31. August 2008

Fast Times at Ridgemont High

If I’m here and you’re here… doesn’t that make it our time?

Viele High-School-Filme sind von Natur aus Coming-of-Age-Geschichten, drehen sie sich doch um pubertierende Jugendliche. Diese stecken in einer Phase, in der sie beginnen, sich für einen eigenen Lebensweg zu entscheiden. Eine Phase, die oft bestimmt ist von Rebellion, gegen das (Schul-)System oder Ratschlägen von Erwachsenen. Rückblickend denkt man im späteren Alter oft beschämt über sein jugendliches Pendant, etwaige Autoritätsprobleme und falsche sexuelle Entscheidungen. Doch meist sind diese Momente, die man später bereut, auch jene, über die man im Nachhinein amüsiert resümiert. Wirklich weiter kommt man im Leben nur, wenn man aus seinen Fehlern lernt. Wer hinfällt, soll aufstehen und weitermachen. Ein uramerikanisches Motto, das Einzug in eine Vielfalt von Filmen gefunden hat. Unter anderem Cameron Crowes Jerry Maguire.

Eben jener Cameron Crowe hatte selbst nie die High School beendet, sondern wurde mit 16 Jahren Autor für das Rolling Stone Magazin. Hierzu begleitete er The Allman Brother’s Band auf ihrer Tournee, ein Erlebnis, das später die Vorlage für Almost Famous bilden und ihm selbst einen Oscar für sein Drehbuch einbringen sollte. Nachdem er vier Jahre für das renommierte Magazin schrieb, entschied er sich mit 20, einen Wechsel vorzunehmen. Das Magazin zog von der Ost- an die Westküste und Crowe entschied sich stattdessen dafür, ein Buch zu schreiben. Dieses sollte sich mit Jugendlichen beschäftigen, ihrem coming of age. Daher schrieb sich Crowe an einer High School ein und besuchte den Abschlussjahrgang. Seine Erfahrungen fanden Einzug in das Buch Fast Times at Ridgemont High: A True Story, welches 1982 mit ziemlich unbekannten Darstellern verfilmt werden sollte.

Mit Fast Times at Ridgemont High würde Crowe nicht nur sein Debüt als Drehbuchautor feiern, sondern auch die Regisseurin Amy Heckerling. Letztlich begründete der Film die Karrieren von einigen Beteiligten. Etwas mehr als vier Millionen Dollar machte Universal als Budget locker, ließ viele Einstellungen letztlich zu Gunsten einer Jugendfreigabe schneiden. Hinterher spielte Fast Times knapp das Achtfache seiner Kosten ein, erreichte in den USA Kultstatus. Die Gründe hierfür finden sich zum Großteil bei einer einzelnen Figur, aber sicher auch seinem Ensemble, das rückblickend gesehen aus namhaften Akteuren bestand. Drei Oscarpreisträger der Kategorie „Bester Hauptdarsteller“ tummeln sich hier, einer von ihnen würde sich mit seiner Rolle im Bewusstsein der damaligen Generation verewigen.

Dabei unterscheidet den Film in seiner Grundstruktur nicht viel von anderen High-School-Komödien. Crowes Drehbuch bietet überhebliche, attraktive und frühreife Mädchen, Football-Stars, denen die Ehrfurcht der übrigen Schüler gebührt, Nerds, Slacker und kiffende Skate- und Surffanatiker. Überstrenge Lehrer, minderjährigen Sex, einige nackte Haut und natürlich: Kaufhäuser. Dieses Schema kennt man so oder ähnlich von anderen Genrevertretern wie Mallrats und meist richtet sich der Blickwinkel auf die Unterdrückten und deren Sicht der Dinge. Von diesem Schema weicht Heckerling ab, erzählt sie ihre Geschichte doch nicht aus der Sicht einer einzelnen Person. Vielmehr ist es ein Ensemblefilm, der sich mit sechs Charakteren und Nebenfiguren befasst, weshalb er nicht unbedingt eine stringente Geschichte erzählt.

Dass Fast Times at Ridgemont High so gut funktioniert, verdankt sich der Kultfigur Jeff Spicoli, dargestellt von dem damals 22-jährigen Sean Penn in seiner zweiten Filmrolle. Als kiffender Surfer brilliert Penn mit leerem Blick, Rollkragenpullover und einer durch und durch inadäquaten Haltung gegenüber Autoritäten. Sei es seine Affinität zur freien Brust im lokalen Burger-Laden oder der Clou, eine Pizza in seinen Geschichtsunterricht zu bestellen. Ohne Frage dürfte Spicoli der Leim sein, der Fast Times at Ridgemont High zusammenhält, eine Kultfigur, der sich Penn auch 20 Jahre später nicht schämt. Nicht weniger zum Kult wurde der Nacktauftritt der damals 19-jährigen Phoebe Cates. Viele Videobänder des Films sollten ab der betreffenden Stelle hinterher starke Gebrauchsspuren aufweisen, heißt es.

Auch Jennifer Jason Leigh zeigte reichlich nackte Haut, war in filmischer Hinsicht jedoch weitaus erfahrener als andere am Set. Für ihr Engagement sagte sie eigens die Hauptrolle in An Officer and a Gentleman ab. In einer Nebenrolle sieht man zudem Forest Whitaker als Football-As Charles Jefferson, in drei Kurzauftritten lässt sich auch Nicolas Coppola bewundern. Coppola sollte unter dem Namen „Cage“ nach einer Dekade und ein paar Jährchen ebenso den Oscar gewinnen, wie sein Kollege Whitaker. Der Grund für seine kaum bemerkbaren Auftritte findet sich in seinem damaligen jungen Alter von 17 Jahren, was ihm verwehrte, zu viele Stunden an einem Filmset zu arbeiten. In weiteren Nebenrollen trifft man zudem auf Eric Stoltz, Anthony Edwards und Judge Reinhold. Allerlei bekannte Gesichter also.

Getragen wird der Film aber von Penns Spicoli, vor allem der Beziehung zu seinem Lehrer Mr. Hand (“You dick!”). In seiner Konklusion offenbart sich die Geschichte der beiden als grandios. Am Abend des Abschlussballes klopft Mr. Hand an Spicolis Tür und fordert von ihm die acht Stunden Aufmerksamkeit ein, die der ihm im Unterricht verwehrte. Eine vieler phantastischer Szenen, die über manch schwächere Periode hinweg trösten. Und wenn Spicoli meint, den Totalschaden an Jeffersons Auto mit Fernsehreparaturwerkzeug seines Vaters übertünchen zu können, ist das nicht weniger amüsant. Für die Ewigkeit ist jedoch die berühmte Entblößung von Phoebe Cates, nicht nur wegen ihrer nackten Brüste, sondern auch dank der phänomenalen Unterlegung dieser Traumsequenz mit „Moving in Stereo“ von The Cars.

Ohnehin war der Film-Soundtrack ein riesiger Erfolg – nicht zu Unrecht. Die Musikauswahl von Heckerling begeistert, finden sich im Film schließlich auch Tom Pettys „American Girl“ und andere exzellente Lieder. Die Stimmung, die Heckerling in ihrem Debüt erzeugt, vermag die Stärken dieses spezifischen Genres gelungen hervorzurufen. Die zentrale Anlaufstelle aller Teenager, das Einkaufszentrum, kommt ebenso wenig zu kurz wie der heilige Ort des Football-Feldes. Da die Figuren und Aktionen auf den tatsächlichen Erfahrungen Crowes an der Clairemont High School basieren, scheint das Bild US-amerikanischer Jugendlicher im Allgemeinen als auch im Speziellen authentisch zu sein. Dadurch stellt sich für den Zuschauer sogleich eine weitaus größere Identifikation und Sympathie mit den Figuren ein.

Bei all dem debilen Spaß, den Crowe um Spicoli inszeniert, kommen auch die Coming-of-Age-Aspekte nicht zu kurz. Die gelungene Szene zwischen Spicoli und Mr. Hand in ihrer nächtlichen Lern-Session wurde bereits angesprochen. Sie offenbart, dass auch in der „dümmsten“ Birne sehr viel stecken kann. Nach all den Demütigungen, die Hand Spicoli erfahren ließ, kommt ihre Beziehung schließlich zu einem guten Ende. Obschon in der Kinofassung beschnitten, ruft Crowe auch das Thema minderjähriger Schwangerschaften ins Gedächtnis. Eine überstürzte Aktion sorgt für Staceys (Jennifer Jason Leighs) Schwangerschaft, die zur Abtreibung führt. Welche Folgen das für ihr Leben hat – nach dem Motto „aus Fehlern lernen“ – sieht man zum Schluss.

Leider offenbart der Film keine direkte Konfrontation zwischen Stacey und Kindsvater Mike, nachdem dieser sie bei ihrer Abtreibung versetzt hatte. Lediglich ein Rachefeldzug durch Linda (Phoebe Cates) erwartet ihn. Auch das Kitten der Freundschaft zwischen ihm und Rat wirkt überraschend und aus dem Nichts gegriffen. Hier wird Heckerlings Film nicht unbedingt dem gesamten Schuljahr gerecht. Trotz allem spielt Fast Times at Ridgemont High gekonnt mit der jugendlichen Angst vor der eigenen Sexualität während der Pubertät und den ersten aufkeimenden Gefühlen, Notlügen und anderen Dingen, die das Leben an der Schule so speziell machen. Sicher eine der gelungensten Komödien der 80er, die ihrem Kultstatus gerecht wird.

9/10

29. August 2008

The Lion King

The monkey’s his uncle?

“Nants ingonyama bagithi Baba“, schallt es durch die Steppe, den Hintergrund füllt ein warmes Rot. Die Sonne geht auf, die Erde bebt, die afrikanische Tierwelt macht sich auf zum Pride Rock. Seien es Flamingos, Zebras, Elefanten, oder Käfer, sie alle kommen, ihren Tribut zu zollen. Ein Thronfolger ist geboren, der zukünftige König wird seinen designierten Untertanen präsentiert. Ein Zeremoniell, durchaus, doch es verbirgt sich mehr hinter dieser Szene. Niemand kontrolliert, wer erscheint und wer nicht. Die farbenfrohen Bilder beweisen, dass die Anwesenheit aller auf freien Stücken basiert. Es ist eine glückliche Zeit, vollkommen harmonisch. Der Mandrill markiert den kommenden König und zeigt ihm zum Abschluss des Festaktes sein auf ihn wartendes Reich. Es folgt ein harter Schnitt und würde man es nicht besser wissen, könnte man aufstehen und gehen.

Der Prolog von The Lion King, dem erfolgreichsten Zeichentrickfilm aller Zeiten, besticht durch seine Weite und Hans Zimmers Musik. Sein Echo wird den Film später ausleiten und Pro- wie Epilog unterstehen der großen Thematik des Filmes: dem Kreislauf des Lebens. Eine natürliche Ordnung, die gegenseitigen Respekt fordert. Löwen fressen Gazellen, doch wenn sie sterben, werden sie zu Gras und somit selbst von den Gazellen gefressen. Es ist eher ein philosophisches denn ein unabdingbar biologisches Beispiel, aber es steht für ein großes Ganzes und ein gemeinsames Miteinander. Dementsprechen lässt die Handlung keinen Raum für eine Auseinandersetzung von Jäger und Beute (wir sehen die Löwen nicht einmal Fleisch essen), genauso wie ein direkter Kontakt zwischen König Mufasa (James Earl Jones) und seinen Untertanen in der Steppe ausbleibt.

