31. Juli 2008

Gossip Girl - Season One

You know you love me. XOXO. Gossip Girl. 

Was war das Geschrei nicht groß in den Internetforen, als Josh Schwartz The O.C. einstellte und stattdessen zu einer ominösen Serie namens Gossip Girl abwanderte. Irgendwelche High Society Teens, das klang doch stark nach einem The Hills-Abklatsch - aber hey, erinnerte The O.C. nicht auch an Laguna Beach? Dass ich mich der Serie zugewandt habe, verdankt sich dem Kommentar von Hirngabel bei der vierten Staffel von Grey’s Anaytomy. Ob er das ironisch gemeint hat oder nicht weiß ich nicht einmal. Einen Blick wert war mir die Serie dann doch allemal. Ohnehin erscheint es mir unverständlich, dass sich Blogger (diese sind in ihrer Mehrheit wohl Männer) so gegen scheinbar „feminine“ Dinge verwehren. Aber zugegeben, an Gossip Girl schreckt einiges ab. Wie bereits bei Entourage muss man sich durch die Pilotfolge erst einmal quälen. Denn diese neue Welt wirkt nicht nur fremd, sondern auch abstoßend. Lauter kleine versnobbte New Yorker Teenies, die ihr Dasein in Reichtum an der Upper East Side verbringen.

Dazu auch noch diese ulkigen Namen, heißt doch die Hauptprotagonistin Serena van der Woodsen. Vielleicht war der Name ja inspiriert durch Cecily von Ziegesar – in ihr findet sich die Autorin von knapp ein Dutzend Gossip Girl-Romanen (auch wenn die letzten Bände von Ghostwritern stammen). Von Ziegesar entstammt selbst einer reichen Familie und wuchs im Herzen von New York auf, somit kennt sie sich hinsichtlich etwaiger Charaktere ihres Kulturkreises gut aus. Der erste Roman erschien 2002, im Herbst des letzten Jahres feierte die Serie ihr Debüt im amerikanischen Fernsehen und beginnt in wenigen Wochen mit ihrer zweiten Staffel. Zur Serie selbst wäre es fast nie gekommen, hatte Warner Bros. Pictures ursprünglich doch den Plan gehabt, einen Film mit Lindsay Lohan in der Hauptrolle zu produzieren. Letztlich vertraute man aber dem Händchen von Schwartz und entwickelte 18 TV-Episoden.

Wieso hat Serena van der Woodsen (Blake Lively) New York verlassen? Und wieso ist sie plötzlich zurück gekommen? Und wie wird ihre beste Freundin Blair Waldorf (Leighton Meester) auf ihre Rückkehr reagieren? Die High Society Teens der New Yorker Upper East Side stellen sich diese Fragen und die Antworten kennt nur eine Person: Gossip Girl. Doch wer ist Gossip Girl? Dies ist ein Geheimnis, dass sie nie verraten wird – und dennoch lieben sie alle. Im Gossip Girl - gesprochen von Kristen Bell - hat die neue Serie von The CW eine omnipräsente und allwissende Erzählerin. Sie meldet sich selten zu Wort, aber wenn, dann kann man sich auf zynische Zusammenfassungen gefasst machen. Wie ihr Name schon sagt, ist Gossip Girl eine Tratschtante. In dieser Funktion betreibt sie einen Internetblog, welchen sich die High Society Jugendlichen auf ihren Handys haben abonnieren lassen. Jeder Klatsch wird hier sofort verbreitet – manchmal schneller als selbst die beteiligten Personen erahnen mögen.

Von Deutschland aus lässt es sich schlecht beurteilen, aber denkbar wäre eine Person wie Gossip Girl im wahren Leben durchaus. Und wer weiß, vielleicht gibt es sie in den USA ja auch. Die Serie jedenfalls beginnt mit der Rückkehr von Serena, die sich einer neuen alten Umgebung gegenüberstellen muss. Ihr Bruder Eric ist wegen eines Selbstmordversuchs in ein Rehabilitationszentrum eingewiesen worden. Ihre ehemals beste Freundin Blair wendet ihr die kalte Schulter zu. Ohne Worte des Abschiedes ist Serena einst verschwunden und aus einem anderen Grund, wie sich zu Beginn enthüllen soll. Nicht der One Night Stand mit Blairs Freund Nate Archibald (Chace Crawford) trieb sie weg, sondern ein Geheimnis, das sich zum Ende der Staffel hin enthüllen soll. Doch nicht nur Serena hat mit Blair zu kämpfen, auch die neue Schulanfängerin Jenny Humphrey (Taylor Momsen) will zu den Angesagten dazu gehören, wird jedoch nur schikaniert. Da hilft es ihr auch nicht, dass ihr älterer Bruder Dan (Penn Badgley) das Interesse von Serena weckt. Denn Intrigen lauern überall.

Einen wirklichen Star im Sinne einer Hauptfigur hat Gossip Girl nicht. Zwar ist Serena der Mittelpunkt, aber nur weil sie als Bindeglied zwischen zwei Welten fungiert. Zum einen ist sie Teil der High Society, zum anderen wird sie geerdet durch ihre Beziehung mit Dan. Im Grunde lässt sich die Serie daher vom Blickwinkel der Familie Humphrey gut verfolgen, die wie keine andere Familie der Serie tiefere Einblicke erfährt. Der Apfel fällt nämlich nicht weit vom Stamm respektive wie der Vater so der Sohn. Auch Dan und Jennys Vater Rufus (Matthew Settle) hatte einst dieselben Erfahrungen wie sein Sohn gemacht, sich aber letztlich für seine Frau Allison entschieden. Diese lebt inzwischen getrennt von der Familie und scheint nicht zurück zu kommen. Ein Fakt, den bisher nur Dan zu realisieren scheint. Disfunktionale Familien sind in der Serie jedoch Gang und Gebe.

Denn während Nates Vater finanzielle Probleme hat (Tate Donovans Rolle aus The O.C. lässt grüßen), ist Serenas Mutter nach drei Ehen Single und Blairs Vater hat die Familie für ein Model verlassen. Ein männliches Model. Diese Jugendlichen besitzen zwar Unmengen von Geld, kennen jedoch kein liebendes Elternhaus. Serena und Eric fühlen sich von ihrer Mutter Lily (Kelly Rutherford) nicht verstanden, Blair hingegen wird von ihrer Mutter - trotz Anorexie - außen vor gelassen. Nates Vater will ihn zwingen auf das Dartmouth College zu gehen und Chuck Bass (Ed Westwick) ist ohnehin eine einzige Enttäuschung für seinen Vater. Ohnehin fällt mir soeben auf, dass die Mädchen in der Serie unter abwesenden Vätern leiden (Serena, Blair), während die Herren (Dan, Nate, Chuck) zum größten Teil auf ihre Mütter verzichten müssen.

Die Thematik der Serie lässt sich in „Sex, Drugs & Lies“ zusammenfassen, doch Gossip Girl ist in der Tat auch more than meets the eye. Wer sich durch diese fremde Welt in den ersten vier Episoden durchwurschtelt und Gefallen findet, wird belohnt werden. Kaum eine Folge kommt ohne die Intrigenspinnerei von Blair oder Chuck aus. Beide sind so abgrundtief fies, dass sie im Grunde die heimlichen Stars sind. Ohnehin kennt man ja die eine Kultfigur, die jede Serie zu bieten hat. Sei es ein Barney Stinson oder ein Todd. Fraglos kultig ist Chuck Bass, der von Ed Westwick grandios gelackt verkörpert wird. Sein lakonisches „I’m Chuck Bass“, um sich und sein Handeln zu rechtfertigen ist simpel und doch genial. Vordergründig ist die Serie aber natürlich um die Schönen und Reichen strukturiert, gewürzt mit zeitgenössischer angesagter R’n’B-Musik von Rihanna und Konsorten. Ein edler Look und viele fiese Matenten bestechen in Schwartz’ neuer Serie. Doch außer Drogen, Lügen und Intrigen haben die Charaktere auch mehr zu bieten.

Um in ihre Seele zu schauen, muss man ihnen aber eine Chance geben. Die meisten Figuren verfügen auch über eine sympathische Seite, viele verstecken sich lediglich hinter einer Maske, welche sie ob ihrer Status gezwungen sind aufzusetzen. Bezeichnend hierfür auch Blairs Albträume, die aus Variationen von Szenen des Filmes Breakfast at Tiffany’s bestehen. Am gelungensten sind die Episoden Poison Ivy und The Thin Line Between Chuck and Nate, welche vom Drama-Faktor - um es mit den Worten von Bruce Darnell zu umschreiben - Höchstwerte erzielen konnten. Etwas enttäuschend kam dagegen das Staffelfinale daher, relativ eintönig und ideenlos. Auch was letztlich Serenas Geheimnis war, ist spektakulär unspektakulär. Dennoch zählt Gossip Girl zu den Überraschungen des vergangenen Jahres, wusste die Serie doch weitaus besser zu gefallen als beispielsweise ihr Genrevertreter Dirty Sexy Money. Wer jedoch um seine Männlichkeit fürchtet, wenn er solch eine Serie sieht, der ist besser bei „harten“ Serien wie 24 und Konsorten aufgehoben.

8.5/10

29. Juli 2008

Surveillance

Is that your statement?

Wenn man es in Hollywood zu etwas bringen will, helfen einem nur drei Dinge: entweder man besitzt Talent, sieht verdammt gut aus oder wird in die Traumfabrik hineingeboren. Je mehr dieser Komponenten zusammenkommen, desto erfolgreicher sind die jeweiligen Aussichten. Jennifer Chambery Lynch ist keine Schauspielerin, sondern Regisseurin. Wie ihr Nachname bereits verrät, ist sie die Tochter von Kultregisseur David Lynch. Besonders tief verwurzelt ist Jennifer Lynch im Business nicht, ihr erster und letzter Film Boxing Helena entstand vor 15 Jahren. Anschließend scheint sie sich ausführlich um die Erziehung ihrer Tochter gekümmert zu haben, die sich jetzt in einem Alter befindet, in welchem Mama wieder hinter die Kamera verschwinden kann. Sollte ihr Film Surveillance (Unter Kontrolle) zuerst von Hexen handeln, entschieden sich Lynch und Co-Autor Kent Harper am Ende doch für einen Thriller mit Serienkillern. Das Ganze sollte gewürzt werden durch eine gehörige Portion Spannung sowie technische Spielereien. Bei der Aufbringung des Independent-Budgets von 3.5 Millionen Dollar dürfte sicher Papa David geholfen haben, der auch als ausführender Produzent des Filmes fungiert. Währenddessen sicherte sich Co-Autor Kent Harper, ganz im Stile eines Leigh Whannell (Saw), eine der zentralen Nebenrollen in dem Killer-Thriller. Halbwegs prominent besetzt wurde das Projekt dann noch mit David Lynchs ehemaligen Darstellern Bill Pullman (Lost Highway) und Julia Ormond (Inland Empire).

