29. Juli 2010

Grown Ups

And … shift.

Gute Freunde kann niemand trennen, besang einst Kaiser Franz. Ein Motto, das auch in Hollywood Gehör findet, sei es in Massenkombos wie dem Rat, Brat oder Frat Pack, Filmduos wie Tim Burton und Johnny Depp oder einem Freundeskreis, der sich immer mal wieder bei sich selbst bedient. Einen solchen Freundeskreis hat auch Adam Sandler, einer von Amerikas größten Comedians, der bewusst immer wieder mit Freunden von früher arbeitet. So spielte er in Funny People zuletzt unter der Regie seines ehemaligen Mitbewohners Judd Apatow und in seinem jüngsten Film Grown Ups an der Seite jahrelanger Freunde. Wie so viele amerikanische Comedians diente Sandler zu Beginn seiner Karriere die legendäre Show Saturday Night Live als Sprungbrett. Anfang der Neunziger sollte Sandler Bestandteil der „Bad Boys of Saturday Night Live“ sein, einer Gruppe, die noch Chris Rock, David Spade, Rob Schneider und den inzwischen verstorbenen Chris Farley einschloss. In Grown Ups wird diese Gruppe nun wieder zusammengeführt.

Wenn man so will, füllt - sprichwörtlich - Kevin James die Fußstapfen von Farley aus, seinen „Neuling“-Status merkt man jedoch nicht wirklich. Dies hat weniger mit seiner gelungenen Integration zu tun als mit der Tatsache, dass Grown Ups sich nie anfühlt wie ein Film über eine Gruppe von jahrzehntelangen Freunden. Es ist bezeichnender Weise eine Beerdigung, die sie wieder in ihre Heimatstadt bringt. Ihr ehemaliger Basketball-Coach verstarb, das strahlende Vorbild von Lenny (Adam Sandler), Kurt (Chris Rock), Eric (Kevin James), Marcus (David Spade) und Rob (Rob Schneider). Gemeinsam mit ihren kaputten Familien trudeln sie nun ein, um die gute alte Zeit zu reminiszieren. Dies hat jedoch weniger mit male bonding oder coming of age zu tun, wie man von einer derartigen Prämisse erwarten würde. Stattdessen beschränkt sich Regisseur Dennis Dugan, Sandlers go-to-guy mit seiner fünften Zusammenarbeit - die nächsten Projekte inszeniert er ebenfalls -, auf krude Gags, die fortan dazu verdammt sind, in der Endlosschleife zu landen.

Der beliebteste Vertreter dieser wiederkehrenden Gags ist dabei Robs Affinität für ältere Frauen, die zum gern aufgenommenen Aufhänger verkommt, dabei allerdings bereits bei ihrer Einführung keine Spur lustig war. Einen ähnlichen Gag kriegt James’ Eric verpasst, wenn seine Frau (Maria Bello) auch nach vier Jahren noch den gemeinsamen Sohn stillt. Wieso dies so ist, bleibt unklar, ähnlich wie das aggressive Verhalten von Erics Tochter, die Heimchen-Funktion von Rocks Marcus oder die Verzogenheit von Lennys Kindern, wo dieser ihnen doch eine Kindheit wie die eigene wünscht. Wo die anderen Vier mehr Slacker darstellen, gibt Sandler passender Weise den Erfolgsmenschen. Einen wohlhabenden Hollywood-Agenten, der jedoch ob seines asiatischen Kindermädchens beschämt ist und diese als Austauschstudentin zu verkaufen versucht (ein weiterer fehlgeleiteter running gag). Grown Ups schafft es nicht eine Geschichte zu erzählen, nutzt das Erzählgerüst lediglich als roten Faden, um eine thematische Einordnung für die müden Sketche zu erhalten.

So dient die Beerdigung für einen gemeinsamen Wochenendaufenthalt, der zur Streitfrage zwischen Lenny und seiner Designer-Frau (Salma Hayek) führt, die jedoch in einer kurzen Szene gleich wieder unter den Teppich gekehrt wird. Wie ohnehin die weiblichen Darsteller, zu denen auch SNL-Veteranin Maya Rudolph gehört, zu Randfiguren degradiert werden. Die Ideenlosigkeit von Grown Ups angesichts der Anwesenheit der „Bad Boys of SNL“ ist fast schon erschreckend, jedoch weit weniger erschütternd, wie die nie aufkommende freundschaftliche Atmosphäre aller Beteiligten. Traurig wird es dann speziell in den Szenen, wenn flache Gags bis zum Umfallen ausspielt werden (beispielsweise wenn Sandler und James einen schlafenden Spade über eine Minute ins Gesicht schlagen). Es bleibt zu Hoffen, dass Sandlers nächstes Projekt Just Go with It mit Jennifer Aniston und Nicole Kidman dank Star-Potential ähnlich gelungen endet wie Anger Management.

4/10

26. Juli 2010

Idiots and Angels

That is all an angel is: an idea of God.
(Meister Eckhart)

Mit sechzehn Jahren bewarb sich Bill Plympton bei Disney als Animateur, wurde jedoch aufgrund seines Alters abgelehnt. Über die Jahre hinweg hat sich der heute 63 Jahre alte Amerikaner zu einem der bekanntesten Indie-Zeichner gemausert, dessen Werke unter anderem in der New York Times, aber auch Magazinen wie dem Rolling Stone, der Vogue oder der Vanity Fair landeten. Bisher brachte es der Amerikaner auf 26 Kurz- und fünf Langfilme, wobei sein letztes Werk, Idiots and Angels, bereits mitgezählt wurde. Mit Heard ‘em Say lieferte Plympton für den US-Rapper Kanye West sogar ein Musikvideo ab. Der Stil des Zeichners ist dabei unvergleichlich und gerade in den USA bekannt. Doch Plymptons jüngster Film stellt eine kleine Herausforderung dar, ist er doch besonders düster und surreal, während er auf jegliches gesprochene Wort verzichtet.

Der Film erzählt die Geschichte eines übel gelaunten Mannes, der seine Tage damit verbringt, in Bart’s Bar Kette zu rauchen und Alkohol in sich hineinzuschütten. Sein Leben beginnt sich schließlich zu verändern, als ihm Flügel auf dem Rücken wachsen. Entfernt er das lästige Beiwerk zuerst noch mit dem Rasierer, so muss er bald damit zum Arzt gehen. Dieser riecht in seinem geflügelten Patienten Ruhm und Reichtum, doch ehe es zur wissenschaftlichen Sensation kommt, flüchtet der Mann. Mit der Zeit stellt sich heraus, dass die Flügel durchaus auch ein Eigenleben haben, wenn sie den Mann stets davon abhalten sich selbst auf Kosten Anderer zu bereichern. Jener neu entdeckte Heldenmut kostet ihn schließlich das Leben, sorgt aber später auch für seine Wiedergeburt. Denn Idiots and Angels ist in seinem Kern nichts anderes als eine Parabel über die Menschlichkeit.

Plymptons neuer Film lässt sich nicht so einfach kategorisieren, ähnlich verhält es sich mit seinem Protagonisten. Dieser wird vom Zeichner selbst Angel genannt, sodass die Vermutung naheliegt, dass es sich bei diesem generell um einen Engel handelt, der einfach seine Flügel vergessen hat bzw. kein Engel sein möchte. Eine andere Deutungsweise wäre, dass Engel nicht geboren sondern gemacht werden. Und die allgemeine Moral, dass man ein erfüllteres Leben hat, wenn man freundlich und zuvorkommend zu seinen Mitmenschen ist. Insofern erlebt auch Protagonist Angel eine Katharsis, egal ob er nun ein Engel oder ein Mensch ist. Als Gegenbeispiel und wenn man so will auch Antagonist fungiert hierbei Bart der Barkeeper. Zusätzlich lässt sich in Idiots and Angels auch ein kleiner Thriller sehen, wenn man dem Kampf von Angel mit seinen Flügeln und dem Komplott gegen ihn einen gewichtigeren Charakter zuordnen möchte.

Dabei ist Idiots and Angels die meiste Zeit sicherlich interessant und faszinierend, zugleich jedoch auch mitunter diffus und verstörend. Der einzigartige, einfarbige Zeichenstil des Amerikaners hebt den Film dabei aus der Masse an Zeichentrickfilmen hervor, wenn er dies nicht schon allein durch seine sehr erwachsene Geschichte getan hat. Allerdings hängt es sicherlich von der eigenen Persönlichkeit ab, ob - und wenn ja, inwieweit - man etwas mit Plymptons jüngstem Film anzufangen weiß. Denn einfache Kost ist seine Menschlichkeits-Parabel ganz gewiss nicht, auch wenn das Ganze keine anderthalb Stunden geht. Einen Blick für Fans des Künstlers und des Genres allgemein ist Idiots and Angels dann aber sicherlich alle mal wert.