Diese Barriere des Königtums zur Unterschicht verschwimmen zu sehen und die Geschichte noch eine Spur ethischer zu gestalten, wäre vielleicht interessant gewesen. Für das was The Lion King sein möchte, ist es aber nicht von Nöten. Denn die Geburt des Thronfolgers führt zum Konflikt des Filmes. Nach Mufasa folgt in der Rangfolge sein Bruder Scar (Jeremy Irons) – doch das ändert sich durch die Geburt von Mufasas Sohn Simba (Jonathan Taylor Thomas). Der Unterschied zwischen Scar und seinem älteren Bruder ist evident: Ist Mufasa groß und stark gewachsen, mit glatter Mähne, so ist Scar hager und geduckt. Neben seiner verzottelten Haarpracht stechen insbesondere seine grünen Pupillen hervor und verleihen ihm etwas Diabolisches. Nie konnte der Jüngere aus dem Schatten des Bruders treten, die Rolle als Erbe schien ihm zu genügen.

Ob Scar seit jeher ein sadistischer Charakter gewesen ist, erfahren wir nicht, Disney zeichnet ihn zumindest ohne jeden menschlichen Zug. Nur auf den eigenen Vorteil bedacht und ohne Sympathien. Im zuvor erschienenen Aladdin pflegte Jafar immerhin ein freundschaftsartiges Verhältnis zu Iago. Da der Papagei wenig Nutzen für den Wesir hatte, kann man hier eine gewisse Affektion herauslesen. Dagegen ist Scar das personifizierte Böse, er hegt keinerlei Gefühle für die Verwandtschaft und ähnelt damit mehr an Ursula aus The Little Mermaid. Somit ist Scar das komplette Gegenteil von Mufasa: Ein narzisstischer Manipulator, der sein Fähnchen nach dem Wind ausrichtet. Obschon er das schwarze Schaf der Familie ist, legt Mufasa dennoch Wert auf Scars Anwesenheit beim Initiationsritus. Weniger aus Liebe, sondern weil es der Anstand gebot.

Für Scar kann es somit nur darum gehen, seine angestammte Position wieder zu erlangen. Hierfür muss er Simba ausschalten, ihn vom Königshof locken. Jugendliche Neugier und Abenteuerlust, dies sind die Ursachen, welche die Dramatik lostreten. Am Morgen noch schilderte Mufasa seinem Sohn die Weite des Reiches. “Everything the light touches is our kingdom”, erklärte der König ehrfürchtig. Ein Ausflug in die verbotene (Schatten-)Zone wird dann schnell zum Spießrutenlauf und kann letztlich nur durch Mufasas Eingreifen gerettet werden. Entgegen seinen Worten begab sich Simba in Gefahr und realisierte zu spät, wie lebensbedrohlich die Situation geworden ist. Auch der Sohn scheitert also an den Fußstapfen des Vaters, was im Heimweg gelungen eingefangen wird, wenn Simbas Pfote in einem tiefen Abdruck Mufasas versinkt.

Das Vorbild, das Mufasa seinem Sohn gibt, ist übergroß, im Grunde kann Simba wie Scar nur daran scheitern, wenn er diesem gerecht werden will. Als zukünftiger König will sich Simba seines Muts beweisen (“Danger? I laugh in the face of danger“) und wird in seine Schranken gewiesen. Doch der Vater kann dem Sohn nicht böse sein, der Konflikt wird schnell gelöst, zugleich aber auch die Vorbereitung zum nächsten Akt getroffen. Ob sein Vater immer für ihn da sein wird, stellt Simba die Frage, die jedes Kind irgendwann seine Eltern gefragt haben dürfte. Auch hier weiß Mufasa mit dem Kreislauf des Lebens aufzuwarten, er ahnt jedoch noch nicht, wie schnell dieser für ihn selbst in Kraft treten wird. Das Versagen von Shenzi (Whoopie Goldberg) und Banzai (Cheech Marin) reizt Scar nur noch mehr und treibt seinen Plan eine Spur weiter über seinen persönlichen Rubikon.

Der Königsmord hebt das Filmlevel auf Shakespearesche-Niveau. Drehbuchautorin Irene Mecchi wurde vor ihrem Engagement gesagt, die Story ließe sich als „Bambi in Afrika trifft auf Hamlet“ beschreiben. Weshalb sie das Projekt fortan „Bamlet“ nannte. Und in der Tat handelt es sich im weitesten Sinne um eine Adaption von Shakespeares Meisterwerk. Geschickt spielt Scar mit Simbas Schuldgefühlen und seinem verletzten Stolz, vor wie nach der Tat. Das Miterleben des Publikums von Scars perfidem Plan (“Long live the king!“), der inszenierte Mord an Mufasa, dürfte jeden Zuschauer zutiefst erschüttert haben. Die dramatische Sequenz, angefangen mit der brillanten Gnu-Stampede (die allein ganze drei Jahre Bearbeitungszeit durch die Zeichner beansprucht hatte), wäre in Zeiten von Bambi in einer derartigen Inszenierung nicht möglich gewesen.

Das kindliche Unverständnis eines plötzlich leblosen Objektes durch Simbas Reaktion steigert den Moment nochmals. Man kann sich fragen, weshalb die Gnus so reagiert haben, wie sie reagiert haben. Sie zeigen keinerlei Bewusstsein für Simbas oder Mufasas Präsenz, die Gefahr durch die Hyänen ist zu diesem Zeitpunkt in der Talsohle schon lange nicht mehr gegeben. Auch sucht Simba keinen Kontakt zu ihnen, spricht sie nicht an. Ebensowenig wie Mufasa als König. Sicherlich kann man die Situation auf die Panik der Tiere schieben, doch zwingend Sinn macht die Sequenz nicht. Zumindest nicht im logischen Sinn, für die Handlung jedoch umso mehr. Die Schuld an dem Unfall lastet sich Simba an, nicht nur weil sein Vater beim Versuch ihn zu retten stirbt, sondern da er davon ausgehen muss, dass er mit dem Echo seines Gebrülls die Stampede ausgelöst hat.

Für Simba bleibt somit nach Scars diabolischer Suggestion nur das Exil, sein Fortleben ist lediglich seinen gescheiterten Attentätern, den Hyänen, bekannt. Das Kapitel seines Treffens mit Timon (Nathan Lane) und Pumba (Ernie Sabella) hat zur Verortung in der Geschichte keine tiefere Bedeutung, die Meerkatze und das Warzenschwein dienen zu einem Großteil dem bloßem comic relief nach dieser hochemotionalen Szene. Nach dem düsteren Kapitel fokussiert sich die Handlung also auf das Außenseiterleben des Trios und die Tatsache, dass Simba versucht seine Vergangenheit hinter sich zu bringen. “Hakuna Matata“ lautet das Motto und Simba lässt sich angesichts der Vorfälle bereitwillig in ihre Mitte aufnehmen. Ein Zeitsprung überbrückt einige Jahre, und Simba (Matthew Broderick) scheint augenscheinlich seine Herkunft verdrängt zu haben.

Ein nächtliches Erlebnis mit Timon und Pumba, welches zufällig wirkt, aber Tradition zu sein scheint, sorgt für die aufkommende Katharsis. Ob Simba nicht zuvor bereits an seinen Vater erinnert worden ist, bleibt daher unklar. Nunmehr geht es jedenfalls Schlag auf Schlag. Nachdem Mandrill Rafiki von Simbas Überleben erfährt, trifft dieser alsbald auf Jugendfreundin Nala. Mit ihr erwacht sein Verantwortungsbewusstsein und somit das schlechte Gewissen. Eine alte Wunde wird aufgerissen, der hamletsche Zustand offenbart. Scar hat sich zum König erhoben, vom Mord am Bruder weiß niemand. Der rechtmäßige Thronfolger kehrt zurück und deckt das Komplott auf. Auslöser für die Simbas Entscheidung ist die Rückbesinnung auf die eigene Identität. “The past can hurt”, lehrt Rafiki ihn und zugleich das Publikum. “You can either run from it, or... learn from it.

Timons Auffassung nach passieren schlimme Dinge und man kann nichts dagegen unternehmen. Den bedeutenden Faktor erfasst er nicht. Fehler sind nicht dazu da, verdrängt zu werden, sondern um aus ihnen zu lernen. Simba muss sich seiner Schuld stellen und mit ihr seiner Vergangenheit. Auch wenn er selbst die Schuld am Ende nicht trägt, geht es in The Lion King darum, dass Simba lernt, sich selbst zu vergeben. Damit ist er die einzig wichtige Figur, zumindest die, welche essentiell in der Handlung verankert ist. Bedauerlicherweise werden die Frauen nicht sonderlich in das Geschehen einbezogen. Sarabi ist kaum anwesend und auch Nalas Präsenz beschränkt sich auf die Romanze in der Oase. Es ist eine Königswelt, in der Männer wie Mufasa, Scar und Simba aktiv agieren. Ganz unähnlich zu Hamlet, wo Gertrud und Ophelia stärker eingebunden sind.

Dass der Film so gut funktioniert, ist auch der Musik. Elton Johns Stücke sind punktuell und pointiert, sie ergänzen die Handlung fließend. Zimmers Kompositionen sind ungemein kraftvoll und tragen oftmals das Geschehen und verleihen ihm zusätzlich Leben. The Lion King beweist somit, dass Disney auch großartige Musicalnummern einbauen kann, die nicht von Alan Menken (The Little Mermaid, Aladdin) stammen. Die Musik ergreift den Zuschauer und macht somit natürlich auch im Musical zum Film jede Menge Spaß. Kein Wunder, dass John bei den damaligen Academy Awards 3 Mal nominiert war und letztlich den Preis für “Can You Feel the Love Tonight“ erhielt. Auch Zimmer wurde in seiner Kategorie ausgezeichnet, wie wohl auch der Film selbst als bester Animationsfilm geehrt geworden wäre, hätte es die Kategorie bereits 1995 statt erst 2001 gegeben.

Bei genauerer Betrachtung kann man die Adaptionen aus Osamu Tezukas Kimba the White Lion, einer Animationsserie aus den Sechzigern, nicht übersehen. Viele Einstellungen aus The Lion King sind identisch mit denen der Kimba-Serie, ebenso wie die Gefährten (Meerkatze, Warzenschweins, Mandrill) oder die Erscheinung des toten Vaters im Himmel. Von Disney ist bis heute kein Zugeständnis diesbezüglich, die Ausrede des zufällig identischen Idee verfügt über lächerliche Züge. Bedenkt man, dass der Film bei 80 Millionen Dollar Kosten beinahe eine Milliarde Dollar eingespielt hat, lässt sich nicht nachvollziehen, weshalb man nicht einen Teil hiervon nachträglich für die Rechte abtritt. Stattdessen obsiegen die Geldgier und der Stolz. Unabhängig davon überzeugt und amüsiert die Disney-Geschichte und ist dabei oft ergreifend oder gar erschütternd.