Wenn man sich den Film zu Gemüte geführt hat, wird einem schließlich klar, dass ohne Papa hier wohl überhaupt nichts zu Stande gekommen wäre. Zwei Killer dringen in ein Haus ein, überfallen ein schlafendes Ehepaar im Schlaf und ermorden diese nach kalkuliertem Psychospiel. Wirklich etwas mit dem Film zu tun hat diese Szene nicht, außer dass sie die abwesenden Mörder vorstellt. Der Fall zudem die FBI Agenten Hallaway (Bill Pullman) und Anderson (Julia Ormond) gerufen werden, hängt mit einem anderen Verbrechern dieser mutmaßlichen Täter zusammen. Glücklicherweise sind drei Augenzeugen mit dem Leben davon gekommen und während sich die Bundesagenten auf der Polizeiwache mit den dortigen Polizeibeamten herumschlagen müssen, werden drei Kameras in den Verhörzimmern aufgebaut. Die Zeugenaussagen sollen aufgenommen werden, die Verhöre parallel zueinander stattfinden. Dem Publikum präsentiert Lynch die drei einzelnen Geschichten, die im Rashômon-Stil einander ergänzen. Hierbei will Lynch dadurch gefallen, dass sie jede der Geschichten einen eigenen Farbton verpasst. Während die Nacherzählung von Officer Bennet (Kent Harper) über die Ereignisse mit seinem Partner Jim Conrad (French Stewart) in leichtes Sepia gehüllt ist, besticht die Geschichte der achtjährigen Stephanie durch ein klares und scharfes Bild. Ganz im Gegensatz zu dem Geständnis der drogensüchtigen Bobby (Pell James), deren Erlebnisse mit Freund Johnny (Mac Miller) durch Farbübersättigung hervorstechen. Außerdem besticht die erste Hälfte des Filmes durch penetrante Musik, die pseudo-psychisch daherkommt.

Von technischer Seite sieht man dem Film seinen Low-Budget-Status an, die Spielereien mit den Farbfiltern sind zwar ganz nett, erfüllen jedoch keinen höheren Zweck und bleiben letztlich überflüssig. Zugegeben, Bill Pullman war noch nie ein großer Fisch im Teiche Hollywoods, aber immerhin durfte er den US-Präsidenten in dem zeitlang erfolgreichsten Film aller Zeiten spielen. Doch Independence Day ist lange vorbei und so ist auch die Zeit von Pullman. Zuletzt konnte man den guten Mann in der vierten Auflage von Scary Movie begutachten. Dieses Engagement spricht mehr wie hundert Worte, da wundert es auch nicht, dass sich Pullman für das Projekt von David Lynchs Tochter hergegeben hat. Noch weniger wundert einen dann sein maßlos übertriebenes und meist nur mit einem unterdrückten Lachen erträgliches Spiel als FBI Agent. Auch Julia Ormond konnte sich nach ihrem Part als Fräulein Smilla nicht richtig etablieren in der Filmbranche und war zuletzt häufiger in Fernsehproduktionen zu begutachten. Ihre Figur, der verletzlichen und emotionalen Agentin bleibt über den gesamten Film gesehen genauso blass, wie jede andere Figur. Am intensivsten wird vielleicht noch Junkie Bobby portraitiert, die sogar relativ überzeugend von Newcomerin Pell James dargestellt wird. Etwas unterfordert, jedoch souverän, spielt zudem Michael Ironside seinen Part als hiesigen Polizeichef herunter. Wirklich überzeugen kann einen das Ensemble aber nicht, wobei dies durchaus auch den miesen Dialogen und dem allgemein schlechten Drehbuch geschuldet ist.

Das Drehbuch ist es auch, woran Surveillance scheitert, die erste Hälfte des Filmes zieht sich wie ein zäher Kaugummi und bringt die Handlung keinen Deut weiter. Was noch viel schlimmer ist, sie erzeugt auch keinerlei Spannung, langweilt vielmehr. Insbesondere der Beginn des Films, da man bereits nach wenigen Minuten weiß, in welche Richtung die Handlung verläuft, wer hinter den Killern steckt und was für ein Ende den jeweiligen Figuren beschert wird. Dieses Wissen hilft dem Zuschauer jedoch keineswegs das Geschehene leichter zu verdauen, er verstärkt die Tortur nur noch. Der Trailer zum Film nimmt die ganze Handlung nicht nur bereits vorweg, sondern impliziert einen weitaus unterhaltsameren Film, wie Lynch ihn einem anschließend serviert. Durch ihre Verwendung der Musik will die Regisseurin zu Beginn in die Fußstapfen ihres Vaters treten, kann bei diesem Versuch jedoch nur scheitern und tut dies auch. Die Spielereien mit den drei Kameras werden im Film nicht wirklich genutzt, das Rashômon-Potential zu keinem Zeitpunkt ausgeschöpft. Weitaus vielschichtiger wäre der Film geworden, wenn die einzelnen Zeugenaussagen jeweils die Rückblenden ergänzt und neu beleuchtet hätten. Aber abgesehen von der kleinen Spielerei mit dem Farbfilter, scheint Lynch keine Verwendung für dieses Detail zu finden. Das große Hauptmanko des Drehbuches ist aber seine fehlende Spannung, die Surveillance zu keinem Zeitpunkt im Stande ist aufzubauen. Hinzu kommt noch, dass man den Film bereits zu Beginn durchschaut. Die grausamen Dialoge und lächerlichen Charaktere wirken da wie ein schlechter Witz. 

2/10

27. Juli 2008

Ferris Bueller’s Day Off

Life moves pretty fast. If you don’t stop and look around once in a while, you could miss it.

Schule schwänzen, blau machen. Die meisten werden es zumindest ein Mal in ihrem Leben gemacht haben, manche oft, andere selten. Gelegentlich hatte man einfach keine Lust sich morgens aufzuraffen, um sechs Stunden lang leerem Inhalt zuzuhören. Sehr oft hing es jedoch mit Klassenarbeiten, einem Test oder anderen Prüfungen zusammen. An vielen Tagen ist man aber auch einfach zu faul, zur Schule zu gehen, nur um wegen einer Doppelstunde dieses oder jenes Fach zu besuchen. Es gibt jedoch auch Mitschüler, die eigentlich nie fehlen (höchstens krankheitsbedingt), und die es folglich wenig bis gar nicht gutheißen wollen und können, dass andere so oft schwänzen und dafür im Grunde nie bestraft werden.

Ein kulturelles Phänomen, in der Realität verankert und Teil der Pubertät und Jugend. Kaum ein Regisseur bannte dies in seiner Karriere so glaubhaft und dennoch amüsant auf die Leinwand wie John Hughes. Seine Komödien Sixteen Candles, The Breakfast Club und Ferris Bueller’s Day Off sind Kult, wurden und werden von so berühmten Persönlichkeiten wie Kurt Cobain und George W. Bush gesehen und geliebt. Acht Filme hat der Kultregisseur von 1984 bis 1991 gedreht, seine letzte Arbeit markiert dabei Curly Sue. Anschließend zog sich Hughes aus dem Regiegeschäft zurück, arbeitete jedoch weiterhin als Autor und förderte hierbei die Home Alone-Trilogie, wie auch zuletzt Judd Apatows Komödie Drillbit Taylor.

Schule schwänzen, blau machen. Das ist die Handlung von Hughes’ Komödie Ferris Bueller’s Day Off. Hauptmerkmal des Filmes ist das Durchbrechen der vierten Wand. Dies geschieht ausschließlich durch die Figur von Ferris Bueller (Matthew Broderick), erst zum Schluss wird sich auch Schulrektor Ed Rooney (Jeffrey Jones) des Publikums bewusst. Ferris spricht besonders zu Beginn die Zuschauer vermehrt an, eröffnet ihnen seinen Plan, die Schule zu schwänzen und erklärt die Wege, wie sie dies selbst auch am besten bewerkstelligen können. Bereits zu Beginn wird die Figur von Broderick offenbart, der sich gegen namhafte Konkurrenten durchsetzte und den einzigartigen Charme des Charakters erschuf.

Auch Ferris’ zweiter „Antagonist“ wird bereits zu Beginn eingeführt: seine Schwester Jeanie (Jennifer Grey), die ebenjene Menschen verkörpert, die den Blaumachern ihr Glück nicht gönnen. Die kultige Szene gegen Ende mit einem phantastischen Charlie Sheen wird offenbaren, dass Jeanies Problem nicht in Ferris’ Blaumachen zu finden ist, sondern in der Tatsache, dass er nicht erwischt wird. Hauptantagonist bleibt aber Schulrektor Rooney, der seinen Tag damit verbringt, Ferris’ nachzuspionieren, um ihn auf frischer Tat zu ertappen. sollte ihm dies gelingen, müsste Ferris’ das Schuljahr wiederholen. Der Film selbst und Rooneys Jagd auf Ferris haben es sogar in die Simpsons-Episode Bart Simpson’s Day Off geschafft.

In lediglich sechs Tagen schrieb Hughes 1985 das Drehbuch, da ein Autorenstreik im Anmarsch war und er das Projekt unter Dach und Fach bringen wollte. Der Film bedient sich oft verschieder Improvisationen seiner Schauspieler und erhöht dadurch nochmals seine Klasse. Auch wenn es die meiste Zeit nicht den Anschein hat, so dreht es sich bei Ferris’ freiem Tag viel weniger um Ferris, als um seinen besten Freund Cameron (Alan Ruck). Die Rolle, vom damals 29-jährigen Ruck verkörpert, ist im Grunde das genaue Gegenteil von Bueller selbst. Ein verschlossener, jungfräulicher Knabe, der unter der kaputten Beziehung seiner Eltern leidet und sich, wie Ferris es sagt, „nur wohl fühlt, wenn er krank ist“.

Der freie Tag wird zur Emanzipationsaufgabe für Cameron, der sich von seiner Nervosität befreien muss. Es gilt das Leben zu leben, denn dieses verrinnt viel zu schnell, wie Ferris mehrfach bemerken wird. Später gesteht er ein, dass es nicht er war, der einen freien Tag gebraucht hat, sondern Cameron. Die Zukunft der Freunde ist ungewiss, Ferienjobs und das Studentenleben werden beide wohl voneinander entfremden, daher ist dieser Tag für Ferris umso wichtiger. Und obwohl oder weil das worst case scenario eintritt, die Verschrottung des Ferrari, gelingt es Cameron endlich loszulassen von seinen Ängsten. Am Ende ist er ein befreiter, lebendiger Charakter und kann nun guten Gewissens in seine Zukunft sehen.

