film sollte Connelly viel Anerkennung bescheren, gibt sie in Darren Aronofskys Meisterwerk doch eine junge Frau, die nicht nur ihre Liebe, sondern letztlich auch ihre Unschuld an ihre Drogensucht verliert. Die Rolle bringt Connelly eine Nominierung bei den Independent Spirit Awards und stellte sich schließlich als Echo heraus, für den Erfolg, der ihr noch bevorstand.

In A Beautiful Mind gewann Regisseur Ron Howard, der zuvor Inventing the Abbotts produziert hatte, Jennifer Connelly für die Rolle der Alicia Nash. Ihre Darstellung der Ehefrau des Nobelpreisträgers John Forbes Nash Jr. brachte Connelly schließlich ihren ersten und bisher einzigen Academy Award als Beste Nebendarstellerin ein. Obschon seit 17 Jahren im Business, hatte sich die New Yorkerin erst jetzt vollends etabliert. Ihr Oscargewinn wurde dabei von ihrer viel kritisierten Dankesrede überschattet, die Connelly von einem Zettel ablas, nachdem sie sich zuerst nicht sicher war, ob sie überhaupt eine Rede vorbereiten sollte und im Nachhinein überrascht war, dass entgegen einer Versicherung doch kein Rednerpult auf der Bühne stehen würde, hinter welchem sie die Rede verbergen könne. Mit ihrem Gewinn war Connelly ihrer Kollegin Marcia Gay Harden gefolgt, die im Vorjahr für ihre Rolle in dem gemeinsamen Film Pollock ausgezeichnet worden war. Und auf den Oscargewinn folgte erst ein Mal eine wohlverdiente Pause.

Zwei Jahre später sollte sie in einer viel beachteten, aber kritisch gesehenen und einer wenig beachteten, aber gut aufgenommenen Produktion wiederfinden. In Ang Lees liebevoller Adaption von Hulk schlüpfte Connelly zum zweiten Mal in die Rolle der Geliebten eines Comichelden. Als Betty Ross ist sie das Bindeglied zwischen dem Hulk und seinem Alter Ego, Bruce Banner. Hulk, obschon für das Studio eine leichte Enttäuschung, sorgte neben A Beautiful Mind dafür, dass Connellys letzte beiden Filme weltweit eine halbe Milliarde Dollar eingespielt hatten. Eine Summe, an die House of Sand and Fog nicht ansatzweise heranreichte. Dafür bot sich hier für die Schauspielerin die Chance, ihrer Schublade zu entkommen. Endlich spielte sie nicht die Frau an der Seite des Helden, sondern portraitierte eine gebrochene Figur, die ihren eigenen Kampf auszufechten hat. Von Kritikern gelobt, sollte die Literaturadaption House of Sand and Fog an der Seite von Ben Kingsley ihr letztes Projekt sein, ehe sie sich ihrer zweiten Schwangerschaft widmete.

Am 1. Januar 2003 hatte Connelly ihren Kollegen und Filmpartner Paul Bettany, den sie am Set von A Beautiful Mind kennenlernte, geheiratet. Nur wenige Monate später kam der gemeinsame Sohn Stellan, benannt nach Bettanys Freund und Kollegen Stellan Skarsgård, auf die Welt. Es war Connellys zweiter Sohn, nachdem sie bereits Ende der Neunziger mit dem Photografen David Dugan das gemeinsame Kind Kai zur Welt gebracht hatte. Auch damals gönnte sich die New Yorkerin eine einjährige Auszeit, bevor sie in der Fernsehserie The $treet eine Rolle übernahm, weil diese in der Nähe ihrer Manhattaner Heimat drehen konnte. Erst 2005 sollte Connelly zurück auf die Leinwand kehren, mit dem Asia-Remake Dark Water, basierend auf Hideo Nakatas Honogurai mizu no soko kara. Ein Film der weitestgehend im Bewusstsein des Publikums unterging, der Connelly jedoch ihre zweite unabhängige Frauenrolle einbrachte. Ein Rollentypus, dem sie anschließend nur noch in Edward Zwicks Blood Diamond gerecht werden konnte.