Der letzte Disney-Film, der unter der Leitung von Jeffrey Katzenberg entstand, zählt zu den großen Meisterwerken des Studios und dürfte nicht nur Gregory Pecks Lieblings-Animationsfilm gewesen sein. Die beiden Regisseure Roger Allers und Rob Minkoff haben mit The Lion King sicher ihre, zumindest bisherige, Meisterleistung abgeliefert. Allers konnte sich in den Jahren zuvor als Autor der Filme Animalympics, Oliver & Company, sowie den beiden vorangegangenen Disneys Beauty and the Beast und Aladdin hervortun. Auch Minkoff war mit dem Studio seit Jahren verwurzelt und in die Arbeit an The Black Cauldron, aber auch The Brave Little Toaster involviert. Mit den vielfältigen, kräftig-warmen Farben, sowie der anrührenden Geschichte, verpackt in großartiger Musik, ist The Lion King auch mein zweiter Lieblingsfilm von Disney. Immer wieder gern gesehen.

10/10

27. August 2008

Meet Dave

Yeah, boy, yeah!

Was macht eigentlich Eddie Murphy? Der Kinogott der achtziger Jahre. Der Beverly Hills Cop. Der Glücksritter. Der Prinz aus Zamunda. Okay, ich geb’s zu, das war eine rhetorische Frage, ich weiß ja schließlich was der Murpherl-Eddie macht. Kinderfilme, das macht er. Neben The Haunted Mansion und Daddy Day Care dann auch noch Filmchen wie Norbit und Pluto Nash (letzteren könnte man auch Pluto Trash nennen, wäre vielleicht sogar die bessere Wahl gewesen). Aber Eddie Murphy kann auch schauspielern. Nee, in echt jetzt. Nach seiner Leistung in Dreamgirls ging er als Golden Globe-Gewinner sogar als Favorit ins Rennen der Oscarverleihung. Da fragt man sich durchaus, warum der Kerl nicht öfter richtige Rollen annimmt. Aber das kann man sich auch bei Adam Sandler fragen und trotzdem dreht der weiterhin Blödel-Komödien wie I Now Pronounce You Chuck & Larry. Wobei Sandler wenigstens seine Fanbase bedient, die ihm seit SNL-Zeiten treu ist, was sich von Murphy nicht behaupten lässt. Für Schlagzeilen sorgte der gute Mann dann zuletzt auch eher als Vater von Mel B’s Tochter. Mel B. Eines der Spice Girls. Ja, ich les gelegentlich Bunte, guilty pleasure. Zurück zum Thema. Zu Norbit lässt sich eigentlich kaum etwas Gutes sagen und im Grunde markierte der Film auch den Tiefpunkt von Murphys Karriere – die nur an der Oberfläche gehalten wurde, da er Esel in der Shrek-Reihe spricht. Immerhin brachte der Film Murphy mit Regisseur Brian Robbins zusammen. Und Robbins hat immerhin Regie geführt bei Varsity Blues und der ist immerhin besser als Friday Night Lights von Peter Berg. Und eigentlich auch besser als Any Given Sunday von Oliver Stone. Das Drehbuch stammte dieses Mal nicht von Autoren solcher Filme wie Vampires in Brooklyn oder I, Spy, sondern von Rob Greenberg, langjährigen Autor der Serie Frasier, sowie Bill Corbett, Mitwirkender der langlebigen Serie Mystery Science Theater 3000.

Inspiriert wurde Meet Dave (dessen deutscher Titel Mensch, Dave fast besser ist, und das lässt sich so gut wie nie sagen) von dem britischen Comicstrip The Numskulls. Ein Raumschiff landet auf Liberty Island und das Raumschiff beherbergt…naja, Außerirdische. Kleine Außerirdische. Und das Raumschiff ist eigentlich ein Mensch, zumindest äußerlich. So ähnlich wie in Men in Black, der eine Typ da. Und das Raumschiff sieht aus wie Eddie Murphy. Und der Kapitän des Raumschiffes sieht auch aus wie Eddie Murphy beziehungsweise wie das Raumschiff oder besser gesagt sieht das Raumschiff aus wie der Kapitän. Der Plan der Außerirdischen ist es eine kleine Kugel zu finden, die vorab auf die Erde geschickt wurde. Diese sollte die gesamten Meere aufsaugen, damit der Planet der Außerirdischen von deren Salzvorkommen seine zu Ende gehende Energie aufbessern kann. Nur muss die Kugel erstmal gefunden werden und das Raumschiff sich der menschlichen Gesellschaft von New York anpassen. Nachdem es von der allein erziehenden Mutter Gina (Elizabeth Banks) angefahren wurde erhält es auch einen Tarnnamen: Dave Ming Chan. Dank Gina und ihrem Sohn Josh erhält nicht nur der Kapitän, sondern auch seine Nummer 3 (Gabrielle Union), Nummer 4 (Pat Kilbane) und im Grunde die gesamte Crew einen Einblick in die menschliche Kultur. Bald beginnen sich bei den Außerirdischen Emotionen einzustellen, Sympathien, verborgene (Ge-)Lüste. Lediglich der zweite in der Rangfolge, Nummer 2 (Andy Bernard, ach quatsch, Ed Helms), scheint immun dagegen und ist geradezu angewidert von den Menschen. Dumm nur, dass bei all den Sympathien die Energiereserven des Raumschiffes nur noch für einige Stunden reichen. Es muss gehandelt werden, denkt sich auch Nummer 2 und plant insgeheim eine Revolte gegen den Kapitän.

Ursprünglich hieß das Projekt Starship Dave, doch man befürchtete wohl zu viele Analogien mit dem Trash-Vehikel Pluto Nash. Umso erstaunlicher, dass Murphy für sein aktuelles Werk ein Budget von einhundert Millionen Dollar zusammentragen konnte. Solche Budgets sind heutzutage ja keine Seltenheit mehr, fast schon der Normalfall, sodass man keine überragenden Effekte erwarten sollte. Sie sind zwar nicht schlecht, gerade in den Szenen, in welchen der Kapitän und Nummer 3 außerhalb von Dave ihr Abenteuer bestehen, merkt man die Grenzen des Projektes doch deutlich. Aber wer hat auch ernsthaft ein Meisterwerk erwartet und der Film ist weit entfernt davon eines zu sein. Oder wie man’s nimmt, im Vergleich zu „Pluto Nash“ könnte man ihn durchaus als solches sehen. In einer Szene des Filmes schauen sich der Kapitän und Nummer 3 Frank Capra’s It’s a Wonderful Life an und man merkt es Robbins an, dass er versucht mit Meet Dave eine Caprasche Geschichte zu erzählen. Eine „Fish-out-of-Water“-Geschichte, ein Fremder in einem fremden Land. Dabei ist Robbins Film weniger Frank Capra als vielmehr Edward D. Wood Jr., der hätte seine helle Freude an dem Film gehabt. Außerirdische, eine Liebesgeschichte und eine Moral – etwas das Wood immer gerne eingebaut hat. Für einhundert Millionen Dollar hätte auch der gute Ed Wood einen solchen Film zaubern können und das kann man durchaus als Kompliment sehen. Denn schlecht ist Meet Dave nicht. Nur richtig gut, dass ist er ebenfalls nicht, muss er allerdings auch nicht sein. Ordentlicher Durchschnitt, eine Steigerung in Murphys Karriere nach den miesen Filmchen, die er in den letzten Jahren zu drehen pflegte.

Ob man Meet Dave gut findet oder nicht, merkt man nach fünf Minuten. Wenn Murphy mit seinen ersten Schritten auf Erdboden herumstakst, ist das sicher nicht jedermanns Sache, ebenso wenig seine Grimassen. Wer an dieser Stelle jedoch lacht, der hat bereits gewonnen und wird in den nächsten 85 Minuten mitunter gut unterhalten werden. Allein Murphys „Staying Alive“-Performance ist – zumindest für mich – zum Schreien (also bildhaft gesprochen). Punkte fährt Robbins auch bei seinen unzähligen pop-kulturellen Referenzen ein, die jedoch in Deutschland eher weniger funktionieren. Wer kennt hierzulande schon „Captain Crunch“? Und Frühstücksflocken mit einem „Kapitän“ im Titel gibt es bei uns nicht. Da wird man sich etwas anderes einfallen lassen müssen. Aber auch Google, Yahoo, MySpace und und und – sie alle finden Einzug in den Film und dies nicht als product placement. Vielmehr gelingt es Robbins ein authentisches Bild unserer heutigen Gesellschaft zu zeichnen. Die „Gefahr“, die von Google ausgeht, wurde schon in verschiedenen Magazinen thematisiert und zu welchen Missverständnissen (natürlich überspitzt) dies führen kann, zeigt die Szene bezüglich des Abendessens (Hackbraten/engl. meat loaf). In dieser Hinsicht funktioniert der Film dann doch, der sich wie manch andere Vertreter gezielt mit der Thematik „Ist der Mensch, dieses absurde Wesen, wert gerettet bzw. nicht getötet zu werden?“ beschäftigt. Und wie in Bessons The Fifth Element ist es auch hier die Liebe, welche die Außerirdischen umstimmt in ihrer Haltung. Naja, bis auf Nummer 2 eben. Wer Ed Helms kennt, muss unweigerlich an seine Figur des Andy Bernard in The Office denken und auch Pat Kilbane dürfte manch einem aus MadTV bekannt sein. Zudem sind Banks und Union nette Hingucker, doch die ganze Miete des Filmes ist Eddie Murphy. Man muss sich zwar, wie angesprochen, nach fünf Minuten entscheiden, wenn man ihm jedoch bereit ist zu folgen, wird er einen sicherlich das eine oder andere Mal zum Lachen bringen. Jedenfalls mindestens so oft wie in seinen letzten acht Filmen zusammen.

6/10

25. August 2008

Dawson’s Creek - Season Two

How many teenagers do you know who talk like that?

Mein nostalgischer Hype zur ersten Staffel von Dawson’s Creek dürfte manchem noch im Kopf schwirren. Im Grunde lässt sich dieser Hype auch in der zweiten Staffel fortführen. Wie Serienschöpfer Kevin Williamson in der ersten Staffel großartig beschloss, sind die beiden Titelfiguren Dawson (James Van Der Beek) und Joey (Katie Holmes) nunmehr ein Pärchen. Kein Cliffhanger, um den Zuschauer bis Herbst anzuspannen und die Serie weiterhin zu sehen. Eigentlich hätte man glauben können, die Geschichte von Dawson Leery wäre zu einem Happy End gekommen, schließlich drehte sich in der Serie laut Williamson alles nur darum, dass Dawson endlich Joey bekommt. Nun hat er sie, doch die Probleme des ambitionierten Regisseurs fangen erst an. Nur sechs Folgen wird das junge Glück halten, ehe Joey in The Dance mit Dawson Schluss machen wird. Aus welchen Beweggründen heraus Joey hier gehandelt hat, wird erst in Be Careful What You Wish For aufgeklärt werden. Dazwischen findet sich eine Beziehung zwischen ihr und dem neuen Bewohner von Capeside: Jack McPhee (Kerr Smith). Ihre neue Beziehung führt zu einer Spannung zwischen ihr und Dawson, welche sich vollends entspannt, als Jack in To Be or Not To Be… sein Outing erlebt und Joeys Vater aus dem Gefängnis entlassen wird. Es wird auch Joeys Vater sein, der die frische Beziehung zwischen beiden wieder zu den Akten legen wird. Doch Dawson belasten nicht nur seine eigenen Liebesprobleme, sondern auch die Ehe seiner Eltern lässt sich nicht länger tragen. Mitch (John Wesley Shipp) zieht aus und bewirkt eine Scheidung von Gail (Mary-Margaret Humes). Doch in der zweiten Staffel beginnt die Serie bereits einen Schnitt zu durchschreiten, denn Dawsons eigenes Leben tritt vermehrt in den Hintergrund und die Nebenfiguren, allen voran Pacey (Joshua Jackson), treten öfter hervor.