An Bord ist auch Ferris’ Freundin Sloane (Mia Sara), die als bindendes Glied des Trios fungiert. Sloane spielt Ferris’ Spielchen bereitwillig mit, ist aber dennoch sehr geerdet. Wenn Ferris ihr einen sporadischen Heiratsantrag macht und sie diesen quasi in ihrer letzten Szene annimmt, kann man sich die Zukunft der beiden Figuren vor dem inneren Auge vorstellen. Ferris Bueller’s Day Off transferiert sehr gelungen die Tatsache, dass eigentlich jeder gelegentlich mal einen Tag braucht, um loszulassen. Sich einfach einmal losgelöst amüsieren, dabei wie Ferris auch zum Narren machen und sich deswegen nicht zu schämen. Denn das Leben ist zu kurz, um mit einem Stock im Arsch durch die Gegend zu spazieren. 

Der Film selbst hat viele Leben beeinflusst, so half er den Karrieren von Broderick, Ruck und Grey einen Schub zu verleihen, allen voran dabei Ben Stein. Hughes forderte den Wirtschaftswissenschaftler Stein dazu auf, einen Wirtschaftslehrer zu spielen und einen Text zu improvisieren (die Folge war Steins Kultzitat: „Bueller…Bueller…Bueller“). Doch seine Szene zu Beginn ist nur einer von etlichen Kult-Momenten, die dem Film gehören. Zu diesen zählt auch die Polizeirevierszene mit Charlie Sheen, der einen drogensüchtigen Teenager darstellt. Sein Dialog mit Jennifer Grey ist dabei ebenso großartig, wie Ferris’ Versuch vor seinen Eltern zu Hause zu sein (ein Weg, der ihn durch die Gärten der gesamten Nachbarschaft bringt).

Regisseur Hughes spickte seinen Film zudem mit einigen Selbstreferenzen (zum Beispiel hängt in Ferris’ Zimmer ein Poster der Simple Minds). The Breakfast Club wird im Folgenden auch noch durch Jeanies Nummernschild oder Ferris’ Schulhalle gehuldigt. Ferris Bueller’s Day Off erwies sich im Übrigen auch als großer kommerzieller Erfolg. Bei einem Budget von sechs Millionen Dollar spielte der Film alleine in den Vereinigten Staaten siebzig Millionen Dollar ein und lockte in Deutschland über eine Million Besucher an. Betrachtet man die Zahl der Komödien aus den achtziger Jahren, fällt einem auf, welche großartigen Filme dieses Jahrzehnt hervor gebracht hat (darunter unter anderem auch Rob Reiner’s The Sure Thing).

Wie viele dieser Filme verdient auch Ferris Bueller’s Day Off seinen Kultstatus und markiert eine Komödie, die auch beim wiederholten Sehen nicht an Charme und Witz verliert. Dunkel erinnere ich mich auch noch an die kurzlebige Fernsehserie, in welcher zum Beispiel Jennifer Aniston auftrat. Unbestreitbar ist auch der Einfluss auf die Kultserie Parker Lewis (die es inzwischen auch auf DVD zu erstehen gibt). Der medienkulturelle Beitrag von Hughes Film(en) ist dabei nicht hoch genug einzuschätzen, umso bedauerlicher, dass der Mann sich zurückgezogen hat. Ferris Bueller’s Day Off ist eine Hommage an die Schulzeit und all die geschwänzten Schultage, die jeder einmal durchgezogen hat.

9/10

25. Juli 2008

The Chronicles of Narnia: Prince Caspian

You people have no imagination.

Lange wollte man es nicht glauben und allein der Versuch war für viele bereits zum Scheitern verurteilt, aber J.R.R. Tolkiens Lord of the Rings ließ sich – zumindest visuell – auf Zelluloid bannen. Peter Jacksons überschätzte Fantasytrilogie sorgte nicht nur dafür, dass sich Edward Norton dazu entschied, in The Incredible Hulk mitzuspielen, sondern genehmigte quasi blanko die Budgets für allerlei andere kultige Fantasy-Romane. In den Nachwehen von LotR entstanden somit Adaptionen von C.S. Lewis’ The Lion, the Witch and the Wardrobe sowie von Philip Pullmans The Golden Compass. Vor drei Jahren wagte es Walden Media dann mit unverbrauchten Jungdarstellern den Schritt zu gehen und mit Andrew Adamson einen bisher lediglich mit Animationsfilmen erfahrenen Regisseur an Lewis’ ersten Roman zu lassen. Ein weltweites Einspielergebnis von 745 Millionen Dollar bestätigte die Erwartungen und sicherte die Produktion der Fortsetzung(en).

Ursprünglich sollte Prince Caspian wie sein Vorgänger an Weihnachten erscheinen, doch wurde der Starttermin von den Produzenten von Dezember 2007 auf Sommer 2008 verschoben. Diese Aktion dürfte wohl ein Griff ins Klo gewesen sein, blieben die Einspiele des Filmes vor allem in den Vereinigten Staaten doch weit hinter den Erwartungen zurück. Auch wenn der Film in vielen Ländern, wie Deutschland, erst noch anläuft, dürfte dem zweiten Teil der Narnia-Reihe lediglich die Hälfte des Einspiels seines Vorgängers gesichert sein. Immerhin konnten die Produktionskosten zurück gewonnen werden, sodass ein Verlustgeschäft ausblieb. Da die Verfilmung des dritten Bandes The Voyage of the Dawn Treader im Oktober dieses Jahres beginnt, wird wohl damit zu rechnen sein, dass man diese wieder an Weihnachten in die Kinos bringt, auch wenn bisher erneut ein Starttermin im Mai 2010 angedacht ist. Ob jedoch alle sieben Teile von Lewis’ Fantasyepos produziert werden, steht noch in den Sternen.

Ein ganzes Jahr ist seit den Ereignissen in Lion/Witch/Wardrobe vergangen, zumindest in England. Im magischen Königreich Narnia hingegen vergeht die Zeit sehr viel schneller, als in der Welt der Menschen. Das haben auch die vier Pevensie-Geschwistern am Ende des ersten Teiles bemerkt. Lewis lockt das Publikum zu Beginn in ein fremdes und neues Königreich – nämlich das der Telmarer. Ein Knabe wird geboren und da es sich hierbei um den Sohn des ehrgeizigen Miraz (Sergio Castellitto), Mitglied des herrschenden Rates und Bruder des verstorbenen Königs, handelt, ist das Leben eines anderen Knaben in Gefahr. Der rechtmäßige Thronfolger, Prinz Caspian (Ben Barnes) muss fliehen, ehe er im Rechtsstreit ermordet werden kann. Seine Flucht führt ihn in den Wald und inmitten zweier Zwerge und eines sprechenden Dachses. Mit letzter Kraft bläst Caspian in ein mysteriöses Horn und löst damit eine Kette der Ereignisse aus.

Denn in London werden die Pevensies plötzlich direkt nach Narnia transportiert und müssen feststellen, dass ihr Königreich nicht so ist, wie sie es hinterlassen hatten. Weit mehr als ein Jahrtausend ist in ihrer Abwesenheit vergangen und ihr Königreich sprichwörtlich der Vegetation anheim gefallen. Die Legende besagt, dass mit den vier königlichen Geschwistern auch Aslan aus Narnia verschwand, von den Fabelwesen existieren nur noch einige hundert im Untergrund. Während Lucy (Georgie Henley) Aslan zu sehen glaubt, strebt Peter (William Moseley) den direkten Angriff an. Als sich die Geschwister mit den Narniern rund um Caspian vereinen, beginnen die Planungen für eine alles entscheidende Schlacht, die über Überleben und Untergang der Narnier entscheiden wird. Doch nicht jeder folgt Peter so bedingungslos wie seine Schwester Susan (Anna Popplewell) und sein Bruder Edmund (Skandar Keynes): zwischen dem Hochkönig von Narnia und Prinz Caspian entsteht ein Kampf um die Autorität über die Armee.

Mit 200 Millionen Dollar erhielt Prince Caspian noch mal einen kleinen Obolus im Vergleich zum Budget des Vorgängers. Adamson wollte das Geld in noch mehr narnische Figuren und größere Schlachten stecken. Das Endresultat bestätigt ihn in seiner Absicht. Gab es in Lion/Witch/Wardrobe lediglich die finale, Braveheart und LotR zitierende, Schlacht, so wird in Prince Caspian gekämpft was das Zeug hält. Fast die gesamte zweite Hälfte des Filmes besteht aus Kampfsequenzen und das Töten nimmt praktisch kein Ende. Die Schlachtszenen sind dabei von ihren Effekten her wieder ebenso gelungen, wie Ausstattung und Kostüme, auch die Musik fügt sich erneut in das ansehnliche Bild ein. Erfreulicherweise können die Jungdarsteller in ihrem zweiten Abenteuer weitaus besser überzeugen, als dies noch im Vorgänger der Fall war.

Antagonist Castellitto kommt als Javier Bardem-Verschnitt daher, was man aber nicht als negatives Kriterium verstehen sollte. Er überzeugt ebenso wie Caspian-Darsteller Ben Barnes, der ungemein glaubhaft den spanischen Akzent seiner Figur auf die Leinwand bannen kann. Obschon Barnes in Matthew Vaughns Stardust Fantasy-Erfahrung gesammelt haben sollte, scheint er sich manchmal unwohl zu fühlen, ins Nichts – zu den später digitalisierten Narniern – spielen zu müssen. Doch weiß Barnes dies dank seiner Theater-Erfahrung in den Griff zu kriegen, sodass einer eingespielten Leistung im dritten Teil nichts im Wege stehen dürfte. Auch die Synchronisationen, dieses mal von Eddie Izzard als Reepicheep sind erneut gelungen.

