30. Dezember 2009

Filmjahresrückblick 2009: Die Top Ten

The truth is that everybody leaves the cinema feeling a better person.
(Pedro Almodóvar)


Das Kalenderjahr 2009 neigt sich dem Ende entgegen. Zeit, zurück zu blicken, welche Filme dem Publikum dieses Jahr serviert wurden. Oder besser: die ich goutiert habe. Dieses Jahr will ich keine große Rücksicht darauf nehmen, welche Filme ich bereits 2008 gesehen habe, die dann erst dieses Jahr liefen oder die ich 2009 gesehen habe, obschon ihnen selbst für 2010 noch kein definitiver Kinostart zugesprochen wurde. Insofern waren es 134 Filme, in deren Genuss (mal mehr, mal weniger) ich dieses Jahr kam. Davon entfielen 83 auf Kinosichtungen und von diesen wiederum 36 auf Pressevorführungen. Hinzu kamen dann noch Festivalbesuche des Fantasy Filmfestes in Stuttgart sowie von Filmz in Mainz. Die restlichen 44 Filme wurden schließlich per DVD oder Blu-Ray gesichtet, womit sich alle Zahlen auf ebenjene 134 Sichtungen addieren sollten. Den Ungeduldigen unter meiner Leserschaft sei wie letztes Jahr geraten, direkt zur Top Ten zu scrollen. Die Übrigen dürfen sich ebenfalls wie letztes Jahr an einem ausführlicheren Rückblick erfreuen.

Die drei ertragsreichsten Filme des Jahres (wie im Filmstreifen zu erkennen) waren Avatar, sowie die beiden Fortsetzungen Harry Potter and the Half-Blood Prince und Ice Age: Dawn of the Dinosaurs. Damit hat sich gut eine Woche nach Verfassen des Posts bewahrheitet, dass Avatar mehr als ein entscheidendes Wort mitsprechen werden würde. Ähnlich wie Ice Age 3 ist es hier das Box Office außerhalb der USA, das entscheidenden Anteil am Erfolg dieser Filme hat. Das sechste Abenteuer von J.K. Rowlings Zauberlehrling kann man hierbei als größten gemeinsamen Nenner der Kinogänger ansehen. Denn während die Fortsetzung zu Transformers den amerikanischen Markt dominierte (und, Inflation außen vor gelassen, den neunten Film darstellt, der in den USA die 400-Millionen-Dollar-Marke durchbrechen konnte), einigten sich die Europäer weitestgehend darauf, sich vom dritten Ice Age-Abenteuer verzaubern zu lassen. Außerhalb der Vereinigten Staaten liefen sogar bisher nur Titanic und The Lord of the Rings: The Return of the King und eben Avatar erfolgreicher.

Wusste Ice Age 3 ganz Europa zu begeistern? Nein. Ein kleines südeuropäisches Land (Spanien) zählte gemeinsam mit den USA zu den wenigen Nationen, die Pixars Up vorzogen. Eine Besonderheit stellt zudem Polen dar, das wiederum Madagascar: Escape 2 Africa den Vorzug gab. Deutsche, Franzosen und Italiener einigten sich dagegen einvernehmlich darauf, Ice Age 3 zum meistbesuchten Film des Jahres zu machen. Die Briten zogen ganz patriotisch Harry Potter vor. Während in Deutschland und Frankreich auf Diego, Manny und Sid erst Harry Potter und dann ein nationaler Film (bei uns Michael Herbigs Wickie und die starken Männer) folgten, begeisterten sich die Italiener eher für den englischsprachigen Film. Die ersten sechs Plätze nimmt bei ihnen das Ausland ein. Wobei berücksichtigt werden sollte, dass Angels & Demons – der in Rom spielt und gedreht wurde – nach Ice Age 3 die meisten Italiener in die Lichtspielhäuser trieb. Und damit genug über den Tellerrand geblickt.

Erfolg und Beliebtheit gehen jedoch nicht immer unbedingt miteinander einher. Zwar liefen die drei bestbewerteten Filme des Jahres in der Internet Movie Database (IMDb) äußerst erfolgreich, spielten jedoch im Wettbewerb der Großen keine gewichtige Rolle. Bis auf James Camerons Avatar, der bereits nach drei Wochen zu den erfolgreichsten Filmen aller Zeiten zählt. Mit einer IMDb-Wertung von gegenwärtig (Stand: 29.12.2009) 8.8/10 war Avatar zugleich der beliebteste Film des Jahres. Gefolgt von Inglourious Basterds und Up mit jeweils 8.5/10. Im Vergleich zum Vorjahr finden sich 2009 unterschiedliche Gewinner. Einer von ihnen ist sicher Schauspieler Sam Worthington, der sich gerade im Action-Genre besonderer Beliebtheit erfreut. Aber auch Regisseur Todd Phillips kann als Gewinner angesehen werden, gelang es dem Regisseur von Werken wie Road Trip mit The Hangover allein in den USA das Achtfache seiner Kosten einzuspielen und damit die erfolgreichste Komödie 2009 abzuliefern.

Den Titel des vielversprechendsten Nachwuchstalentes verdient dieses Jahr am ehesten noch Catinca Untaru aus Tarsem Singhs The Fall. Bei ihren älteren Kollegen beeindruckte zum einen Sam Rockwell in seiner Doppelrolle in Moon. Viele Schauspieler sind daran gescheitert, mehrere Rollen zugleich zu übernehmen. Und wenn außer diesen Rollen niemand anderes im Film auftaucht, ist ein solches Unterfangen umso schwerer. Desto beachtlicher, wie gelungen Rockwell die Aufgabe meistert. Zum anderen spielte sich Evan Rachel Wood eindrucksvoll in den Vordergrund. War ihr in Darren Aronofskys The Wrestler nur eine Nebenrolle gewährt, so meisterte Wood diese jedoch bestens. Dem setzte sie mit ihrer Leistung in Woody Allens Whatever Works diesen Dezember jedoch noch die Krone auf. Bei den Animationsfilmen gefiel mir dieses Jahr Bolt am besten, während ich die zweite Staffel von The Big Bang Theory, die noch eine Schippe zum Vorgänger drauflegte, zur Serie des Jahres küre.

Was zeichnete das Filmjahr 2009 aus? Bestimmte im letzten Jahr das Thema High Definition und die Festlegung auf Blu-Ray das Business, so wurde spätestens mit diesem Jahr der Aufbruch der Branche in die dritte Dimension beschlossen. „I rather think the cinema will die“, soll die Legende Orson Welles einst gesagt haben. Doch entgegen dem obigen Bild aus The Final Destination dürfte 3-D wohl kaum den Tod im Kino des Kinos darstellen. Konnten Filme wie Coraline, ebenjener The Final Destination oder Up 3-D-technisch nicht sonderlich überzeugen, zeigte Avatar auf, wie man die Technik effektiv(er) nutzt. Dessen konnte ich mich zwei Mal im Kino überzeugen, mit einer dritten Sichtung in 2D als Vergleich. Genauso oft sah ich The Wrestler, wobei hier eine Sichtung auf die DVD entfiel. Ingesamt betrachtet war 2009 ein relativ enttäuschendes Jahr, auch wenn die Wertungen der Top 10-Filme ein anderes Bild sprechen. Kein Film, der für die Ewigkeit geschaffen scheint. Die nun folgende Liste (Flop Ten in den Kommentaren) präsentiert die für mich zehn besten Filme des Jahres:


10. Avatar (James Cameron, USA/UK 2009): Der unterhaltsamste Film des Jahres, der mit überwältigenden Spezialeffekten und einem bewegenden Soundtrack von James Horner aufwartet. Die Geschichte ist nicht neu, aber mitreißend erzählt. Hinzu kommt, dass ich wohl noch nie mit so niedrigen Erwartungen an einen Film herangegangen bin, um dann festzustellen, dass ich diesem von Anfang an Unrecht getan habe. Er wird vielleicht nicht allen Vorschußlorbeeren gerecht, aber Vielen von ihnen.

9. Bright Star (Jane Campion, AUS/UK/F 2009): Auch von Jane Campion habe ich mir seit The Piano nicht mehr viel versprochen. Umso erfreulicher, dass es der Neuseeländerin hier gelingt, nicht nur einen faszinierendes period piece abzuliefern, sondern auch den wohl ergreifendsten und authentischsten Liebesfilm des Jahres. Für wenig Geld gedreht, mit vielen liebevollen Details ausgestattet und neben der eigentlichen Geschichte noch John Keats huldigend. Totgesagte leben scheinbar in der Tat länger.

8. Moon (Duncan Jones, UK 2009): Man merkte es Jones’ Debütfilm nicht an, dass es sich um einen solchen handelt. Der Sohn von David Bowie bescherte uns dieses Jahr ein so simples wie atmosphärisches Science-Fiction-Drama, das angesichts seines Budgets wirklich beeindruckend ausgefallen ist. Zudem zeichnet das geschickt konstruierte Kammerspiel aus, dass es nie vorgibt, mehr zu sein als es ist. Abgerundet wird das Ganze von dem wie gewohnt stimmigen Soundtrack Clint Mansells.

7. Okuribito (Takita Yôjirô, J 2008): Wenn die Nominierten für den fremdsprachigen Film gelungener sind als ihre englischsprachigen Vertreter in der prestigeträchtigeren Kategorie, sagt dies so manches über Hollywood aus. Takitas besonnener und verdienter Preisträger gefällt durch seinen subtilen Humor, wie auch seine musikalische Untermalung und respektvolle Behandlung der Bestattungs-Thematik. Das Ende ist vielleicht etwas zu viel des Guten, der Film berührt dennoch ungemein.

6. (500) Days of Summer (Marc Webb, USA 2009): Auch Webb deutet nicht an, dass dies sein Debüt darstellt. Nicht unbedingt eine Revolution der romantischen Komödie, aber dank seiner kreativen Frische eine lang ersehnte und willkommene Abwechslung. Ähnlich wie Jones gaukelt Webb seinem Publikum nichts vor, wenn es um Beziehungen geht. Der formidable Soundtrack (der Beste des Jahres) um Hall & Oates’ You Make My Dreams (sowie sein Platzierung im Film) runden das Bild vollends ab.

5. The Limits of Control (Jim Jarmusch, USA/J 2009): Jarmuschs kryptischer Film ist sicherlich wenig zugänglich für den uninteressierten beziehungsweise gewöhnlichen Kinozuschauer. Gibt man sich jedoch vollends der Suggestion seiner Bilder hin, entführt einen das filmische Enfant terrible in eine Welt, deren Interpretation einem jeden Beobachter selbst überlassen ist. Selten wurde man von einem Werk eindeutiger eingeladen, in seiner Undeutlichkeit Mehrdeutigkeit auszumachen.

4. Ai no mukidashi (Sono Sion, J 2008): Sonos Mammutwerk vereint zugleich mehrere Genres in einem Film, dabei mühelos von einem ins andere wechselnd. Auch hier zeichnet sich die musikalische Untermalung besonders aus, steht jedoch hinter den humoristischen und mitunter bildgewaltigen Szenen zurück. Würde sich Sono speziell in der letzten Stunde nicht zu sehr in einem seiner eher unausgegorenen Handlungsstränge verlieren, wäre sein Film noch weitaus beeindruckender.

3. The Cove (Louie Psihoyos, USA 2009): Zwar geht Psihoyos nicht allen Fragen gebührend nach, dennoch verdient sich sein Film den Titel der besten Dokumentation des Jahres. Je mehr der Filmemacher die Heuchelei der japanischen Behörden und insbesondere des Dorfes Taiji aufdeckt, desto emotionaler und ergreifender gerät das Delfinschlachten in Japan. Ein Film, der geschaffen wurde, um Gräuel aufzudecken und ihnen Einhalt zu gebieten. Wohl wissend, dass ein Film allein dafür nicht ausreicht.