In Todd Fields Little Children ordnete sich Connelly wieder einer Nebenrolle unter, als Mutter und Ehefrau eines Mannes, der eine Affäre beginnt. Im selben Jahr gab sie in Blood Diamond ihre letzte unabhängige Frauenfigur, ehe sie sich in den kommenden drei Jahren ganz der (Film-)Rolle der Ehefrau und Mutter hingab. In Reservation Road sah man sie erneut in einer Literaturadaption und in einem Part, dem im Film letztlich viel zu wenig Raum gewährt wurde. Es sollte ihr einziger Film 2007 sein, ehe sie an der Seite von Keanu Reeves und mit dem Remake The Day the Earth Stood Still ihr dritterfolgreichstes Projekt in Angriff nahm. Der unterschätzte Sci-Fi-Film war neben einem Cameo in Inkheart und ihrer Sprechrolle in 9 wie schon im Vorjahr Connellys einziger Film. Im letzten Jahr beschränkte sie sich im Ensemblefilm He’s Just Not That Into You mit der Rolle einer Frau, die von ihrem Mann betrogen wird, sowie an der Seite ihres Mannes Paul Bettany in dem Independent-Drama Creation als Ehefrau von Charles Darwin.

Jennifer Connelly ist eine Schauspielerin, die fernab von all jenem Hollywood-Trubel lebt. Privat eine begeisterte Naturperson mit Affinität für die Gebiete der Physik und Philosophie, liefert sie wenig Material für Skandale. Vielleicht spiegelt sich ihr persönliches Bild von sich selbst in ihrer Rollenwahl wider, hält sie doch einen gewissen Grad an Identifizierung für notwendig. So ließen sich auch die unzähligen Rollen als Ehefrau und Mutter - acht ihrer letzten elf Charaktere fallen darunter - erklären. Durchschnittlich werden ihre Filme bei Rotten Tomatoes mit 59% bewertet, wobei Connelly stärkste Phase in ihren Projekten zwischen 2000 und 2003 (72%) zu finden war. Von den vergangenen elf Oscarpreisträgerinnen in ihrer Kategorie landet Connelly, was die Rezeption ihrer Filme seit dem Oscargewinn bei den Kritikern angeht, im Mittelfeld (52.22%). Hier heben sich lediglich Cate Blanchett (66.75%) und Tilda Swinton (65.5%) durch ihre Rollenwahl ab, während Angelina Jolie (40.81%) abgeschlagen den letzten Platz einnimmt.

Das Bild von Jennifer Connelly als „Sexbombe“ aus den Neunzigern hat inzwischen aufgrund ihres Alters - sie wird dieses Jahr 40 - und ihres Familienstatus’ als Ehefrau und Mutter etwas nachgelassen. Was nichts an der Anerkennung ihres Aussehens ändert, wurde sie vor zwei Jahren als neues Werbegesicht von Revlon auserkoren. Auch schauspielerisch steht ihr Talent außer Frage, selbst wenn sich Connelly primär auf Rollen ohne wirklichen Tiefgang beschränkt. In ihrem diesjährigen Film What’s Wrong with Virginia, dem Regiedebüt von Oscarpreisträger Dustin Lance Black nach dessen eigenem Drehbuch, spielt sie erneut eine Mutter. Als ehemalige Geliebte eines Sheriffs und möglichen Politikers (Ed Harris, mit dem sie im kommenden Salvation Boulevard zum vierten Mal zusammenarbeiten wird), sorgt weniger sie, als vielmehr ihr Sohn für Aufsehen, der sich in die Tochter (Emma Roberts) ihres ehemaligen Geliebten verliebt. Und wer weiß, vielleicht springt am Ende für Jennifer Connelly ihre zweite Oscarnominierung heraus.