Fans der Vorlage dürften gleich zu Beginn merken, dass Adamson im Gegensatz zu Lewis’ Werk die Chronologie etwas durcheinander bringt. Caspian bläst weitaus früher in Susans Horn, sodass der Aufenthalt der Geschwister ausgedehnt wird. Dies diente Adamson wohl dazu, die beiden Handlungsstränge parallel laufen lassen zu können. Interessant wird sein, wie die treue Leserschaft den Mittelteil des Filmes aufnimmt. Hier fügten Christopher Markus und Stephen McFeely nämlich eine gänzlich neue Episode ein: einen nächtlichen Angriff auf die Burg der Telmarer. Adamson war von der Idee fasziniert, Fabelwesen eine mittelalterliche Burg stürmen zu lassen und ließ diese Sequenz extra zusätzlich in das Drehbuch schreiben. Sie dient vor allem dazu, den Konflikt zwischen Peter und Caspian zu verstärken, sowie die Gefahr für die Narnier, ihre Existenzbedrohung, vor der finalen Schlacht zu verbildlichen. Diese zusätzliche Szene ist per se nicht wirklich schlecht, vielleicht sogar ein kleines Highlight des Filmes, doch geht sie unmittelbar mit den Abänderungen zur Vorlage einher.

Viel Gewichtung wird auf den Peter-Caspian-Konflikt gesetzt, Chancen werden genutzt auch Tilda Swinton nochmals auf irgendeine Art und Weise einzubauen. Ob dies jedem zusagen dürfte bleibt ungewiss. Kritisch ins Auge fällt jedoch erneut die unwahrscheinliche Verherrlichung von Gewalt, welche diesmal vormerklich die Macher und nicht unbedingt Lewis betreiben. Wo in der Vorlage ein Warnschuss stattfindet, wird hier von den Geschwistern eiskalt ermordet. Auch die Burgsequenz dient dazu dieses Bild zu bestärken. Mancher Kritiker sprach bereits davon, dass es Prince Caspian ein Film sei von Kindern, die zwei Stunden lang morden. Dabei geht es nicht nur um die Gewalt, welche die Pevensie-Kinder ausüben, sondern ebenso um die Gewalt, die den Narniern zugefügt wird. Vergleicht man Film mit Vorlage, so fällt auf, dass Narnier hier aus dramaturgischen Gründen gezielt getötet werden. Die Zahlen ihres Heeres nehmen in jeder Szene ab, sodass sie sich am Ende kaum halten können und der Rettung in letzter Sekunde bedürfen.

Hier begeht Adamson denselben Fehler wie im ersten Teil, das Ende ist im Vergleich zum restlichen Film wieder absolut misslungen. Konnte man dies bei Lion/Witch/Wardrobe noch Lewis anlasten, trifft die Schuld dieses Mal Adamson selbst. Ohne zu viel zu verraten, spielt der Löwe Aslan wieder eine entscheidende Rolle, nur wird er im Gegensatz zur Vorlage hier praktisch zum Arschlochmessias. Das Finale ist im Kontext seiner Geschichte absolut deplatziert und widerspricht sich letztlich selbst. Konnte der Film über weite Strecken unterhalten und eine Steigerung zum Vorgänger darstellen - allein der Kampf zwischen Peter und Miraz ist ungemein spannend - macht Adamson am Ende wieder genau denselben Fehler wie beim ersten Teil. Inkonsequent zur restlichen Handlung und seiner eigenen Vorgabe widersprechend wird erneut die gesamte Geschichte unterm Strich gesehen hinfällig.

Manch fanatischer Peter Jackson Fan wird sich zudem daran stören, dass sich Adamson bei Fellowship of the Ring und The Two Towers bedient, selbst wenn Tolkien hier einst selbst Hilfe bei Lewis’ Werk gesucht haben mag. Im Großen und Ganzen ist Prince Caspian durchaus eine Steigerung zum ersten Teil, den er oft zitiert und Referenz erweist, so wie er es auch bei der LotR-Trilogie oder Kingdom of Heaven tut. Man hätte allerdings auf viele der Action- und Kampfszenen verzichten können, da der Film gerade in den Schlachtszenen ungemein langatmig ist und auf der Stelle tritt. Es ist also wieder der inhaltliche Aspekt, der dem Werk einen Abbruch tut, während die technische Seite im Grunde tadellos bewerkstelligt wird. Da für Voyage of the Dawn Treader Michael Apted als Regisseur engagiert wurde, besteht jedoch ein Funken Hoffnung, dass er eventuell endlich mal in einem Narnia-Film das Ende retten kann.

6/10

20. Juli 2008

Spider-Man 2

I believe there’s a hero in all of us.

Vielleicht wurde hier noch geschnitten, dort etwas editiert. Das Marketing rollte auf jeden Fall bereits in vollen Zügen und die Stimmung scheint gut. Ein Mann setzt seinen Namen unter einen Filmvertrag, Sam Raimi erklärt sich bereit, eine Fortsetzung zu Spider-Man zu drehen. Das alles gut einen Monat, bevor Spider-Man in den Kinos anlaufen und ein triumphaler Erfolg werden sollte. Die Produzenten von Sony engagierten Alfred Gough und Miles Millar (Shanghai Noon/Knights) für das Skript. Dieses sollte drei Gegner für Spider-Man vorsehen, letztlich verblieb man dann bei Doctor Octopus als alleinigen Antagonisten. Als Spider-Man mit einem Einspiel von 115 Millionen Dollar am Startwochenende  einen neuen Rekord aufstellte, gewährte Sony für das Sequel ein Budget von 200 Millionen Dollar, eine fast 50-prozentige Anhebung. Wenige Wochen später wurde aus dem Autoren-Duo ein Trio, als David Koepp die beiden unterstützte.

Innerhalb von zwei Monaten war das erste Drehbuch fertig und Michael Chabon wurde wieder engagiert, um es umzuschreiben. Letztlich pickten Regisseur Raimi und Drehbuchautor Alvin Sargent, der bereits für den ersten Teil engagiert wurde, sich das raus, was ihnen gefiel und Sargent machte sich an die endgültige Fassung. Die Dreharbeiten begannen allerdings bereits vor der Fertigstellung des finalen Skripts. Das Projekt stand voller Tatendrang und grenzenlosem Optimismus. Ende des Jahres 2002 verletzt sich Hauptdarsteller Tobey Maguire dann während der Dreharbeiten zu Seabiscuit am Rücken. Zu verdanken hatte er dies seiner Rolle als Jockey. Kurzerhand trat Sony an Jake Gyllenhaal heran, der ehemalige Kinderschauspieler war dank Donnie Darko zum Geheimtipp der Branche aufgestiegen. Zudem war er damals mit Hauptdarstellerin Kirsten Dunst liiert und verfügte somit über die nötige Chemie.

Doch der gute Stern stand über Spider-Man 2, denn Tobey Maguire erholte sich und konnte seine Rolle wiederaufnehmen, die ihm ein Gehalt von 17 Millionen bescherte und damit in die Champions League der Hollywood-Schauspieler katapultierte. Seine Rückenprobleme wussten Raimi und die Crew dabei gezielt auf die Schippe zu nehmen und verarbeiteten Referenzen in den Film, wenn Peter Parker in einer Hommage an The Matrix von einem Dach springt mit den Worten “I’m back! I’m back”, nur um mehrere Stockwerke tief zu fallen und zu Fuß davonzuschleichen, dabei murmelnd: “My back. My back”. Ein Wortwitz, der in der deutschen Synchronisation verloren geht. Die Rekorde, die Spider-Man aufgestellt hatte, konnte seine Fortsetzung locker brechen, selbst wenn er insgesamt finanziell das Nachsehen hatte. Sowohl in Nordamerika als auch weltweit gesehen, liegt die Fortsetzung vom Einspielergebnis hinter dem ersten Teil.

Dabei wurde der Film von Fans wie Kritikern besser bewertet als sein Vorgänger. So hat er bessere Bewertungen in der IMDb, wie auch bei Rotten Tomatoes. Die Besetzung blieb dieselbe, denn da mit Doc Ock lediglich eine neue Figur hinzukam, musste auch nur diese Rolle neu besetzt werden. Waren Stars wie Robert De Niro oder Charakterdarsteller wie Chris Cooper im Gespräch, so wurde es am Ende Alfred Molina, den Raimis Ehefrau in Frida besonders überzeugend fand. Eine wahrhaft gelungene Entscheidung, denn Molina haucht seiner Figur äußerst überzeugend Leben ein und hatte – wie die Special Features zeigen – sichtlich Spaß am Set. Neben dem finanziellen Erfolg und dem nunmehr feststehenden Star-Status von Maguire und Dunst durfte sich der Film auch bei den Academy Awards im Jahr darauf feiern lassen, bei welchen er mit dem Oscar für die Besten Visuellen Effekte ausgezeichnet wurde.

Die visuellen Effekte sind stark an den Matrix-Sequels orientiert, wirkt der animierte Spider-Man oft ebenso unnatürlich wie der digitalisierte Neo. Doch dies springt einem nur zu Beginn wirklich negativ ins Auge, bald schon fügen sich die Effekte besser ein und spätestens bei der Bahn-Szene überzeugt der Film restlos. Kein Wunder, arbeitetn doch 200 Leute an ihnen und verschlangen 50 Millionen Dollar des Budgets. Hilfreich beim Spider-Man-Feeling für die Zuschauer war die Einführung der so genannten Spydercam, die unter anderem an einem Seil befestigt fünfzig Stockwerke fallend filmen konnte. Eben jene Kamerafahrten sorgen für gehörige Stimmung und lassen einen richtig teilhaben an Peter Parkers nächtlichen Ausflügen. Für die sorgen auch Raimis vielfache Remineszensen an die Comic-Serie. Besonderen Einfluss auf die Handlung hatte dabei Spider-Man No More (#50), der Raimi sogar teils eins-zu-eins beeinflusste.

Aber es findet sich auch eine Referenz zur Animations-Folge The Terrible Triumph of Dr. Octopus. Zusätzlich verwies Raimi neben The Matrix auch auf Superman und seinen eigenen The Evil Dead sowie dessen Fortsetzung The Evil Dead II. Ergänzt werden diese Szenen dann von zwei Cameos durch Evil Dead II-Mitautor Scott Spiegel und den obligatorischen Bruce Campbell. Letzterer wird im übrigen mit jedem Spider-Man-Teil amüsanter, egal ob hier als Platzanweiser in MJs Theater oder in Spider-Man 3 als liebenswürdiger und planloser Maitre d’. Wie es sich für eine ordentliche Marvel-Verfilmung gehört, darf auch der Auftritt von Schöpfer Stan Lee nicht fehlen. Zudem wartet für alle Fans von Lost, denen er bei Hulk entgangen ist, auch hier in einer kurzen Nebenrolle wieder Daniel Dae-Kim auf. Und wer weniger ein Fan von Lost, dafür aber von Death Proof ist, der darf sich dafür in gleich zwei Szenen auf Vanessa Ferlito freuen.