5.5/10 - erschienen bei Wicked-Vision

23. Juli 2010

Die Top 5: Debüt-Filme


Pick up a camera. Shoot something. No matter how small, no matter how cheesy, no matter whether your friends and your sister star in it. Put your name on it as director. Now you're a director. Everything after that you're just negotiating your budget and your fee.(James Cameron)

Ein Debüt umschreibt in aller Einfachheit das erste Auftreten einer Person in einer bestimmten Funktion oder um es mit den Worten des Oxford Dictionary zu sagen: „a person's first appearance or performance in a particular capacity or role“. Von Debüts spricht man dabei meist in der Unterhaltungsbranche, wenn ein Fußballer für ein neues Team aufläuft, ein Popstar sein (oder ihr) erstes Album veröffentlicht oder im Falle dieses Beitrags, ein Regisseur oder eine Regisseurin ihr (Kino-)Filmdebüt gibt. Der Regisseur ist für Gelingen und Scheitern eines Filmes verantwortlich, er leitet nicht nur die Darsteller an, sondern auch die technischen Mitarbeiter. Des Weiteren sind die Regisseure für die jeweiligen Filme - im Idealfall - auch kreativ verantwortlich. Ein Film ist somit letzten Endes nur so gut, wie der Regisseur, der diesen inszeniert hat. Er verantwortet die Kameraeinstellungen, die Ausleuchtung, den Look des Sets. Während der Film für Kameraleute und Darsteller mit der letzten Einstellung endet, ist der Regisseur noch lange nicht fertig.

In vielen Fällen sind Regisseure von Anfang an in das Filmprojekt involviert. Sie beteiligen sich intensiv an der Vor- und betreuen auch die Nachproduktion. Manche Regisseure vereinnahmen das gesamte Set, wie Ridley Scott während Blade Runner, als nichts geschah, ohne dass der Engländer es zuvor abgesegnet hätte. In seltenen Fällen werden Regisseure allerdings auch spontan ausgewechselt, wie im Falle von Dominion beziehungsweise Exorcist: The Beginning. Aufgrund seiner Rolle auf dem Set, seiner Arbeit jedoch für einen Produzenten, findet sich im Regisseur bisweilen auch eine undankbare Figur auf dem Filmset. Barry Levinson etablierte zwei unterschiedliche Regisseurs-Typen in seinem Hollywood-Film What Just Happened, in welchem ein Regisseur die Kontrolle über seinen Film zu verlieren droht und ein anderer nicht mehr als ein Mittelmann zwischen Produzent und Filmstar ist. Ein Regisseur ist jedoch nicht wie der andere und dennoch lassen sich viele in dieselben Kategorien unterteilen.

Es gibt Regisseure, die lassen ihre Schauspieler improvisieren, wie Judd Apatow, andere dagegen, wie Stanley Kubrick, pochten auf Perfektion und die exakte Umsetzung ihrer Wünsche. Eine relative große Gruppe beanspruchen die so genannten Auteure. Regisseure, die ihre eigenen Drehbücher schreiben, wie Woody Allen, Pedro Almodóvar oder Hayao Miyazaki. Wer könnte die eigene Geschichte besser umsetzen als man selbst? Um ein großes Maß an Vertrauen, nicht nur in die Geschichte, zu finden, entstehen auch des Öfteren Arbeitspartnerschaften, verlässliche Beziehungen zu Kameraleuten, Cuttern oder dem Hauptdarsteller. Solche Teams finden sich zum Beispiel auch heute noch vermehrt in Tim Burton/Johnny Depp, Ridley Scott/Russell Crowe oder Martin Scorsese/Leonardo DiCaprio. Andere Regisseure wie Tyler Perry oder Clint Eastwood besetzten sich gleich selbst in ihren Filmen oder übernehmen wie John Carpenter (Musik) und Steven Soderbergh (Kamera) noch andere Aufgaben in ihren Werken.

Mit Regisseuren, die sich selbst in ihren Filmen besetzen, gab es soeben ein Stichwort für eine weitere Kategorie: die inszenierenden Schauspieler. Vor neunzig Jahren bereits mit Charlie Chaplin keine Seltenheit und später von Laurence Olivier, Orson Welles und John Cassavetes fortgesetzt, gibt es in heutiger Zeit kaum noch Darsteller, die sich nicht auch ein Mal hinter die Kamera begeben (von Natalie Portman über Philip Seymour Hoffman bis hin zu Denzel Washington). Dementsprechend ist es inzwischen auch sehr viel einfacher, selbst die Regie in einem Film zu übernehmen, als dies noch früher der Fall war. Bei heutigen Darstellergagen und Low-Budget-Produktionen lässt sich ein eigener Film für die Stars, die oft Freunde und Bekannte aus der Branche für die anderen Rollen rekrutieren, quasi aus der Portokasse finanzieren. Ein Kampf mit dem Studio, wie ihn Orson Welles vor siebzig Jahren für seinen Citizen Kane ausfochte, ist heute eher die Seltenheit. Und welche Regisseure nicht selbst bereits in der Branche waren, haben oft zumindest ein Familienmitglied in dieser.

Egal ob Sofia Coppola, Tochter von Francis Ford Coppola, oder Duncan Jones, Sohn von David Bowie, an finanzieller Unterstützung oder Kontakten in der Szene fehlt es vielen nicht. Einige wie Sidney Lumet oder Sam Mendes kamen vom Broadway oder Theater und hatten sich bereits einen Ruf erarbeitet, der den Sprung ins Kino leichter machte. Während andere wie Cameron Crowe oder Charlie Kaufman sich ihren Weg zuerst als Drehbuchautoren erarbeiteten und Jan De Bont ursprünglich Kameramann war. Neben Hintergründen beim Theater finden viele Regisseure auch über die Werbe- und Musikfilmbranche ihren Weg nach Hollywood. Egal ob Ridley Scott, David Fincher oder Spike Jonze. Aber nur Wenigen ist es vergönnt mit ihren Werken einen für die Branche oder Genre derart bleibenden Eindruck zu hinterlassen, wie bei Orson Welles (Citizen Kane) oder George A. Romero (Night of the Living Dead) der Fall. Dabei zeigte sich durch die Jahrzehnte, dass mit Auswuchs der Unterhaltungsbranche auch die Debütfilme ansprechender wurden.

Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass Regiedebüts früher ausgesprochen schlecht waren. Sergei Eisensteins Стачка von 1925 beeindruckt beispielsweise mit gelungenen Kamerafahrten und Schnitttechniken, obschon das Erstlingswerk des Sowjetbürgers mit seinen sechs Teilen zu langatmig ausfällt und eine verstörende Tonspur enthält. Vier Jahre zuvor konnte dagegen der Komiker Charlie Chaplin mit seinem Debütfilm The Kid beeindrucken, obschon auch dieser sich in seinem dritten Akt etwas zu verlieren droht. In den vierziger Jahren erschienen dann mit Orson Welles, John Huston (The Maltese Falcon), Joseph L. Mankiewicz (Dragonwyck) und Elia Kazan gleich vier Schwergewichtler auf der Bildfläche. Selbst wenn Welles’ Debüt weithin als bester Film aller Zeiten gilt, ist es Kazans A Tree Grows in Brooklyn von 1945, der seine Kollegen in seiner narrativen Qualität in den Schatten stellt. Dagegen sollten die kommenden drei Jahrzehnte bis auf wenige Ausnahmen eher enttäuschen.

Sidney Lumet wagte 1957 den Sprung vom Broadway zum Film und sein 12 Angry Men zählt bis heute zu den überaus gelungenen Debütfilmen seines Fachs. Spannend und exzellent gespielt, transferiert Lumet ein Bühnensetting mit singulärem Ort des Geschehens auf die große Leinwand. Um einen ähnlichen gelungenen Debütfilm zu sehen, musste der Zuschauer zwölf Jahre warten, ehe er 1969 Peter R. Hunts On Her Majesty’s Secret Service bewundern durfte. Angesichts der Tatsache, dass Hunts Regiedebüt nicht nur inmitten einer populären Filmreihe wie „James Bond“ stattfand, sondern auch noch den Übergang von Sean Connery zu George Lazenby bewältigen musste, ist sein Werk nicht nur ein exzellenter Debütfilm, sondern auch noch das Überzeugendste aller „007“-Abenteuer. Ähnlich beeindrucken konnte in den Jahren zuvor lediglich Mike Nichols Who’s Afraid of Virgina Woolf?, welcher 1966 in den Kinos angelaufen war. Regisseure mit europäischen Wurzeln hatten dagegen noch zu hadern.