Zwei große Themenkomplexe bestechen in der zweiten Staffel, dass eine ist die wiederkehrende Thematik der jugendlichen Unsicherheit respektive Angst. Jede der Figuren in „Dawson’s Creek“ leidet an etwaigen Unsicherheiten, am meisten bezüglich ihrer Zukunft. Was soll aus ihnen werden? Was haben sie für Träume? Zwar wird Dawsons Debütfilm mit einem Preisgeld ausgestattet, doch sein zweites Werk Creek Times, welches die Trennung von Joey abhandelt, wird von seiner neuen Filmlehrerin Ms. Kennedy (Mädchen Amick) quasi verrissen. Dawson verliert sein filmisches Selbstbewusstsein und fühlt sich verloren. Viel schlimmer noch geht es Joey, die in ihrem Leben außer Dawson überhaupt nichts besitzt. Die zweite Staffel behandelt Joeys Emanzipation, die sie letztlich von Dawson weg und stattdessen zur Kunst und damit zu Jack hinführen wird. In A Perfect Wedding werden beide wieder zueinander finden, Joey selbst hat dabei ihre Wandlung noch nicht vollends durchschritten. Man könnte ihre Beweggründe somit als verlogen bezeichnen, aber sie ist 15 Jahre alt und wer agiert schon immer aufrichtig und logisch während der Pubertät? Selbiges gilt für das Staffelfinale Parental Discretion Advised, in dem sie mit Dawson Schluss macht, nachdem dieser ihr eine unangenehme Wahrheit gesagt hat. Im Grunde findet sich hier ein Spiegelbild zur ersten Staffel, in der Dawson zornig mit Joey war, als diese im verheimlicht hat, dass Gail eine Affäre hat. Die Makulatur erfährt das Publikum bereits im Auftakt zur dritten Staffel, wo Joey nach dem Sommer ihren Fehler eingesehen hat. Die Unsicherheiten der anderen Figuren sind dabei nicht weniger offensichtlich. Pacey offenbart seine Seele in Uncharted Waters, die fehlende Liebe und Anerkennung durch seinen Vater setzt ihm mehr zu, als er meist eingesteht. Jack wiederum ist unsicher aufgrund seiner Sexualität, für mich als heterosexuellen Zuschauer war seine spontane Erkenntnis seiner Homosexualität etwas überraschend und ohne rechte Vorzeichen, bis zur entscheidenden Folge. Da hier wieder eigene Erlebnisse von Williamson einflossen, will ich dem Augenblick aber seine Authentizität zugestehen.

Am unsichersten ist jedoch eine andere neue Figur. Es handelt sich hierbei um meine persönliche Lieblingsfigur, die leider nur zwei Staffeln lang im Serienkanon zu sehen ist. Andie McPhee ist ein Kontrollfreak, Streber und die Schwester von Jack. Von ihrer ersten Begegnung an besteht eine knisternde Spannung zu Pacey und die Beziehung wird schließlich erwachen, wenn die von Dawson und Joey zu Ende geht. Doch Andie hat mehr zu verbergen, als Unsicherheiten. Diese resultieren nämlich aus der zweiten Thematik der Staffel: gestörte Familienverhältnisse. Ein Autounfall kostete Andie und Jack ihren großen Bruder und ihre Mutter den Verstand. Auch Andie ist schwer mitgenommen und wird in den letzten Folgen einen Rückfall erleiden und in die Schizophrenie abgleiten. Dass die Figur einem so ans Herz wächst und so glaubhaft wirkt, ist der Schauspielerin Meredith Monroe zu verdanken. Monroe spielt nicht Andie, sie ist Andie. Unglaublich, dass Monroe 1999 nicht für den Primetime Emmy nominiert wurde, denn mit ihrer Darbietung übertrifft sie alle anderen Darsteller, insbesondere durch die Folge Reunited. Am ehesten vermag noch Joshua Jackson mitzuhalten, dessen Beziehung zu Andie sich ohnehin vor die von Dawson und Joey setzt. Aber auch die anderen Charaktere verfügen über gestörte Familienverhältnisse. Dawsons Eltern lieben sich zwar, können aber nicht zusammen leben, Joey wiederum muss mit einem Drogendealenden Vater klar kommen. Jen (Michelle Williams) verliert sich in dieser Staffel in ihre Einsamkeit und auch Pacey chaotische Familie wurde bereits in der ersten Staffel behandelt. Dabei sind die Familien der Serienfiguren nicht immer weniger gestört, als es im normalen Leben der Fall ist. Was ist schon normal und ab wann ist etwas gestört? Williamson lässt seine Figuren jedoch leiden, an sich zweifeln und mit ihrer Umgebung hadern. Das macht die zweite Staffel aus und so stark, bewirkt das Dawson’s Creek-Feeling.

Wie in der ersten Staffel erwähnt, verließ Kevin Williamson die Serie gegen Ende der zweiten Staffel. Es lassen sich ohnehin einige inhaltliche Probleme feststellen, unter anderem die Wankungen von Joey bezüglich ihrer Gefühle. Getoppt wird das alles jedoch von der Darstellung der Jen Lindley in dieser Staffel. Dass sich Jen zu Beginn der Staffel etwas von der Clique entfernt weil ihr Großvater gestorben ist und sich stattdessen der diabolischen Abby Morgan (Monica Keena) zuwendet, lässt sich noch nachvollziehen. Dann sorgt der Fischer Vincent allerdings dafür, dass die Freundschaft der Beiden einen Riss erlebt. Fortan ist Jen wieder in die Clique integriert und bestens mit Dawson befreundet. Er macht sie zur Produktionsmanagerin von Creek Times und auch in dem christlichen Footballer Ty findet sie eine neue Romanze. Als diese zerbricht entfernt sich Jen aus unerfindlichen Gründen wieder von Dawson und den Anderen. Stattdessen fühlt sie sich plötzlich alleine und verlassen. Diese Wandlung, die zu Beginn von A Perfect Wedding aufgetreten ist, verwundert. Nochmehr verwundert die Umkehrung zwei Folgen später in Reunited. Zu Beginn der Episode sitzt Jen inmitten der Clique beim Videoabend. Es ist zwar ein Monat vergangen, zwischen den tragischen Ereignissen um Abbys Tod, aber dieses Hin und Her bezüglich Jens Charakter wirkt unsauber. Scheinbar hatte es lediglich den Hintersinn dem Tod von Abby etwas mehr Dramatik zu verleihen, hinterlässt aber viele Fragen, welche die Serie nicht beantwortet. Hierzu lässt sich auch das Fehlen von Scott Foleys Figur aus der ersten Staffel erklären, die immerhin ernstes Interesse an Jen hatte. Selbiges gilt für Chris Wolfe (Jason Behr), der nicht nur mit Jen, sondern auch mit Abby involviert war, aber bei ihrer Beerdigung und an anderer Stelle nicht mehr auftaucht. Möglich dass hier Behrs Terminkalender urplötzlich aufgrund des Starts von Roswell eng geworden ist, einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen Jens Umwege aber dennoch.

Auch in der zweiten Instanz finden sich einige Gastauftritte bekannter Gesichter. Nachdem Scott Foley im Vorjahr fünf Episoden lang in Dawson’s Creek mitspielen durfte, taucht Jason Behr (Roswell) in sechs Folgen auf. Von The All-Nighter bis zu His Leading Lady taucht er als sexueller Schwerenöter Chris auf. Außerdem konnte wohl Hauptdarsteller James Van Der Beek seine Varsity Blues-Kollegin Ali Larter überreden in zwei Folgen eine Gastrolle zu übernehmen. Auch die im selben Jahr durch She’s All That bekannt gewordene Rachael Leigh Cook gibt sich die Ehre, besonders reizvoll ist jedoch auch die Nebenrolle über drei Episoden hindurch von Mädchen Amick. Damit würde Amick einen interessanten Trend beginnen, denn auch ihre Twin Peaks-Kollegen Sheryl Fenn, Dana Ashbrook und Ray Wise würden Gastrollen in Williamsons Teenager-Serie übernehmen. Im Gegensatz zur vorigen Staffel halten sich diesmal der Einbau von zeitgenössischer Popmusik etwas in Grenzen, auch die Referenzen zu anderen Filmen lassen nach (unter anderem wird eine Hommage an Titanic eingebaut). Viel dreht sich um Sex und um Beziehungen, vormerklich in den Konstellationen Andie/Pacey und Joey/Jack, aber auch Dawson wird sowohl mit Joey als auch Jen erneut anbandeln. Allein Meredith Monroe ist dabei die halbe Miete, abgesehen von der Doppelfolge bezüglich Abbys Tod wussten alle Episoden zu unterhalten. Die fünf komplettesten Folgen sind hierbei The Dance, Sex, She Wrote, To Be or Not To Be…, Reunited und Parental Discretion Advised. Die Qualität der Folgen leidet etwas an der Quantität, ist jedoch nur minimal schlechter als die erste Staffel. Den Nostalgiebonus verwehre ich diesmal jedoch, dafür hat mir die Storyline um Jen zu sehr missfallen.

9.5/10

23. August 2008

The Dark Knight

Let’s put a smile on the face of crime.

Virales Marketing, eine Definition, die zuletzt sehr gut zu J.J. Abrams Cloverfield passte, letztlich von The Dark Knight jedoch in den Schatten gestellt wurde. Was der Tod eines Nebendarstellers nicht alles bewirken kann. Sondervorstellungen um drei Uhr nachts, alle bisherigen Rekorde innerhalb weniger Tage gebrochen, die Kosten von 185 Millionen Dollar innerhalb der ersten Woche wieder eingespielt. Warners Chefetage wird sich sicher die Nase gepudert haben vor Freude und das nicht zu kurz. Die Fans pushten das neue Batman-Abenteuer von Christopher Nolan, welches als erstes nicht den Namen seines Helden im Titel trägt, innerhalb von 48 Stunden bei IMDb auf Platz Eins der besten Filme aller Zeiten. Kevin Smith nannte ihn den The Godfather: Part II der Comicverfilmungen, auf Rotten Tomatoes wurden Kritiker (und sogar deren Familien), die dem Film nicht die Höchstwertung gaben, zuhauf von Lesern beleidigt. The Dark Knight ist fraglos einer der gehyptesten Filme aller Zeiten und die Frage ist: Kann man den Film überhaupt unabhängig vom Hype sehen?