Ist Peter Parker im ersten Teil noch seiner Verantwortung gefolgt, so erlebt er in der Fortsetzung die Schattenseiten seines Helden-Daseins. Um sie zu schützen, hat er sich von MJ los gesagt, doch packt ihn die Eifersucht, als diese sich mit John Jameson verlobt und der arme Peter das auch noch fotografieren muss. Die Beziehung zu Harry ist ebenfalls leicht erschüttert, da dieser von Peter die Identität Spider-Mans verlangt. Auch hier kommt es zur Klimax, in derselben Szene wie der MJ-Moment. Zeit für die Universität hat Peter kaum noch, seinen Nebenjob verliert er, das Leben seiner geliebten Tante Mae (Rosemary Harris) läuft an ihm vorbei. Das Spider-Man-Dasein beansprucht Peters ganze Zeit und dies auf Kosten seines Privatlebens. Kein Wunder, beginnt Peter mit seinem Schicksal zu hadern. Schließlich sagt er sich los vom Heldentum, stattdessen beginnt er ein ganz normales Leben, in welchem er glücklich mit MJ sein kann.

Hier baut Raimi starke Referenzen zum zweiten Superman-Abenteuer ein, in welchem auch der stählerne Mann seinen „Job“ an den Nagel hing. Mit der Zeit lernt Peter jedoch die Konsequenzen von Spider-Mans Abwesenheit. Sargent wickelt seine Katharsis in einen Dialog mit Tante Mae ein, der zwar etwas gelackt daherkommt, aber praktisch notwendig ist. Die Geschichte wird vorangetrieben, Peter hat eine Entscheidung getroffen und ist bereit, die Konsequenzen zu tragen. Menschen brauchen Identifikationsfiguren und Helden, Peter nimmt diese Rolle ein, letztlich gewinnt er sogar noch MJ. Was kann er sich mehr wünschen? Im Abschluss der Trilogie scheint Spider-Man zu Beginn dann auf seinem Höhepunkt, mit Paraden, T-Shirts und allerlei anderem Gedöns. Wie Peter hier jedoch im zweiten Teil hadert, ist ausgesprochen gelungen von Raimi in Szene gesetzt und kongenial von Maguire in die Kamera gespielt.

Dabei präsentiert Raimi viele der Zutaten, die bereits den Vorgänger so schmackhaft machten. Verschiedene Elemente (brennendes Haus, Peter bringt Müll raus) werden direkt übernommen, allen voran das Ende. Hier tritt genau das ein, was Peter eigentlich vermeiden wollte: MJ wird vom Bösewicht entführt. Das Finale selbst, obschon nicht sonderlich actionreich, darf als gelungen angesehen werden, allein wegen Peters Demaskierung und Octavius’ Läuterung. Das hier der erste Teil grüßen lässt, hätte man durchaus vermeiden können, wenn man im ersten Teil einfach auf Gwen Stacy gesetzt hätte. Dann hätte man die Redundanz von „Mary Jane wird entführt“ vermeiden können. Spider-Man 2 überwiegt jedoch an positiven Aspekten, darunter wie immer Danny Elfmans Score. Scheinbar kam es jedoch zur Spaltung zwischen Elfman und Raimi, zumindest wurden viele Stücke von Christopher Young im Anschluss nachkomponiert.

Auch die Action weiß zu überzeugen, allen voran die zwischen Spider-Man und Doc Ock auf der Bahn. Spätestens zu diesem Zeitpunkt fallen auch nicht mehr die negativen Aspekte des digitalen Spider-Man auf. Was den zweiten Teil jedoch so gelungen macht, ist sein Humor, der den ersten Teil übertrifft. Neben der „Rücken“-Szene ist beispielsweise auch die Fahrstuhlszene ein Reißer für sich und weiß, wie der Großteil des Films, zu unterhalten. Mit seiner Fortsetzung ist Raimi somit eine merkliche Steigerung zu Spider-Man gelungen, dessen Dialoge im Vergleich zu diesem Teil weitaus gestelzter wirkten. Mit dem dritten Teil ist Raimi damit eine der gelungensten, da stimmigsten, Trilogien in der Filmgeschichte gelungen, in welcher der erste Teil mal nicht so hohe Erwartungen schuf, dass die Fortsetzungen diesen nicht gerecht werden konnten. Spider-Man 2 ist jedenfalls eine der besten Comic-Verfilmungen aller Zeiten.

9/10

19. Juli 2008

X2

Have you ever tried...not being a mutant?

Nachdem Edeltrash-Filme wie Batman & Robin Ende der 1990er Jahre die Comic-Adaptionen an den Rande des Aussterbens brachten, bildete bereits 1998 die Verfilmung von Blade die Umkehr zum Besseren. Bei einem Budget von 45 Millionen Dollar Budget wurde das Dreifache der Kosten eingespielt, weshalb für die nächste Marvel-Verfilmung X-Men 75 Millionen Dollar zur Verfügung standen. Auch wenn der Film ein etwas verhaltener Erfolg war, prophezeite er doch eine neue Welle gut gemachter Comic-Adaptionen, deren Budgets im Verlauf exponentiell steigen sollten. Kein Wunder, dass man Bryan Singer mit einer Fortsetzung beauftragte, für die David Hayter und Zak Penn individuell Drehbücher verfassen sollten, um diese anschließend zu einem gemeinsamen Werk zu kombinieren.

Dieses Drehbuch wurde im Jahr 2002 von Michael Dougherty und Dan Harris überarbeitet und strich die Involvierung von Figuren wie Beast oder Angel. Aus Budgetgründen - das Studio gewährte Singer dieses Mal 110 Millionen Dollar - wurden auch Szenen mit den Sentinels und dem Danger Room entfernt. Zudem erhielt Halle Berry nachträglich mehr Leinwandzeit, war sie doch im Vorjahr für Monster’s Ball mit dem Oscar als Beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet worden. Am Ende brauchte es 27 Drehbuchentwürfe bis zum finalen Skript, also ähnlich viele wie für den ersten Teil. Da Singer in jenem bereits das Erscheinen von Phoenix angedeutet hatte, verwundert es ein wenig, dass so viel Korrektur nötig war, bis das Drehbuch zur Fortsetzung X2 zufrieden stellend war.

Im selben Jahr erschienen wie Hulk, war X2 erfolgreicher als Ang Lees Film, spielte er in den USA doch das Doppelte und weltweit das Vierfache seiner Kosten ein. Im Handlungsgeschehen selbst tauchen lediglich drei neue Figuren auf: Colonel William Stryker (Brian Cox) als Antagonist, sowie Lady Deathstrike (Kelly Hu) als dessen Handlangerin und Nightcrawler (Alan Cumming) als Neuzugang bei den X-Men. Letzterer setzte sich gegenüber Beast oder Gambit als Zugang durch, da er durch sein Erscheinungsbild nochmals die Außenseiterrolle der Mutanten untermauerte. Da der Schotte Alan Cumming deutsche Sprache beherrscht, war er Bryan Singers erste Wahl für die Darstellung der deutschstämmigen Figur, die eigentlich auf den Namen Kurt Wagner hört.

Mit Cummings und Cox wurde das Set nach Patrick Stewart (Professor X) und Ian McKellen (Magneto) um zwei weitere Darsteller der Royal Shakespeare Akademie erweitert. Leider avancierte Nightcrawler nicht zu einem festen Mitglied der Mutanten, fehlt er doch in X-Men: The Last Stand, was weniger mit dem fehlenden Interesse des Darstellers, als dem Produktionsaufwand seines Make-ups zu tun hat. Da kann man es verschmerzen, dass X2 nicht auf die Tatsache einging, dass Nightcrawler der Sohn von Mystique ist (obschon beide Figuren eine nette kleine Szene erhalten). In Rebecca Romijn hatte Cummings dann auch gleich eine Leidensgenossin gefunden, verbrachte er immerhin doppelt so viel Zeit (bis zu zehn Stunden) in der Maske wie die Mystique-Darstellerin.

Mit viel Brimborium hält sich Singer in X2 dann auch nicht auf, wird dem Publikum doch innerhalb der ersten fünf Minuten bereits die erste Actionsequenz präsentiert. Spektakulär wird die neue Figur Nightcrawler vorgestellt und in einer Szene positioniert, die bereits zu Beginn des Filmes dessen Höhepunkt darstellt. Dagegen sind die beiden späteren Kämpfe von Wolverine (Hugh Jackman) gegen Strykers Männer und Lady Deathstrike nur ein laues Lüftchen. Zudem beeindruckt Nightcrawlers Einführung auch durch ihre digitalen Effekte, stehen diese ebenso wie die Choreographie der Szene die Qualität der Handlungsexposition. So wünscht man sich als Zuschauer die Wundermaschine Kino, wobei auch Wolverines Ein-Mann-Feldzug im Internat über seine Stärken verfügt.

Vielleicht auch weil Singer hier die Schere ansetzte, um ein jugendfreies Rating zu erhalten, kommt die Szene nicht an den Anfang heran. Noch weniger gelingt dies dem Kampf von Wolverine und Lady Deathstrike, der schon deswegen an Spannung einbüßt, da Wolverine hier gegen sein weibliches Pendant kämpft. Ohnehin haben sich die Macher mit Lady Deathstrike keinen Gefallen getan, beschränken sich Kelly Hus Dialoge im gesamten Film auf eine einzige Zeile. Gerade hier hätte man eine Figur wie Gambit einbauen können, trägt dieser doch seine eigenen dunklen Geheimnisse mit sich herum. Viel mehr handfeste Action kriegt das Publikum dann auch nicht zu sehen, was angesichts der diesbezüglichen Steigerung in Brett Ratners X-Men: The Last Stand etwas beschämend ist.

Dabei eignen sich die X-Men aufgrund ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten doch so gut, um verschiedenste Kämpfe darzustellen. Aufgrund ihrer Quantität besteht nicht mal die Notwendigkeit jede Figur mit ihrer Historie einzuführen. Generell gebührt Singer Lob dafür, dass er es schafft, erfolgreich eine Geschichte zu erzählen, die um ein Dutzend Figuren konstruiert ist. Dennoch kommen dabei einige Figuren wie Lady Deathstrike, aber auch Pyro (Aaron Stanford) etwas zu kurz, obschon sie in vielen Einstellungen auftauchen. Hier wäre weniger mehr gewesen, trägt Rogue (Anna Paquin) zum Beispiel wieder einmal wenig bis gar nichts zur Entwicklung der Handlung bei, ähnliches lässt sich auch Iceman (Shawn Ashmore), Cyclops (James Marsden) und Storm (Halle Berry) vorwerfen.