2. The Boy in the Striped Pyjamas (Mark Herman, UK/USA 2008): Mit seiner Romanadaption gelingt es Herman dem Holocaust ein Gesicht zu verleihen, ohne verklärend in dieses zu blicken. Vielmehr ist sein Film eine Geschichte über die (reine) Freundschaft zweier Kinder, die letztlich über den kalten Faschismus obsiegt. Ein warmherziger und zugleich bisweilen auch abstoßender Film, der nicht nur stets die richtige Stimmung trifft, sondern auch vom gesamten Ensemble exzellent präsentiert wird.

1. Synecdoche, New York (Charlie Kaufman, USA 2008): Kaufman erschafft mit seinem Regiedebüt weniger einen Film als Kunstwerk. Mit Dutzenden von Details und Symbolen ausgestattet, präsentiert Hollywoods talentiertester Autor etliche Ideen, Anekdoten, Interpretationen, Metaphern und Synekdochen. Eine cineastische Matrjoschkafigur. Ein Film, der je nach Blickwinkel und Betrachtung sein Aussehen verändern kann. Und der sich das Etikett des Kunst- und Meisterwerkes redlich verdient.

27. Dezember 2009

Bright Star

A thing of beauty is a joy for ever.
(John Keats, Endymion)

Kritiken können vernichtend sein. Das merkt jeder, der im Auge der Öffentlichkeit steht. Egal ob Politiker, Restaurantkoch oder Filmemacher. Mitunter werden auch negative Kritiken zu Künstlern und Werken abgegeben, die den Wert ihres Kritikobjektes einfach nicht einschätzen können oder konnten. Weil jenes Werk seiner Zeit voraus war oder weil die Zeit erst später eine Zuordnung erfuhr. So wurde Endymion, ein Gedichtband des englischen Dichters John Keats (1795-1821) bei seiner Veröffentlichung 1818 von einigen Kritikern als „Schwärmerei“ abgetan. Und das war noch höflich ausgedrückt, wenn andere es gar als „unbeirrbar sabbernden Schwachsinn“ titulierten. Keats wurde somit zu Lebzeiten nicht sonderlich geschätzt und als er 1821 wie seine beiden Brüder an Tuberkulose starb, war er im Glauben geblieben, als Dichter versagt zu haben. Heute gilt er als einer der wichtigsten Vertreter der Romantik.

Die neuseeländische Regisseurin Jane Campion machte sich mit Bright Star daran, dem britischen Poeten ein filmisches Denkmal zu setzen. Beziehungsweise weniger ihm, als seiner Liebe zu Fanny Brawne - dem sprichwörtlichen Mädchen von nebenan. Im Sommer 1818 bewohnten John Keats (Ben Whishaw) und Fanny Brawne (Abbie Cornish) jeweils eine Wohnhaushälfte von Wentworth Place in Hampstead, nördlich von London. Der mittellose Keats war hierbei Gast seines Freundes und Förderers Charles Armitage Brown (Paul Schneider), wurden seine Gedichte doch nur von seinen Freunden und Bekannten geschätzt. Bright Star, benannt nach einem von Keats’ letzten Gedichten, widmet sich nun zwei Stunden lang der langsam entspinnenden und bis zu Keats’ Tode währenden Liebe zwischen ihm und Fanny. Eine Liebe, die eher argwöhnisch von ihrer Mutter (Kerry Fox) und Brown betrachtet wird. Wo Letzterer in Fanny eine Ablenkung für Keats’ lyrische Ergüsse sieht, will Fannys Mutter ihre Tochter nicht an einen Mann ohne Einkommen abgeben.

Dabei baut die Geschichte keine wirklichen Schranken für die junge Liebe. Im Gegenteil, Keats ist gern gesehener Gast im Hause Brawne und versteht sich mit allen Familienmitgliedern blendend. Er wird als Künstler wahrgenommen und auch mit gebührendem Respekt behandelt. Aber wie will sich ein Dichter, der sich nicht einmal selbst versorgen kann, um eine Frau und Kinder kümmern? Was selbst heute bisweilen noch ein Problem darstellt, war Anfang des 19. Jahrhunderts erst Recht ein solches. Als Keats dann auch noch krank wird, verschlechtern sich die Aussichten mehr und mehr. Campion widmet sich in ihrem neunten Spielfilm ausführlich diesem Auf und Ab in der Beziehung zwischen Keats und Fanny. Mit viel Liebe zum Detail lässt die Neuseeländerin die Liebe langsam wie eine Blume aufblühen, wenn Fanny plötzlich realisiert, dass sie sich in Keats verliebt hat. Hier platziert sie Szenen, die besonders authentisch die emotionalen Wogen und Stadien einer derart jungen Romanze einfangen.

Als Keats ihr lange und verliebte Briefe von seinem Sommerdomizil schreibt, fangen Fannys Geschwister Schmetterlinge für sie, die schließlich ihr blasses Schlafzimmer aufhellen. Nachdem von Keats ein anderes Mal jedoch nur ein paar Zeilen eintreffen, erfragt ihre kleine Schwester bei der Mutter ein Küchenmesser. Auf Nachfrage erfährt diese, dass ihre älteste Tochter sich damit die Pulsadern aufschneiden will. Bildhaft sind inzwischen auch die Schmetterlinge verstorben, die wie Relikte einer besseren Zeit schließlich vom Boden aufgekehrt werden müssen. Die große Stärke von Bright Star ist, dass Campion nicht versucht, diese Liebe zu verkitschen. Alles was der Zuschauer sieht, dürfte er selbst in seiner Jugend und Pubertät wohl mehr oder weniger ähnlich erlebt haben. Wenn jedes Wort des oder der Liebsten wie ein Sonnenstrahl im kalten Winter aufgesogen wird und Campion beim Eintreffen des ersten und lang erwarteten Briefes Cornish diesen an ihr Herz gepresst die Treppen hoch tragen lässt.

Die Liebe dieser zwei Figuren fühlt sich nicht authentisch an, weil es diese Liebe vor 190 Jahren tatsächlich gegeben hat, sondern weil Campion sie glaubhaft auf die Leinwand bannt. Hinzu kommt dann noch, dass die Chemie zwischen Whishaw und Cornish in nahezu jeder Szene stimmt. Eingebettet in die Szenerie dieses period pieces wird man schließlich als Zuschauer von der blassen Schönheit dieses Filmes verzaubert. Sechzehn Jahre nach ihrem Meisterwerk The Piano schafft Campion es, sich wieder zurück zu melden und einen neuen Akzent zu setzen. Ihre Hingabe zu diesem Projekt merkt man schon allein daran, dass sie sich nicht gescheut hat, für die Schlusseinstellung des Filmes, die nur wenige Sekunden dauert, tatsächlich nach Rom zu fliegen, um dort vor Ort zu drehen. Somit ist Bright Star ein Film der von Hingabe handelt und auch mit solcher umgesetzt wurde. Gebührend ausgeleitet mit dem Abspann, unter den Campion nicht wie sonst üblich Musik gelegt hat, sondern Whishaw aus dem Off eines von Keats’ Gedichten aufsagt.

Dabei ist Bright Star aber nicht nur Herzschmerz, sondern weiß auch an den nötigen Stellen durch kleine humoristische Auflockerungen zu gefallen. Zudem fängt Campion auch äußerst gelungen die Atmosphäre der damaligen Zeit ein. Gedichte bestimmten den Alltag und bildeten die Unterhaltung, kanalisierten den Weltschmerz jener Epoche. Zwar umreißt Campion auch durchaus das Schaffen von Keats, doch spielt sich dies eher im Hintergrund der Geschichte ab. Vordergründig ist ihr Film ein cineastisches Sonett auf die Liebe und in seiner Art und Form ein Liebesfilm, wie man ihn schöner in den letzten Jahren wohl kaum zu Gesicht bekommen hat. Nach Flops wie In the Cut meldet sich Campion - eine von drei Frauen, die für ihre Regiearbeit mit einer Oscarnominierung bedacht wurden - eindrucksvoll zurück und knüpft in gewisser Hinsicht da an, wo sie vor 16 Jahren mit The Piano aufgehört hat. In einer Szene des Filmes meint Keats, wenn die Muse den Dichter nicht von selbst findet, wäre es besser, sie finde ihn gar nicht. Insofern ist es erfreulich, dass Jane Campion scheinbar wieder von ihrer Muse gefunden wurde.

8.5/10

24. Dezember 2009

The Complete: Lethal Weapon

I’m too old for this shit.

Zu den im Gedächtnis verhafteten Action-Klassikern der achtziger Jahre zählen vor allem John McTiernans Die Hard von 1988 oder auch die Eddie Murphy Filme 48 Hrs. und Beverly Hills Cop von 1982 bzw. 1984. Während zwar bereits 48 Hrs. ein afroamerikanisch-kaukasisches Ermittlerpaar präsentierte, bildet letztlich doch Richard Donners Lethal Weapon von 1987 den filmischen Auftakt des inzwischen Genreetablierten Buddy-Movies eines schwarzen und eines weißen Cops. Da stört es auch nicht weiter, dass im Vergleich zu den übrigen Vertretern der Achtziger Donners rüstige Vietnamkriegsveteranen nicht ganz so erfolgreich im Kino liefen. Aber immer noch erfolgreich genug, um drei Fortsetzungen nach sich zu ziehen, die finanziell den ersten Teil zu überbieten verstanden. Etwas, dass beispielsweise der Beverly-Hills-Cop-Reihe nicht zu gelingen vermochte, auch wenn dessen Fortsetzung 1987 gut das Zweieinhalbfache von Lethal Weapons Einspiel in den USA in die Kassen spülte.

Im Gegensatz zu anderen langlebigen Kinoreihen, speziell auch den Actionvertretern derselben Epoche, die ebenfalls drei Fortsetzungen erfuhren bzw. erfahren, zeichnet sich Lethal Weapon durch seine Kontinuität aus. Zwar war Drehbuchautor Shane Black bei den letzten beiden Teilen nicht mehr für die Geschichte verantwortlich, doch die Hauptachse mit Regisseur Richard Donner und den beiden Hauptdarstellern Mel Gibson und Danny Glover konnte über die Jahre hinweg gehalten werden. Vielversprechend klingt da an, dass Black scheinbar ein Drehbuch für eine vierte Fortsetzung für 2012 geschrieben hat, wobei bisher weder die Hauptachse bestätigt werden konnte, noch die Nebendarsteller um Joe Pesci, Rene Russo oder Chris Rock. Dass Black immer noch im Stande ist, ein intelligentes und witziges Action-Skript hervorzubringen, konnte er vor einigen Jahren mit seinem Regiedebüt Kiss Kiss Bang Bang beweisen. Sicher ist wohl, dass bei dem Mehrwert, den Lethal Weapon mit sich bringt, einer Fortsetzung kaum ein Fan abgeneigt wäre.

Lethal Weapon – Director’s Cut

Wer sich Ende der achtziger Jahre an Weihnachten in Los Angeles aufgehalten hat, muss starke Nerven besessen haben. Machte Richard Donners Lethal Weapon 1987 den Anfang, musste sich John McClane ein Jahr später in Die Hard ebenfalls in New York mit blonden Gegenspielern auseinander setzen. Dabei wirkt L.A. wenig dezemberlich in Donners Film, der zwar mit Weihnachtsbäumen aufwartet, aber gleichzeitig auch den von ihm produzierten The Lost Boys im Kino laufen lässt, obschon dessen Kinostart seiner Zeit im Sommer stattfand. Dies mag nun weniger ein Kontinuitätsfehler sein, als eine bloße Referenz des Regisseurs an sich selbst, amüsant ist es dennoch. Es ist also Weihnachten im Jahr 1987 und zwei Polizisten haben mit ihren individuellen Problemen zu kämpfen. Da ist Sergeant Roger Murtaugh (Danny Glover), der kurz vor Weihnachten nun auf die große 5-0 zugesteuert ist und bereits über seine Rente nachdenkt, da er sich schon zusammenreißen muss, damit seine Hände beim Schießen nicht zittern. Ganz andere Sorgen hat sein Kollege Martin Riggs (Mel Gibson) vom Drogendezernat. Drei Jahre nach dem Unfalltod seiner Frau sehnt sich der Ex-Special-Forces Vietnam-Veteran nach dem Tod.