Wo Franςois Truffauts Les quatre cents coups 1959 zumindest über Strecken gefiel, avancierte Jean-Luc Godards À bout de souffle ein Jahr später zum anstrengenden Ärgernis. Auch die italienischstämmigen Regisseure Francis Ford Coppola (Dementia 13) und insbesondere Martin Scorsese (Who’s That Knocking at My Door) hatten noch ihre Probleme, wie auch der spätere Neo-Westerner Sergio Leone mit seinem Il colosso di Rodi mehr scheiterte wie überzeugte. Auch George Lucas’ Debüt THX-1138 von 1971 sollte seinen Namen (noch) nicht in die Welt hinaus tragen, wie auch seine späteren Kollegen Terrence Malick (Badlands) und Ridley Scott (The Duellists) bisher lediglich über gute Ansätze verfügten, diese jedoch wie Krzysztof Kieślowski - der mit Blizna 1976 ein immerhin durchaus ambitioniertes Debüt vorlegte - erst in späteren Werken zur Perfektion bringen würden. Mit seinem geglückten Erstling Mad Max sollte George Miller 1979 nicht nur sich selbst, sondern vor allem seinem Darsteller Mel Gibson Ruhm bescheren.

Mit den achtziger Jahren begann schließlich MTV auf Sendung zu gehen und mit MTV neben den bisherigen Werberegisseuren wie Ridley Scott eine neue Garde an Videoregisseuren die Unterhaltungsbranche zu entern. Erhielt 1982 der Schauspieler Warren Beatty einen Oscar für die beste Regie - nachdem er für sein Debüt Heaven Can Wait drei Jahre zuvor bereits nominiert worden war -, hatte bereits im Vorjahr sein Schauspielkollege Robert Redford den Preis für sein Debüt Ordinary People abgestaubt. Auch die Kollegen Rob Reiner (This is Spinal Tap, 1984) und Kenneth Branagh (Henry V, 1989) sollten unter die Regisseure gehen in diesem Jahrzehnt, während spätere Oscargewinner wie Pedro Almodóvar (Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón, 1980), Joel und Ethan Coen (Blood Simple, 1985) oder Steven Soderbergh (Sex, Lies, and Videotape, 1989) ebenfalls erste Duftmarken hinter der Kamera setzen sollten. Je gelungener die Debütfilme ab diesem Jahrzehnt wurden, desto höher war zugleich die Chance, zu enttäuschen.

Weder Almodóvars filmische Auslebung der neugewonnen Demokratie nach Franco, noch die Debüts von Harold Ramis (Caddyshack, 1980) oder Gus Van Sant (Mala Noche, 1985) fielen wirklich gelungen aus. Wo Kollegen wie Amy Heckerling mit Fast Times at Ridgemont High teilweise brillant auftrumpften, aber in späteren Jahren in der Versenkung verschwanden (Michael Lehmann arbeitet nach seinem genialen Debüt Heathers inzwischen seit Jahren fürs Fernsehen), wussten sich Almodóvar, Ramis und Van Sant im Laufe ihrer Filmographie noch zu steigern. Eine erfreuliche Konstanz legte wiederum Wong Kar-wei an den Tag, der bereits 1988 mit seinem ersten Film Wong gok ka moon wenig falsch zu machen verstand. Nichtsdestotrotz ist es Soderberghs Sex-Drama, dass die Tradition der besten Debütfilme zum Ende eines Jahrzehnts (nach 1969 und 1979) fortsetzen sollte. Zwar würde er für Erin Brockovich einen Oscar erhalten, aber lediglich mit Out of Sight nochmals an die Klasse seines Debüts anknüpfen können.

Obschon also in den siebzig Jahren zuvor mit Werken wie The Kid, A Tree Grows in Brooklyn, 12 Angry Men, On Her Majesty’s Secret Service, Mad Max oder Sex, Lies, and Videotape bereits gelungene Debütfilme produziert wurden und große Regisseure wie Stanley Kubrick, Woody Allen, Roman Polanski, David Lynch und viele Andere ihre ersten Arbeiten ablieferten, entstanden in den vergangenen zwanzig Jahren - sicherlich auch wegen dem Erbe dieser vergangenen Jahrzehnte - weitaus zahlreichere und durchschnittlich bessere Debütfilme. Heute etablierte Namen wie David Fincher (Alien³, 1992), Baz Luhrmann (Strictly Ballroom, 1992) und Christopher Nolan (Following, 1998) traten hervor, auch Oscarpreisträger wie Danny Boyle (Shallow Grave, 1994) oder Sam Mendes (American Beauty, 1999). Kultfilme wie Clerks. (Kevin Smith, 1994) oder Donnie Darko (Richard Kelly, 2001) sollten in dieser Zeit als Debütfilme entstehen und für manche wie M. Night Shyamalan (The Sixth Sense, 1999) zur Meßlatte werden.

Die Blockbuster der nächsten Jahre liegen nun in den Händen von Männern, die im vergangenen Jahrzehnt zum ersten Mal einen Film inszenierten. Matthew Vaughn (Layer Cake, 2004) nimmt sich X-Men: First Class an, sein Kollege Marc Webb ((500) Days of Summer, 2009) übernimmt den Marvel-Kollegen Spider-Man. Duncan Jones darf nach seinem Sci-Fi-Debüt Moon mit Source Code nun ein zehn Mal höheres Budget schultern, während Rian Johnson nach dem fulminanten Brick mit The Brothers Bloom erst mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wurde. Mit der Entwicklung anderer Regisseure wie Alejandro Gonzáles Iñárritu (Amores perros, 2000) oder Edgar Wright (Shaun of the Dead, 2004) darf man jedoch ebenso zufrieden sein wie mit Independent-Perlen von Géla Babluani (13 Tzameti, 2008) oder Cary Fukunaga (Sin Nombre, 2009). Jeder Debütfilm hätte eine ausführlichere Vorstellung verdient, die an dieser Stelle jedoch nicht gewährt werden kann. Es folgen die fünf gelungensten Debüts:


5. Dances with Wolves (Kevin Costner, USA/GB 1990): Fraglos hat es geholfen, dass Kevin Costner seiner Zeit einer der Top-Stars in Hollywood war, dennoch muss es erst mal geschafft werden, mit seinem Regiedebüt nicht nur sieben Academy Awards abzuräumen, sondern zugleich auch einen derart gelungenen Genrebeitrag zu inszenieren. Costners vierstündiger Abgesang auf The Frontier ist schauspielerisch, erzählerisch und insbesondere auch logistisch betrachtet - vom finanziellen Erfolg abgesehen - durchaus ein Meisterwerk.

4. Cidade de Deus (Fernando Meirelles, BR/F 2002): Fernando Meirelles’ Debüt über das Leben in den Favelas von Rio de Janeiro schildert Geschichten über die erste Liebe bis hin zu den ersten Morden vieler junger Menschen, deren Leben bestimmt ist von Gewalt und Drogen. Die Tatsache, dass der Film zu einem Großteil mit Laiendarstellern gedreht wurde, fällt einem weit weniger auf, wie die ausgesprochen gelungene Optik und musikalische Untermalung. Meirelles’ Meisterwerk, das wohl zu seinem The Godfather avanciert.

3. Being John Malkovich (Spike Jonze, USA 1999): Neben Michel Gondry und Wes Anderson zählt Musikvideoregisseur Jonze zu einer neuen, vor Kreativität sprühenden, Garde junger Regisseure. Seine Adaption von Charlie Kaufmans grotesk-schrägem Drehbuch resultierte in einer Vielzahl absurder und unsterblicher Szenen (z.B. die Etage 7 ½ oder das Malkovich-Restaurant) mit tollem Ensemble in einem Film, dessen Prämisse so absurd ist, dass eine Erklärung nicht nur unerheblich, sondern sogar unerwünscht ist.

2. Synecdoche, New York (Charlie Kaufman, USA 2008): Kaufman erschafft mit seinem Regiedebüt ein Werk, das weniger Film als Kunstwerk ist. Mit Dutzenden von Symbolen ausgestattet, präsentiert Hollywoods talentiertester Autor ein Sammelsurium von Ideen, Anekdoten, Interpretationen und Metaphern. Ein Film, der je nach Blickwinkel und Betrachtung sein Aussehen verändern kann und der sein volles Ausmaß erst bei mehrmaligem Sehen entwickelt, wenn er sich als vor Details überschwappende Synekdoche auf Leben und Tod offenbart.