Allgemein spielt das X-Men-Universum nur bedingt eine Rolle in Singers Verfilmungen, geht dieser doch sehr spielerisch mit dem Erbe Stan Lees um. Anstatt mit Kitty Pryde impliziert man eine tiefere Beziehung zwischen Rogue und Wolverine, zusätzlich befindet sich Rogue in einer Liebesbeziehung zu Iceman, wo dies in den Comics mit dem in den Filmen abwesenden Gambit der Fall ist. Auch familiäre Beziehungen (hier: die Mutterschaft von Mystique zu Rogue und Nightcrawler, später die Verwandschaft von Professor X und Juggernaut) werden außen vor gelassen. Dabei hätten diese Punkte X2 mehr Tiefe verleihen können, als sich auf Stryker zu fokussieren, der seinen Ursprung ohnehin mehr in einer Origin-Story von Wolverine hat, als im X-Men-Universum.

Zudem hat X2 an demselben Problem wie Hulk: zu knabbern: die Handlung ist zu komplex. Für eine Comic-Doppelausgabe von circa 80 Seiten funktioniert das fraglos einfacher, in einer Verfilmung fehlt dem Zuschauer jedoch die nötige Bindung zur Geschichte wie auch den betreffenden Figuren. Viel Lärm um Nichts wird erneut um Wolverines mysteriöse Vergangenheit gemacht, ohne dass man dieser auch nur einen Deut näher auf die Spur kommt. Künstlich werden Verbindungen zu Figuren wie Lady Deathstrike und Nightcrawler hergestellt, letzten Endes versucht, irgendwie auch noch die Antagonisten aus X-Men nunmehr als Verbündete in X2 einzubauen. Das alles mit zusätzlicher Gewichtung auf Cerebro, der bereits im ersten Teil zur Genüge gezeigt wurde.

Dem übergeordneten Thema des Rassismus wird im zweiten Teil wenig nachgegangen. Man baut zwar eine Drama-Szene zwischen Iceman und seiner Familie ein, die seinem Coming Out als Mutant dient. Nur dauert dies erstens zu lange und führt zweitens nirgendwo hin. Übertroffen wird das nur noch vom wenig überzeugenden Finale, in welchem sich Jean aus unerfindlichen Gründen für die Gemeinschaft opfert, obschon sie fünf X-Men (Nightcrawler, Storm, Iceman, Cyclops und Professor X) hätten retten können. Löblich, dass Singer hier die Plattform für die Geburt von Phoenix im dritten Teil bilden wollte, bloß entbehrt die Szene entbehrt jeglicher Glaubwürdigkeit. X2 ist also in vieler Hinsicht eine Verbesserung zu seinem Vorgänger, allerdings mit einigen Mängel im Drehbuch.

8.5/10

17. Juli 2008

Southland Tales

Ladies and gentlemen, the party is over. Have a nice apocalypse.

Die vergangenen Zeiten sind schon lange her und inzwischen wartet jede Woche in unserem Leben mit Filmstarts bis zu sieben und mehr Werken auf. Lediglich wenn ein Großkaliber wie Indiana Jones droht, werden die Starts gerne verschoben, aber Filme sind inzwischen vollkommen nach der Nachfrage ausgerichtet. Hin und wieder gibt es sie aber noch, die kleinen Geheimtipps, Filme, die im Auge der Öffentlichkeit untergehen, durch Mundpropaganda oder letztlich auf DVD zu Ruhm aufsteigen. Oft finden sich auch Filme darunter, die von Kritikern, Fans oder beiden schlecht geredet werden, mitunter werden sie auch deswegen erst wirklich interessant. Einen solchen Geheimtipp – zwar nicht schlecht geredet, aber kaum beachtet – lieferte Richard Kelly 2001 mit seinem apokalyptischen Mysterie-Thriller Donnie Darko ab. Inzwischen hat das Werk nicht nur Kultstatus erreicht, sondern auch die Hollywood-Karriere von Newcomer Jake Gyllenhaal begründet, der sich demnächst als Prince of Persia verdingen darf. Regisseur und Autor Kelly selbst wurde hochgelobt, gefeiert und sein nächstes Projekt mit Hochspannung erwartet. Vier Jahre arbeitete Kelly an seinem neuesten Film, der den Titel Southland Tales tragen und als multimediales Konglomerat funktionieren sollte.

Die Vorgeschichte des Filmes würde in ein sechsbändiges Comicheft verpackt, der Film selbst sollte die letzten drei Kapitel der Geschichte beinhalten. Vor zwei Jahren feierte Southland Tales schließlich auf dem Filmfestspielen in Cannes seine Weltpremiere mit einer Laufzeit von 160 Minuten. Anschließend wurde der Film von den Kritikern verrissen, niedergemacht und die Karriere von Kelly quasi ad acta gelegt. Niemand konnte etwas mit den Visionen des jungen Regisseurs anfangen, geschweige denn die erzählte Geschichte ansatzweise begreifen. Doch Kelly ließ sich nicht unterkriegen, schnitt den Film um und änderte seine gesamte Planung des Projektes. Es wurden nicht nur zwanzig Minuten des Filmes zugunsten der Fokussierung auf eine Hauptfigur (Boxer) geschnitten, auch die Vorgeschichte wurde statt in sechs Comicbände der Einfachheit halber in drei Comicausgaben verpackt. Während manche Rezensenten wie das EMPIRE Magazin ihre Meinung anschließend verbesserten, blieb dem deutschen Kinopublikum bis heute eine Sichtung des Filmes verwehrt, auf DVD ist der Film nur im Bundle mit Donnie Darko erhältlich.

This is the way the world ends
This is the way the world ends
This is the way the world ends
Not with a whimper but with a bang.


Die drei Bände erschienen von Mai 2006 bis Januar 2007 und sind inzwischen auch zusammengefasst im Handel erhältlich. Zwar lässt sich Southland Tales auch ohne die Kenntnis der Comics verfolgen, doch helfen diese einzelne Beziehungen wie die zwischen Roland Taverner und Pilot Abilene besser zu skizzieren und nachzuvollziehen. In Two Roads Diverge wird das Geschehen eingeläutet, so wie es Kelly zu Beginn von seinem Film nacherzählen wird. Der ehemalige Football- und jetzige Filmstar Boxer Santaros wacht in der Wüste von Nevada auf, orientierungs- und erinnerungslos. Zufällig stößt der Spieler und Kriminelle Fortunio Balducci auf Boxer und sammelt diesen auf. Da Fortunio aufgrund von Spielschulden Los Angeles verlassen muss, braucht er ein Visum, um die Grenzen passieren zu können. Hierfür sucht er die ambitionierte Pornodarstellerin Krysta Now auf, die Verbindungen zu Regierungsbeamten hat. Die gesamte Handlung findet hierbei in einer alternativen Zukunft der Vereinigten Staaten des Sommers von 2008 statt. Al Quaeda hat zwei Nuklearwaffen am amerikanischen Unabhängigkeitstag 2005 in Amerika gezündet, ein Ereignis, das als „American Hiroshima“ in Erinnerung blieb.

I’m a pimp and pimps don’t commit suicide.

Fortan befinden sich die USA im Dritten Weltkrieg mit der Achse des Bösen (Irak, Iran, Nordkorea, Afghanistan, Syrien, Saudi-Arabien) und sind zum Überwachungsstaat verkommen. Wer einen der Bundesstaaten überqueren will, bedarf eines Visums, unzählige Kameras der Firma USIDent verfolgen die Bürger auf Schritt und Tritt. USIDent ist ein geistiges Kind von Nana Mae Frost, Ehefrau des republikanischen Senators Bobby Frost, der 2008 für die Position des Vizepräsidenten kandidiert. Beide haben eine Tochter, Madeline Frost, zugleich Ehefrau von Boxer Santaros. Die drei Comicbänden von Kelly sind so komplex, dass es unmöglich ist, sie in Kürze abzureißen. In den weiteren Ausgaben Fingerprints und The Mechanicals wird der Leser noch die Bekanntschaft von Jimmy Hermosa, Zora Carmicheals sowie Dion und Dream machen. Insbesondere aber der Baron Von Westphalen, Mitbegründer der nach seinem Heimatort Trier benannten Firma Treer und Entdecker des alternativen Treibstoffs Fluid Karma wird sich als Hauptantagonist herausstellen. Was es genau mit Fluid Karma auf sich hat und welche Rolle Simon Theory und Teena MacArthur darin spielen, wird ebenso thematisiert wie das ominöse Drehbuch „The Power“, welches von Krysta Now verfasst wurde und die letzten drei Tage auf Erden beschreibt.

Wie angesprochen bedarf es nicht notwendigerweise der Comichefte, um dem Film folgen zu können. Worum es sich genau bei USIDent, Fluid Karma und den Neo-Marxisten handelt, erfährt man auch zur Genüge im Film. Um den Themenkomplex von Kellys Offenbarung jedoch vollends – oder ansatzweise – zu verstehen, kann eine Studie der Prequels nicht schaden. Manche Dinge lässt Kelly in Southland Tales auch nochmal wiederholen, beispielsweise die Pressekonferenz von Baron Von Westphalen und seiner Mutter Inga. Im Vorspann zeigt Kelly die Geschehnisse des „American Hiroshima“ und seine Auswirkungen auf die amerikanische Gesellschaft. Soldaten werden willkürlich zum Kriegsdienst eingezogen, darunter auch Roland Taverner (Seann William Scott) und der Nachwuchsschauspieler Pilot Abilene (Justin Timberlake). Beide werden im irakischen Falludscha ein Erlebnis teilen, welches für die Handlung von Southland Tales mitentscheidend sein wird. Doch Southland Tales befasst sich mit verschiedenen Erzählsträngen, die immer wieder miteinander verwoben werden. Essentiell für die Geschichte ist die Präsidentschaftsvorwahl der Bürger von Kalifornien, besteht in Kalifornien doch seit zwei Jahrzehnten erstmals die Chance für die Republikaner die Oberhand behalten zu können. Um liberaler zu wirken, macht Senator Bobby Frost gemeinsame Sache mit dem egomanischen Baron Von Westphalen und Treer.

Two roads diverged in a wood, and I –
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.

Allerdings verfolgt der Baron eigene Pläne und der gemeinsame Interessenspunkt scheint der verschollene Boxer Santaros (Dwayne Johnson) zu sein. Dieser kann sich weder erinnern wer er ist, noch was seine Bestimmung sein soll. Pornodarstellerin Krysta Now (Sarah Michelle Gellar) nutzt dies gekonnt aus und verkauft Boxer das von ihr verfasste Drehbuch „The Power“ als dessen eigenes Gedankengut. Für die Recherche seiner Filmrolle als apokalyptischer Cop Jericho Cane bedarf es jedoch eindringlichen Nachforschunugen, welche die Neo-Marxisten um Zora Carmichaels (Cheri Oteri) für sich zu nutzen versuchen. Roland wurde entführt und sein Zwillingsbruder Ronald soll seinen Platz einnehmen. Die Idee ist, dass Roland als rassistischer Cop einen Mord an den Untergrundikonen Dion und Dream inszeniert, damit durch Boxer Santaros die Ambitionen des Republikaners Bobby Frost gedämpft werden. Letztlich kommt aber alles ganz anders, wie jeder gedacht hat, denn die Lager verschieben sich bei allen Figuren ein ums andere Mal, ebenso wie Freund und Feind.