Der suizidale Charakter von Riggs wird von Donner in seinem Director’s Cut nochmals verstärkt, wenn zur Weihnachtsbaum-Schießerei eine zusätzliche Szene um einen Schulhof-Scharfschützen hinzukommt. Insgesamt wird so in der neuen Schnittfassung viel zu viel Gewicht auf Riggs Persönlichkeit gelegt, was durch seine Redundanz dann einigermaßen langweilig wird. Hier hätte die Drogenüberführung auf dem Weihnachtsbaummarkt vollkommen gereicht, da sie mit Riggs Trailer- und Dachszene ohnehin noch ein Echo erfährt. Insgesamt kann an dieser Stelle bereits gesagt werden, dass Donners Schnittfassung dem Film weit weniger gut gereicht als die Kinoversion. Diese kommt im Endeffekt sehr viel runder und gelungener daher, da sie sich auf das beschränkt, was für die Geschichte notwendig ist, ohne auszuufern. Denn Lethal Weapon hat auch so hier und da seine Längen.

Die erste Hälfte der Annäherung von Riggs und Murtaugh gefällt. Die Selbstmörder-Szene ist hierbei ebenso gelungen wie die erste gemeinsame Ermittlung, die zum Pool-Mord führt. Beachtlich ist hierbei Riggs’ Body Count, der schon nach zwanzig Minuten (im Director’s Cut) vier Menschenleben fordert und zu Murtaughs herrlicher Dialogzeile führt: „Have you ever met somebody you didn’t kill?“. Die angesprochenen Längen stellen sich dann in der zweiten Hälfte ein und beginnen vormerklich mit und nach Hunsakers Ermordung. Gerade die Wüstenszene ist viel zu lang geraten, speziell da sie nahtlos an das Finale anschließt und somit nicht wirklich ein Ende findet bzw. Raum für eine Pause lässt. Hinzu kommt der vollkommen blasse Gegenspieler General McAllister (Mitch Ryan), der so eindimensional und formlos bleibt, dass man sich fragt, warum man diese Figur nicht einfach für ein wenig mehr Raum für Mr. Joshua (Gary Busey) gestrichen hat. Der Film kulminiert anschließend in einem reichlich enttäuschenden Finale, das nichts anderes darstellt, als eine einzige große Schulhof-Rauferei mit schaulustigen Polizisten und einem Polizeihubschrauber, der das Setting ausleuchtet.

Nun ist Lethal Weapon kein schlechter Film, auch nicht in Donners Schnittfassung, aber er wirkt weit weniger harmonisch inszeniert als McTiernans Die Hard. Die emotionale Komponente von Riggs ist zu Beginn zu stark thematisiert, die Nebenhandlung rund um die Hunsakers eigentlich verschenkt da bedeutungslos und die wirklichen Gegenspieler nichts als Schattenfiguren und Alibi-Bösewichter. Insofern lebt Donners Film vormerklich von seinen beiden Protagonisten und deren Zusammenspiel, welches sich im Laufe der Geschichte stets verbessert. Die Action selbst ist weitestgehend solide choreographiert, wobei gerade im Finale ein Schnittgewitter folgt, in welchem sich mehr schlecht als recht ein Kampf ausfindig machen lässt. Worin Lethal Weapon jedoch erfolgreich ist, ist die Vermittelung von Murtaughs legendärem Gedanken, dass gerade er, aber auch Riggs, eigentlich zu alt sind, um sich solche actionreiche Spielereien zu gönnen. Wäre der Film um die erweiterten Szenen und zusätzliche circa zehn Minuten gestraffter, würden sich auch die Längen verabschieden. Dennoch ein fraglos gelungener und über weite Strecken außerordentlich unterhaltsamer Actionfilm.

Lethal Weapon 2 – Director’s Cut

Dass es zu diesem zweiten Teil kam, war nicht unbedingt geplant. Eigentlich wollte Regisseur Richard Donner den ersten Teil mit Murtaughs Rente enden lassen. Doch Lethal Weapon, der neunterfolgreichste Film 1987 in den USA, konnte bei einem derart eingespielten Team wie es Gibson und Glover darstellten nur eine Fortsetzung erhalten. Dabei ist Lethal Weapon 2 wohl der politischste Teil der Reihe geworden, widmet sich der Film dieses Mal unter anderem der Apartheid in Südafrika. Zudem avancierte Glovers Roger Murtaugh spätestens in diesem Teil nicht nur zum Zugpferd der Reihe, sondern zu einem der coolsten Actionhelden der Filmgeschichte. Denn wie lehrte die Simpsons-Folge Itchy & Scratchy Land: „With a dry, cool wit like that, I could be an action hero“. Und was gibt es Cooleres, als zwei Antagonisten mit einer Nagelpistole zu töten und dem Ganzen ein lockeres „nailed ‘em both” nachzuschieben?

Ein mehr als erfolgreiches Konzept fand mit diesem zweiten Teil bereits Einzug: die zusätzliche neue Figur. Während der nächsten drei Fortsetzungen sollte Donner seine Filme mit jeweils einem neuen Gesicht aufwürzen, welches als comic relief jedem der Filme eine individuelle Spritzigkeit verlieh. In diesem Fall war es Joe Pescis Leo Getz, der als Geldwäscher und Kronzeuge mittels der grandiosen Hotelzimmerszene in das Geschehen eingeführt wurde. Allein sein „okay, okay, okay“ ist zum Kult geworden und hat dem Schauspieler neben seiner Scorsese-Engagements wohl mit die meiste Aufmerksamkeit im Business beschert. Und wer von John McClanes Hubschrauber-Zerstörung per Auto in Live Free or Die Hard beeindruckt war, darf sich hier vor Augen führen, dass Martin Riggs fast zwei Jahrzehnte zuvor schon ein ganzes Haus mit seinem Fahrzeug in den Untergang fahren durfte. Im Vergleich zu Lethal Weapon tritt hier dann auch das Motto „Höher, Schneller, Weiter“ in Kraft, wenn von Klobomben bis hin zu Helikopterangriffen auf Wohnwägen und einstürzende Häuser alles dabei ist, was das Action-Herz begehrt.

Etwas zuviel des Guten wird es dann, wenn Shane Black und Richard Donner Amoklaufende südafrikanische Diplomaten (Joss Ackland, Derrick O’Connor) auf unsere beiden Cops loslassen. Wie fahrlässig hier die diplomatische Immunität ausgeweitet wird, ist bisweilen doch sehr amüsant. Ironischerweise fiel Lethal Weapon 2 genau in das Jahr, welches das Ende der Apartheid einleiten sollte. Aber einen Verdienst scheinen sich die Macher im Gegensatz zu David Hasselhoff und den Fall der Mauer nicht ankreiden zu wollen. Als weiteren Zusatz erhält Riggs dann mit Rika van den Haas (Patsy Kensit) eine neue Liebschaft, die ihm jedoch kurz darauf schon wieder genommen wird. Etwas problematisch wird es, wenn der Film versucht eine Brücke zum ersten Teil zu schlagen, indem Vorstedt (O’Connor) für den Tod von Riggs Frau verantwortlich gemacht wird. Dies wirkt dermaßen konstruiert, dass man eigentlich seinen Ohren nicht trauen möchte. So darf Riggs dann im (etwas enttäuschenden Finale – etwas, das alle Teile gemeinsam haben – nicht nur eine verflossene Geliebte rächen, sondern derer gleich zwei.

Da hätte Blacks eigentliches Ende des Filmes, in welchem Riggs durch Rudds (Ackland) Kugeln stirbt, fast schon wie eine Farce gewirkt. Insgesamt betrachtet baut der zweite Teil also ein wenig im Vergleich zum Vorgänger ab. Wieder sind einige der Actionszenen, allen voran der Helikopterangriff, zu lang geraten, wie auch allgemein es schon fast zuviel Action ist. In Verbindung mit der abstrusen Beziehung zwischen Vorstedt und Riggs will Lethal Weapon 2 somit nicht mehr ganz so überzeugen, wie noch beim Vorgänger der Fall. Auch wenn gerade die Szenen mit Leo, aber auch insbesondere die Klobombenszene natürlich ausgesprochene Pluspunkte sind. Dass das abgeänderte Ende mit Riggs' Überleben dazu geführt hat, dass Black der Reihe fortan – zumindest bis zum fünften Teil (s. Einleitung) – den Rücken kehrte, mag man dabei verschmerzen, bedenkt man, dass auch die kommenden beiden Fortsetzungen qualitativ nicht abfielen. Es kann folglich konstatiert werden, dass sowohl die Südafrikaner als Gegenspieler wie auch ihr Einbau in die Handlung selbst weit weniger gefallen, als die neue Figur und die weiterhin gut funktionierende Beziehung zwischen den beiden Titelfiguren.

Lethal Weapon 3 – Director’s Cut

Drei Jahre später folgte der Teil, den es, wenn es nach Shane Black gegangen wäre, nie gegeben hätte. Der Auftakt in den Film ist dabei ausgesprochen gelungen, wahrscheinlich sogar der Beste der gesamten Reihe. Hier wird die Chemie zwischen Gibson und Glover auf die Spitze getrieben als es darum geht eine Bombe zu entschärfen. Wie Riggs hier an diese heran tritt, um sie mit seinem Schweizer Armeemesser (!) zu entschärfen, ist überragend. Dass Donner das Ganze in einer Explosion enden lässt, die dem Team den mehr als treffenden Spitznamen „Chaos & Mayhem“ verpasst, ist ein mehr als guter Auftakt in diesen dritten Teil. Konsequent anschließend die Degradierung zu Streifenpolizisten, die der Beförderung zu Captains im vierten Teil diametral gegenübersteht. Ebenfalls gelungen ist natürlich auch die Integration der neuen Figur, in diesem Falle von Lorna (Rene Russo), die zugleich zu Riggs Freundin emporgehoben wird.

Nicht nur wegen der Jaws-Reminiszenz ist Lorna eine dankbare Figur, sondern auch in ihrer Funktion als comic relief in ihren Actionszenen, denen sich Gibsons Riggs mit Genuss hingibt. Drehbuchautor Jeffrey Boam verwertete sogar eine von Blacks ursprünglichen Szenen aus Lethal Weapon, die allerdings nicht gedreht wurde. Die humoristischen Entlastungen, zu denen auch wieder Joe Pescis Leo Getz beitragen darf, halten sich dabei gelungen die Waage mit den dramatischen Momenten in Lethal Weapon 3. Denn dieser Teil ist wohl der Emotionalste, wenn Murtaugh dazu gezwungen wird, einen alten Jugendfreund seines Sohnes Nick zu erschießen, als dieser einer Jugendbande zum Opfer fällt. Mit der Charakterentwicklung will dann der eigentliche Plot nicht mehr ganz so mithalten. Jack Travis (Stuart Wilson) als Ex-Cop und jetziger Waffendealer wirkt wie vor ihm bereits die südafrikanischen Diplomaten reichlich überzeichnet. Immerhin ist er der erste Gegenspieler, dem sich Donner in seinem Film ausschließlich widmet, hatten McAllister und Rudd zuvor doch ihre jeweiligen Handlanger (Mr. Joshua/Vorstedt), die ihnen den Müll hinausgetragen haben. Nicht so Travis, der hier noch in eigener Person mordet.