Am Ende von Batman Begins zeigte Lieutenant Gordon (Gary Oldman) im nächtlichen Chaos von Gotham City Batman (Christian Bale) eine Joker-Karte. Das Sequel springt nun fünf Monate in die Zukunft und präsentiert sogleich diesen neuen Bösewicht. Der Joker (Heath Ledger) raubt eine Bank aus, weniger wegen des Geldes, sondern um auf sich aufmerksam zu machen. Was hat sich sonst im letzten halben Jahr in Gotham City getan? Erstaunlicherweise wenig, eher sogar Regression. Nach Monaten stellt Batman endlich Scarecrow (Cillian Murphy), trägt aber Fleischwunden und geprellte Rippen davon. In die Quere kommen immer mehr Nachahmer, Batmen sozusagen. Batmans Alter Ego Bruce Wayne fühlt sich mit seinen 30 Lenzen zu alt für diese Scheiße. Warum soll er sich mit Abschaum wie Sal Maroni (Eric Roberts) herumschlagen, wenn mit Staatsanwalt Harvey Dent (Aaron Eckhart) ein neuer Sheriff in der Stadt ist? Dumm nur, dass der direkt mit Waynes Jugendliebe Rachel (Maggie Gyllenhaal) anbandelt, das ist aber Makulatur, dies ist die Joker Show.

„Nolans Auffassung nach überwiegten die früheren Batman-Filme eher durch ihr Aussehen, als ihren Inhalt“, schrieb ich in der Kritik zu Batman Begins. Bereits in seinem ersten Film über den dunklen Ritter, der altbekannten Hero’s Journey, widersprach sich Nolan letztlich selbst, mit The Dark Knight führt er sich nun ad absurdum. Entgegen allem Lob ist seine Fortsetzung vollkommen inhaltsfrei, hat keine Geschichte zu erzählen und ist dabei auch noch unnötig aufgebläht. „The Dark Knight kann im Grunde nur eine Verbesserung darstellen“, äußerte ich nach dem ersten Teil noch hoffnungsvoll, aber vergeblich. Vielmehr ist der Film sogar ein Rückschritt, insbesondere aufgrund des Drehbuches der beiden Gebrüder Nolan. Ein Logikloch verschwindet im nächsten, kaum etwas macht in dieser unglaubwürdigen Geschichte Sinn. Sei es Harvey Dent, der seit Monaten in Gotham arbeitet, aber in seinem Büro noch Umzugkartons stehen hat, bis hin zu Batman, der mit Lucius Fox (Morgan Freeman) in verstellter Stimme redet, obwohl der doch seine Identität kennt.

So inhaltsfrei Batman Begins auch war, stellte er immerhin eine über zweistündige Einführung in den Charakter von Bruce Wayne dar. Jenes Mannes, der an die Menschen in Gotham glaubt und sich nachts aufopfert, um ihnen zur Hilfe zu eilen. Dass ihm dies durchaus gedankt wird, zeigt Nolan an Nachahmern, die fraglos Frank Millers Sons of Batman aus The Dark Knight Returns nachempfunden sind. Während Batman mit jenen dort aber gemeinsame Sache machte, verabscheut er sie im nolanschen Universum. In diesem hat unser Milliardär nach nicht einmal einem halben Jahr bereits die Schnauze voll und will das Zepter an den viel versprechenden neuen Staatsanwalt Harvey Dent abgeben. Dass macht Dent jedoch zur Zielscheibe des Jokers, jenes Antagonisten, der zum Ende des ersten Teils aus dem Arkham Asylum entflohen war. Letztlich dreht sich in The Dark Knight alles um das Duell zwischen diesen beiden Erzfeinden, die ungleicher nicht sein könnten und doch so viel gemeinsam haben. “You’ve changed things…forever“, trällert der Joker Batman zu.

In gewissem Sinne impliziert diese Äußerung somit, dass das, was das Publikum hier als Joker sieht, letztlich von Batmans in Erscheinungstreten mit beeinflusst wurde. Allerdings sprechen die Narben des Jokers eine andere Geschichte, doch diese erfährt der Zuschauer nicht. Die Nolans behalten für sich, wer der Joker ist und woher er stammt. Der Joker ist der Joker ist der Joker. Somit ist er absolut, abgerundet, allerdings auch ohne Motivation. “Some men just want to watch the world burn”, weiß Butler Alfred (Michael Caine) hierauf eine Antwort. Den Joker lüstet es nach Chaos und Anarchie. Dem Ur-Status des Menschen, welchen Thomas Hobbes in Leviathan als Naturzustand beschrieb, in welchem Anomie herrscht. “I try to show how pathetic their attempts to control things really are”, erläutert der Joker später Harvey Dent seine Intention. “Nobody panics when things go according to plan”, fasst dieser Albtraum einer geschminkten Witzfigur gelungen zusammen. Ein durchaus authentisches Schema, das alltäglich in den Armeen dieser Welt angewandt wird.

Lange begeistert The Dark Knight durch eine unglaubliche Kompromisslosigkeit, welche das Finale jedoch zu Gunsten eines weichgespülten Hollywood-Endes verrät. Das Sozialexperiment des Jokers, das die finale Klimax ausmacht, endet so, wie es sich jeder Idealist wünscht. In Wirklichkeit würde es natürlich einen ganz anderen Verlauf nehmen, was auch der Joker weiß, daher das geplante Szenario. Nolan schildert eine fürs US-Kino typische Katharsis einer Welt voller Illusionen und Wunschdenken. ”Why do we fall? So we can learn to pick ourselves up”, so der Leitspruch des ersten Teils, der zugleich den Spannungsbogen des Sequels beschreibt. In lächerlichen Batman-Posen, die an den Schrecken vom 11. September erinnern sollen, versucht Nolan seine Comicverfilmung ins wahre Leben zu transferieren. Das wahre Leben, in welchem die Guten selten gewinnen und das Böse meist triumphiert, ist auch die Welt des Jokers. Dass Nolan sich im Finale dieser Welt verschließt, lässt sein pseudo-authentisches Kartenhaus zusammenfallen.

Alan Moore beschreibt in Watchmen, seinem Versuch eines authentischen Superheldenepos, das wahre Gesicht einer Gesellschaft. “Almost forty neighbors heard screams. Nobody did anything. Some of them even watched”, schildert Selbstjustizler Rorschach seine „Geburt“ einem Therapeuten. In Rorschach findet sich das Ebenbild zu Millers Interpretation von Bruce Wayne. Ein verbitterter Mann, der entgegen der Ratschläger seiner Freunde und Verbündeten (Nite Owl hier, Commissioner Gordon dort) das Gesetz in die eigene Hand nimmt. Letztlich finden beide ihr finales Schicksal in einem übernatürlichen ehemaligen Verbündeten (Dr. Manhattan/Superman). Was sie verbindet, ist ihre Kompromisslosigkeit. Millers Dark Knight ist desillusioniert und sich nicht zu schade, sein letztes Kredo (Mord) zu überschreiten. Dabei zelebriert auch Nolan dies, wenn auch hinter einer versuchten Fassade. ”I won’t kill you, but I don’t have to save you”, schmetterte Christian Bale am Ende von Batman Begins Ra’s al Ghul entgegen und ließ den alten Freund und Mentor in seinen Tod stürzen.

Mord hin, fahrlässige Tötung her, mit strafrechtlichen Termini und Definitionen kann man sich zugegeben lange herumschlagen. Den einzigen Antrieb für seine Geschichte versucht Nolan jedenfalls in Batmans Unfähigkeit, Joker zu töten (oder zur Strecke zu bringen), zu etablieren. “You won’t kill me, and I won’t kill you. I think you and I are destined to do this forever”, resümiert der Joker schlussendlich und soll Recht behalten. Dabei springt Batman letztlich doch noch über seinen Schatten – mal dies, mal das, ein Szenario exemplarisch für Nolans Unfähigkeit die Geschichte des Dunklen Ritters zu erzählen. Der Handlung von The Dark Knight fehlt ein Antrieb. Ein Start und ein Ziel. Der Joker agiert grundlos und genauso grundlos kann Nolans Batman ihn scheinbar nicht stoppen. Eine Geschichte wird dabei aber nicht erzählt, im Gegenteil. Mit seinem zweiten Batman-Abenteuer unterbietet Nolan nochmals die Sterilität des Vorgängers. In schönen Einstellungen, teilweise extra im IMAX-Format gedreht, geht The Dark Knight sogar jegliche Seele vollkommen ab.

Komplexität wird zu evozieren versucht, ohne dass der Film in irgendeiner Weise tatsächlich komplex ist. Da zeigt Nolan kurz Scarecrow, den er bereits im ersten Teil verschenkt hat und tut es auch hier. Ähnlich verhält es sich mit dem zweiten Antagonisten Two Face, der im Grunde keiner ist. Verschenkt, in einer armseligen finalen Klimax. Geradezu bedauernswert, diese eindimensionale Charakterausarbeitung der Figuren. „Christian Bale überzeugt zwar als Batman im Cape, dennoch reichen seine drei Gesichtsausdrücke nicht wirklich aus, um die innere Zerrissenheit eines Bruce Wayne einzufangen“, urteilte ich nach Batman Begins und kehre die Aussage nun um. Bale kann diesmal lediglich als Bruce Wayne überzeugen, während sein Batman vollkommen blass bleibt. Die restliche Besetzung tut sich nicht sonderlich hervor und scheitert an Nolans Fokussierung auf die Beziehung zwischen Batman und Joker. Allein Gary Oldmans Polizeichef Gordon weiß in einigen Szenen mitzuhalten, muss sich aber im Grunde wie auch der Rest Heath Ledger unterordnen.

Dessen Darstellung sei genial und atemberaubend und sogleich wurde ein Oscar für den verstorbenen Jungstar verlangt (für Sir Michael Caine genauso). Und zugegeben, Ledger spielt in diesem Film neben Brokeback Mountain die Seele aus dem Hals und ist ganz klar das Positivste (einzig Positive?) an The Dark Knight. Viel verdankt sich hier natürlich auch der Figur des Jokers selbst und wirkliche Vergleiche mit Jack Nicholsons Interpretation sind dabei so naheliegend wie sie sich zugleich verbieten. Die Figur ist dabei in der Tat so absolut, dass man Batman eigentlich überhaupt nicht mehr braucht, im Gegenteil vielleicht sogar auf ihn hätte verzichten sollen. Denn der Joker ist auch das Paradebeispiel für die grenzenlose Dummheit der nolanschen Batman-Figur, wurde der Joker vor Batman Begins inhaftiert (wahrscheinlich von gewöhnlichen Polizisten), ohne dass nunmehr seine Daten oder Biographie zugänglich sind. Kurzum: Wenn es den Joker nicht gäbe, The Dark Knight wäre ein vollkommen desaströser Haufen von verschwendetem Geld, Arbeits- und Zeitaufwand.