5. April 2010

Panel to Frame: Oldeuboi

Laugh, and the world laughs with you / Weep, and you weep alone.
(Ella Wheeler Wilcox, “Solitude”)


Comics und Mangas wirken wie zwei Kinder derselben Mutter. Etymologisch betrachtet bedeutet 漫画 auch nichts anderes als eben das, ein Comic. Während die westlichen Comics aus dem 19. Jahrhundert entstammen, ehe sie in Form des Zeitungscartoons Anfang des letzten Jahrhunderts langsam die Form annahmen, in der sie heute zu bewundern sind, rühren Mangas bereits aus dem 18. Jahrhundert. Eine Wende trat nun nach dem Zweiten Weltkrieg ein, als westliche Comics ihren Weg jenseits des Pazifiks zu ihren Schwestern fanden. Sowohl die Comics als auch das Ereignis des Krieges - insbesondere Hiroshima - selbst, veränderten nun die Mangas. Was sich bereits dadurch beobachten lässt, dass viele Mangafiguren verstärkt kaukasische Züge tragen (siehe zum Beispiel Kōkaku Kidōtai). Dennoch stehen Mangas für sich, und zeichneten sich über Jahre durch Meisterwerke wie eben Masamune Shirows Kōkaku Kidōtai oder allen voran natürlich auch Katsuhiro Otomos Akira-Serie aus. Und in gewisser Weise auch Garon Tsuchiyas Ōrudo Bōi.

Von 1996 bis 1998 veröffentlichen Tsuchiya und sein Zeichner Nobuaki Minegishi die acht Bände umfassende Geschichte über Shinichi Gotō, der aus unerfindlichen Gründen ein Jahrzehnt lang in eine private Haftanstalt gesteckt wird. Wieder auf freiem Fuß, beginnt die eigentliche Geschichte von Ōrudo Bōi: Die Auflösung der Inhaftierung. Gotō wird zum Spielball seines Peinigers Takaaki Kakinuma, einem ehemaligen Mitschüler aus Grundschulzeiten. Dieser verfolgt Gotō mittels GPS-Implantat, Privatdetektiv, hypnotisierten Komparsen, per Mobiltelefon und schlussendlich auch in Person. Die wirkliche Auflösung findet dabei erst im achten und letzten Band statt, während die sieben Bände zuvor im Grunde lediglich Geplänkel sind. Der Grund der Inhaftierung stellt sich dann als reichlich profan heraus, wobei Tsuchiya wohl nach sieben Bänden auch mit seiner Offenbarung nur enttäuschen konnte. Dafür ist das Schlussbild umso gelungener umgesetzt worden. Somit ist Ōrudo Bōi ein durchaus spannendes, aber auch langatmiges Manga.

Für den südkoreanischen Regisseur Park Chan-wook sollte Tsuchiyas Werk Anfang des vergangenen Jahrzehnts die Inspirationsquelle für den zweiten Teil seiner Rache-Trilogie darstellen. Parks Oldeuboi wiederum adaptierte letztlich nur die Prämisse und grobe Figurenkonstellation von Tsuchiyas und Minegishis Meisterwerk. Etwa nach der Hälfte des zweiten Bandes beginnt Park seinen eigenen Weg einzuschlagen, was dafür sorgt, dass Oldeuboi zum einen durchaus eine Manga-Adaption darstellt, andererseits jedoch auch ein eigenständiges und originäres Werk ist. Seit seiner Veröffentlichung trägt Parks Film das Etikett „Kult“ mit sich herum, angefangen von Quentin Tarantinos überschwänglichem Lob während der Filmfestspiele von Cannes 2004, bis hin zur Aufnahme zu den zehn besten asiatisch-pazifischen Filmen aller Zeiten durch CNN vier Jahre später. In der Internet Movie Database ist Oldeuboi der beliebteste südkoreanische Film und lediglich Hayao Miyazaki und Akira Kurosawa schafften es mit ihren Werken vor Park.