Des Weiteren kommt der dritte Teil der Reihe weit weniger Actiongeladen daher wie noch der Vorgänger. Zumindest wirkt die Action sehr viel geerdeter, sieht man von der versehentlichen Sprengung zu Beginn ab. Allerdings scheint es erneut so, als würde man das Pulver vor dem Finale verschießen. Denn der Showdown in den U-Bahn-Schächten bis hin zu Travis’ Bauprojekt ist reichlich mau und wird letztlich nur zu einem Ende geführt, weil die ominösen „Copkiller“-Kugeln als McGuffin zu Beginn mehr schlecht als recht in die Handlung integriert wurden. Welchen Zweck hierbei jener junge Cop erfüllt, der bei Travis’ Flucht jenen Kugeln zum Opfer fällt – nachdem ihre Durchschlagskraft zuvor bereits etabliert wurden – will sich nicht so recht erschließen. Dass Donner die Szene mit einem mehr als deplatzierten „Happy Birthday“ von Riggs abschließen lässt, ist dabei nicht minder missraten. So hat Travis zwar von allen Gegenspielern der vier Teile am meisten Profil erhalten, doch ist der Umstand, in dem er in die Geschichte eingefügt wird, etwas schwach ausgefallen. Zudem hat das Finale den faden Beigeschmack, dass scheinbar Lorna wider eigentlicher Planung doch nicht sterben muss. Was fragwürdig erscheint, will Boam hier dem Publikum weiß machen, dass zwei kugelsichere Westen durchschlagsstärker sind, als eine Baggerschaufel (die hier gleich zweimal durchschlagen wird).

Alles in allem stellt der dritte Teil jedoch wieder eine Steigerung dar, da er nicht mehr und nicht weniger zu sein versucht, als kurzweilige Unterhaltung mit Figuren, die einem inzwischen ans Herz gewachsen sind. Dies trifft spätestens in diesem Teil auch für Captain Murphy (Steve Kahan) zu, allen voran aber Russo, die sich hier nahtlos in das Ensemble einreiht und gleich Stellung bezieht. Sieht man davon ab, dass Boam eine Szene aus Blacks Drehbuch zum ersten Teil quasi verwendete, macht sich Blacks Abwesenheit nicht wirklich bemerkbar. Die Chemie zwischen Riggs und Murtaugh stimmt wie eh und je und macht sich gerade zu Beginn bei der Bombenentschärfung bemerkbar, aber auch in den meisten anderen Szenen, die Gibson und Glover miteinander teilen. Insofern ist Lethal Weapon 3 ein netter Actionfilm für Zwischendurch, der gekonnt im Fahrwasser der erfolgreichen Reihe schwimmt und wie auch wenige Jahre später der vierte und bisher letzte Teil veranschaulichte, dass unsere beiden Helden doch noch nicht zu alt für diesen Scheiß sind.

Lethal Weapon 4

Zwischen Teil Drei und Vier vergingen nun mehr Jahre, als zwischen dem ersten und dem dritten Film. Quasi der Teil, mit dem niemand mehr gerechnet hatte und der seiner Zeit zuerst auch reichlich skeptisch aufgenommen wurde. Für die Meisten waren Gibson und Glover inzwischen wirklich zu alt für diesen Scheiß, wurden jedoch trotz der nur teilweise gelungenen Verjüngungskur eines Besseren belehrt. Hongkong-Star Jet Li feierte als Bösewicht Ku sein amerikanisches Spielfilmdebüt, erhielt hierbei wohl auch aufgrund seiner Sprachbarriere reichlich wenig Profil und verkommt zur bloßen Martial-Arts-Nummer, die für einige Ahs und Ohs sorgen durfte. Ähnlich verhält es sich mit Chris Rock als Detective Butters und zugleich Murtaughs unwissentlichen Schwiegersohn. Zwar weiß Rock einige nette Dialogzeilen beizusteuern, wohl speziell die Zeilen, der er improvisiert hat, dennoch ist Rocks vollkommen fehlendes schauspielerisches Talent einer der großen Makel dieses Filmes. Dies bietet gerade Joe Pesci die Chance sich wieder zum Sidekick Nummer Eins zu entwickeln.

Grundsätzlich nähert sich Lethal Weapon 4 dem zweiten Teil an, was die teils politisierte Handlung und ihren konstruierten Charakter angeht. Während die chinesischen Triaden zu Beginn bei ihrer großflächigen Schmuggelaktion in die USA entdeckt werden, nutzt Donner dies zum einen als Kritik an der heimischen Immigrationspolitik – primär von Murtaugh als Anlass für einige Tiraden genommen – und zum anderen, um den Subplot der vier Triaden-Väter und Kus Bruder einzuführen. Die gesamten Szenen zwischen Riggs und den Triaden sind dabei wie schon die Einbindung der südafrikanischen Diplomaten etwas zu viel den Guten. Dabei sind die Actionszenen, gerade die Verfolgung im chinesischen Viertel aber auch der Kampf im Fertighaus nicht unbedingt schlecht geraten. Selbiges gilt für das Finale, das zu den Besseren innerhalb der Reihe zählt. Die Eröffnungsszene ist zwar ebenfalls ganz nett geraten, bedenkt man jedoch, dass sie lediglich Verwendung als Running Gag findet und hierbei neben Gibsons Gehalt von 25 Millionen Dollar reichlich zu dem ohnehin explodierten Budget beigetragen hat, wäre es eventuell von Vorteil gewesen, auf sie zu verzichten.

Wie immer lebt der Film gerade von Gibson und Glover, exemplarisch zu sehen in ihrer Beförderungsszene, aber auch sonst wird Humor in diesem längsten Film der Reihe relativ groß geschrieben. Dabei stellt Lethal Weapon 4 ein Sammelsurium all dessen dar, was die Reihe innerhalb der letzten elf Jahre ausgezeichnet hat. Hier ist es Hong, der als Sympathiefigur und noch viel bedeutsamer, als Identifikationsfigur des eigentliches „Falls“, zum Opfer wird wie im Vorgänger der junge Polizist. Des Weiteren wird auch die Rente von Murtaugh wieder thematisiert, so wie es auch eine Verfolgungsjagd mit dem Auto gibt. Dass auch der vierte Teil wie schon die beiden Vorgänger der Reihe keine neuen Ideen beizufügen weiß – sondern im Gegenteil mit der Addition von Rock erneut dem Schema der anderen Fortsetzungen folgt -, stört hierbei nicht sonderlich. Grundsätzlich ist Lethal Weapon nämlich kein Film über eine Geschichte, sondern über zwei Figuren.

Insofern ist der (bisherige) Abschluss der Reihe ein versöhnlicher gewesen. Allen voran natürlich auch Harmonie pur. Murtaugh wird endlich in die seit dem ersten Teil propagierte Rente entlassen, hat zudem keine Geldsorgen und wird Großvater. Da nimmt man am Ende auch einen Schwiegersohn wie Biscuit, äh, Butters in Kauf. Ähnlich verhält es sich mit Riggs, der nicht nur Vaterfreuden entgegenblickt, sondern schließlich auch bereit für den Bund der Ehe ist. Und der kleine Ping, der nun zwar keinen Großvater mehr hat, darf gemeinsam mit seiner Familie auch in den USA bleiben. Folglich also Ende gut und Alles gut. Wenn dann der Abspann einsetzt und die zahlreichen Photographien der vergangenen Jahre respektive Filme nochmals Revue passieren, will und kann man Lethal Weapon 4 seinen übertriebenen chinesischen Martial-Arts-Einschlag oder Chris Rock auch nicht mehr übel nehmen. Und sollte es tatsächlich für einen fünften Teil reichen, bin ich auf jeden Fall wieder mit von der Partie.

Lethal Weapon – Director’s Cut: 7.5/10
Lethal Weapon 2 – Director’s Cut: 7/10
Lethal Weapon 3 – Director’s Cut: 7.5/10
Lethal Weapon 4: 7/10

23. Dezember 2009

Synecdoche, New York

Knowing that you don’t know is the first and essential step of knowing, you know?

Das griechische Wort συνεκδοχή, zu Deutsch „Synekdoche“, bezeichnet ein rhetorisches Stilmittel, bei dem etwas Allgemeines durch etwas Besonderes ersetzt wird. Das Ganze durch ein Teil. Zum Beispiel „der Römer“ für „alle Römer“ oder der Shakespearsche Ausspruch, dass die ganze Welt eine Bühne sei, wobei die Bühne als Teil der Welt für ebendiese steht. Umso passender ist der Titel Synecdoche, New York von Charlie Kaufmans Debütfilm nach eigenem Drehbuch gewählt. Wieder einmal erzählt Kaufman von Künstlern, ihren Ambitionen und ihren Werken. Wo es einst Puppenspieler Craig Schwartz in den Kopf von John Malkovich trieb und Charlie Kaufmans Alter Ego bei der Adaption seiner Adaption sich selbst zu verlieren drohte, liegt es nun am Theaterregisseur Caden Cotard (Philip Seymour Hoffman), ein Meisterstück abzuliefern, ehe seine Zeit gekommen ist. Dabei wartet der Film mit mehreren Synekdochen auf.

Als Caden eines Morgens um 7:45 Uhr aufwacht, erklärt das Radio den Herbst als “beginning of the end”. Elke Putzkammer, eine von vielen Deutschen, die Caden im Laufe des Films heimsuchen, erklärt quasi den Ausnahmezustand auf das Leben. “Whoever is alone will stay alone”, behauptet sie. Kurz darauf fühlt sich Caden nicht besonders gut, während er aus seinem Briefkasten seine abonnierte Zeitschrift Attending to Your Illness holt. Caden ist eine tragische Figur. Ein Hypochonder könnte man meinen, würde man seine vielen Beschwerden nicht selbst sehen. Er liest beim Frühstück die Todesanzeigen und bejammert das Alter der Verstorbenen. Seine vierjährige Tochter Olive schaut sich Cartoons über Viren an, was Caden mit halbem Ohr mitbekommt. Als ihm dann beim Rasieren noch der Wasserhahn gegen die Stirn knallt und ihm der Arzt in der Notaufnahme erklärt, seine Pupillen würden nicht richtig funktionieren, ist für Caden klar: “This is just the start of something awful.”

Kaufman benannte seine Figur nach dem Cotard-Syndrom. Eine Krankheit, benannt nach Jules Cotard (1840-1889), in dem eine Person glaubt, tot oder nicht existent zu sein. Cotards Vorname Caden wiederum entstammt dem französischen Cathán, was „Kampf“ bedeutet. Insofern ist Caden Cotard eine Synekdoche von Synecdoche, New York. Der erzählt von Krankheiten und Tod, aber auch von Liebe und Beziehungen. Von Hoffnungslosigkeit und Hoffnung zugleich. Über die Handlung zu schreiben wäre müßig. Einer Matrjoschka-Figur gleich werden verschiedene Ebenen der Geschichte sehr komplex, jedoch nicht kompliziert aufgearbeitet. Kaufman erzählt von Cadens gescheiterter Ehe mit seiner Künstlerfrau Adele (Catherine Keener), die ihn schließlich mit der gemeinsamen Tochter und ihrer Freundin Maria (Jennifer Jason Leigh) Richtung Berlin verlässt. Hinzu kommen gescheiterte Beziehungen, darunter zu Hazel (Samantha Morton), der Kartenverkäuferin von Cadens Theater, sowie Claire (Michelle Williams), einer seiner Schauspielerinnen und zweiten Ehefrau.

Als Caden einen Theaterpreis erhält und ein neues Stück plant, verlagert Kaufman seinen Film auf die erste von vielen Stufen seines Synekdochen-Gebildes. In einer riesigen Halle in New York lässt Caden ein Replikat von New York bauen. Die falsche Welt wird mit falschen Ebenbildern der Realität bevölkert. Caden heuert Sammy (Tom Noonan) für die Rolle des Caden an, was zwar äußerlich wenig Sinn macht, aber immerhin hat Sammy den Regisseur die letzten zwei Jahrzehnte verfolgt. “Hire me and you’ll see who you truly are”, erklärt Sammy bei seiner Bewerbung. Der Logik entsprechend verfügt dann auch das falsche New York über eine Halle, in der wiederum ein Replikat von New York gebaut wird. Mit Schauspielern, die angeheuert werden, die Schauspieler zu spielen, die die realen Menschen verkörpern. Ein Szenario, wie man es zuvor schon in Michel Gondrys Musikvideo für Björks Bachelorette gesehen hat.