1. C’est arrivé près de chez vous (Rémy Belvaux, André Bonzel, Benoît Poelvoorde, B 1992): In ihrem Debüt inszenierten die drei Filmstudenten Belvaux, Bonzel und Poelvoorde eine bitterböse Mediensatire. Den Belgiern ist ein außerordentlicher Film mit brillantem Drehbuch gelungen, der durch seinen Minimalismus (es spielen Personen mit, ohne zu wissen, dass sie Darsteller in einem Film sind) überzeugt. Traurig, dass Belveaux sich vor einigen Jahren das Leben nahm und auch Bonzel und Poelvoorde nicht mehr hinter die Kamera traten. Welches Talent sie besaßen, zeigt dieser Film.

20. Juli 2010

Heathers

Dear diary, my teen-angst bullshit has a body count.

Nach Erscheinen von Johann Wolfgang von Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werther 1774 animierte die schwermütige Sturm-und-Drang-Erzählung etliche junge Menschen, es ihrem literarischen Vorbild gleichzutun, und den Freitod zu wählen. Es war die hoffnungslose Liebe, die den grüblerischen Werther in den Selbstmord stürzte. Aufgrund jenes Werther-Effektes wurde Goethes Werk schließlich auch kritisch betrachtet. Suizid geschieht folglich oft aus Verzweiflung heraus, sei es in Liebesfragen oder wie in den USA bei MySpace-„Josh“ oder in Japan hinsichtlich „Ijime“ aus Mobbing-Gründen. Die Schule kann ein hartes Pflaster sein, primär natürlich für die so genannten „Schwächeren“: Nerds, Geeks, Übergewichtige - Außenseiter eben. Sie tauchen in jedem High-School-Film auf, meist als die Gewinner am Ende, beispielsweise in 10 Things I Hate About You oder Sixteen Candles. Die Unterdrücker, meist jocks und cheerleader, erhalten hier ihre Schrankenweisung. In Michael Lehmanns Debütfilm Heathers fällt diese weitaus gravierender und endgültiger aus - und resultierte in einem Kultfilm.

Der Film erzählt vom traditionellen Klassensystem der amerikanischen High School. Hier die Schönen und Reichen, dort die begehrten Football-Spieler und irgendwo abseits dann der nerdige Geek-„Abschaum“. Inmitten dieses Szenarios wird nun Veronica (Winona Ryder) platziert, eine rehäugige, schwarzhaarige Schönheit, lustvolles Sexobjekt der Footballer, lose befreundet mit manchem „Sozialabschaum“ und Mitglied der populären Mädchenclique „Heathers“. Eine Pluralisierung des Vornamens dreier Schülerinnen, die wie ein Wolfsrudel hierarchisch aufgebaut, der restlichen Schülerschaft dabei zugleich Dorn im Auge und bewundernswertes Vorbild sind. Einen Wandel erfährt dieses System erst, als der neue Schüler Jason „J.D.“ Dean (Christian Slater) an die Schule kommt und Veronicas Aufmerksamkeit erregt. Eine Auseinandersetzung nach einer missglückten College-Party führt zur Entzweiung von Veronica und „Heathers“-Anführerin Heather Chandler (Kim Walker). Mit fatalen Folgen für die gesamte Schule.

Eine spontane Scherzaktion wird durch J.D.’s Intervention zum Mord. Spätestens hier verdeutlicht sich Veronicas Status als Mitschwimmerin der „Heathers“. Auf J.D.’s erste Frage, ob sie eine „Heather“ sei, hatte sie noch bestimmt geantwortet: „No, I’m a Veronica“. Charakteristisch auch ihre spätere Entgegnung, als sie nach Heather Chandlers Tod schockiert realisiert „I just killed my best friend“. J.D.’s Anmerkung „And your worst enemy“ entgegnet sie mit demaskierender Knappheit: „Same difference“. Freund und Feind liegen auf der High School nah beieinander, im Kampf um Gunst und Anerkennung der Mitschüler. Exemplarisch vorgeführt an Heather Duke (Shannen Doherty), Gamma-Mädchen der einstigen Clique, dass den neu entstandenen Raum zuerst freizügig nutzt, um diesen später - auf Veranlassung von J.D. - vollends als neue Rudelführerin auszufüllen. Letztlich fügt sie sich damit ins System oder dem System, wenn man so will. Denn das Zweiklassensystem scheint gerade den Amerikanern Tradition zu sein, betrachtet man Genrefilme von The Last Picture Show über Dazed and Confused bis hin zu Superbad.

Bezeichnend an Heathers ist, dass sich der Film keiner der zwei Klassen besonders widmet. Heather Duke schlüpft in ihre neue Rolle, weil der Platz gefüllt werden muss. Einen Einblick in ihr Innenleben erfährt der Zuschauer ebenso wenig, wie bei ihrer Namensvetterin Heather McNamara (Lisanne Falk), obwohl diese sogar eine eigene Radio-Szene mit Kummerkastenfunktion erhält. Die „Opfer“ spielen in Lehmanns Film also die zweite Geige. Die eigentlich Opfer, Geeks, Nerds und Außenseiter, allerdings auch. Gelegentlich räumt der Film ihnen Raum ein, wenn Betty (Reneé Estevez), Veronicas Jugendfreundin, wieder diese alte Freundschaft ausleben darf, oder wenn Martha „Dumbtruck“ (Carrie Lynn) angesichts der überbordenden Beliebtheit nach den Suiziden der Anderen ebenfalls dem Werther-Effekt verfällt - und zynischer Weise auch hier versagt. Stattdessen steht mit Veronica die eigentliche Identifikationsfigur im Zentrum, ein Kind zweier Welten, wenn man so will und letztlich der personifizierte repräsentative Querschnitt.

Die Welt, in die Lehmann sie schickt, ist bevölkert von eindimensionalen Klischeebildern - dem Spiegelbild der Gesellschaft, wie J.D. sie am Ende des Filmes nennt („not because society didn't care, but because the school was society“). Personalisierungen sind unerwünscht, wenn sie auftauchen, werden sie bei Seite geschoben. Die trauernde kleine Schwester bei der Beerdigung darf einen kurzen, kummervollen Blick in die Kamera werfen, Heather McNamara rasch ihre Selbstzweifel einem US-Domian beichten und die jocks sich einen Moment zu reif fühlen, um Nerds zu verdreschen. Auf diese Weise erspart sich Lehmann, dass das Publikum mit ihnen sympathisiert im Angesicht ihres Todes. Über Heather Chandler erfährt der Zuschauer im Grunde nichts. Ihre persönlichste Szene ist das angewiderte Anspucken ihres eigenen Spiegelbildes nach dem Blowjob für einen College-Studenten. Wie alle anderen füllt sie eine Rolle aus, tut das, was von ihr erwartet wird. Sie folgt den Systemanforderungen, die ein Abweichen als Fehlfunktion identifizieren.

Die Morde an Heather Chandler, Kurt und Ram, die versuchten Suizide von Martha und Heather McNamara - sie berühren den Zuschauer nicht, weil sie ihn nicht berühren sollen. Heathers ist bevölkert von Figuren, die sich um nichts anderes kümmern, als um sich selbst. Die Elternfiguren von Veronica und J.D. nehmen nur oberflächlich am Leben ihrer Kinder teil. Aspekte wie der Suizid von J.D.’s Mutter oder Heather Dukes Bulimie werden angerissen, aber nicht weiterverfolgt. Was klingt, wie Kritik, soll keine sein. Lehmann reißt die Figuren gerade soweit an, dass sie so authentisch wirken, wie sie es für einen Genrefilm tun müssen. Aber er lässt sie zugleich soweit im Dunkeln, dass sie nicht drohen, die Intention seiner Geschichte zu gefährden. Heathers ist ein Film über „Heathers“, also Rollenbilder innerhalb einer Matrix, in dem Veronica zur Einäugigen unter den Blinden verkommt. Peu a peu durchbricht sie diese Matrix, zuerst durch ihre Liaison mit J.D., dann mit ihren freundschaftlichen Annäherungen an Betty und Martha.

Allerdings wandelt Heathers bisweilen durchaus auch auf kritischen Pfaden, z.B. wenn Heather Chandler gegen Ende einer schuldbewussten Veronica erscheint und dies die sich ankündigende Klimax unnötig in die Länge zieht. Zudem hätte es sich Daniel Walters vielleicht überlegen können, in seinem Drehbuch ganz auf die Elternintegration, abgesehen von Rams Vater, zu verzichten. Auch wenn gerade Veronicas Mutter durchaus eine sehr treffende und gelungene Dialogzeile („When teenagers complain that they want to be treated like human beings, it's usually because they are being treated like human beings.“) erhält. Grundsätzlich ist Lehmanns Debüt jedoch zu recht „Kult“, der von seinem schwarzen Humor und seinen beiden gut aufgelegten Jungdarstellern Ryder und Slater lebt. Am Ende des Filmes ist die Elite (Heather Duke) noch die Elite, die jocks sind die jocks und den Ausgestoßenen wie Martha wird kein Happy End beschert. Am Ende hat lediglich Veronica die Matrix durchschaut und sie durchbrochen. Und mit ihr hoffentlich auch der ein oder andere Zuschauer. In diesem Sinne: Lick. It. Up.