Mit dem Wechsel nach Südkorea ändern sich auch die Namen der Charaktere. Gotō verkommt zu Oh Dae-su (Choi Min-sik), einem verheirateten Familienvater, der nach einem Zechgelage am Geburtstag seiner Tochter auf der Polizeiwache landet. Als sein bester Freund ihn abholt, verschwindet Oh Dae-su plötzlich im Seouler Regen. Eingesperrt auf der 7 ½. Etage eines Gebäudekomplexes, avanciert in den kommenden fünfzehn Jahren der Fernseher zu seinem einzigen Freund und Geliebten. Eines Tages dann findet sich Oh Dae-su plötzlich in Freiheit wieder. Was ihn nun vorantreibt, ist der Wunsch nach Rache. Doch seine Bestrafung hat scheinbar noch nicht aufgehört. Ein Obdachloser vertraut ihm ein Mobiltelefon an, seine erste Mahlzeit nach fünfzehn Jahren Mandu-Teigtaschen wird in wilder Verzweiflung lebendig heruntergeschlungen, ehe Oh Dae-su bewusstlos zusammenbricht. Er wacht in der Wohnung von Mi-do (Kang Hye-jeong) auf, die im Film die Kellnerin Eri ersetzt. Nichtsahnend, dass auch dies zum perfiden Spiel seiner Nemesis gehört.

Der Laufzeit fällt dann die Figur der Grundschullehrerin und späteren Schriftstellerin Yukio Kusama zum Opfer, gilt es doch relativ schnell die Brücke zu schlagen, von Lee Woo-jins (Yu Ji-tae) Enthüllung über die Entdeckung der einstigen Tat bis hin zur finalen Gegenüberstellung von Protagonist und Antagonist. Eine Reduzierung, die narrativ mal mehr und mal weniger glückt. Grundsätzlich vermeidet Park auf diese Weise Redundanzen in Oh Dae-sus Suche nach der Wahrheit, verrennt sich jedoch ebenfalls in die auch im Film nicht minder unglaubwürdige Verdrängung des Schuldigen an das Ereignis der Schulzeit. Eine Hinauszögerung der Auflösung, die weder bei Park noch zuvor bei Tsuchiya überzeugen kann. Immerhin ist die eigentliche Tat von Oh Dae-su etwas einleuchtender als Ursache, denn ihr Pendant im Manga. Wobei dafür Dae-sus Verschulden in seiner Folge wiederum den Bogen etwas überspannt. Das Finale von Oldeuboi ist somit eine zwiespältige Angelegenheit, die sich zwar klar bemüht, authentischer zu sein, andererseits jedoch nicht von allen Schwachstellen ihrer Exposition vollends lösen kann.

Obschon der Film nun narrativ stark reduziert daherkommt, gelingt es ihm nicht, dennoch Längen auszuweichen. Speziell die Aufdeckung der verlorenen Erinnerung inklusive Rückblende ist zu langatmig ausgefallen, wie auch der finale Showdown ab einem gewissen Zeitpunkt ausufert. Der Prämisse und Struktur von Ōrudo Bōi bleibt sich Oldeuboi somit treu, auch was die narrativen Schwächen angeht. Über die Besetzung der Figuren wiederum kann man sich nun streiten. Kang Hye-jeong stellt optisch und schauspielerisch sicherlich die gelungenste Lösung dar, während Choi Min-sik und Yu Ji-tae sehr eigenwillige Entscheidungen repräsentieren. Chois Interpretation von Oh Dae-su gleitet oft ins overacting ab, wenn er der Figur versucht wahnhafte Züge zu verleihen. Meist deutlich, wenn Choi ein teils debiles Grinsen aufsetzt, das an John Tenniels Cheshire Cat erinnert. Yu Ji-taes Gegenspieler wiederum ist außerordentlich jung geraten, sodass man beide Figuren nur mit viel gutem Willen in eine Generation einordnet.