“It has to do with [Caden] understanding life”, erläutert Philip Seymour Hoffman im Bonusmaterial die Funktion des namenlosen Stückes für Caden. Bezeichnend ist hierbei, dass Caden das Stück nicht dazu nutzt, eine bessere Version seines Lebens zu erschaffen, sondern vielmehr ein Abziehbild seines Alltags. Alles was passiert, findet kurz darauf Referenz im Stück, so als wollte es Caden nochmals analysieren. Nur dass er dies nicht tut. Passenderweise wird das Stück im Filmverlauf nie aufgeführt. So ziehen sich die Jahrzehnte hin und die Schauspieler werden älter und älter, die Kulissen immer verschachtelter. In dieses Szenario verwebt Kaufman nun seine Todessymbole. Caden wird unentwegt mit dem/seinem Tod konfrontiert. Seien es Musikjingles, Werbespots oder Plakate. Dabei spielt Kaufman offen mit Cadens Nachnamen als subtiler Prämisse. Immer wieder hört Caden Anspielungen, die implizieren, er sei bereits tot. “Caden Cotard is a man already dead”, analysiert Millicent (Dianne Wiest), die Sammy zu einem späteren Zeitpunkt als Caden-Darsteller im Stück ablöst.

Dass Caden bereits tot ist, wird mehrmals angedeutet. Wenn er beispielsweise kein Gefühl mehr für Zeit hat. Das erste Jahr von Adeles Abwesenheit kommt ihm wie eine Woche vor und ehe er sich versieht, sind sechs Jahre rum. Dass seine zweite Tochter Ariel, die er mit Claire gezeugt hat, auch nach 17 Jahren Probe immer noch fünf Jahre alt ist, dürfte wohl kaum ein Detailfehler sein. Doch wirklich verifizieren lässt sich sein Tod für Caden nicht - nicht einmal im direkten Dialog mit seinem Arzt. “I’m aching for it being over”, presst ein gealteter Caden 20 Minuten vor Schluss des Films schließlich hervor. Zu diesem Zeitpunkt hat Kaufman längst seine obligatorischen Absurditäten eingestellt. Was Synecdoche, New York zum Meisterwerk macht, ist die Interpretationsebene, die Kaufman mit seinem ersten Regiebeitrag offeriert. Sein volles Ausmaß entwickelt der Film erst bei mehrmaligem Sehen und was bei der ersten Sichtung wie ein typisch skurriles Kaufman-Drehbuch wirkt, offenbart sich bei weiteren Sichtungen als vor Details überschwappende Synekdoche auf Leben und Tod.

“It’s a big decision how one prefers to die”, betont Hazels Maklerin, als sie dieser ein brennendes Haus verkauft und Hazel Befürchtungen äußert, im Feuer sterben zu können. Das brennende Haus ist nur eine von zahlreichen irrwitzigen Ideen, die Kaufman hier aufbietet. Speziell in der ersten Hälfte schenkt er dem Publikum Einfälle wie den vierjährigen Horace Aspiazu, der einen Roman (Little Winky) über einen Neonazi geschrieben hat, ehe er sich mit fünf Jahren umbringt. Oder Hazels Zwillinge, die auf die Namen Robert, Daniel und Alan hören. Synecdoche, New York ist ein Sammelsurium von Ideen, Anekdoten, Interpretationen, Metaphern und Synekdochen. Ein Film, der je nach Blickwinkel und Betrachtung sein Aussehen verändern kann. Eine Eigenschaft, die Kunstwerken innewohnt und als solches Kunstwerk ist auch Kaufmans Film zu sehen. “Everyone is disappointing the more you know someone”, meint Adele bevor sie Caden verlässt. Zehn Jahre nach Being John Malkovich hat Charlie Kaufman noch nicht enttäuscht.

10/10

22. Dezember 2009

The Princess and the Frog

Put the monkey down.

Disney ist ja schon lange kein Filmstudio mehr, sondern vielmehr ein Produkt. Eine Marke. Daher wundert es nicht, dass die Disney-Schöpfung Pixar ihren Meister vor geraumer Zeit bereits als Marktführer in Sachen Animationsfilm abgelöst hat. Inzwischen ist John Lasseter als Kreativ-Chef von Pixar zurück zu Disney gewandert und propagiert dort nun wieder das 2-D-Abenteuer. Eine gewisse Ironie, zeichnete sich Lasseter doch mit Toy Story einst für den Erfolgsweg von Pixar und des digitalen Animationsfilm per se verantwortlich. Allerdings besteht nur halber Grund zum Jubeln, denn The Princess and the Frog will nicht ganz den Charme früherer Disney-Klassiker versprühen. Die Animation kommt zu glatt daher, da bereits nach dem Prinzip der digitalen Überarbeitung der alten Filme konzipiert. Viel zu gesättigte Farben wirken hier zwar sauberer, wissen jedoch keine Nostalgie zu erwecken. Ein Grund, weshalb sich keine Disney-DVD in meiner Sammlung findet.

Also wieder auf Anfang. Mit Prinzessin, mit tierischen Helfern und mit viel Gesinge und Getanze. Dann erweckte The Princess and the Frog, der ursprünglich The Frog Princess hieß, zum ersten Mal richtig Aufmerksamkeit, als Disney verlauten ließ, dass als Novum eine afroamerikanische Prinzessin präsentiert würde. Was im fertigen Produkt aber relativ ist, da Tiana (Anika Noni Rose) die meiste Zeit des Filmes über ohnehin in ihrer Frosch-Form zu betrachten ist. In diese wird sie versetzt, als sie den Froschprinz Naveen (Bruno Campos) küsst, um diesen eigentlich aus seinem verzauberten Zustand zu befreien. Verantwortlich für diesen Zustand ist Dr. Facilier (Keith David), dem es wie allen Figuren in Disneys neuestem Werk einzig und allein um den schnöden Mammon geht. Naveen ist zwar Prinz, aber blank. Weshalb er die Ehe mit einer wohlhabenden Frau sucht. Tiana wiederum braucht Geld, um sich ihren Traum vom eigenen Restaurant erfüllen zu können. Und Facilier ist zum einen einfach böse und zum anderen wird auch er kaum Geld verschmähen dürfen. Das Karussell dreht sich und das Abenteuer beginnt.

In seiner ersten halben Stunde des Prologs zur eigentlichen Geschichte weiß The Princess and the Frog besonders zu gefallen. Die Figuren sind liebenswürdig, die Handlung ist unterhaltsam und amüsant und die Stimmung erinnert an die guten alten Zeiten. Wenn dann jedoch die eigentliche Handlung einsetzt – die beiden Frösche Tiana und Naveen suchen im Sumpfgebiet von New Orleans eine Voodoo-Priesterin auf, um sich zurückverwandeln zu lassen -, geht der Film plötzlich baden. Das Handlungsgerüst ist so simpel und linear aufgebaut, dass es sich nur als Enttäuschung bezeichnen lässt. Einmal zur Voodoo-Priesterin und zurück – daraus kann kein ganzer Film bestehen. Vor allem da sich der Film hier auch freizügig bei seinen Vorgängern wie Jungle Book und The Little Mermaid (aus dem Ron Clements und John Musker, Regisseure desselbigen, gleich das ganze Finale übernehmen) bedient. Das ist uninspiriert und langweilig, zudem besonders traurig, da man mit Lasseter, Musker und Clements eigentlich drei überaus kreative Köpfe an Bord hatte. Umso bedauerlicher, dass die Geschichte des Filmes – vollkommen ohne Inhalt und/oder Moral – so dünn ist, dass sie einem total egal erscheint.

So baut der Film mit fortschreitender Laufzeit mehr und mehr ab. Der überzeugenden und gefälligen ersten halben Stunde werden sechzig Minuten angefügt, die eine Handlung erzählen, die man in 10 Minuten abhandeln könnte. Der Film nimmt zudem keine Zeit für seine Figuren. Wodurch The Princess and the Frog jedoch punkten kann, ist zum einen seine herzensgute Figur von Louis, dem Jazz-affinen Alligator, der eine Verbeugung vor Louis Armstrong darstellt. Ohnehin ist es die musikalische Untermalung von Randy Newman, die dieses Disney-Abenteuer auszeichnet. Zwar wird sicherlich nie die Lyrics so im Ohr behalten, wie bei Beauty and the Beast, The Lion King oder den anderen Werken, aber wo die Komposition ist beschwingt, lebensbejahend und der eigentliche Star dieses Filmes. Dass Newman hierfür erneut für einen Academy Award nominiert wird, dürfte selbstverständlich sein. Insofern ist der neueste Disney ein gemischtes Erlebnis, aber wenn kommende Filme an die erste halbe Stunde anknüpfen, dann mehr davon.

7/10

21. Dezember 2009

Dear Zachary: A Letter to a Son About His Father

Regisseur Kurt Kuenne ist eine bisweilen bemerkenswerte Dokumentation gelungen. Gleich zwei Mal wendet sich hier das Blatt und der letzte Twist ist ein übler Schlag in die Magengrube. Sicherlich die emotionalste Dokumentation des Jahres, leidet Dear Zachary: A Letter to a Son About His Father unter der mitunter sehr effekthascherischen Inszenierung von Kuenne. Nichtsdestotrotz ein bewegendes Stück Privatsphäre und zugleich noch einiges mehr.

8/10

20. Dezember 2009

The Soloist

It’s a gift.

Die schönsten Geschichten schreibt das Leben. Sagt man immer. Und man würde es nicht sagen, wenn dem nicht so wäre. Wenn eine Geschichte in der Zeitung landet und von der Zeitung in einen Roman und von einem Roman in einen Film mündet, dann wird sie wohl richtig schön sein. Ergreifend. Möglicherweise Material für die Oscars. Wenn der betreffende Film, dessen Start für den Herbst 2008 vorgesehen war, dann jedoch in den Frühsommer 2009 verschoben wird, wirft dies kein sonderlich gutes Licht auf das Projekt. In Deutschland startete The Soloist im Dezember und damit jenseits von Gut und Böse. Dabei schrieb doch alles bei diesem Projekt nach Oscar. Man konnte mit Jamie Foxx einen bereits ausgezeichneten Preisträger gewinnen, komplettiert mit zwei weiteren Nominierten in Form von Robert Downey Jr. und Joe Wright. Und dann basierte die Geschichte des Filmes auch noch auf wahren Begebenheiten. Aber manchmal ist nicht alles Gold was glänzt.

Mit The Soloist nahm sich Wright zum dritten Mal in Folge einer Literaturverfilmung an. Im Gegensatz zu Pride & Prejudice und Atonement jedoch kein period piece und auch keine Keira Knightley. Stattdessen die Adaption von Steve Lopez’ autobiographischem gleichnamigen Buch. Dieses erzählt von Lopez, seiner Zeit Kolumnist der Los Angeles Times, der zufällig auf den obdachlosen Cellisten Nathaniel Anthony Ayers Jr. trifft. Als er von dessen Ausbildung an der renommierten Musikschule Juilliard erfährt, erarbeitet er eine Kolumne, der daraufhin weitere folgen. Aus dem Arbeits- wird ein Freundschaftsverhältnis. Und der obdachlose und an Schizophrenie leidende Ayers fand wieder einen Weg zu einem „normalen“ Leben bzw. den Weg zurück zu seinem Leben als respektierter Musiker. Eine herrliche Geschichte. Geboren fürs Kino. Geboren für Auszeichnungen. Aber was über die Zeitungsschwärze ergreifend ist, muss auf Zelluloid noch lange nicht so sein.

Nun macht Wrights Film nicht alles falsch, aber doch genug, um das Gesamtergebnis zu trüben. Einerseits hat man die - durchaus gelungene - Besetzung der entscheidenden Rollen von Steve Lopez (Robert Downey Jr.) und Nathaniel Ayers (Jamie Foxx). In der deutschen Synchronfassung stellen sich dann bereits Probleme ein, wenn Dietmar Wunder hier zum ersten Mal seit Ally McBeal Downey Jr. wieder seine Stimme leiht. Nun versteht man, warum Charles Rettinghausen ihn nicht sprechen konnte - schließlich ist er auch die Synchronstimme von Jamie Foxx (und macht seinen Job hier wieder exzellent) -, aber scheinbar gab es entweder kein Geld für Tobias Meister oder dieser hatte einfach keine Zeit. Jedenfalls versagt Wunder auf ganzer Linie, was hinsichtlich der Tatsache, dass seine Figur die Hauptrolle und den Erzähler mimt, durchaus ein Ärgernis darstellt. Hinzu kommt, dass Downey Jr. wie immer in seinen Drama-Rollen sehr viel besser aufgeht als sonst, aber im Vergleich mit Foxx einfach den Kürzeren ziehen muss.