8.5/10

17. Juli 2010

The X Files - Season Seven

Some truths are not for you.

David Duchovny. Das ist doch dieser „Fox Mulder“-Typ, werden die meisten Leute denken oder vor zehn Jahren noch gedacht haben. Inzwischen assoziiert ihn vermutlich der Großteil der jüngeren Menschen eher mit Californication. Was grundsätzlich wenig ändert. Duchovny ist ein Serienschauspieler. Über das Schicksal der Serienschauspieler wurde bereits in der Einleitung zur fünften Staffel von The X Files berichtet. Verständlich, dass Serienstars gerne zu Kinostars mutieren würden. Wie auch bei Duchovny der Fall. Nach sieben Jahren The X Files hatte er genug von Fox Mulder und dessen Versuch, die Existenz außerirdischen Lebens aufzudecken. Seinem Ausstieg zum Ende der siebten Staffel folgte eine neue Kinohauptrolle, zu welcher sich Duchovny äußerte: “I think that it's a transition that will take me away from the X Files towards other roles“. Hierbei handelte es sich um keine geringere Rolle, als die von Dr. Ira Kane. Einem Universitätsprofessor, der sich über Nacht mit einer Invasion außerirdischen Lebens auseinanderzusetzen hat.

Nicht gerade eine 180-Grad-Kehrtwende für Duchovny, der hier lediglich eine Mischung aus Fox Mulder und Will Smiths Agent J aus der MIB-Reihe gibt. Die Rolle löste ihn nicht von seinem X Files-Image, sie transzendierte dieses lediglich in eine andere Umgebung. Duchovnys Romanze Return to Me von 2000 avancierte ebenfalls nicht gerade zum Knüller, spielte aber in den USA immerhin ihre Kosten wieder ein. Was man von dem Flop Evolution - nur dank des internationalen Einspiels konnte ein Verlust verhindert werden - nicht gerade behaupten konnte. Anschließend wurde es still um Duchovny, der hier und da mal in Nebenrollen kleinerer Filme wie Trust the Man, Full Frontal oder Things We Lost In the Fire auftauchte. Ehe er mit der Figur des Hank Moody in Californication wieder mehr Aufmerksamkeit und mit dieser seinen zweiten Golden Globe erhielt. Sodass sich Gertrude Steins berühmtes Zitat wohl tatsächlich auch hier wiederfindet: Ein Serienschauspieler ist ein Serienschauspieler ist ein Serienschauspieler.

Eine große Frage für Chris Carter war nun im siebten Jahr, um was es in The X Files noch gehen soll. Das Syndikat wurde in der Vorjahresfolge One Son zerschlagen, welchen Antrieb hat Special Agent Fox Mulder (David Duchovny) nun noch? Umso erstaunlicher, dass C.G.B. Spender (William B. Davies) dennoch im Staffelauftakt nichts unversucht lässt, um weiterhin auf scheinbar eigene Rechnung die Staatsgeheimnisse zu hüten. Die Planlosigkeit von Carter und Co. macht sind nun speziell in der Serienmythologie bemerkbar. Erlitt Mulder im Vorjahresfinale Genesis noch irgendeine neurologische Krankheit - scheinbar außerirdischer Natur -, so wird diese wie zu erwarten war, zu Beginn der siebten Staffel wieder bei Seite gewischt. Wo The Sixth Exinction noch überzeugen kann, verkommt der Trilogie-Abschluss The Sixth Extinction II: Amor Fati neben der neunten Folge Signs and Wonders zu den schlechtesten Episoden der Seriengeschichte. Wie auch sonst alle Stärken des Vorjahres inzwischen zu Fehlen scheinen.

Wie Mulder überhaupt zu seiner extraterrestrischen neurologischen Anomalie kam, wird dabei genauso unter den Teppich gekehrt, wie seine scheinbare Heilung des schwarzen Öls aus der vierten Staffel. Besonders ironisch, wenn man bedenkt, welche Folgen das Öl auf andere Menschen in Staffel Sechs und im Kinofilm hatte. Dass die Macher in Amor Fati dann auch noch einen auf The Empire Strikes Back machen, indem sich der Raucher angeblich als Vater von Mulder outet, ist dabei nur der Gipfel der narrativen Fehlleitung. Ähnlich verhält es sich mit der mythologischen Mitte, die in der Form von Sein und Zeit sowie Closure die Frage nach Samantha Mulder beantwortet. Mulders kleiner Schwester, die angeblich als Kind von Außerirdischen entführt, anschließend mal für tot erklärt wurde und mal nicht, während Mulder sie kontinuierlich suchte. Da man nicht wusste, ob es zu einer achten Staffel kommen würde, wollten Carter und Co. zumindest diesen Handlungsstrang zu Ende führen. Mehr schlecht als recht.

Planlos überhastet stürzen sich die Autoren in die Doppelfolge, in der ein Kindesentführer mit dem Suizid von Mulders Mutter und der Auflösung zum Verschwinden seiner Schwester in einen Topf geschmissen wird. Was die Autoren dabei vergaßen: nach sieben Jahren ist einem das Schicksal von Samantha Mulder vollkommen egal geworden. Egal ob von Aliens entführt oder nicht, es war stets klar, dass es kein Happy End für Mulder und Samantha geben würde. Das Positive an Closure war zumindest, dass der Drops „Samantha“ nun endlich gelutscht war. Ansonsten merkte man wohl selbst, dass sich aus der Mythologie kaum noch Neues erzählen lässt, nun da es kein Syndikat mehr gibt. Dementsprechend halten sich auch Auftritte von Lauren Holdens Marita Covarrubias und Nicholas Leas Alex Krycek rar, die beide im dafür gefälligen Staffelfinale Requiem im Team auftreten dürfen. Die Reintegration der Beiden scheint jedoch genauso planlos, wie auch das Schicksal von Davies’ Figur und Mimi Rogers’ Gastrolle der Diana Fowley dieses Jahr verlief.

Im Gegensatz zu den beiden letzten Staffeln wollen aber auch die monster-of-the-week-Episoden nicht vollends überzeugen. Im siebten Jahr erwarten Mulder und seine Kollegin Special Agent Dana Scully (Gillian Anderson) in Millennium Zombies, in Orison die Rückkehr von Donald Pfaster - seine Rückkehr nach Irresistible aus der zweiten Staffel und insgesamt die dritte Rückkehr eines Antagonisten innerhalb der Serie -, in Signs and Wonders eine Gruppe ophiophiler Sektierer oder in X-Cops eine sich bei Vollmond manifestierende Angst. Das ist nie wirklich enttäuschend, aber auch selten richtig gut. Folgen wie Hungry, Rush oder Chimera bewegen sich irgendwo zwischen Durchschnitt und Gut, während es dieses Mal keine besonders herausragenden Episoden für die Fans gibt. Lediglich First Person Shooter, die zweite von William Gibson geschriebene Folge, und Fight Club wollen zwischen den übrigen zwanzig Episoden herausragen. Weil sie Einiges besser machen, wo manch andere Folge nicht konsequent genug ist.

Zwar gibt es erneut einige stark humoristische Fälle, doch wollen nicht alle von ihnen so überzeugen wie Fight Club. Auch The Goldberg Variation oder Hollywood A.D. und Je Sonhaite haben ihre Momente, glänzen jedoch nur bedingt. Es darf also konstatiert werden, dass sich nach sieben Jahren X-Akten allmählich Müdigkeit einstellt. Bedauerlich, dass in einem derartigen Fall dann eine Folge wie Hollywood A.D., in der ein Film über Mulder und Scully entsteht - Letztere wird ironischerweise von Duchovnys Frau, Téa Leoni, dargestellt -, nicht ihr Potential ausschöpfen kann, sondern sich in einigen oberflächlichen Anspielungen verliert. Die von Duchovny geschriebene und inszenierte Folge ist somit nicht wirklich wie sein erster Ausflug, The Unnatural, gelungen. Auch Gillian Andersons Drehbuch- und Regiedebüt all things gefällt nur bedingt, weiß aber immerhin mit einem lesbischen Pärchen auf dem Fernsehsender Fox aufzuwarten. Interessant auch: erneut nötigt Mulder seine Partnerin in all things an einem Samstag ins Büro.