In mancher Hinsicht können die Prequels somit zum Verständnis der Figuren beitragen. Wer sich die filmische Version von Krysta Now ansieht, erblickt kaum mehr als ein blondes Dummchen, welches gegen den Krieg und die Negierung von Jugendgeilheit vorgeht. Dabei ist Krysta Now in den Prequels eine selbst bestimmte und äußerst starke Persönlichkeit. Sie hat ihren eigenen Kopf und weiß diesen auch oftmals durchzusetzen – dieser Charakter ihrer Persönlichkeit kommt bedauerlicherweise im Film nicht oft zum Tragen. Die etwas naive Krysta wird aber in dieser Hinsicht äußerst gelungen von Sarah Michelle Gellar dargestellt, der man nicht nur das blonde Dummchen, sondern auch die Pornoactrice sofort abnimmt. Ähnlich glaubhaft ist auch die übrige Besetzung gelungen, von Mandy Moore als Madeline Frost Santaros bis hin zu Seann William Scott als Roland und Ronald Taverner. Ein besonderes Lob gebührt jedoch Dwayne Johnson, ehemals als The Rock bekannt, der hier eine starke Leistung abliefert und Erinnerungen an seine überzeugende Darstellung des schwulen Bodyguards in Be Cool wachruft. In Nebenrollen sind zudem Kevin Smith und Janeane Garofalo zu sehen, auch wenn Garofalos Figur von Teena MacArthur in der neu geschnittenen Version lediglich kurz in einer Szene zu sehen ist. Wer seine Augen aufsperrt kann sogar einen Cameo von Skandal-Regisseur Eli Roth erhaschen.

Teen horniness is not a crime.

Was aber bei Southland Tales besonders herausragt, ist sein Soundtrack. Richard Kellys Entscheidung, Musiker Moby diesen komponieren zu lassen, ist ein wahres Geschenk. Dessen elegische Stücke tragen auch eine Vielzahl von Szenen, darunter die finale Doomsday-Sequenz, aber auch eine der gelungensten Einstellungen, der Inszenierung von Dion und Dreams Erschießung. Diese wird nicht nur großartig von Mobys „3 Steps“ eingeleitet, sondern auch ebenso genial mit „Wave of Mutilation“ von den Pixies beschlossen. In das Gesamtbild des Soundtracks fügen sich aber auch „All the Things I’ve Done“ von The Killers ebenso brillant ein, wie Rebekah del Rios Version des „Star Spangled Banner“. Genauso sollte man auch die vielen Referenzen zu den Prequels lobend erwähnen, wie Bart Bookmans einsilbiges „Flow my tears“, welches dem Nichtkenner ziemlich wenig sagen wird. Hierzu kann man sicher auch die etwaigen „Do you bleed?“-Anspielungen zählen, die sich ohne die Vorgeschichte nicht nachvollziehen lassen. Insgesamt ist Richard Kelly bei einem bescheidenen Budget von 15 Millionen Dollar eine sehr stimmige Anknüpfung mit seinen Kapiteln „Temptation Waits“, „Memory Gospel“ und „Wave of Mutilation“ gelungen. Es bleibt zu hoffen, dass Kellys Intention die Cannes-Version noch auf DVD zu veröffentlichen Gehör finden wird, da der „Director’s Cut“ neue Einblicke gewähren dürfte.

Den ersten Drehbuchentwurf hatte Richard Kelly 2001 wenige Wochen vor dem 11. September verfasst. Damals war Southland Tales noch als Seitenhieb auf Hollywood konzipiert worden. Doch die Ereignisse und Auswirkungen von 9/11 änderten Kellys Perspektive. Jetzt ist sein Film eine Satire über den Weltuntergang geworden, die bewusst überzeichnet ist und gewollt idiotisch und lustig wirken soll. Beeinflusst wurde Kelly für seine Geschichte von vielen verschiedenen anderen Werken, darunter zuvorderst sicherlich die Offenbarung des Apostels Johannes. Aber auch Robert Aldrichs Kiss Me Deadly zählt zu den großen Einflüssen des Filmes. Hierzu kommen dann noch wiederkehrende Zitate der amerikanischen Dichter Robert Frost („The Road Not Taken“) und T. S. Eliot („The Hollow Men“), sowie von Philip K. Dick und dem auf den Soundtrack enthaltenen Lied „Three Days“ der Gruppe Jane’s Addiction. Nunmehr ist Southland Tales ein metaphysisches und psychologisches Werk, dessen wahre Deutung wohl nur Kelly selbst vorbehalten bleibt, wie zuvor auch bei seinem Mysterie-Film Donnie Darko der Fall gewesen.

We saw shadows of the morning light
the shadows of the evening sun
until the shadows and the light were one.

Entgegen mancher Interpretation ist Southland Tales jedoch keine Verfilmung der Offenbarung, sondern bedient sich nur einiger Teile von dieser, ohne direkt auf das geschilderte Geschehen von Jesus’ Lieblingsjünger näher einzugehen. Insbesondere die wiederkehrenden Zahlen (12, 7, 4) tauchen im Film selbst nicht auf, auch die vier Reiter der Apokalypse lassen sich schwerlich erkennen, wie auch keine sieben Posaunen geblasen oder Siegel gebrochen werden. Die Interpretation ist dabei nicht immer einfach, schreibt der Film schließlich mancher Figur eine Rolle zu, die man durch bloßes Sehen anders besetzen würde. Bestes Beispiel hierfür ist die Verklärung durch Pilot Abilene, der die Funktion des Erzählers und somit des Chronisten Johannes einnimmt, dass es sich bei den beiden Zeugen um Boxer und Roland handelt. Dabei hat man als Zuschauer vielmehr das Gefühl, dass diese Rolle Dion und Dream gebührt. Ebenso verhält es sich mit dem apokalyptischen Reiter des weißen Pferdes, der im Film zwar als Walter Mung (Christopher Lambert) identifiziert wird, aber letztlich durch Martin Kefauver (Lou Taylor Pucci) dargestellt wird. Ohnehin wird – auch mit den Prequels – die Rolle von Mung in der Geschichte nicht wirklich geklärt, scheinbar gehört er aber zu den Neo-Marxisten und somit zum Baron.

Nobody rocks the cock like Krysta Now!

Aber es lassen sich durchaus einige Dinge mehr oder weniger identifizieren, so zum Beispiel Utopia Three als das Wasserungeheuer Leviathan und sein Äquivalent Behemoth zu Land (der Megazeppelin). Mit diesem geht letztlich auch der falsche Prophet Boxer unter, gemeinsam mit der Hure Babylon (Krysta Now), dem Antichristen (Baron), sowie seinen Puppen und Marionetten. Was genau mit dem Messias (Roland/Ronald) passiert, bleibt am Ende des Filmes offen, wie auch einige andere Fragen noch ungeklärt sind. Eine von ihnen wäre, wie Roland aus dem Treer Fahrzeug gelangen konnte, während Boxer mit diesem in die Luft gesprengt wurde. Oder wie es den Taverners gelang, beide Exemplare von Roland einzusammeln, nicht aber Boxer, denn die Beteiligung von Fortunio war insofern nicht von Anfang an geplant (siehe Temptation Waits). Vielleicht wird hier jedoch der Director’s Cut, ein Audio-Kommentar oder Bonusmaterial zukünftig noch etwas Licht ins Dunkle bringen. Vielleicht war dies von Kelly aber auch nie beabsichtigt, denn das Tolle an Southland Tales ist, dass der mit jeder Sichtung wächst, man jedes Mal etwas mehr versteht. Mit seinem Donnie Darko–Nachfolger ist Kelly ein außergewöhnlicher Film gelungen, ein satirischer Seitenhieb auf die heutige Gesellschaft und ein äußerst amüsantes und verqueres Zerrbild einer apokalyptischen Vision. Die Reaktionen auf den Film zeigen, dass er beileibe keine einfache Geschichte erzählt, wer sich auf den Film einlässt wird allerdings belohnt.

9/10

15. Juli 2008

Back to the Future

I just don't think I can take that kind of rejection.

Wenn ein Film mal so nebenbei gedreht wird, ist das in Hollywood schon etwas Besonderes. Wenn dieser Film dann aber zum erfolgreichsten Film seines Erscheinungsjahres wird, ist das etwas Außerordentliches. Für zwanzig Millionen Dollar und mit 32 Spezialeffekten gedreht, avancierte Back to the Future im Jahre 1985 zum Hit und spielte weltweit 380 Millionen Dollar ein. Heutzutage unvorstellbar, dass Marty McFly nicht von Michael J. Fox gespielt wird, aber beinahe wäre dies der Fall gewesen. Damals hatte Fox nämlich noch eine vertragliche Bindung mit seiner Fernsehserie Family Ties, weshalb die erste Wahl von Universal absagen musste. Stattdessen engagierte man Eric Stoltz und begann die Dreharbeiten, die jedoch nach wenigen Wochen abgebrochen wurden, da Produzent Steven Spielberg das Gefühl hatte, dass Stoltz nicht zum Projekt passte, da er zu ernst an die Rolle von McFly heran ging.

Stattdessen wurde doch Fox für die Rolle geholt, der während der gesamten Drehzeit wochentags für Family Ties vor der Kamera stand und nachts sowie am Wochenende Back to the Future drehte. Von den Lesern der britischen EMPIRE wurde Robert Zemeckis’ Film auf Platz Zwanzig der besten Filme aller Zeiten gewählt und dieser Platz gebührt ihm in der Tat. Zemeckis gelingt hier etwas, dass er später mit Forrest Gump noch mal wiederholen würde: die Einbindung von amerikanischer Zeitgeschichte in den Kontext seiner Filmhandlung. Beispielhaft hierfür steht die finale Schulballszene, wenn Marty den Klassiker„Johnny B. Goode“ anstimmt und Band-Sänger Marvin Berry so beeindruckt ist, dass er seinen Cousin Chuck anruft. Auch das Product Placement fand verstärkt Einzug in Back to the Future, von Pepsi Cola über Nike bis hin zu Goodyear Autoreifen.