„You never go full retard“, hatte Downey Jr. noch in in seiner Oscar-nominierten Rolle als Afro-Amerikaner in Tropic Thunder erklärt. Und auch Foxx geht nicht „full retard“, sondern gibt seinen Nathaniel Anthony Ayers Jr. als Menschen, der auch im scheinbaren Wahnsinn seinen Verstand bewahrt hat. Die Geschichte von Lopez’ und Ayers’ Annäherung wird gut und einfühlsam von Wrigth präsentiert. Aus dem ersten Interesse für die Kolumne wird ein persönliches Interesse. Aus diesem letztlich ein Anflug von Freundschaft, vielmehr jedoch der Wunsch, jemandem etwas Gutes zu tun. Hier hat The Soloist seine starken Momente. Beispielsweise wenn Ayers in einer Straßenunterführung für die Tauben spielt, da diese ihm bei ihrem Aufstieg gen Himmel per Flügelaufschlag Applaus schenken. Konterkariert wird diese Szene nur dadurch, dass die Kameraeinstellung die Bewegtheit von Downey Jr. wie Müdigkeit erscheinen lässt.

Besonders bewegend ist eine Szene geraten, in der eine pensionierte Frau Lopez ihr altes Cello schickt, als sie in dessen Kolumne von Ayers gelesen hat und der Tatsache, dass er aus Mangel an Alternativen auf einer zweiseitigen Violine spielt, ihm ihr ehemaliges Instrument zukommen lassen möchte. Das Fettnäpfchen, in das Wright nun jedoch tritt, ist seine Ambition mehr zu erzählen als nötig gewesen wäre. Da wird einerseits die Geschichte über Ayers zu einer Geschichte über alle Obdachlosen in Los Angeles, andererseits ist dies jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zu dem wirklichen Übel des Filmes. Wright versucht sich darin, Ayers auf noch mit einer Hintergrund-Handlung zu versehen, was einen leicht überalteten Foxx dazu zwingt, einen Mann um die Zwanzig zu mimen, der plötzlich - quasi von Null auf Hundert - der Schizophrenie anheim fällt. Die Ausflüge in die kritische Juilliard-Zeit sind hierbei nicht nur unnötig für das Verständnis des Filmes, sondern auch noch störend für den Erzählfluss der restlichen Geschichte.

Es hätte also vollkommen ausgereicht, sich auf einen 100-minütigen Film rund um Ayers und Lopez zu fokussieren, ohne dass man das Szenario noch mit Ayers’ Background und Lopez’ Privatleben - die noch leise köchelnde Liebe zur Ex-Frau (Catherine Keener) und ein Waschbär-Problem im Garten teilen sich die Zeit - hätte auswälzen müssen. Auch mit der Integration der klassischen Stücke, vormerklich Beethoven - hat man sich nicht immer einen Gefallen getan. Diese geraten oftmals zu lang bzw. rufen keinen besonderen Wiedererkennungswert hervor, da der Laie auf Anhieb nicht unbedingt identifizieren kann, ob Ayers die Stücke nun gut oder schlecht interpretiert. Manchmal sagt eine 117-zeilige Kolumne eben doch mehr als es ein 117-minütiger Film auszudrücken vermag. So ist The Soloist ein Werk, das sein Potential weitestgehend nicht auszuschöpfen kann. Weshalb im Nachhinein wohl auch die Entscheidung gerechtfertigt war bzw. ist, dass der Film bei den Oscars außen vor blieb. Es ist nicht alles Gold was glänzt.

7.5/10

19. Dezember 2009

Black Dynamite

Einer der mit Abstand lustigsten Filme des Jahres (vermutlich auch des Kommenden, wenn sich ein Verleih findet) dürfte Black Dynamite sein. Scott Sanders’ Hommage an das und Persiflage über das Blaxploitation-Genre hat zwar seine Längen, begeistert ansonsten jedoch durch detektivische Resümees wie „Donuts don’t wear alligator shoes“ oder einem unentwegt spielenden Jingle zur eigenen Titelfigur. Trash is as trash does. Wer hier nicht lacht, ist selber Schuld. Ein bisschen – aber auch nur ein bisschen - mehr habe ich mich noch beim MANIFEST über das Teil ausgelassen.

8/10

18. Dezember 2009

Looking for Eric

I am not a man. I am Cantona.

Es gibt Fußballer. Und es gibt Eric Cantona. Der inzwischen als Schauspieler arbeitende Franzose erlebte seine besten Tage im Trikot von Manchester United. Und lockte durch sein Spiel nicht nur den ManU-Fans oft ein Lächeln hervor. „King Eric“, nennt man ihn noch heute ehrenvoll im Old Trafford, wo er 2001 zum Vereinsspieler des Jahrhunderts gewählt wurde. Neben vielen schönen Toren und Pässen (wie der auf Denis Irwin im Januar 1993 im Spiel gegen die Spurs) ist insbesondere auch Cantonas Tritt gegen einen gegnerischen Fan in Erinnerung geblieben. „I have a lot of good moments, but the one I prefer is when I kicked the hooligan”, sollte König Eric 2007 auf seine Karriere zurückblicken. Nun spielte Cantona dieses Jahr vermutlich seine bisher größte Rolle in einem Film: sich selbst. In bester philosophischer Manier unterstützt er seinen Namensvetter Eric Bishop (Steve Evets), der mit falschen Entscheidungen in seinem Leben, den Gefühlen für seine erste Frau und einem lokalen Unterweltboss zu kämpfen hat.

Regisseur Ken Loach und sein langjähriger Drehbuchpartner Paul Laverty widmeten sich dieser obskuren Freundschaft, die aus Marihuanagebrauch und Liebe zum Fußball entsteht. Dabei bleibt Cantona die gesamte Handlung hindurch eine Chimäre von Postbote Eric, was den spaßigen Szenen jedoch keinen Abbruch tut. Sehr gekonnt wissen Laverty und Loach den Franzosen liebevoll aufs Korn zu nehmen, wenn er wie bei seiner legendären Pressekonferenz von 1995 mit Metaphern um sich wirft. „What the fuck does that even mean?“, fragt Bishop dementsprechend nach einer Ausführung von König Eric nach. Die Momente mit Cantona beschränken sich jedoch auf einen Mindestmaß, den eigentlich will Loach eine ganz andere Geschichte erzählen. Oder zwei Geschichten, wenn man so will. Einerseits dient Cantonas Präsenz hauptsächlich der Gewinnung von Erics Selbstvertrauen im Umgang mit Lily (Stephanie Bishop), seiner Ex-Frau. Anderseits gilt es einem seiner Stiefsöhne (Gerard Kearns) gegen einen Drogenboss beizustehen, für den der Junge eine Waffe verstecken muss.

Tiefere Einblicke als diese werden einem von Loach in Looking for Eric dann auch nicht gewährt. Zu Beginn fährt Eric wie ein Blöder auf der falschen Spur, landet im Krankenhaus, wird dann wieder entlassen. Panikattacken. Ursache unbekannt, genauso das Schicksal seiner letzten Frau, deren beide Söhne nun mit dem Postboten allein leben müssen. Entscheidend, das proklamieren Laverty und Loach, war die Trennung von Lily. Die Trennung selbst wirkt im Nachhinein jedoch nur genauso unglaubwürdig, wie eigentlich fast alles, speziell jedoch das Finale, in Loachs letztem Film. Die meiste Zeit wirkt das Szenario mehr gezwungen zusammengefügt, als harmonisch ineinanderfließend. Nach Jahrzehnten das Wiedersehen mit Lily, eher aus der Not geboren, und wie von selbst wieder zurück zu den alten Gefühlen führend. Der große Trick, wie man schließlich doch den Drogenboss überrumpeln kann (der in seiner Naivität in der Geschichte des Kinos seinesgleichen sucht).

So sympathisch Evets in seiner Rolle auch ist, so spaßig seine Momente mit König Eric sind, so nostalgisch Cantonas schönste Tore aus dem Archivmaterial auch anmuten, als Ganzes gesehen will und kann Looking for Eric höchstens in seiner ersten Hälfte der Exposition überzeugen. „You have to trust your team mates. Always“, legt Laverty in der Mitte des Filmes König Eric in den Mund. Doch das Vertrauen in Laverty und Loach selbst wird leider enttäuscht. In einer Szene streiten sich die Anhänger vom FC Manchester United und vom FC United of Manchester. Hätte Loach sich ausschließlich diesem Thema gewidmet, hätte daraus eine gelungene Fußballkomödie mit kapitalistischem Seitenhieb werden können. Letztlich ist es jedoch nur eine kleine (gelungene) Hommage an König Eric geworden, mit einem stark aufspielenden Evets. Mit den Worten von König Eric selbst: „When the seagulls follow the trawler, it's because they think sardines will be thrown into the sea.”

5.5/10

17. Dezember 2009

Role Models

The Get Out of Jail Free Card: Is that real?

Glaubt man Wikipedia, gibt es seit über einem Jahrhundert bereits in den Vereinigten Staaten von Amerika die soziale Hilfsorganisation Big Brothers Big Sisters. Hierbei kümmern sich Erwachsene um (oftmals) elternlose Kinder und dienen ihnen als Mentoren auf ihrem weiteren Lebensweg. Das System dürfte wohl auf unterschiedliche Art funktionieren, unter anderem sicherlich auch, wenn ein Problemkind von einem Erwachsenen betreut wird, der in seiner eigenen Jugend mit denselben Widrigkeiten zu kämpfen hatte. Somit bilden die großen Brüder und Schwestern eine Vorbildfunktion für die Jugendlichen, die zu einer Abkehr von Drogen und Schulabbruch führen kann oder soll. Die meisten Nicht-Amerikanern dürfte das Programm des „Big Brother“ durch die Simpsons-Folge Brother from the Same Planet bekannt sein, in der Bart aufgrund von Homers Vernachlässigung in die freizeitliche Obhut des perfekten Tom gebracht wird. Das filmische Schema, einen Slacker als chaotisches Vorbild zu präsentieren, war in Hollywood nun schon in Beiträgen wie Big Daddy abgehandelt worden. Nichtsdestotrotz versprach der Trailer und die Besetzung von Role Models, wenn schon nichts Neues, dann doch einige gelungene Momente aufwarten zu können.

Die beiden Hauptfiguren Danny (Paul Rudd) und Wheeler (Seann William Scott) könnten dabei eigentlich unterschiedlicher nicht sein. Danny hasst nicht nur seinen Job als Promoter der Energy-Drink-Kette Minotaur („Taste the beast!“), sondern auch zahlreiche andere Dinge. Zum Beispiel die Coffee-Shop-Verkäuferin die ihm einen Kaffee venti statt groß verkaufen will oder Menschen die Abkürzungen wie ASAP oder FYI verwenden. Seinen rettenden Anker scheint er dabei in seiner langjährigen Freundin Beth (Elizabeth Banks) gefunden zu haben, da sie dieselben Dinge hasst, wie Danny. Doch auch Beth geht seine negative Denkweise allmählich auf die Nerven. Umso überraschender, dass seinen Arbeitskollegen Wheeler dies relativ wenig stört. Als sprichwörtliches Party Animal liebt Wheeler nicht nur seinen Job im Minotaurus-Kostüm, sondern auch die Frauen lieben ihn…im Minotaurus-Kostüm. So wirkt es durch den ganzen Film hindurch eher so, als ob Danny mit Wheeler abhängt, weil er eben da ist und weniger, weil er es will. Als jedoch Beth einen unromantischen Heiratsantrag von Danny ablehnt und dieser bei einer der Promotion-Kurse an einer High School ausflippt, sieht er sich gemeinsam mit Wheeler plötzlich mehreren Gesetzesverstößen und potentiellen dreißig Jahren Gefängnis gegenüber. Der einzige Ausweg scheinen 150 Sozialstunden im Sturdy-Wings-Programm von Gayle (Jane Lynch) zu sein.