Ähnlich wie der Humor und narrative Stärken nehmen auch die Anspielungen auf romantische Gefühle zwischen Mulder und Scully ab, was umso unverständlicher ist, bedenkt man Scullys Geständnis ihrer Schwangerschaft in Requiem. Abgesehen von interpretierbaren Anmerkungen („You are my constant“, The Sixth Extinction II: Amor Fati), sowie ein paar Anspielungen (all things) wartet nur Requiem mit etwas körperlicher Nähe und Millennium mit einem Kuss in der Silvesternacht auf. Dabei war vielen Fans - wenn nicht den Meisten - ohnehin klar, wie die beiden FBI-Agenten inzwischen zueinander stehen, weshalb das um den heißen Brei reden allmählich leicht kindische Züge erhält. Bei den Gaststars gibt es auch nur wenige große Namen zu verzeichnen. Neben Rückkehrer Nick Chinlund präsentieren sich auch Tobin Bell, Krista Allen, Lance Henriksen, Mark Pellegrino und Gary Shandling neben der bereits erwähnten Téa Leoni, die aufgrund von Deep Impact damals wohl den bekanntesten Namen darstellte.

Betrachtet man The X Files als Ganzes und die siebte Staffel im Speziellen, war es vermutlich nur konsequent, dass Mulder in Requiem nun endlich selbst von Außerirdischen entführt wird. Schließlich sind diese inzwischen das Einzige, was Carters Serie in mythologischer Hinsicht noch zu erzählen hat. Im Gegensatz zu Wein, der mit den Jahren reift, bekommt es der Entwicklung von Serienfiguren nicht, Jahr aus Jahr ein in dasselbe monotone Schicksal gezwängt zu werden, welches das Publikum von ihnen erwartet. Auch in Serien wie Scrubs oder Dawson’s Creek scheinen die Charaktere zu einem gewissen Zeitpunkt ihrer Umgebung entwachsen zu sein. Ähnlich in The X Files, wo der Raucher schon lange keine wirkliche Bedrohung mehr darstellen will oder kann und die Integration von Covarrubias und Krycek immer gezwungener erscheint. Die Serie verliert also nach den aufsteigenden Staffeln Fünf und Sechs an Kraft und bricht leider wieder auf das Niveau des dritten Jahres ein. Inzwischen beginnt eine würdevolle Verabschiedung.

7.5/10

13. Juli 2010

Extract

Ein Blick auf die Vita von Mike Judge verrät: er kann kein Schlechter sein. Vater der legendären Slacker Beavis & Butt-Head, sowie verantwortlich für den amerikanischen Kult-Büro-Film Office Space sowie die gelungene Bildungsabrechnung mit seinem eigenen Land, Idiocracy. Umso unbeeindruckender sah vor einiger Zeit der Trailer zu Extract, Judges Neuem aus. Desto verständlicher ist, dass der Film es in Deutschland nun nicht in die Kinos, sondern direkt auf DVD schafft. Denn Judge weiß weder mit interessanten Figuren aufzuwarten, noch mit dem Ansatz einer Geschichte. Ausführlicher findet sich das Ganze beim Manifest.

5/10

10. Juli 2010

Predators

It’s a trap!

”Certainly there is no hunting like the hunting of man and those who have hunted armed men long enough and liked it, never really care for anything else thereafter”, schrieb Ernest Hemingway in seiner Kurzgeschichte On the Blue Water, die 1936 im Esquire erschien. Ein Zitat, dass es in Robert Rodriguez’ Fortsetzung Predators geschafft hat, dem dritten Film über eine außerirdische Rasse von (Menschen-)Jägern. Vor über zwanzig Jahren wurde mit dem Predator ein Exemplar dieser Rasse auf den über-Mensch an sich, Arnold Schwarzenegger, losgelassen. Seither genießt der Predator Kultstatus neben seinem älteren Bruder, dem Alien. Einer der Gründe, weshalb beide Figuren anschließend aufeinander losgelassen wurden und es damit zuletzt auch zu zwei Kinofilmen brachten. Ein Unterfangen, dass beiden Wesen mehr Schande als Ruhm einbringen wollte, weshalb sich ihre Anhänger - auf der einen Seite Ridley Scott, auf der anderen Seite Robert Rodriguez - nun mit individuellen Se- oder Prequels anschicken, ihre Ehre wieder herzustellen.

Die Geschichte von Rodriguez und Predators ist eine Längere, typisch Hollywood und wie viele andere solcher Geschichten fast ihren eigenen Film wert. Vor sechzehn Jahren sollte der Mexikaner bereits das Drehbuch für einen dritten Teil schreiben, das Projekt verlief sich dann im Sande - typisch Hollywood eben. Was lange währt, wird also endlich gut. Rodriguez durfte das Drehbuch schreiben, den Film in seinen eigenen Troublemaker Studios produzieren und ein illustres Ensemble engagieren, angeführt vom Oscarpreisträger Adrien Brody. Die Regie übernahm Nimród Antal, ein ebenfalls erklärter Fan des ersten Teils und inzwischen etablierter Retro-Regisseur in der Traumfabrik. Nach dem Old-School-Horror-Thriller Vacancy und dem Old-School-Actioner Armored nun also sein Sequel zu einem Klassiker aus den Achtzigern. Was jedoch bereits in seinen vergangenen Filmen lediglich im Ansatz gelang, vermag ihm auch in Predators nicht vollends zu gelingen. Schuld hieran trifft jedoch auch Rodriguez’ überladenes Drehbuch.

Dabei ist die Prämisse des Filmes viel versprechend, auch wenn der Einstieg aufgrund seiner schlechten digitalen Effekte (vielleicht, weil Rodriguez sie selbst überwachte?) nur bedingt gefällt. Eine Gruppe von militärisch geschultem Personal landet in einer Dschungellandschaft. Wie sind sie hierhergekommen? Und zu welchem Zweck? Ein beliebtes Schema, zuletzt eher mittelmäßig in Unknown umgesetzt, überzeugender dagegen 1997 im Indie-Hit Cube. Da gibt es den RUF-Kämpfer aus Sierra Leone, der nach einer Stadt in Kenia benannt ist (Mahershalalhashbaz Ali), einen russischen Soldaten, der passender Weise auf den Namen Nikolai hört (Oleg Taktarov), einen mexikanischen Kartell-Vollstrecker, der „Chuchillo“ (dt. Messer) heißt, aber mit zwei Wummen rum rennt (Danny Trejo), einen japanischen Yakuza namens Hanzo (Louis Ozawa Changchien) und dann schließlich noch drei Figuren, mit verhältnismäßig normalen Namen: US-Serienkiller Stans (Walton Goggins), die israelische Scharfschützin Isabelle (Alice Braga) und Söldner Royce (Adrien Brody).

Die glorreichen Sieben, zu denen sich mit dem Arzt Edwin (Topher Grace) ein unscheinbarer Achter dazugesellt, der relativ früh veranschaulicht, wie unausgegoren Rodriguez’ Drehbuch ausgefallen ist. Zwischen all den geschulten Killern, auf ihre Art und Weise von Bragas Figur im Film selbst als Predators ausgemacht, platzieren die außerirdischen Menschenjäger nun also einen Hänfling. Dessen Anwesenheit wird nicht einmal dann von den anderen Figuren hinterfragt, als diese bereits Sinn und Zweck ihrer Anwesenheit ausgemacht haben (“This planet is a game reserve. And we're the game“). Dementsprechend hat Edwin natürlich eine eigene Geschichte und ist - zumindest bis diese erzählt ist - quasi für die Predators unantastbar. Was Jagdszenen auf ihn dementsprechend die Luft aus den Segeln nimmt. Robert Rodriguez’ Bohai um Edwins Hintergrund ist erschreckend naiv, lässt seine Anwesenheit inmitten der Anderen doch nur einen wirklichen Schluss zu, der sich schließlich natürlich auch bewahrheitet.

Eine primäre Funktion erfüllt Edwin also eher als Identifikationsfigur, als Normalo unter lauter „Wilden“, der durch einige schiefe Blicke und manches „Fuck!“ den Zuschauer im Geschehen ersetzen soll. Es ist dabei weniger Edwins Anwesenheit, die stört, als vielmehr jenes fehl platzierte Bohai seines Schöpfers. Bei einer anderen Figur lässt sich dies noch nicht einmal sagen. Laurence Fishburne, von Antal aus dessen Armored ins Boot geholt, gibt mit seinem Noland eine 1.0-Variante der restlichen Charaktere. Einen Veteran im Kampf gegen die Predators, seit zehn (Jagd-)Saisons auf dem Planeten - auch wenn dies, man erfährt es zum Schluss, nicht viel heißen muss. Eine vielleicht nicht nutzlose, aber doch verschenkte Figur, die wenig interessantes beizutragen hat - Bragas Charakter liefert die essentiellen Hintergrund-Fakten - und somit eigentlich ihre Daseinsberechtigung verwirkt. Umso erschreckender, dass Rodriguez über ein Noland-Prequel zum Sequel nachdenkt.