Yu verleiht seinem Woo-jin vielleicht deshalb oft eine entsprechende Spitzbübigkeit, welche die Figur allerdings im Gegensatz zu Minegishis Kakinuma weitaus weniger bedrohlich erscheinen lässt. Ein Aspekt, der auch durch Woo-jins Hut nochmals verstärkt wird. Man kommt nicht umhin, Park hier eine gewisse Unernsthaftigkeit im Umgang mit den beiden Männern zu attestieren, stellt speziell Chois Darstellung des Öfteren eine humoristische Annäherungsweise an den Charakter dar. Das merkt man auch in Bezug auf den Namen der Titelfigur, erklärt Oldeuboi doch, dass Oh Dae-su bedeute, „sich gut mit anderen zu verstehen“. Später gesteht Oh Dae-su dann ein, dass er ganz im Gegenteil „nie gut mit anderen Menschen klargekommen“ sei. Die Versündigung seiner alltäglichen Jugendtat wird dann durch Park stark überspitzt. Oh Dae-su wird in eine Rolle gezwungen, die ihm nicht passen will, da er und sein Vergehen ihr nicht gerecht werden kann (”Even though I'm no more than a monster - don't I, too, have the right to live?“).

Auf visueller Ebene versucht sich Park in einigen Referenzen. So erinnert die Ameisenszene in Oh Dae-sus Zelle an Luis Buñuel und Salvador Dalis Un chien andalou, der Gefängnistrakt in der Etage 7 ½ an Spike Jonzes Being John Malkovich. Die Handlung selbst, jedoch bereits in Tsuchiyas Werk begründet, natürlich an Alexandre Dumas’ Le Comte de Monte-Cristo. Der finale Twist wiederum weckt Erinnerungen an Alan Parkers Angel Heart und Brian De Palmas Obsession. Die Filmreferenzen gehen dann im Soundtrack von Jo Yeong-wook direkt weiter, wenn die meisten Titel entweder nach Filmen (z.B. The Searchers, Out of Sight oder Frantic) oder musikalische Referenzen an Antonio Vivaldi benannt sind. Ohnehin stellt Oldeuboi gerade auf audiovisueller Ebene ein besonderes Kunstwerk dar, mit Dank an Jo Yeong-wooks brillante musikalische Komposition. Visuell gefallen die von Park ausgesuchten Tapeten, wie auch die Schlussszene im verschneiten Neuseeland.

Beeindruckend ist neben der audiovisuellen Umsetzung auch Parks Single-Shot-Szene im Privatgefängnis geworden, wenn Oh Dae-su in einer fortlaufenden 160-Sekunden-Einstellung gegen über ein Dutzend Männer in einem Flur kämpft. Es sind somit einige Aspekte, die dem Film tatsächlich den Stempel „Kult“ aufdrücken, selbst wenn Park sich nicht vollends von den Schwächen der Vorlage lösen kann. Für sich genommen mag Oldeuboi somit wohl etwas besser funktionieren, als unter der Berücksichtigung einer Adaption. Wobei Park wie bereits angesprochen zumindest in der Auflösung der alles auslösenden Jugendsünde etwas glaubwürdiger agiert. Letztlich ist dem Südkoreaner ein Film gelungen, der - speziell im Ausland - für sich selbst steht, da vielen die Manga-Vorlage nicht bekannt ist. Was jedoch nicht zwingend ein Nachteil für den Konsumenten sein muss. Somit ließe sich auf Oldeuboi wie Ōrudo Bōi Woo-jins philosophisches Zitat münzen: “Be it a rock or a grain of sand, in water they sink as the same”.

7.5/10

3. April 2010

Clash of the Titans

Um es kurz zu machen, Desmond Davis’ Clash of the Titans von 1981 war nicht ohne Grund der letzte Film vom legendären Ray Harryhausen. Aber immerhin hatte das Teil zumindest Charme. Was man vom Remake leider nicht behaupten kann. Dieses ist eine Ansammlung von Talentlosen (Leterrier, Worthington, Arterton), unglaublich mies spielenden Inselaffen (Neeson, Fiennes, Flemyng), Effekten von Leuten, die es nicht zu Weta geschafft haben, nutzlosem 3-D und einer Handlung, die diesen Namen nicht verdient. Ergibt in der Summe: Clash of the Titans. Ausführlicher habe ich mich beim Manifest über all die Mängel und Makels des Films ausgelassen.

1.5/10