Im Folgenden teilt sich Role Models dann in die zwei notwendigen Hälften, die für die Katharsis aller beteiligten Figuren notwenig sind. Nachdem die Paarung erfolgt, Danny kriegt den Fantasy-Nerd Augie (Christopher Mintz-Plasse) und Wheeler den vulgären Ronnie (Bobb’e J. Thompson), müssen sich die Parteien erstmal beschnuppern und ablehnen können, bevor dann im dritten Akt des Filmes die große Akzeptanz und Versöhnung von Statten geht. Um das Schiff auf Kurs zu halten, gibt es dann gelegentlich zusammen geschmissene Szenen mit Rudd und Scott, damit das Publikum auch etwas von seinen Hauptdarstellern im Team hat. Generell ist hierbei den Aktivitäten von Wheeler und Ronnie der Vorzug zu geben, da beide etwas besser harmonieren, bedenkt man, dass sie ähnliche Interessen haben („I like your take on boobies“) und sich daher eher ein gemeinsamer Nenner findet. Zudem ist Ronnie einfach eine Figur mit sehr viel mehr freiwillig komischen Charakter („Fuck you, Miss Daisy“), während Mintz-Plasse die Michael-Cera-Schiene des liebenswerten Losers zu fahren scheint. Doch Augies Faszination fürs mittelalterliche Rollenspiel wirkt automatisch auch für den Zuschauer – oder den Teil der Zuschauer, die nicht selbst auch eine Affinität für Mittelalter-Rollenspiele haben – sehr befremdlich.

Ein Problem, an dem Role Models zu knabbern hat, ist die gegenwärtige „Vetternwirtschaft“ im Comedy-Genre. Kaum noch ein Film, in dem nicht ein oder zwei Frat-Packler auftauchen (zu denen inzwischen auch die neue Generation rund um Rogen und Co. zu zählen scheint) und in Nebenrollen Kumpels von früheren Arbeiten auftauchen. So auch hier, indem Regisseur David Wain gleich vier Schauspieler besetzt hat, die er bereits in seinem Kultfilm Wet Hot American Summer inszenierte. Hinzu kommen dann Schauspieler wie Jane Lynch oder Ken Jeong, die in allerlei Frat-Pack-Filmen in Nebenrollen auftauchen. Da fällt Jorma Taccones Cameo gar nicht weiter auf. Grundsätzlich wäre das nicht allzu kritisch zu sehen, doch wenn man im fertigen Film die Nebenrolle von Lynch derart ausbaut, ohne dass diese die Leinwandzeit durch entsprechenden Humor auszufüllen weiß, leidet der Film darunter. Was in The 40 Year Old Virgin in einer wahrhaftigen Nebenrolle noch funktionierte, misslingt nunmehr in ausgedehnter Form wegen Lynchs kaum vorhandenem Humor. Selbiges trifft auch auf die erweiterte Präsenz von Jeong zu, was besonders in einer der gekürzten Szenen nochmals überdeutlich wird. Umso bezeichnender, wenn dann hierfür die Rolle von Banks beschnitten wird, die hinter Lynch und auch Jeong zurückfällt.

Aus moralischer Sicht erfindet Wains Film natürlich das Rad nicht neu. Wheeler muss lernen, für etwas in seinem Leben – wenn schon nicht für dieses selbst – Verantwortung zu übernehmen. Bedenkt man jedoch, dass die Vorfälle zu Beginn im Grunde nicht seine, sondern Dannys Schuld sind, fokussiert sich auch der Gedanke der Katharsis eher auf Rudds Figur. Für Danny gilt es, nicht alles derart pessimistisch zu sehen und wieder Spaß am Leben zu entwickeln. Das wird dann nur bedingt wirklich transferiert, denn weder der eine Wandel, noch der andere wirken schon aufgrund der schwachen Prämisse besonders authentisch. Was alles nicht bedeuten soll, dass Role Models keinen Spaß bereiten würde, denn dafür sind sowohl Rudd als auch Scott zu erfahren, als dass nicht mehrere treffsichere Gags zu landen wüssten. Es ist daher eigentlich ausschließlich ihnen zu verdanken, dass der Film nicht in seinen überlangen Nebenfigurauswälzungen verloren geht. Mintz-Plasse gibt den nerdigen Loser wie schon in Superbad ziemlich gelungen, doch leidet die Figur unter ihrem eigenen Karma. Thompson hingegen merkt man an, dass der Junge Spaß gehabt haben muss, auf dem Set unentwegt zu fluchen und Scott zu ohrfeigen. Letztlich ist Wains Auftragsarbeit nichts Überragendes und nicht einmal etwas besonders gutes, weiß sich aber durch seine Hauptdarsteller weitestgehend über Wasser zu halten.

6/10

16. Dezember 2009

Avatar

That’s what I’m talking about, bitch.

Ein Sprichwort besagt: Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist. Die Wenigsten pflegen es in die Tat umzusetzen, ein Mann schien es getan zu haben. Hollywood-Regisseur James Cameron stand am 23. März 1998 auf der Bühne des Shrine Auditoriums in Los Angeles und verkündete, seinen ersten Academy Award für die beste Regie in der Hand haltend, dass er der „König der Welt“ sei. Ein Zitat aus seinem Monumentalwerk Titanic, mit welchem Cameron nicht nur elf der begehrten Trophäen gewann - und sich damit neben dem Klassiker Ben Hur einreihte -, sondern zugleich mit einem weltweiten Einspiel von 1,8 Milliarden US-Dollar auch den erfolgreichsten Film aller Zeiten (inflationsunbereinigt) ablieferte. Die Branche war sich sicher: Das würde auf lange Sicht niemand mehr übertrumpfen können. Zu der Einsicht schien auch der „König der Welt“ gekommen zu sein, und zog sich aus der Spielfilmbranche zurück.

Die Jahre zogen ins Land, Cameron produzierte zwei Unterwasser-Dokumentationen, The Return of the King - welch passender Filmtitel - gewann elf Academy Awards. Sowohl Peter Jacksons Lord of the Rings-Verfilmung als auch Gore Verbinskis Pirates of the Carribean-Filme spülten Milliardenbeträge in die Kassen ihrer Produzenten. Die Harry Potter-Adaptionen liefen nicht minder erfolgreich. Das Königreich Hollywood lebte in friedlichen Zeiten. All seine Prinzen und Fürsten, all jene Jacksons, Verbinskis, Raimis und Yates’ hielten den Glanz alter Tage aufrecht. Und unterdessen bereitete der König seine Rückkehr vor. Zuerst waren es Gerüchte, die Cameron mit einem alten Filmprojekt, einer Umsetzung des Mangas Battle Angel in Verbindung brachten. Dann wechselte der gebürtige Kanadier zu einem anderen, lang antizipierten Projekt. Zur klassischen Erzählung des “stranger in a strange land”. Zu Avatar.

Im Königreich sprach man von der Rückkehr des Regenten. Von seinen Ideen und Visionen. Cameron habe eine neue Filmtechnik entwickelt. Eine Technik, die die (Film-)Welt für immer verändern sollte. Eine Virtual Camera, die am Set bereits erlaubte, den fertigen Film zu sehen, noch während er gedreht wurde. Das alles in einer 3-D-Technik, die den Weg bereiten sollte ins neue digitale Zeitalter des Kinos. “One life begins. Another ends”, heißt es in Avatar, was nicht nur mehrfach für das Geschehen im Film anwendbar ist, sondern auch für dessen Bedeutung in der technischen Entwicktlung seiner Branche. Als so genannten game changer betrachteten Experten Camerons ersten Film nach zehn Jahren. Spätestens zu Avatars Filmstart würden die bisher noch skeptischen Kinos auf die neuen DLP-Projektoren und 3-D-Technik umsatteln. Die Euphorie war gering. Würde das Volk seinen alten König wieder akzeptieren?

Die Genesis von Avatar ist inzwischen eine Erfolgsgeschichte für sich. Angefangen vom ersten Teaser, der bei vielen die Erwartungen tief fallen ließ. Große blaue computergenerierte Katzen, militärische Flugzeuge, eine Handvoll Tiere. “Up ahead was Pandora. You grew up hearing about it but I never figured I’d be going there”, berichtet Ex-Marine Jake Sully (Sam Worthington) zu Beginn. Und spricht damit eine Haltung aus, die vielen Zuschauern zu Eigen war. Hier und da war im vergangenen Jahrzehnt von Avatar gesprochen worden. Grobe Handlungselemente, ein Besuch von Peter Jackson und Steven Spielberg am Set, die sich beide in Camerons neue Technik verliebten (und sie 2010 in The Adventures of Tintin selbst anwendeten). Aber es kam nie in den Sinn, selbst in die Welt von Avatar einzutauchen. Schon gar nicht in der Form, wie sie es Cameron 2009 schließlich für Millionen von Menschen möglich gemacht hat.

Was folgte, ist bekannt. Avatar lief Mitte Dezember an und wird auch ein halbes Jahr später noch in vielen Kinos gespielt. Im März wurden die Academy Awards verliehen - ohne Cameron auf der Bühne. Sein Film blieb in den wichtigen Kategorien außen vor und das nach Meinung vieler Menschen auch zu recht. An der Rückkehr des Königs änderte dies wenig. Gefördert von Aufschlagpreisen für die beeindruckende 3-D-Technik, avancierte Avatar zum erfolgreichsten Film aller Zeiten - mit einer Milliarde Dollar (!) mehr Einspiel als Titanic. Nach dem Motto «Le Roi est mort. Vive le Roi!» oblag es Cameron selbst, seinen eigenen, vor zehn Jahren aufgestellten, Rekord zu brechen. Sein Film ist eine Marketing-Melkkuh, die Ende des Jahres in einer erweiterten Fassung nochmals in den Kinos startet und deren Fortsetzung, Avatar 2, bereits angekündigt wurde (und vermutlich in einem dritten Teil als Trilogie-Abschluss enden wird).

Zuvorderst ist Avatar ein Technikfilm. Ein Werk der visuellen und Spezialeffekte, mit exzellentem Ton ausgestattet und einem 3-D-Effekt mit Vorreiterfunktion. All diese technischen Dinge wurden bei den Academy Awards ausgezeichnet. Zwar lassen einige Einstellungen erkennen, dass sie gerade für 3-D konzipiert wurden und auch die visuellen Effekte wirken gelegentlich unsauber (zumindest im Vergleich zum restlichen Film). Dennoch setzt das CGI Maßstäbe für die nächsten Jahre und die Worte meiner ersten Besprechung („In seinen schlechtesten Momenten sieht Avatar aus wie ein sehr guter Animationsfilm. Und in seinen besten Momenten wirken die Szenen wie shot on location) haben weiter Bestand. Für seinen Handlungsrahmen wiederum beschränkte sich Cameron auf altbekannten Formeln - und übernahm einfach(e) Erzählgerüste aus ähnlich gearteten Filmen, die demselben Genre entsprungen sind.

“Up ahead was Pandora”, beschreibt Jake, während sich der erdähnliche Mond vor dem blauen Gasriesen Polyphemus erhebt. “You grew up hearing about it but I never figured I’d be going there.” Pandora ist eine fremde, eine gefährliche Welt. Hier trägt die Resources Development Alliance (RDA) als Imperialistenkonsortium Mitte des 22. Jahrhunderts den Rohstoff Unobtanium ab. Sehr zum Missfallen der Einheimischen, den humanoiden Na’vi. Während Ethnologen wie Dr. Grace Augustine (Sigourney Weaver) den Dialog mit diesen suchen, würde sie derweil der militärische Oberkommandeur Col. Quaritch (Stephen Lang) am liebsten ausrotten. In diesen Konflikt wird nun Jake katapultiert als sein Zwillingsbruder und Wissenschaftler Tom, der am so genannten Avatar-Programm teilnahm, verstirbt. In diesem wird das Bewusstsein eines Menschen per „Download“ in einen Na’vi-Mensch-Hybrid geladen, um diesem als Avatar zu dienen.