In weitere Hinsicht folgt der neue Predator-Teil den Vorgaben anderer Drittteiler wie Joe Johnstons Jurassic Park III. Hier bedarf es einer neuen Rasse beziehungsweise eines anderen Stammes von Predators, was hinsichtlich der Tatsache, dass sie mit derselben Technik jagen und ohnehin ihre Gesichter hinter Masken verbergen, wenig Sinn ergeben will (selbst der „Plottwist“ - bewusst in Anführungszeichen gesetzt - entschuldigt dies nicht). Hinzu kommen Predator-Hunde und Predator-Falken, die jedoch wie Fishburne oder Trejo kaum Etablierung ins Geschehen erfahren und rasch zu den Akten gelegt werden. Der strukturelle Aufbau von Predators wirkt so bisweilen reichlich gehetzt (im Einzelnen wie Ganzen). In Anbetracht der Tatsache, dass sieben ausgebildete Killer plötzlich nicht nur auf Jemanden, sondern auf Fremde angewiesen sind, spart Rodriguez jegliches Konfliktpotential aus (konträr dazu werden Stans und Mombasa mittels eines Kampfes eingeführt, dessen Ursache der Zuschauer nie erfährt).

Kurzum: der Film hätte besser sein können, schon allein durch Verzicht auf die Figuren von Noland und Edwin. Ansonsten ist Predators jedoch ganz nett ausgefallen. Nicht überragend, nicht im Gedächtnis bleibend, aber auch kein sonderliches Ärgernis. Rodriguez baut einige nette Verweise ein, beispielsweise darf Fishburne Apocalypse Now zitieren und auch The Empire Strikes Back erfährt eine amüsante Referenz. Das Ensemble wiederum erscheint gelungen besetzt, von Taktarov über Trejo bis hin zu Braga und Oscarpreisträger Brody, der eine glaubhafte Transformation zum Actionhelden erfährt. Weniger gelungen sind die Effekte von Señor Rodriguez ausgefallen, auch Antals Musikwahl im Abspann wirkt ziemlich befremdlich. Grundsätzlich hat jedoch die Prämisse des Filmes Potential. Weshalb die Möglichkeit bestünde, dieses in einer weiteren Fortsetzung (und bitte kein Noland-Prequel) entsprechend auszuschöpfen. Denn die Ehre von Predator ist hiermit noch lange nicht wiederhergestellt.

6/10 - erschienen bei Wicked-Vision

7. Juli 2010

Breaking Bad - Season Three

There’s no honour among thieves. Except us… of course.

In seinem Werk Jenseits von Gut und Böse schrieb Friedrich Nietzsche als Aphorismus 146 einst die unsterblichen Worte: „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein“. Ein Zitat, wie es sich auch auf die dritte Staffel von Vince Gilligans Drama-Serie Breaking Bad münzen ließe. Die Geschichte vom Krebskranken Chemielehrer Walter White, der zur finanziellen Absicherung seiner Familie beginnt, Meth zu kochen, brachte nicht nur Gilligan Ruhm und Ehre, sondern auch der Show selbst, die nächsten Sommer in ihr viertes Jahr gehen wird, eine etablierte Stellung im TV-Geschäft. Im Gegensatz zu anderen Serien wie Chuck oder True Blood gelang es Breaking Bad jedoch nicht, sich im dritten Jahr zu steigern. Zu unsympathisch sind die Figuren, zu problematisch das ausufernde Konzept wie man es von Kabel-TV-Serien gewohnt ist.

Der Krebs ist besiegt, die Tochter ist da. Dennoch könnte Walter Whites (Bryan Cranston) Leben nicht miserabler aussehen. Ehefrau Skylar (Anna Gunn) ist hinter seine Lügen gekommen, hat der erschreckenden Wahrheit ins Gesicht geblickt. Trennung ist angesagt, die Scheidung steht bevor, Skylar selbst hüpft bereits mit ihrem Chef ins Bett. In seinem größten Sieg lag Walters größte Niederlage. Hinzu kommt ein Zerwürfnis mit seinem Protege, Partner und Ex-Schüler Jesse Pinkman (Aaron Paul), dass die beiden Männer entzweit. Nach einem lukrativen Angebot von Kartell-Filialleiter Gus (Giancarlo Esposito) entschließt sich Walter, zur weiteren finanziellen Absicherung seiner beiden Kinder seine Drogenkarriere fortzuführen. Doch die Aktivitäten von Walters Alter Ego „Heisenberg“ erregen erneut die Aufmerksamkeit von Walters Schwager Hank (Dean Norris), sowie jenseits der mexikanischen Grenze bei verwandten Auftragskillern von Tuco, die für das Verscheiden des Cousins Walter verantwortlich machen und nach Rache dürsten.

Das neue Konzept von Breaking Bad ist weder originell noch überraschend, vielmehr eine der vielen Ausfahrten, die sich nehmen ließ, um mal einen anderen Stadtteil zu sehen. In der vorherigen zweiten Staffel wurde kritisiert, dass „einige Subplots derart gedehnt [werden], dass sie sich oft verlieren“. Ein klassisches Problem der überlangen Kabel-TV-Serien, die oft die 40-Minuten-Laufzeit der Kabelserien überschreiten. Auch in Breaking Bad werden kleinste Nebenhandlungen aufs Äußerste ausgedehnt. Das getrennte Leben von Walter und Skylar ist bereits nach zwei Episoden ausufernd erzählt, wird jedoch weiterhin in auswälzender Form breitgetreten. Ähnlich verhält es sich mit dem Streit zwischen Walter und Jesse oder den Rachegelüsten von Tucos Cousins. Wie sehr Gilligan die kleinsten Aspekte zu strecken bereit ist, verdeutlicht die Folge Fly sehr gut, die im Grunde überhaupt keinen Inhalt hat, dies allerdings fast fünfzig Minuten vorzugeben versucht, natürlich scheitern muss und die schlechteste Folge der Staffel darstellt.

„I can’t be the bad guy”, sagt Walter relative früh in der dritten Staffel. Er ist ein ehrbarer Bürger, der nur das Gesetz übertritt, um seine Familie zu versorgen. Aber „wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird“. Dieser konsequente Schritt, der bereits im letzten Drittel der zweiten Staffel angedeutet wurde, als Walter seinen Status immer mehr zu genießen begann, wird leider nicht fortgeführt. Erst zum furiosen Finale der Staffel, das wie im Falle der ersten Staffel (die „nach hinten raus dann noch einigen Boden gutmachen“ konnte) der Serie den Arsch rettet, bringt Gilligan seinen Protagonisten einen Schritt weiter (zumindest in dramatischer Sicht). Es sind die letzten drei Folgen, die das gemächliche Galopp der Serie durchbrechen, endlich mal das Tempo anziehen und dadurch Schlag auf Schlag erzählen und somit Spannung erzeugen. Etwas, das vielen Folgen zuvor nicht gelang. Daher finden sich die besten Episoden in den finalen Episoden Half Measures und Full Measure, die (endlich) die Karten neu mischen.

Allerdings vermag auch das Finale nicht zu kaschieren, dass Breaking Bad im dritten Jahr abbaut. Eine Tendenz, die hätte verhindert werden können, hätte Gilligan seine Figuren nicht stagnieren lassen, wie es David Chase in The Sopranos tat. Der Charakterschritt von Walter war überfällig, so wie es auch Hanks Ermittlungen gegen Heisenberg sind, die wie bereits im Vorjahr erneut auf später verschoben werden (dabei zeigte doch die zweite Staffel von Dexter, wie viel Potential sich in einem derartigen Konzept verbirgt). So ist Gilligans Serie inzwischen recht nervig geraten, wenn Jesse Walter immer noch mit „Mr. White“ annölt und vermeintliche Identifikationsfiguren wie Walter, Skylar und Jesse weniger Sympathien erwecken als die heimlichen „Stars“: der skrupellose „Mr. Wolf“-Verschnitt Mike (Jonathan Banks) oder der schmierige Winkeladvokat Saul (Bob Odenkirk). Wenn Breaking Bad also wieder etwas Land gewinnen will, sollte Gilligan im Juli 2011 beginnen, seine Figuren weiterzuentwickeln. Ansonsten verschwindet seine Serie bald ganz im Abgrund.