Zudem nutzte Regisseur Robert Zemeckis den Film als Referenzwerk - die ganze Anfangssequenz übernahm Zemeckis aus The Time Machine, wie auch der De Lorean DMC-12 an die Zeitmaschine aus dem 60er Jahre Kultfilm angelehnt ist. Auch Referenzen zu Werken von Stanley Kubrick lassen sich durch den Film hinweg finden. Äußerst eindrucksvoll spielt der Film jedoch mit den kulturellen Referenzen, die Einbindung von Ronald Reagan in beide Zeitebenen, als amerikanischer Präsident in 1985 und als Schauspieler in 1955, aber auch die Thematik der nuklearen Bedrohung und Invasion Außerirdischer, die in den fünfziger Jahren eminent war, wird eingebaut. All jene Punkte, die auch das vierte Abenteuer von Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull ausmachen, finden sich bereits zwanzig Jahre zuvor in Zemeckis zeitlosem Meisterwerk.

Genauer gesagt verbindet beide Filme sogar weitaus mehr, denn ursprünglich war die Zeitmaschine nicht ein De Lorean DMC-12, sondern ein Kühlschrank. Doch Produzent Spielberg verwarf diese Idee, da er befürchtete, dass begeisterte Kinder anfangen würden in die hauseigenen Kühlschränke zu kriechen. Dennoch gelang es Spielberg, ein Element des früheren Drehbuchs filmisch zu verewigen. Marty McFly sollte eigentlich am Ende von Back to the Future durch eine nukleare Explosion in der Wüste Nevadas zurück in das Jahr 1985 geschickt werden, doch verschwand diese Szene, da sie damals nicht adäquat umzusetzen war. Stattdessen baute Spielberg jene berühmt-berüchtigte Szene in Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull ein, wo sie anschließend für Kontroversen unter den hartgesottenen Indiana-Jones-Fans sorgen sollte.

Während der Film für den Durchbruch von Hauptdarsteller Michael J. Fox sorgten, konnte auch ein anderer bekannter Darsteller hier erste Schritte in das Filmgeschäft machen. Beispielsweise Billy Zane, der seine erste Filmrolle als einer von Biffs Kumpels ergatterte (und damals noch Haare hatte). Nach der kurzen The Time Machine-Hommage präsentiert Zemeckis auch bereits das erste Product Placement: von Marty sieht man zu Beginn nichts außer seinen Schuhen. Seine Nike-Schuhe. Später sollen sich hier noch JVC und andere Artikel dazugesellen, der durchschnittliche Bond-Film würde vor Neid erblassen. Immerhin gelingt es Zemeckis exzellent, viele seiner Produkte gekonnt in das Handlungsgeschehen einzubinden, zum Beispiel wenn Marty 1955 in einer Bar eine zuckerfreie Pepsi bestellen möchte (“You want a Pepsi, pal, you gonna pay for it“).

US-Präsident Ronald Reagan (1955 noch als Filmschauspieler tätig, während er 1985 Präsident des Landes ist) war von der Anspielung auf seine Persönlichkeit so begeistert, dass er den Vorführer im Kino kurz nach der Szene bat, noch mal zu ihr zurück zu spulen. Später würde er den Film für eine seiner öffentlichen Reden zitieren. Aber auch der Einbezug von Calvin Klein Unterhosen (”Why do you keep calling me Calvin?“ - ”Well, that is your name, isn’t it? It’s written all over your underwear.“) und den anderen Produkten funktioniert ebenso gut, wie Martys Jimi Hendrix und Angus Young Imitationen oder die Doppelreferenz von Star Wars und Star Trek (“My name is Darth Vader. I am an extraterrestrial from the planet Vulcan!“). Back to the Future ist eine einzige pop-kulturelle Anspielung, dabei gehen die Macher äußerst liebevoll und detailverliebt mit diesen Anspielungen um.

Wenn Marty immer wieder das Wort „heavy“ benutzt, versucht sich Doc Emmett L. Brown (Christopher Lloyd) dies dadurch zu erschließen, dass 1985 etwas mit der Erdanziehung nicht stimmt. Und nachdem Marty von seiner Zeitreise zurückkehrt, heißt die „Two Pines Mall“ plötzlich „Lone Pine Mall“, da unser Jungspund schließlich eine der beiden Tannen umgefahren hat. Im Jahr 1994 würde Zemeckis Tom Hanks in allerlei historisches Archivmaterial schneiden lassen, denselben hervorragenden Effekt wie in Back to the Future konnte er aber nicht erzielen. Anfang der achtziger Jahre versuchte sich Autor Bob Gale hineinzuversetzen, ob er mit seinem Vater befreundet gewesen wäre, wenn er ihm im selben Alter hätte begegnen können. Aus dieser Idee heraus entstand Back to the Future, ein Projekt für welches sich Steven Spielberg sofort begeisterte.

Der Film erzielt seine Spannung aus dem Großvater-Paradoxon, da der 17-jährige Marty McFly (Michael J. Fox) durch eine notgedrungene Zeitreise zum 25. Oktober 1955 mit seiner eigenen Entstehung spielt. Statt seines Vaters George (Crispin Glover) wurde Marty von seinem Großvater angefahren. Aus diesem Grund verliebt sich anschließend seine Mutter Lorraine (Lea Thompson) nicht in seinen Vater, sondern in ihren eigenen Sohn - unwissentlich natürlich. Als Gale und Zemeckis mit dieser Geschichte zu Disney gingen, lehnten diese eine Finanzierung ab, zu riskant war ihnen die inzestuöse Thematik. Wohin das Großvater-Paradoxon führen kann, hat die Futurama-Folge Roswell That Ends Well auf humoristische Art und Weise gezeigt, als Fry nach einer Zeitreise in die Vergangenheit sein eigener Großvater wird.

In Back to the Future hingegen muss Marty fortan alles dafür tun, dass Lorraine doch ihre Gefühle für den schüchternen und introvertierten George entdeckt. Ein Grund weshalb George so klein gehalten wird, findet sich in seiner Nemesis Biff Tannen (Thomas F. Wilson). Im Grunde begrenzt sich das Back to the Future-Universum auf diese drei Charaktere: Marty McFly, Doc Brown und Biff Tannen beziehungsweise seine Vor- und Nachfahren. Ein Grund weshalb der Film und auch die Serie so exzellent funktioniert, liegt sicherlich in den Darstellungen dieser drei Schauspieler begründet, allen voran ist die Chemie zwischen Fox und Lloyd einfach nur grandios. Fox selbst würde durch die Trilogie zu internationalen Ruhm aufsteigen und die Rolle letztlich seine gesamte Karriere formen, wie es auch bei einem Tobey Maguire (Spider-Man) oder Daniel Radcliffe (Harry Potter) der Fall ist.

Durch seine Zeitreise-Thematik unterliegt Back to the Future denselben Schwächen wie die meisten seiner Genrevertreter á la The Terminator. Marty’s Existenz setzt voraus, dass er erfolgreich handeln wird beziehungsweise bereits gehandelt hat - unter gewissen Gesichtspunkten. Dahingehend widersprechen sich Zeitreise-Filme in gewissen Punkten selbst, obschon es Bill & Ted’s Excellent Adventure gelungen ist, diese Problematik auf geniale Weise vorzuführen und zum eigenen Vorteil zu verwenden. Wie jedoch das angesprochene Beispiel der „Lone Pine Mall“ zeigt, beschränken sich die Fehler innerhalb der Handlung auf dieses Ausgangsproblem, der Rest greift wie bei einem Reißverschlussverfahren gekonnt ineinander. Großes Plus des Filmes ist seine perfekt ausgearbeitete Handlung - er ist weder zu lang, noch zu kurz.

Es existieren keinerlei Lücken innerhalb des erzählten Geschehens, Marty geht es darum dafür zu sorgen, dass sich Lorraine und George beim Abschlussball küssen. Dabei dauert sein gesamter Aufenthalt in 1955 eine knappe Woche an, die im Film innerhalb von nicht mal zwei Stunden erzählt wird. Marty interveniert mit dem Raum-Zeit-Kontinuum und nach zwei gescheiterten Kuppelversuchen stehen auch schon der Ball und damit das Finale vor der Tür. Zu keinem Zeitpunkt verliert sich Zemeckis in Nebenhandlungen oder prescht auf irgendeine Art durch das Drehbuch. Nicht nur der Film, sonder auch die Inszenierung der Szenen ist dabei perfekt getimt. Die Minute, die Einstein zu Beginn in die Zukunft reißt, vergeht innerhalb des Filmes quasi in Realzeit (70 Sekunden). Hieran sieht man die extreme Liebe zum Detail, die den Machern anzurechnen ist.

Weiterer Pluspunkt ist der Fakt, dass es sich um eine Studioproduktion handelt. Der zentrale Platz des fiktiven Örtchens Hill Valley wird dabei in allen drei Filmen beibehalten und eingebaut. Doch nicht nur die Ausstattung überzeugt, sondern auch die restlichen technischen Bereiche. Lea Thompson, Thomas F. Wilson und Crispin Glover spielten ihre älteren Versionen von sich im Jahr 1985 selbst, was durch stundenlange Aufenthalte im Make-up möglich gemacht wurde. Dies ist natürlich nicht perfekt, hat es aber auch nicht zu sein, sehen Wilson und Thompson immerhin herrlich doof aus. Glover hingegen merkt man an, dass eine Hornbrille nicht reicht, um aus dem jüngsten Mitglied des Ensembles (damals 19 Jahre alt) den Familienvater zu machen. Den Spaß am Film trübt dies jedoch nicht, wird der doch allein durch den genialen Soundtrack von Alan Silvestri und Huey Lewis aufrecht erhalten.

Neben dem Klassiker „Earth Angel“ von den Temptations stechen vor allem die beiden Songs von Huey Lewis and the News hervor. Gerade „The Power of Love“ ist ein Meisterwerk der Pop-Geschichte und trug zum Kultfaktor des Filmes bei. Ironischerweise war für diesen nie eine Fortsetzung angedacht, trotz des offenen Endes. Als grandioses Beispiel dafür, was mit wenig Geld und Spezialeffekten erreicht werden kann, hat sich Zemeckis’ Werk seinen Platz in der Filmgeschichte verdient. Ohnehin ist es erstaunlich, dass Spielberg sich in den achtziger Jahren mit lediglich 20 Millionen Dollar für solche Meisterwerke wie Raiders of the Lost Ark oder  Back to the Futureverantwortlich zeichnet. Letzterer selbst ist ungemein amüsant und liebevoll inszeniert - was ihn zu einen der besten und einen der coolsten Filme aller Zeiten macht.

10/10