Jakes Bruder Tom sei “a significant investment” gewesen, erklären RDA-Angestellte zu Beginn und geben damit sogleich den Ton des Filmes vor. Während die RDA viel Zeit und Geld aufwendet, um die Avatare zu kreieren, investiert Jake letztlich sein Leben in die ihm zu Grunde liegende Mission (auch Avatar selbst stellt natürlich eine „signifikante Investition“ dar). Und so wie Jake wegen seiner identischen DNS in Toms Fußstapfen treten muss (oder kann), so ist es James Cameron, der dank derselben DNS in seine eigenen Fußstapfen steigen und ihren Weg fortführen kann. “One life ends. Another begins.” Der Film als Gesamtwerk propagiert dabei in gewissem Sinne eine Mise en abyme, denn so wie Jake seinen Avatar nutzt, um in die Welt der Na’vi einzutauchen, so fungiert Jake wiederum für den Zuschauer als Avatar, um in die Welt der Avatare und dementsprechend auch die der Na’vi und Pandora vorzudringen.

Der Film präsentiert nun die beiden gegensätzlichen Kulturen von Natur und Industrialisierung, mit Giovanni Ribisis Firmenfigur des Parker Selfridge, der zuerst die Interessen der Aktieninhaber im Blick hat. Jake verkommt hier zur idealen Mittlerfigur, ist er doch durch seine Querschnittslähmung (man erfährt weder vollständig den Ursprung von Jakes Verletzung noch die Todesumstände von Tom) ein Kind zweier Welten. Kaum auf Pandora gelandet, wird er von den dortigen Marines als “hot rod” und “meals on wheels” verunglimpft. Eine wirkliche Funktion erfüllt Jake für Quaritch nur insofern, dass sein Kopf mit der militärischen Doktrin gefüllt ist und er dem Colonel somit als Spitzel dienen kann. Für die Wissenschaftler wiederum bringt Jakes Charakter eine gewisse Durchschlagskraft mit sich, die intuitiv handelt. Insofern ist Jake weniger „Auserwählter“ als vielmehr der richtige Mann am richtigen Ort.

Es sind diese Umstände, die die Handlung in Gang setzen. Als Nicht-Wissenschaftler steht Jake den Anderen im Weg, er entfernt sich von der Gruppe und bringt sich in Gefahr. “You are like a baby. Making noise, don’t know what to do”, beurteilt Na’vi-Prinzessin Neytiri (Zoe Saldana) später sein Verhalten. Und in der Tat verhält sich Jake gerade in der ersten Hälfte ausgesprochen kindlich, was jedoch als Offenheit zu lesen ist. Mit kindlicher Faszination spielt er mit Pandoras Flora und sieht sich plötzlich einem Thanator gegenüber. Auch später, beim Aufeinandertreffen mit Neytiri, behält sich Jake seine kindliche Faszination. Wie bei einem Kind, hat sein Verhalten jedoch auch Konsequenzen. Er erweckt die Aufmerksamkeit einiger Viperwölfe, derer er sich schließlich nur durch Neytiris Zutun erwehren kann. In einem kathartischen Moment schreitet dann das Schicksal, hier in Gestalt der Lebensspendenden Kraft Eywa, ein.

Was folgt, ist der große Ideenklau. Cameron bedient sich freigiebig bei Dances with Wolves, der Pocahontas-Legende - allen voran der Disney-Version von 1995 - und bei anderen (darunter FernGully: The Last Rainforest und Mononoke-hime). Der weiße Fremde lernt die Kultur der Einheimischen kennen. Das Band mit Eywa (“All energy is only borrowed, and one day you have to give it back”), Tsaheylu, die Verbindung mit den übrigen Lebensformen auf Pandora. Wie John Dunbar, wie John Smith vor ihm, beginnt sich Jake mit der fremden Zivilisation zu identifizieren. Verkommt zum “tree hugger”, wie man naturphile Menschen heute nennt und wie auch Jake und Co. im Film tituliert werden. Avatar ist ein Film über das Kulturgut indogener Völker, auf das bei Filmstart auch von manchen Rezensenten reichlich despektierlich herabgesehen wurde, wenn Camerons Werk vielerorts als „Esoterikkitsch“ abgetan wurde.

Dabei unterscheidet Eywa letztlich relativ wenig von George Lucas’ in Star Wars implementierter “force”, abgesehen von ihrer Etablierung und visuellen Manifestierung. Es fällt der westlichen iPod-Generation daher nachvollziehbar schwer, die Bedeutung von Eywa zu erfassen (Parker Selfridge drückt es passend aus, wenn er proklamiert: “You throw a stick in the air around here, it falls on some sacred fern”). Die Na’vi leben an der Basis des Lebens, die gesamte Indogenität ihrer Kultur fängt Cameron nicht nur in seinen Anlehnungen an die nordamerikanischen Ureinwohner, sondern auch durch James Horners mitreißende Musik (ebenfalls von vielen als „Ethnokitsch“ verschrien) ausgesprochen gelungen ein. Wenn überhaupt, dann übertreibt es der Regisseur lediglich in Augustines Heilungsprozedur mit der esoterischen Gewichtung, die an dieser Stelle zwar nicht peinlich, aber etwas aus dem Ruder gelaufen wirkt.

Konträr zur esoterischen Darstellung Pandoras platziert Cameron die kapitalistische RDA, die entgegen einiger Meinungen kein negatives Bild des US-Militärs darstellen soll. Vielmehr kritisiert Cameron hier das Söldnertum von Firmen wie Blackwater und ihre Involvierung in außenpolitische Ereignisse (s. hierzu auch State of Play). Dies verdeutlicht der Regisseur bereits zu Beginn, wenn er Jake noch am Flughafen erklären lässt, dass die anwesenden Soldaten auf der Erde Marines waren, “fighting for freedom”, auf Pandora nun jedoch “just hired guns” seien, “taking the money, working for the company”. Dementsprechend ist Quaritch dann auch lediglich eine Summe jeglicher Xenophobie, der im Zusammenhang mit den Na’vi deutlich macht, dass er diese zur Zusammenarbeit, wenn nötig, zwingen und „Terror mit Terror bekämpfen“ werde. Als reines Feindbild und Antagonist braucht Quaritch somit auch kein Motiv.

Die Szenen in Augustines Labor oder bei der RDA sind eher die Ausnahme. Fluchtmomente, die vor Augen führen, dass sich das „wirkliche“ Leben woanders abspielt. Und wie Jake kann es der Zuschauer nicht erwarten, wieder in sein Pod, zurück in den Avatar, zu steigen. Diese Sogentwicklung ist eine von Avatars großen Stärken, die zudem davon abhängt, dass der zweite Akt sich mit fast einer Stunde genug Zeit nimmt, neben Jake auch die Zuschauer in die Flora und Fauna von Polypephemus’ Trabanten einzuführen. Es sind jene Momente mit Jake und Neytiri in der Natur, die dem 3D-Effekt eine Daseinsberechtigung bescheren. Denn ohne die Flora des Trabanten, verkäme auch hier die Technik zum bloßen Gimmick. Insofern lohnt es sich in diesem Fall durchaus, für eine Sichtung einen Aufpreis zu zahlen, der in anderen Fällen wie Clash of the Titans) lediglich einem Griff in die Geldbörsen der Kinobesucher gleichkommt.

Seinen Wurzeln als Action-Regisseur wird Cameron dann im Finale gerecht, wenn er ein über halbstündiges Kampfgefecht anzettelt, das sich nicht zu schade ist, einige der über zwei Stunden liebgewonnenen Figuren über die Klippe zu schubsen. Fraglos etwas redundant über seine Dauer und hinsichtlich seines explosiven Ausmaßes auch etwas die Ideologie des Filmes konterkarierend, beeindruckt die Choreographie dennoch, auch oder gerade weil sie sich im Gegensatz zu einem Michael Bay die Zeit nimmt, dem Zuschauer tatsächlich zu zeigen, was sich gerade abspielt, anstatt Computerpixel unkoordiniert durcheinander zu schneiden. Dennoch kommt auch Cameron nicht umhin, sich in seinen Bildern zu verlieren und Einstellungen zu produzieren (Quaritch springt im AMP-Anzug aus dem abstürzenden Flugzeug, welches hinter ihm im Wald explodiert), die selbst für einen Film wie Avatar letzten Endes etwas over the top wirken.

Trotz seiner gelungenen Umsetzung produziert Avatar jedoch auch offene Fragen und Problemstellen. Sieht man von Quaritch ab, ist es bedauerlich, dass zumindest Figuren wie Trudy (Michelle Rodriguez) und Selfridge nicht etwas mehr Tiefe verliehen wurde. So erklärt sich nicht, wieso Trudy mit Sully, Augustine und Co. sympathisiert. Cameron wies zwar darauf hin, dass Trudy und Jake die beiden einzigen militärischen Figuren seien (weil sie über ihr Handeln nachdenken), dennoch wirkt ihre Verortung in das RDA-Programm und Sympathie mit den Avataristen etwas fragwürdig. Und wo sich bei Quaritch als vollkommenen Bösewicht auf eine Charakterstudie verzichten lässt, zeigt zumindest Selfridge bei der Zerstörung von Home Tree, dass er durchaus eine kritische Sicht auf sein eigenes Handeln haben könnte. Auch über Tom Sully - der immerhin das krasse Gegenteil seines Bruder darstellt - hätte sicherlich noch mehr gesagt werden können.

Andere Fragen betreffen die Fauna von Pandora, zum Beispiel wieso die Na’vi als einzige Lebewesen nur über vier und nicht wie die Übrigen über sechs Extremitäten verfügen. Doch ist dies eine untergeordnete Frage, die hinter der Integration von Tsaheylu zurücksteht. Jenem Band, das die Na’vi mit Eywa, einander und den übrigen Lebewesen verbindet. Besonders fragwürdig ist die Zähmung der Banshees, in der Jake sein auserwähltes Tier zu Boden ringt, und diesem Tsaheylu sprichwörtlich aufzwingt. Das Ganze verleiht speziell dieser Szene etwas von einer emotional-psychologischen Vergewaltigung, derer sich die Banshee nicht erwehren kann, sondern die sie über sich ergehen lassen muss. Was in unserer Kultur hinsichtlich der Zähmung eines Pferdes noch „vertretbar“ wäre, gewinnt in der Kultur der Na’vi, in der Eywa alles durchströmt und ein Band mit den übrigen Kreaturen geflochten wird, eine sehr zu hinterfragende Bedeutung, die einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt.

Abgesehen davon ist Avatar jedoch ein außergewöhnlicher Film geworden. Nicht der proklamierte game changer und auch nicht die angekündigte Kinorevolution, aber dennoch einer der unterhaltsamsten und somit gelungensten Filme des Kinojahres 2009 bzw. 2010. Allerdings auch ein Film, der beim mehrmaligen Sehen abbaut und beginnt, Längen aufzuweisen. Was jedoch auf die meisten Filme zutrifft, wenn sie innerhalb weniger Monate mehrere Male gesehen werden. Letztlich hat James Cameron die Vakanz des Königsthrones, die von ihm selbst geschaffen wurde, aus Ermangelung eines Nachfolgers wieder mit sich selbst besetzt. Es ist somit eine triumphale Rückkehr des Königs, die dieser vorerst nicht wiederholen möchte. Avatar 2 ist aktuell für 2015 angekündigt, mit dem Versprechen auf zwei weitere Fortsetzungen und damit einer Filmserie. Aufhören, wenn es am Schönsten ist, ist eben nur ein Sprichwort.

8/10 - die ursprüngliche Besprechung findet sich bei evolver