7/10

4. Juli 2010

Clerks II

You never go ass to mouth!

Man kann es drehen und wenden wie man will, aber dass sich Kevin Smith nach zwölf Jahren zurück zu seinen Wurzeln orientierte, hängt unweigerlich mit dem Kritiker-Fiasko zum Vorgängerfilm Jersey Girl zusammen. Während die Öffentlichkeit es so wahrnahm, dass Smith sich auf eine Geschichte besinnen wollte, die er tatsächlich im Stande war zu erzählen, erklärte der New Jerseyer, dass er statt mit Stars lieber wieder primär mit seinen Freunden arbeiten wollte. Die Aussage ist schon allein deswegen etwas in Zweifel zu ziehen, da Jersey Girl mit Ben Affleck und George Carlin ebenfalls Freunde des Regisseurs besetzte und sein Nachfolger Zack and Miri Make a Porno mit Seth Rogen und Elizabeth Banks kaum „persönlicher“ gewesen sein konnte, als hier nun Clerks II. Von Smiths erstem Studiofilm Cop Out (hier immerhin Jason Lee und Seann William Scott) ganz zu schweigen.

Die (unberechtigte) Kritik an Jersey Girl hatte dem dicklichen Auteur fraglos zugesetzt. Da traf es sich gut, dass er bereits im Abspann von Dogma angekündigt hatte, dass es eine Fortsetzung zu seinem Debütfilm Clerks. geben würde. Weg also von den teuren Produktionen voller Stars (Jay & Silent Bob Strike Back kostete 20, Jersey Girl 35 Millionen US-Dollar) und zurück zum Filmen vor Ort mit altbekannten Gesichtern. Dennoch lagen die Kosten für Clerks II bei einem Budget von fünf Millionen Dollar fast zweihundert Mal so hoch, wie zwölf Jahre zuvor für Smiths Debütfilm, was eine Nostalgiestimmung unwahrscheinlich gemacht haben dürfte. Um nicht in alte Muster zu fallen, lässt Smith zu Beginn des Filmes den Quick Stop abbrennen, weshalb sich ein Arbeitsplatz- und damit auch Umweltwechsel für die beiden Hauptprotagonisten anschickt.

Und was trifft sich da besser, als Mooby’s, die eigene fiktive Fast-Food-Kette des Askewniverse. Grundsätzlich geändert hat sich dennoch nicht viel. Randal (Jeff Anderson) ist immer noch der vorlaute, Kunden vergraulende Mitarbeiter der er immer war und vor dem Laden lungern weiterhin Jay (Jason Mewes) und Silent Bob (Kevin Smith) herum - wenn auch inzwischen clean. Die Parallelen ziehen sich auch in Dantes (Brian O’Halloran) Leben, der sich erneut zwischen zwei Frauen sieht, was neben dem Publikum auch Randal verwundert („You're the most hideous fucking chud I've ever met, and you always have a pair of girls fighting over you“). Immerhin variiert Smith das Szenario, indem er Dante sich diesmal gegen die aktuelle Freundin und für das frühere Sexabenteuer entscheiden lässt. Auch wenn seine Entscheidung erneut zugunsten der charakterlich positiveren Dame ausfällt.

Im Gegensatz zu Clerks. versucht sich die Fortsetzung nun darin, eine zusammenhängende Geschichte zu präsentieren, die nicht durch willkürliche Episoden ständig unterbrochen wird. Zwar müssen sich Dante und Randal (erneut) mit aufgeregten Kunden oder einem ehemaligen Klassenkameraden (Jason Lee) auseinandersetzen, doch grundsätzlich verfolgt der Film die Dreiecksbeziehung zwischen Dante, seiner Verlobten Emma (Jennifer Schwalbach-Smith) und seiner Vorgesetzen Becky (Rosario Dawson). Während Randal für diese Konstellation nur gelegentlich eine präsente Rolle spielt, platziert ihn Smith ansonsten neben seinen neuen „Sidekick“ Elias (Trevor Fehrman) - einen christlichen Nerd, extremsten Lord of the Rings-Fanatiker und weiteren Mitarbeiter (bzw. Mitarbeiter des Monats) in der Fast-Food-Restaurant-Kette von Mooby’s.

Mochte man beim Vorgänger noch kritisieren, dass er eine wilde Ansammlung von kleinen, zusammenhangslosen Szenen darstellte, fällt die Kritik zur Fortsetzung nun dahingehend aus, dass versucht wird eine stringente Geschichte zu erzählen. In Verbindung mit dem Geist des Vorgängers gelingt dies nur mittelprächtig. Schon allein die Einführung von Jay und Silent Bob will nicht so recht gefallen und mit seiner Tanzeinlage hat sich Smith alles andere als einen Gefallen getan. Vieles wirkt wenig stimmig, sei es die plötzliche Butch Cassidy & the Sundance Kid-Hommage oder die Übernahme von Smiths Lord of the Rings-Anekdote aus An Evening With Kevin Smith 2: Evening Harder. Was man an inhaltlichen oder inszenatorischen Schwächen seinem Debütfilm noch verzieh, will man nun, zwölf Jahre später, nicht mehr gelten lassen.

Löblich, wenn Smith versucht sich selbst zu zitieren, doch wenn er seinen beiden nutzlosen Szenen wie den Ausflügen außerhalb des Ladens (einmal im Auto/Go-Kart, einmal aufs Dach) ein Echo schenkt, macht er letztlich nur erneut denselben Fehler. Viele der Spiegelungen sind weniger gelungen, zum Beispiel die direkte Filmreferenz (The Empire Strikes Back vs. The Return of the Jedi/Lord of the Rings vs. Star Wars) oder die Probleme Dantes mit seiner Freundin. Dafür versucht Clerks II zu sehr auf der einen Seite nicht so zu sein, wie Clerks. und auf der anderen Seite den Vorgänger unentwegt zu zitieren. Analog kann man hierzu Jay und Silent Bob lesen, die zwar zugleich das repräsentieren wollen, was sie früher waren, ohne aber identisch mit ihren vergangenen Persönlichkeiten sein zu wollen. Abgesehen von ihrer The Silence of the Lambs-Hommage tragen sie auch nicht sonderlich viel zum Film bei (im Vergleich zu den anderen Askewniverse Filmen seit Clerks.).

Dennoch weiß Smith auch hier mit einigen brillanten Einfällen aufzuwarten. Sei es zum einen Randals gesamter „porch monkey“-Plot („It’s cool, I'm taking it back“) oder aber insbesondere die Pussy-Troll-Szene zwischen Randal und Elias. Somit ist wie schon im ersten Teil Randal die Figur, die den Film zusammenhält. Allerdings sind jedoch die schauspielerischen Leistungen weitaus gefälliger als vor zwölf Jahren. Anderson und O’Halloran können nun ihre Dialoge in einem ruhigeren Tempo führen und Ergänzungen wie Fehrman und Dawson machen sich sowohl inhaltlich als auch schauspielerisch bezahlbar. Enttäuschend ist aufgrund seiner debilen Grimassen eigentlich nur Smith selbst, was sogar seine Frau - die er scheinbar nun in jedem seiner Filme besetzen muss - erträglich macht.

Im Nachhinein ist Clerks II daher eine kleine Enttäuschung, kann der Film doch weder als eigenständiger Film noch als Fortsetzung zum Vorgänger überzeugen. Dass Smith gerade noch so die Kurve kriegt verdankt er auch seinem Ende, dass zum ersten Mal wirklich Nostalgie zu erzeugen vermag, wenn Randal und Dante wieder im Quick Stop stehen, die Farbe ins Schwarz-Weiß übergeht, Walter Flanagan Zigaretten kauft und Smiths Mutter vor dem Kühlregal kniet, um das Haltbarkeitsdatum der Milchgallonen zu überprüfen. Nett war es, mal wieder vorbeigeschaut zu haben. Auch wenn das meiste nicht so war, wie man es in Erinnerung hatte. Immerhin schien es sich Smith mit Clerks II nun wieder bewiesen zu haben - wenn auch nur sich selbst gegenüber.

5.5/10

1. Juli 2010

1 Movie 1 Definition: Invictus

INSPIRATION/ɪnspɪˈreɪʃ(ə)n/n.: [mass noun] the process of being mentally stimulated to do or feel something, especially to do something creative: the quality of being inspired: [count noun] a person or thing that inspires: divine influence, especially that supposed to have led to the writing of the Bible. Also: a sudden brilliant or timely idea. Also: [mass noun] the drawing in of breath: inhalation.

OXFORD DICTIONARY
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