Auch so ist das Ergebnis eine einzige einfallslose Redundanz und knüpft damit nahtlos an das müde Finale des Vorgängers an. Christopher Nolan beweist mit The Dark Knight, dass er nichts dazu gelernt hat. Und er macht nicht nur dieselben Fehler erneut und mehrfach, sondern er fügt ihnen auch noch neue hinzu. Das inhaltsfreie Drehbuch weiß er mit stumpfer Musik von Hans Zimmer und James Newton Howard zu untermalen, die erzeugten Bilder auf dilettantischste Weise zusammenzuschneiden (bestes Beispiel: Jokers Überfall auf Bruce Waynes Party zu Ehren von Dent oder die Verfolgungsjagd zwischen Polizei, Joker und Batman in der Unterführung. Dabei hatte der Film prinzipiell Potential, das aber nicht ausgeschöpft wurde. Der Joker war der richtige Weg, doch so absolut er in seiner Gestaltung war, so formlos blieb er letztlich im Kontext der Handlung. Figuren wie Two Face hingegen sind total verschenkt, der Film insgesamt lieb- und leblos inszeniert. Kühl, steril, kalkuliert. “Why so serious?“, mag man sich jetzt fragen. Mein Fazit: Don’t believe the hype.

6/10

22. August 2008

Better Off Dead...

Dying when you're not really sick is really sick.

Mitte der Neunziger gab es das Kaiserslauterner HipHop-Duo Down Low. Deren Song „Johnny B“ lässt sich von seinem Rhythmus her sehr gut auf John Cusack umdichten (wobei dies zugegebenermaßen auf viele Schauspieler zutrifft): „Johnny C., look what you used to be, just open your eyes, and listen to me“. Oh ja, was hat John Cusack in den Goldenen Achtzigern nicht gerockt, der König der Teenage Comedy. Neben Klassikern wie The Sure Thing fand man Johnny C auch in Rob Reiners Stand By Me, John Hughes' Sixteen Candles und unvergesslich in Cameron Crowes Say Anything. Mit neunzehn Jahren folgte schließlich 1985 sein Durchbruch. Nicht nur dank The Sure Thing, sondern auch mit Better Off Dead… (dt. Lanny dreht auf) konnte Cusack sich in das Gedächtnis seiner Zeit brennen. Der Film von Savage Steve Holland – mit welchem Cusack ein Jahr darauf One Crazy Summer drehen sollte – beschäftigt sich dabei mit einem zentralen Aspekt des coming-of-age-Genre: der teen angst. Was unter anderem Grundlage für Serien wie Dawson’s Creek wurde, tritt hier für den Zuschauer nicht sonderlich offensichtlich in den Vordergrund, ist aber unterschwellig jederzeit vorhanden und der innere Antrieb des Films.

Wenn Hollands Film eine Handlung hat, dann ist es wohl der Versuch von Lane (John Cusack) seine Ex-Freundin Beth (Amanda Wyss) zurück zu erobern. Diese macht mit Lane wegen des Schul-Ski-Kapitäns Roy Stalin (was ein Name) Schluss. Lane sieht nun seine einzige Chance Punkte wett zu machen, indem er den berüchtigten K-12 Hügel hinunterfährt. Doch diese Teufelspiste konnte bisher nur eine Person bändigen: Stalin. Da sich diese Handlung – wie zu erwarten ist – schlecht über 80 Minuten dehnen lässt, wird zugleich noch der Klischee-Konkurrenz love interest eingebaut. Gegenüber von Lane wohnt die französische Austauschstudentin Monique (Diane Franklin), die sofort Feuer und Flamme für unseren Helden ist. Die restlichen Lücken füllt Holland mit typischen Szenen aus achtziger Jahre High School Filmen. Lustigerweise spielt hier Vincent Schiavelli wieder einmal einen Lehrer, wie er es auch ein Jahr später in Amy Heckerlings Kultfilm Fast Times at Ridgemont High tun würde. Zu guter letzt gibt es dann auch noch den durchgeknallten, alles koksenden und für die eigentliche Geschichte vollkommen unerheblichen Charles de Mar (Curtis Armstrong), sowie den Kult gewordenen running gag mit dem zwölfjährigen Zeitungsjungen Johnny („I want my two dollars“).

Dass ist jedoch alles nur Scharade, bloße Oberfläche, die Spitze des Eisberges. In Wahrheit ist Better Off Dead… ein subtiles Meisterwerk über Teenagerängste. Gut, das war etwas übertrieben, aber man muss in Hollands Film durchaus zwischen den Zeilen lesen. Ihr bloßes Aussehen hält Beth und Lane in ihrer Beziehung. Als Beth die Chance hat „sozial aufzusteigen“, einen populäreren, attraktiveren Klassenkameraden (Stalin) zu daten, nutzt sie diese Chance sofort. Konsequenterweise bricht für den Schüler damit eine Welt zusammen. Einziger Ausweg aus seinem emotionalen Dilemma ist Selbstmord, welchen er mehrfach versucht zu inszenieren, ohne ihn – zumindest selbst – ernsthaft durchzuziehen. Vielmehr sind Lanes Selbstmordversuche Ausdruck seiner Depression. Mit dem Verlust seiner Freundin scheint für ihn ein Verlust seines Lebens einher zu gehen. Die süße französische Nachbarin bemerkt er erst, als sie ihn sprichwörtlich auf die Bretter fliegen lässt. Dabei dient Monique nicht nur als rebound girl, sondern auch als Katalysator für Lanes pessimistisches Weltbild. Dieses manifestiert sich praktisch in seinem untauglichen Camero, der vor dem Haus unter einer Plane versteckt liegt. Mit der Restaurierung seines Wunschautos aktiviert Lane praktisch sein Selbstbewusstsein, den Glauben an sich selbst.

Aus heutiger Sicht betrachtet hat Hollands Film ein ungemein gemächliches Tempo. Solche Filme werden heute gar nicht mehr gedreht, da sie nicht mehr funktionieren würden. Die verschiedenen kleinen humoristischen Aspekte von Lanes verschrobener Familie werden ebenso gelegentlich eingestreut, wie de Mars Kokssucht. Für sich genommen sind Lanes stummer aber brillanter kleiner Bruder, der Zwist des Vaters mit Johnny dem Zeitungsboten und die absurden Kochkünste von Mrs. Murphy allerdings durchaus amüsant. Die wirklichen genialen Momente findet man im Film jedoch wie eine Tankstelle auf der Autobahn. Leider sind die Durststrecken, die Pausen des Filmes, dazwischen zu eintönig. Dies ist generell ein Kritikpunkt an Komödien aus den Achtzigern, ebenso wie ein eher flaches Finale, aber bei Better Off Dead… noch mal etwas mehr der Fall, als bei anderen Genrevertretern. Letztlich sind wohl der Kultfaktor zum einen und Johnny C. zum anderen die beiden Hauptgründe, sich den Film anzusehen. Und wirklich misslungen ist er ja nun auch nicht.

6/10

20. August 2008

Elizabethtown

If it wasn't this... it'd be something else.

Wann verkommt ein Misserfolg oder Reinfall zu einem Fiasko? Drew Baylor (Orlando Bloom) entwirft Schuhe für Phil DeVoss (Alec Baldwin) und dessen Firma Mercury Schuhe. Als einer seiner Entwürfe zu einem finanziellen Reinfall wird, muss Mercury eine Rückholaktion starten und einen finanziellen Verlust von 972 Millionen Dollar hinnehmen. Entgegen seiner eigenen Beteuerung ist sich Drew seiner Entlassung durchaus bewusst. Er verliert für seine Firma nicht nur fast eine Milliarde Dollar, sondern schließlich auch seinen Job und seine Freundin Ellen (Jessica Biel). Noch am selben Abend macht sich der junge Mann auf in seine Wohnung und baut seinen Hometrainer zur Suizidmaschine um. Bevor er sich jedoch das Leben nehmen kann erhält er die Nachricht vom überraschenden Tod seines Vaters. Somit zum Mann der Familie verkommen, schickt ihn seine Mutter Hollie (Susan Sarandon) in die Heimatstadt seines Vaters nach Elizabethtown, Kentucky. Dort soll Drew den Leichnam seines Vaters nach Hause überführen. Während Drew seine Suizidpläne so lange auf Eis legt, lernt er im Flugzeug nach Louisville die extrovertierte Flugbegleiterin Claire (Kirsten Dunst) kennen – eine wahrhaft schicksalhafte Begegnung. Durch seinen Job jahrelang vom Familienleben abgehalten, trifft Drew in Elizabethtown auf seinen Cousin Jesse (Paul Schneider) und andere entfernte Familienmitglieder. Über seine Verwandtschaft beginnt Drew seinen Vater aus einem ganz anderen Blickwinkel wahrzunehmen. Zwischen den Vorbereitungen für die Beerdigung beziehungsweise Einäscherung hilft ihm außerdem Claire dabei, sein eigenes Leben und seinen Misserfolg ebenfalls aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Elizabethtown erzählt die coming-of-age Geschichte von Drew Baylor, Regisseur und Autor Cameron Crowe wiederum präsentiert dem Zuschauer eine Geschichte über Akzeptanz, Selbstfindung und Hakuna Matata.

Für die pop-kulturelle Landschaft hat Regisseur und Autor Cameron Crowe innerhalb eines Jahrzehnts ungemein viel beigetragen. Noch heute ist Lloyd Doblers Liebesbotschaft aus den Boxen eines Ghetto-Blasters in Say Anything Kulturgut in Amerika. Auch mit seinen drei folgenden Filmen Singles (1992), Jerry Maguire (1996) und Almost Famous (2000) konnte Crowe seinen Ruhm Stück für Stück vergrößern. Für sein Drehbuch zu Almost Famous erhielt er dann letztlich einen Academy Award. Doch sein Höhenflug sollte noch im selben Jahr einen Abbruch erleiden. Zwar war Vanilla Sky sein zweiterfolgreichster Film, doch kam sein Alejandro Amenábar-Remake nicht sonderlich gut an. Nach vier Jahren Pause meldete Crowe sich schließlich 2005 mit Elizabethtown zurück – und fiel erneut auf die Schnauze. Weltweit konnte der Film gerade so seine Kosten wieder einspielen, bei den Kritikern und den Fans fiel der Film weitestgehend durch. Dabei hatte er das Projekt extra verzögert, da es Hauptdarsteller Orlando Bloom und seiner Leinwandpartnerin Kirsten Dunst auf den Leib geschrieben wurde. Als Bloom jedoch aufgrund der Dreharbeiten zu Kingdom of Heaven nicht zur Verfügung stand, wurde über Ashton Kutcher und Seann William Scott nachgedacht. Auch Dunst passte der Film nicht in ihren Terminkalender, wollte sie doch in M. Night Shyamalans The Village mitspielen. Am Ende kam alles doch ganz anders und Crowe konnte seinen Wunschcast vor der Kamera versammeln. Damit hat er sich allerdings keinen Gefallen getan, zumindest halbwegs nicht. Dennoch weiß Elizabethtown besonders gegen Ende den typischen Croweschen Charma aufzuweisen, der bereits seine vorherigen vier Filme durchzogen hat. In jenen Momenten, wenn Susan Sarandon zu „Moon River“ auf der Bühne einen Solotanz anstimmt, macht Crowe erfolgreich seinen desaströsen Vanilla Sky vergessen. Leider fehlt dem Film über weite Strecken jedoch dieser Charme.

Am meisten krankt Elizabethtown an Orlando Bloom als Hauptdarsteller, im Gegensatz zu Kingdom of Heaven muss er hier einen Film alleine durch sein Schauspiel tragen und kann sich nicht hinter Action- und Kampfsequenzen verstecken. Pathetische Reden wie im Scott-Vehikel oder angespanntes Schauen wie in den LotR-Teilen mag man dem Engländer noch zutrauen, hier scheitert er jedoch kläglich. Die Figur von Drew ist nicht unähnlich der von Jerry Maguire, die großartig von Tom Cruise portraitiert wurde. Ein Mann, der am Tiefpunkt seines Lebens angekommen ist, ohne Job und ohne Freundin. Hinzu kommen aber in Elizabethtown noch der Suizidwunsch und der Tod des Vaters – eine ungemein große Palette an Gefühlen. Diese kauft man Bloom zu keinem Zeitpunkt ab, er wirkt hier in seiner ersten „großen“ Rolle gänzlich überfordert und kann lediglich in der Flugzeug-Szene, in welcher er auf Claire trifft, überzeugen. Dass Bloom mit ernsthaftem Schauspiel jedoch relativ wenig zu tun hat, kann lässt sich besonders in der Autofahrtszene nach Elizabethtown sehen. Richtiggehend leit tut einem dann dieser untalentierte Schönling, wenn er gestresst auf sein Lenkrad schlägt. Die Gefühle von Drew, seien es innere Leere, Depression, Euphorie oder dergleichen, kann Bloom jedoch kaum, zumindest jedoch unzureichend, auf die Leinwand bannen. Da Drew aber fast in jeder Szene enthalten ist, steht und fällt der Film mit seinem Darsteller. Für manche mag es ungläubig klingen, aber vielleicht wäre Seann William Scott hier durchaus die bessere Wahl gewesen. Dass es Kutcher nicht viel besser konnte, bewies er im selben Jahr mit A Lot Like Love.

Dagegen weiß Kirsten Dunst weitaus besser zu gefallen, auch wenn sie einen ähnlichen Charakter bereits vier Jahre zuvor in Crazy/Beautiful gespielt hat. Dunst liegen solche schrägen und verspielten Figuren durchaus, auch wenn sich in der Hotelszene ihre Schwächen offenbart. Auch hier hätte man gerne die „andere Wahl“, Bryce Dallas Howard gesehen, doch schadet Dunst dem Film sehr viel weniger wie es ihr Kollege Bloom tut. Paul Schneider hingegen etabliert sich inzwischen dank seiner Nebenrollen (Lars, Jesse James) als aufstrebender Charakterdarsteller, der zum nächsten William H. Macy aufsteigen könnte. Während Baldwin und Biel nur ein kleines Zubrot sind, kann Susan Sarandon aufgrund ihrer wenigen Szenen nicht viel zum Film beitragen. Sie und Filmtochter Judy Greer sind praktisch nicht existent, wissen aber in ihren kurzen Auftritten stets zu überzeugen. Ganz alleine Schuld daran, dass Elizabethtown hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt, ist Bloom jedoch nicht. Crowe, ganz unüblich von ihm, erschreckt durch eine mitunter inkohärente Geschichte. Drews Schuh ist ein Misserfolg, wieso jedoch genau erfährt man nicht. Das ursprüngliche Skript sah sogar vor, dass der Schuh später ein Erfolg werden würde. Nett sind die Anspielungen auf Nike und deren Gründer Phil Knight, fraglich bleibt jedoch, wieso ein einzelner Mitarbeiter in der Lage ist, einer Schuhfirma eine Milliarde Dollar Verlust zu bescheren. Zudem verlaufen viele Ansätze im Sand: der Konflikt ob Drews Vater nun beerdigt oder eingeäschert wird, wieso er unbedingt einen blauen Anzug tragen muss und was es eigentlich mit der Animosität zwischen Hollie und Bill Banyon (Bruce McGill), einem Freund ihres Mannes, auf sich hat. Sehr viel stärker hätte Crowe auch auf die Beziehung der Baylors in Elizabethtown zu Drews Vater eingehen können beziehungsweise auf die zuletzt starke Entfremdung von Drew zu seinem Vater. Hier reißt Crowe vieles an, verfolgt jedoch keinen Handlungsstrang ausreichend.

Hierzu zählt auch Drews Wunsch sich umzubringen. Die erste Intention und der geniale Bau seiner Suizidmaschine kauft man Bloom nie wirklich ab. Auch wenn er seine Pläne nochmals gegenüber Claire bekräftigt, muss man vor Unglaubwürdigkeit der Figur fast Lachen. Dabei hätte man aus der Geschichte durchaus mehr machen können, wären da nicht die Schwachpunkte im Drehbuch und das miese Spiel von Bloom. Aber wie bereits angesprochen hat Elizabethtown auch seine Croweschen Momente, allen voran die obligatorische Flughafenszene und insbesondere einen großartigen Soundtrack. Dieser kommt vor allem in den finalen zehn Minuten zum Tragen, die den eigentlichen Höhepunkt des Filmes darstellen. Hätte sich Crowe ausschließlich auf Drews Selbstfindungstrip beschränkt, angeschlossen an die Beerdigung, wäre der Film vielleicht besser geworden. Dies sind die starken Szenen, die durch schöne Landschaftsaufnahmen und noch schönerer Musik bestechen. Sein Ende findet der Film schließlich in einer sehr akzeptablen Szene, die gelungener ist als das im Drehbuch geplante. Allein wegen einiger Hänger im Skript und Blooms Spiel sollte man – besonders als Cameron Crowe Fan – seinen letzten Film aber nicht verdammen. Wer geduldig ist, wird mit einigen Croweschen Momenten belohnt, mit liebevoll ausgesuchten Drehorten und der besten Straßenkarte aller Zeiten. Bedenkt man Vanilla Sky, so ist Elizabethtown ein Schritt in die richtige Richtung für Wunderkind Crowe.

6.5/10

18. August 2008

Over the Hedge

The weed hacker, Verne. The weed hacker!

Da mir in den Foren von Kino.de vorgeworfen wurde, ich würde für Pixar arbeiten, da ich alles von DreamWorks Animation Pictures verfluche, soll diese Kritik zu einem meiner Lieblings-DreamWorks-Filme mich rehabilitieren. In der Tat habe ich Over the Hedge sogar zwei Mal im Kino gesehen, so sehr mochte ich ihn damals (und auch heute noch). Und das sogar beide Male in der deutschen Synchronisation, die im als Ausnahme der Regel sehr gut ausgefallen ist. Und nicht nur das, eigentlich gefällt mir Bernhard Hoëcker als Stimme von Verne fast besser als Gary Shandling im Original. Besonders sein „Kein In-ter-es-se“ ist ganz großes Tennis.

Exzellent unterstützt wird er von seinem Genial daneben-Kollegen Ralf Schmitz als Hammy, dessen Synchronisation sich vor der von Steve Carell nicht zu verstecken braucht. Auch wenn dadurch der Inside Gag verloren geht, dass Hammy vorschlägt, die neu entdeckte Hecke „Steve“ zu nennen - schließlich sei das so ein schöner Name (inkonsequenterweise heißt die Hecke im Deutschen aber nicht „Ralf“). Trotzdem ist die Synchronisation durchaus gelungen, lediglich Bruce Willis gefällt als RJ weitaus besser als Götz Otto. Schon alleine wie Willis im Original gezielt Worte betont und seine Sätze formuliert, bildet eine der eindringlichsten Sprechrollen.

In ihrem sechsten CGI-Film beeindrucken die Entwickler von DreamWorks mit einer exzellent pointierten und gelegentlich großartig gesellschaftskritischen Geschichte. Der Waschbär RJ (Bruce Willis) ist auf der Suche nach Futter und wird in der Höhle von Bär Vincent (Nick Nolte) fündig. Doch seine Habgier wird ihm zum Verderben und alle Lebensmittel werden zerstört. Vincent gibt RJ eine Woche Zeit, ihm all sein Futter wieder zu beschaffen. Da RJ das unmöglich alleine bewerkstelligen kann, manipuliert er die Sammler-Gemeinschaft rund um die Schildkröte Verne (Gary Shandling) und Eichhörnchen Hammy (Steve Carell), ihm zu helfen.

Verne ist zwar zuerst skeptisch, doch seine Familie betet den charmant-gewitzten Neuankömmling bereits nach kurzer Zeit an. Währendessen malträtiert RJ sein schlechtes Gewissen, beginnt er doch Sympathien für die kleine Gruppe zu entwickeln. Was man DreamWorks im Gegensatz zu Pixar zugestehen muss, sind die vielen pop-kulturellen Referenzen, die das Studio in seine Animationsfilme integriert. Diese finden sich nicht nur in Antz oder Shrek, sondern auch in Over the Hedge. Das fängt bereits bei RJ’s Imitation von Raiders of the Lost Ark an und geht dann von Citizen Kane über zu anderen Klassikern wie A Streetcar Named Desire.

Dazu preist sich Carell im Original nicht nur selbst, sondern auch Ozzy Osbourne wird durch William Shatners Opossum ein kleines Denkmal gesetzt. Weshalb der Film dennoch an den Kinokasse letztlich nur halb so viel einspielte, wie der grottige Shrek the Third dürfte wohl nur an dessen Franchise liegen. Allerdings ließen auch die grausigen Madagascar und Shark Tale die „Vorstadtviecher“ hinter sich. Zumindest vom Zeichenstil unterscheidet sich Over the Hedge nicht groß von anderen DreamWorks-Filmen, dafür in seiner Glossenhaftigkeit. So wie die Szene, in der RJ erklärt, worum sich das Leben der Menschen eigentlich dreht: Essen!

Wir fahren Autos, weil wir zu faul zum Laufen sind, schauen im Fernsehen Essen an, benutzen Telefone, um Essen zu bestellen. Manche beten vor dem Essen, andere nehmen Tabletten, wenn sie zu viel gegessen haben oder trainieren ihren Körper, damit sie weiter essen können. Dennoch isst die Fressmaschine Mensch nicht alles, sondern schmeißt fast genauso viel weg. Eine löbliche Kritik an der verfressenen Gesellschaft und vielleicht ein Grund, weshalb der Film im fettesten Land der Welt nicht so gut ankam. Over the Hedge trifft aber nicht nur hier exakt ins Schwarze. Auch die Kritik an der die Natur und ihre Bewohner beschneidenden Suburbia trifft.

DreamWorks überrascht mit vielen originell-komischen  Einfällen wie der Anspielung auf Pringles (“Once you pop, the fun don’t stop“) oder RJ’s schlechtes Gewissen, das sich im Fernsehprogramm niederschlägt. Die pop-kulturellen Referenzen gehen Hand in Hand mit einer gewissen Sozialkritik, die sich den Kleinen aber kaum erschließen dürfte. Vielmehr ist sie an die erwachsenen Zuschauer gerichtet und das muss man DreamWorks zugestehen, ihre Filme funktionieren meist auf zwei Ebenen. Die Moralgeschichte für die Kinder und die aus dem Leben gegriffenen Anspielungen für die Erwachsenen. Ein Spaß für die ganze Familie.

Was es bedeutet, sich in einer Familie aufeinander zu verlassen, dass erfährt Einzelgänger RJ schon ziemlich bald. Die Gruppe agiert auch sehr offen, wendet sich bereitwillig vom verklemmten Verne zum extrovertierten RJ. Der mysteriöse Vertreter aus der Großstadt, der den Kleinstädtern mit Visionen und Ideen kommt, die für sie wie Heilsbotschaften klingen müssen. Ähnliches bot bereits die Simpsons-Folge Marge vs. The Monorail und auch Verne reagiert schützend, wird jedoch von den übrigen nicht ernst genommen. Die Auswirkungen personifizieren sich dann in dem Verminator Dwayne (Thomas Haden Church).

Dieser versucht mit illegalen Apparaturen (natürlich nur in Texas zugelassen) unseren Helden an den Kragen zu gehen. Ein ganz großer Pluspunkt neben der Sozialkritik ist auch die Musik von Rupert Gregson-Williams und Ben Folds. Die Zeiten, in denen die Figuren selbst gesungen haben, sind inzwischen vorbei. Denselben Zweck erfüllen hier die Songtexte von Folds, die das Geschehen in Lyrics fassen und dabei sehr harmonisch in die Handlung eingewoben werden. Der Film hat jedoch so manche Ruhephase und bei mehrmaligem Sehen verlieren Szenen wie Hammy’s schwache Blase nach dem Winterschlaf etwas ihren Witz.

Hier büßt der Film etwas ein, wie auch die beiden Opossums und die Stachelschweine (ihre Kinder ausgenommen) mitunter nerven. Bedenklich gerät zudem die Darstellung der Perserkatze, die sich von dem weiblichen, emanzipierten, amerikanischen Stinktier die Leviten lesen lassen muss. Die versteckte Botschaft hier - man mag von ihr halten was man will - ist wegen ihrer Islamkritik kritisch zu sehen und hat in einem solchen Film nicht unbedingt etwas verloren. Ansonsten ist Over the Hedge jedoch ein herrlicher Spaß für Groß und Klein und einer der besten Filme aus der DreamWorks Animations-Schmiede sowie des Kinojahres 2006.

7.5/10

17. August 2008

X-Men: The Last Stand

You, of all people, know how fast the weather can change.

Manche Projekte stehen unter keinem guten Stern und dies gilt auch für den Abschluss der X-Men-Trilogie. Ursprünglich hatte Bryan Singer mit 20th Century Fox einen Vertrag über drei Teile, überwarf sich dann jedoch während der Planungen für X-Men: The Last Stand mit dem Studio. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits fest, dass sich der Film um Dark Phoenix drehen würde. Singer verließ schließlich das Projekt, als ihm Warner Bros. anbot, Superman Returns zu inszenieren, von dem zuvor unter anderem McG und Brett Ratner abgesprungen waren. Singer, ein selbst erklärter Fan des Man of Steel, nahm dann nicht nur seinen Drehbuchautoren mit, sondern auch Cyclops-Mime James Marsden. Als potentieller Ersatz auf dem Regiestuhl handelte Fox anschließend verschiedene Namen.

Zu diesen gehörten auch Alex Proyas und Zack Snyder, Ersterer hatte jedoch kein Interesse und Letzterer war mit 300 beschäftigt. Schließlich konnte Matthew Vaughn engagiert werden, der durch sein Debüt Layer Cake zu überzeugen wusste. Vaughn besetzte Kelsey Grammer als Beast und Vinnie Jones als Juggernaut, verließ jedoch nach wenigen Wochen das Filmprojekt wieder. Offiziell aus familiären Gründen gab Vaughn später zu, sich dem Druck von Fox nicht gewachsen gefühlt zu haben, zudem sei das Drehbuch sehr schwach gewesen. Als Ersatz für Vaughn wurde letzten Endes ebenjener Brett Ratner engagiert, der einst bei Superman Returns hätte Regie führen sollen und nun mit seinem persönlichen Freund Bryan Singer die Stühle der jeweiligen Comic-Verfilmungen getauscht hatte.

Zwei Regisseure und über zwei Dutzend Drehbuchentwürfe später konnten die Dreharbeiten zu X-Men: The Last Stand dann endlich beginnen - mit Halle Berry. Dies geschah jedoch unter der Voraussetzung, dass Berry weitaus mehr Leinwandzeit erhalten würde als bei den Vorgängern der Fall. Für sagenhafte 210 Millionen Dollar durfte Brett Ratner, der sich bis dahin hauptsächlich durch die beiden Rush Hour-Filme ausgezeichnet hatte ein Effektgewitter loslassen, welches unterm Strich wenig glaubwürdiger wirkte, als es bei Singers X-Men und einem Budget mit einem Drittel des Umfangs der Fall war. Dennoch gelang es Ratners Film an seinem Startwochenende, wenn auch kurzfristig, Rekorde aufzustellen und im Nachhinein weltweit rund das Doppelte seiner Kosten wieder einzuspielen.

Bei vielen Kritikern und vor allem Fans fiel der Film jedoch durch und das sicherlich nicht unverdient. Löblich sind zwar die Ansätze, die Handlung des Trilogie-Abschlusses auf den Comicbänden The Dark Phoenix Saga von Chris Claremont und Gifted von Joss Whedon zu basieren. Es finden sich auch Querverweise zu anderen Ausgaben aus dem X-Men-Universum, doch das alles tröstet am Ende nicht über das katastrophale Drehbuch von Simon Kinberg und X2-Veteran Zak Penn hinweg. Dieses verstrickt sich den ganzen Film über in Widersprüche und Logiklöcher. Bedauerlicherweise machte der Trilogieabschluss viel von dem kaputt, was Bryan Singer zuvor aufgebaut hatte, was angesichts der Klasse der beiden Vorgänger umso enttäuschender ist. Was man falsch machen konnte, machte Ratner falsch.

Wenige Wochen nach dem Tod von Jean (Famke Janssen) einsetzend, befindet sich Scott (James Marsden) immer noch in einem emotionalen Loch. Die Mutanten scheinen mit der Regierung auf einen gemeinsamen Nenner gelangt zu sein, wurde Hank McCoy (Kelsey Grammer) doch inzwischen zum Kabinettsminister ernannt. Aufgrund eines Mutanten mit besonderen Fähigkeiten lässt sich zudem ein Serum gewinnen, welches als Heilung gegen das Mutanten-Gen verstanden wird. Eine Nachricht, die die Mutantengesellschaft spaltet, allen voran Magneto (Ian McKellen), der eine Armee aufzubauen beginnt. Die X-Men müssen sich derweil entscheiden, auf welcher Seite sie stehen wollen, in diesem scheinbar letzten Gefecht. Dabei müssen beide Lager etwaige Todesfällen und Verluste auffangen.

Das große Manko von X-Men: The Last Stand ist, dass die Dark Phoenix-Handlung rund um Jean, sowie die Gifted-Storyline bezüglich der Heilung weitestgehend aneinander vorbeilaufen, ohne miteinander zu interagieren. Sinnbildlich hierfür steht Famke Janssen, die in den Gifted-Segmenten nutzlos neben Ian McKellen wartet, bis sie sich wieder der anderen Haupthandlung widmen darf. Gefördert wird das Fiasko von den praktisch als Gastauftritte zu bezeichnenden Nebenrollen von Marsden und Rebecca Romijns Mystique, aber auch in verschenkten neuen Rollen wie die des Ur-X-Men Angel (Ben Foster). Ratner scheitert in fast jeder Einstellung daran, mehr als zwei Figuren simultan ins Zentrum rücken zu können, zudem schiebt er auch noch die falschen Figuren in den Fokus.

Den Vogel schießt Ratner dabei vor allem mit den Charakteren von Cyclops und Angel ab. So entgegenkommend es auch ist, Cyclops in die Geschichte einzubeziehen, so unsäglich verkommt dessen Auftritt. Ganze vier Minuten ist Marsden im Bild und darf dabei beeindruckende vier Sätze von sich geben. Da Singer bereits die Figur des X-Men-Leaders zu Gunsten von Wolverine (Hugh Jackman) verschenkt hat, hätte man auf dieses Armutszeugnis getrost verzichten können. Noch erbärmlicher wird das Ganze bei bei der neuen Figur von Angel, der wie Beast/Hank McCoy zu den Gründungsmitgliedern der X-Men zählt. Foster, der extra Krafttraining für die Rolle absolvierte, bringt es auf etwas mehr als zwei Minuten und drei Sätze und wird ebenso verschenkt wie die geopferte Mystique.

Besser wäre es hier gewesen, auf Mystique und Cyclops schlichtweg zu verzichten oder die Rollen neu zu besetzen, wenn man sie in die Geschichte zu integrieren beabsichtigt. Stattdessen muss man sich mit eindimensionalen und uninteressanten Figuren wie Pyro (Aaron Stanford) herumschlagen, die bereits im Vorgängerfilm nicht überzeugte. Auch die Neuzugänge überzeugen nur bedingt. So sorgt Vinnie Jones als Juggernaut zumindest für den ein oder anderen Lacher (obschon Juggernaut gar kein Mutant ist). Serienfans dürfen sich zudem auf Eric Dane als Multiple Man freuen, sowie Ken Leung als Kid Omega und Dania Ramirez als Callisto. Dennoch werden sie alle darauf beschränkt, hilflos neben Magneto zu stehen, während sich die Handlung um sie herum fortentwickelt.

Den Unterschied zwischen X-Men: The Last Stand und seinen Vorgängern merkt man bereits beim Vorspann, der nicht unmittelbar einsetzt, sondern erstmal die Themen vorstellt (passend zum Film individuell und chronologisch). Immerhin schlägt das Fan-Herz bei der nächsten Sequenz stärker, wenn der Zuschauer zumindest eine Ahnung vom Danger Room inklusive Sentinels erhält. Nur ist diese Szene fast schon der Höhepunkt. Während die Phoenix-Saga verschenkt wird, überzeugen mitunter wenigstens die Gifted-Elemente. Was wäre, wenn tatsächlich eine Heilung existieren würde? Für Mutanten wie Storm und Magneto unverständlich, bringt es Beast auf den Punkt: Nicht jeder gliedert sich mühelos in die menschliche Gesellschaft ein. Das lebende Beispiel: Rogue (Anna Paquin).

Da neben der Heilung aber noch ein weiterer Plot besteht und Ratner versucht, das Ganze in 90 Minuten abzuvespern, bleibt nicht viel Zeit, um dieser subversiven moralischen Frage nachzukommen. Die Kräfte wandern stattdessen ins Filmfinale, das durch schwachsinnige und unnötige Einfälle auftrumpft (Warum bewegt Magneto die Golden Gate Bridge, um damit nicht mal 200 Mutanten nach Alcatraz zu bewegen? Ist Angel die ganze Zeit über der Insel geflogen, darauf wartend, dass jemand seinen Vater vom Dach schmeißt? Etc.) Das alles wird abgerundet von schmalzigen Dialogen und weiteren verschenkten Darstellern wie Patrick Stewart (Professor X) und Ellen Page (Kitty Pryde). So ist X-Men: The Last Stand der Abschluss der X-Men-Trilogie, den man dieser nie gewünscht hat.

4/10